Christus kam nur bis Pennsylvania

Warum die aktuelle Missbrauchskrise in den Vereinigten Staaten nicht nur Kardinäle betrifft, sondern auch den Papst in Rom.

Am 14. August präsentierte der Generalstaatsanwalt von Pennsylvania den Grand Jury-Bericht über die sexuellen Vergehen katholischer Priester in sechs Diözesen über einen Zeitraum von siebzig Jahren. Kurz darauf erhob CNN, dass nur noch etwa die Hälfte aller Amerikaner den Papst positiv einschätzen, während es im Vorjahr noch zwei Drittel waren. Was war passiert?

Der Untersuchungsbericht der Grand Jury war wohl nicht das Problem, denn der John Jay College of Criminal Justice Report von 2004 hatte bereits Missbrauchsfälle in ganz Amerika von 1950 bis 2002 untersucht. Das Spektrum der Verbrechen gegen Kinder und das Fehlverhalten seitens der Bischöfe sind in Amerika seither Allgemeinwissen, von anfänglicher Naivität, über unfassbare Inkompetenz bis hin zum vorsätzlichen Vertuschen.

Aus dem John Jay Report war zu erkennen, dass die Zahl der Fälle in den späten sechziger Jahren anstieg und in den Siebzigern den Höhepunkt erreichte. In den Achtzigern nahmen die Fälle weiter stetig ab und sanken in den Neunzigern wieder auf das Niveau der fünfziger Jahre. In den Neunzigern gingen zwar die meisten Missbrauchsmeldungen ein, aber der Großteil bezog sich auf Vorfälle aus den Dekaden zuvor. Der Höhepunkt öffentlicher Entrüstung hingegen wurde viel später, im Laufe der Enthüllungen durch den Boston Globe in 2002 erreicht. Kardinal Bernard Law, der die Empfehlungen der Bischofskonferenz für einen konsequenten und transparenten Umgang mit Vorwürfen nicht befolgt hatte, trat von der Leitung der Diözese Boston zurück. Die Bischöfe Amerikas adoptieren offiziell eine „Null Toleranz“-Politik, Täter durften nicht wieder als Seelsorger eingesetzt werden, auch nicht nach einer „Behandlung“.

Der Pennsylvania Jury Report bestätigte nun einen deutlichen Rückgang von Missbrauchsfällen, seit den 2002 implementierten Leitlinien. Aus der ersten Welle der Entrüstung hatte die amerikanische Kirchenhierarchie grundsätzliches Krisenmanagement gelernt: Dass seitens der Institution nur Reue, Zerknirschung und die Bitte um Vergebung artikuliert werden kann und verzerrende Nebeneffekte der Medienkampagne nur mit respektvollem Zeitabstand und von scheinbar unbeteiligten Beobachtern analysiert werden dürfen. Dass es sich bei etwa neunzig Prozent der zitierten Fälle nicht strikt um Pädophilie, also um Übergriffe auf vorpubertäre Kinder, handelte. Dass, trotz der erschreckenden Zahlen, sexueller Missbrauch Minderjähriger beim katholischen Klerus statistisch unter dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung liegt.

Obwohl die sexuellen Übergriffe katholischer Priester in den Medien am besten dokumentierten sind, haben die in der englischsprachigen Welt bekannt gewordenen Fälle von Fernsehstars, Politikern und Popsängern in der öffentlichen Meinung mittlerweile den Eindruck abgebaut, es sei vor allem der Zölibat, der die Pädophilie fördere. Die Zahlen widerlegen ohnehin den Mythos, dass zölibatäres Leben Kindesmissbrauch begünstige: pädophile Straftäter leben überwiegend in Partnerschaften.

In einem Punkt unterscheiden sich die katholischen Priester Amerikas statistisch dramatisch vom Rest der männlichen Bevölkerung: Während Männer im Allgemeinen wesentlich mehr weibliche Opfer missbrauchen, haben sich katholische Priester bisher an wesentlich mehr männlichen Opfern vergangen. Die Tatsache dass es sich bei den Missbrauchsfällen durch Priester im John Jay Report zu achtzig Prozent um homosexuelle Übergriffe auf männliche Teens handelte, beschäftigte bereits 2004 die Öffentlichkeit.

In Diskussionen um die Frage nach den Ursachen der Missbrauchskrise geht es also erneut um die Rolle von Homosexualität. Schenkt man den in katholischen Medien verbreiteten Einteilungen Glauben, dann halten „ultrakonservative Homophobe“ Homosexualität für das Hauptproblem, während Liberale wissen, dass der „Klerikalismus“ Schuld daran ist. Doch ganz so simpel lassen sich die Perspektiven nicht zuordnen, denn auch viele liberale Katholiken in den Vereinigten Staaten stimmen mit dem Soziologen Richard Snipes darin überein, dass die Zahlen es unmöglich machen, homosexuelle Neigung als Faktor in der Missbrauchskrise auszuschließen. Der leichtere Zugriff auf Jungen mag vor allem für Fälle in der Vergangenheit eine Rolle gespielt haben, aber auch in jüngerer Zeit scheint sich an der Proportion nichts geändert zu haben. Wichtig bleibt dabei, dass homosexuelle Neigung in den Fällen von genuiner Pädophilie, die fünf bis zehn Prozent der Missbrauchsfälle in den beiden Berichten ausmachen, gerade keine besondere Rolle spielt. Dass Homosexualität nicht zu Pädophilie führt, kann nicht oft genug gesagt werden, aber von einer Krise gleichgeschlechtlichen Missbrauchs an Teenagern zu sprechen, muss weder „homophob“ noch „ultrakonservativ“ sein, sondern ist zunächst einmal nur eine Artikulation der Zahlen in Worten. Dass die Pressekonferenz zum Jury Report auf dem Podium dennoch eine Gruppe überwiegend weiblicher Opfer zeigte, entging Beobachtern natürlich nicht.

Was nun aus dem Jury Report letztendlich Sprengstoff machte und eine kleine Popularitätskrise für den Papst verursachte, waren weder Enthüllungen noch Grundsatzdebatten, sondern das Timing seines Erscheinens. Erst kurz zuvor, Ende Juni, hatte die New York Times berichtet, dass es eine glaubwürdige Anschuldigung gegen Kardinal McCarrick von Washington gebe, er habe einen Minderjährigen sexuell missbraucht. Aus den Reaktionen auf diese Nachricht ging hervor, dass Kardinal McCarrick längst für seine homosexuellen Affären bekannt war und als „Uncle Ted“ ganze Reihen von Seminaristen und jungen Priestern belästigt hatte.

Diese Nachricht schlug nicht nur in der katholischen Kirche Amerikas kräftig ein, denn die Fallhöhe Kardinal McCarricks hatte sich über dessen Bischofssitz in der Hauptstadt Washington hinaus durch seine besondere Nähe zu Papst Franziskus nochmals gesteigert. Ende Juli trat McCarrick als Kardinal zurück. Anfang August löste der Papst mit der Änderung des Paragrafen zur Todesstrafe im Katechismus eine Debatte aus, die, wie vorauszusehen, vor allem Amerikas konservative Katholiken intensiv beschäftigte. Die McCarrick story schien damit gekappt.

Doch das Erscheinen des Jury Report machte auch McCarrick erneut zum Thema und Diskussionen um seine Rolle in Amerikas Kirche wurden spezifischer.

Aus manchem Kuriengeflüster war längst bekannt, dass die Kardinäle Blase Joseph Cupich und Joseph William Tobin nie auf den Listen der Bischofskongregation standen, sondern jeweils über McCarricks Empfehlung und auf direkte Anweisung des Papstes ernannt und umgehend zu Kardinälen gemacht worden waren. War dies nun endlich ein konkretes Beispiel jenes korrupten Netzwerkes, das Papst Franziskus eigentlich bekämpfen wollte?

Eine Woche später behauptete Erzbischof Carlo Maria Viganò, der ehemalige Nuntius in Amerika, Papst Franziskus habe mindestens seit 2013 gewusst, dass McCarrick serienmäßig Seminaristen belästigt habe. McCarrick sei trotzdem zum wichtigsten amerikanischen Berater des Papstes avanciert und tatsächlich für die Ernennungen von Cupich und Tobin verantwortlich gewesen.

Kardinal Cupich erklärte daraufhin, es sei nicht gut, den Vorwürfen Viganòs nachzugehen, der Papst habe von McCarricks sexuellen Übergriffen auf Seminaristen und Priester gewusst: „Der Papst hat eine wichtigere Agenda, er muss sich um andere Dinge kümmern, über die Umwelt sprechen, den Schutz der Migranten, und die Arbeit der Kirche weiter führen. Wir werden uns in dieser Sache nicht in die Ecke treiben lassen.“

Auch Kardinal Donald Wuerl, der Nachfolger McCarricks als Erzbischof von Washington, versuchte in einem Fernsehinterview mit dem englischsprachigen Vatikansprecher Thomas Rosica die Behauptungen Viganos herunterzuspielen: „Ich glaube nicht, dass wir hier eine riesige, riesige Krise haben.“

Der iranische Konvertit zum Katholizismus Sohrab Ahmari beanstandete in der New York Post, dass Kardinal Wuerl die Missbrauchskrise lediglich als Imageproblem behandele. „Barmherzigkeit“ ohne Wahrheit und Buße sei nicht mehr als Public Relations.

Wuerl hatte eine Webseite „The Wuerl Record“ einrichten lassen, die zeigen sollte, dass er keinen Missbrauch habe durchgehen lassen. Sie wurde umgehend wieder gelöscht und die Washington Post brachte unter dem Titel „Ein Blender im Kardinalshut“ detaillierte Hinweise darauf, dass der Kardinal Missbrauchstäter lediglich versetzte, einen Informanten für sein Schweigen bezahlte und einen Ring von Kinderpornos produzierenden Priestern geschützt habe.

So wurde der Jury Report zum Anlass für eine neue Diskussion über die Strukturen, Missbrauch zu verheimlichen. Das Phänomen, dass Vorgesetzte in Priesterseminaren und Diözesankurien den Nachwuchs rekrutieren und fördern, der ihre sexuellen Präferenzen teilt, ist in den Vereinigten Staaten gut dokumentiert und wird nun im Zusammenhang mit McCarrick und Wuerl offen diskutiert. Beide Kardinäle waren die Protegés homosexuell aktiver Mentoren, McCarrick wurde selbst zum Täter, Wuerl war immerhin in Missbrauchsvertuschung involviert. Die These Sipes scheint sich zu bewahrheiten, dass der Versuch, das eigene Fehlverhalten zu verbergen, zu einer Verheimlichungskultur unter sexuell aktiven Klerikern führe, in der keiner den ersten Stein werfen wolle, im Extremfall selbst dann, wenn ein Verdacht auf Vergehen gegen Minderjährigen bestehe.

Ob und wann der Papst über McCarricks homosexuelle Affären mit Seminaristen und Priestern informiert war oder sogar über die in der Diözese New York 2016 eingegangene Anklage, er habe einen Minderjährigen missbraucht, steht weiterhin offen. Der Papst erklärte, er werde darüber schweigen und umgehend zirkulierten Zitate aus seiner Predigt am Palmsonntag, als er den Jugendlichen zurief: „Ihr habt es in Euch, laut zu rufen“, während „ältere Leute, Personen in Führungspositionen, sehr oft die korrupten, lieber schweigen!“

Die Reaktionen einiger der engsten Alliierten des Papstes, wie Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, oder auch die seines englischen Biographen, des Publizisten Austin Ivereigh, waren unmusikalisch robust: Wieso die Aufregung, mit der Ausnahme der neuesten Vorwürfe sei es bei McCarrick schließlich nur um einvernehmliche Affären mit Volljährigen gegangen. „Oder habe ich hier was verpasst?“, fragte Ivereigh auf Twitter.

Ein Fingerspitzengefühl für das Empfinden der amerikanischen Öffentlichkeit fehlte hier. Vor allem seit der durch Harvey Weinsteins casting couch ausgelösten #metoo-Kampagne überzeugt das „Einvernehmen” zwischen Bischöfen und Seminaristen so wenig wie die zwischen Filmmogulen und Schauspielschülerinnen, Firmenchefs und Praktikanten.

Der Journalist und Papstbiograph Phil Lawler fasst am besten zusammen, was Amerikas Katholiken seither verunsichert: Auch wenn der Papst nichts vom 2016 erstmals erhobenen Vorwurf des Missbrauchs Minderjähriger wusste, ist es denkbar, dass der Papst homosexuelle Affären mit Seminaristen nicht als Disqualifikation für Schlüsselpositionen in der Kirche hält?

Präzedenzfälle, meint Lawler, zeigen, dass diese Frage mit ja beantwortet werden muss, denn der Papst ernannte auch den von Skandalen geplagten Prälaten Battista Ricca zu seinem Vertrauensmann beim vatikanischen Geldinstitut IOR. Der meistzitierte Satz des Pontifikates, „Wer bin ich, darüber zu urteilen?“, fiel in der Antwort des Papstes auf die Journalistenfrage bei einer „fliegenden Pressekonferenz, ob Riccas homosexuelle Affären ihn nicht ungeeignet machten. Der Papst betonte damals, dass er die Grenze dort ziehe, wo es um Kriminalität gehe, denn Missbrauch von Kindern sei ein Verbrechen.

„Kann es sein, dass der Vikar Christi auf Erden einem Kardinal, der Seminaristen verführte, nicht nur verzeiht. sondern auch als vertrauten Berater zu Rate zieht?“ Lawler meint, es gebe keinen Grund, diese Vermutung zurückzuweisen. Auch im Fall des belgischen Kardinals Danneels, der einen befreundeten Missbrauchstäter schützte, schien der Papst das nicht weiter übel zu nehmen und berief ihn zur Familiensynode.

Außer Zweifel steht, dass der von Papst Benedikt marginalisierte McCarrick im Pontifikat von Franziskus zum einflussreichsten amerikanischen Kirchenmann wurde. Noch 2016 reiste er als inoffizieller Mittelsmann nach China, er setzte sich in US-Medien für einen Kompromiss mit der chinesischen Regierung ein, der mittlerweile trotz erneuter Repressalien gegen Katholiken in China zustande gekommen ist. Als Patenonkel des gerade unterzeichneten China-Deals bereitete er den Weg für die Legitimierung regierungsnaher Bischöfe, die wegen ihres Lebenswandels bisher nicht als geeignete Hirten galten. Dass er bei seinen Besuchen in Priesterseminaren der offiziellen Kirche abstieg, verleiht dem China-Abkommen im Blick auf die Vorwürfe gegen McCarrick eine peinliche Fußnote.

Die alte Regel, private Sünden nicht publik zu machen, solange kein Verbrechen vorliegt, war bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehbar, doch in der Diskussion um Kindesmissbrauch verschiebt sich die Gewichtung der Kriterien. Dass kompromittierte Bischöfe weniger bereit sind, Missbrauch aufzudecken, ist kein irrationaler Verdacht, sondern geht aus den Erfahrungen der Vergangenheit hervor. Generationen systemischer Korruption haben hier unermesslichen Schaden angerichtet, und es ist unmöglich zu leugnen, dass Homosexualität dabei eine Rolle spielte. Nicht wegen einer Fixierung auf sexuelle Orientierung, sondern um der Opfer dieser Korruption willen sind die privaten Sünden des Kardinal McCarrick nun von Interesse.

Die Vermutung des in den Vereinigten Staaten lebenden Publizisten Andrew Sullivans, dass es die Unterdrückung von Homosexualität sei, die im katholischen Milieu zu Missbrauch führe, beruht auf einem hydraulischen Modell der Sexualität, das in der Freudschen Folklore seinen Platz hat, wissenschaftlich allerdings schwer zu belegen ist. Sullivan selbst ist bekennender Katholik und lebt in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft. Kernpunkt seiner persönlichen Reaktion auf die Missbrauchsskandale ist die Annahme, dass keiner dieser Priester, die sich wiederholt an Kindern oder Minderjährigen vergehen, an das Evangelium glaube. Das gleiche gelte vermutlich für Bischöfe, die solche Männer schützen. Und damit setzt Sullivan alles auf eine Karte: Die Missbrauchskrise sei im Grunde eine Glaubenskrise.

Richtig ist sicher, dass der, der an Christus und seine Kirche und damit an die Heiligkeit und Wirksamkeit der Sakramente glaubt, im Krisenfall oft und aufrichtig beichtet und damit dauerhaft kein moralisches Doppelleben führen wird. Mit Zynismus und Heuchelei können wir dem Leib Christi, der Kirche, Wunden zufügen, die sie bis zur Unkenntlichkeit entstellen. Nur wer glaubt, kann sich dann noch sicher sein, dass es dennoch Christus ist, der seine Kirche nicht verlassen wird, bis ans Ende der Tage.

Zuerst erschienen im VATICAN-Magazin, Ausgabe 10 / 2018. Veröffentlicht bei CNA Deutsch mit freundlicher Genehmigung. (CNA Deutsch)

Auf die lange Bank geschoben?

Einige Gedanken zur Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz.

Anderthalb DINA4-Seiten umfasst die Erklärung der deutschen Bischöfe zu den Ergebnissen der Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“.

Sie ist ebenso knapp wie kühl und nach eingehender Lektüre hatte ich den Eindruck, mir läge die Pressemitteilung des Kanzleramtes oder irgendeiner Parteizentrale vor, nicht aber eine Erklärung der deutschen Oberhirten.

Der Illusion, die deutschen Bischöfe wollten als Seelsorger sprechen – vor allem in die Seelen der Missbrauchsopfer – sollten wir uns aber gar nicht erst hingeben, denn hier geht es vor allem um die Ansprache der Öffentlichkeit oder besser derjenigen Teile der Öffentlichkeit, die man Meinungsführer nennt.

Von diesen Meinungsführern haben die deutschen Bischöfe seit Kardinal Lehmann sehr viel gelernt, weswegen die Überschrift der Erklärung auch „Good Governance statt Hirtenamt“ lauten könnte. Denn es wimmelt in der Erklärung von Versatzstücken und Wieselwörtern der „guten Regierung“: Man will Aufarbeitungsprozesse angehen, Personalakten standardisieren, ein externes, verbindliches, überdiözesanes Monitoring einrichten und Verfahren fortentwickeln. Das hören wir schon seit Jahren – Prozesse und Verfahren. Bedeutet das vielleicht: Noch eine Kommission, noch ein Arbeitskreis? Zimmert man sich da wieder eine lange Bank, auf die man die ganze Angelegenheit schiebt?

So wie es sicher genügend deutsche Bischöfe gibt, denen es mit der Aufklärung Ernst ist, die nicht mehr damit warten können, in ihrer Diözese aufzuräumen, wird es auch Amtsträger geben, die zu lange weggeschaut und sich damit selbst schuldig gemacht haben. Hoffen sie vielleicht, noch einmal davonzukommen? Noch können sie hoffen, da ja auch von höchster Stelle zu einschlägigen Anschuldigungen geschwiegen wird.

Schließlich lesen wir von noch einem „transparenten Gesprächsprozess“, in dem man unter „Beteiligung von Fachleuten verschiedener Disziplinen“ „Fragen nach der zölibatären Lebensform der Priester und nach verschiedenen Aspekten der katholischen Sexualmoral“ erörtern will.

Nun sollte der Zölibat, wenn man ihn denn ernst nimmt, und die katholische Sexualmoral sexuellen Missbrauch eigentlich verhindern und nicht fördern. Vergegenwärtigen wir uns die Zahlen. 4.4 % der deutschen Kleriker sollen sich des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger schuldig gemacht haben, was aber nur als untere Schätzgröße gilt (S. 5. des Berichts). Gehen wir also getrost von höheren Missbrauchszahlen aus. Selbst dann müssen wir uns fragen: Sollen tatsächlich 5, 10 oder 20 % unter den Priestern gegen alle anderen ausgespielt werden, um lang gehegte Theologenträume wieder und wieder zu diskutieren? Hier muss man sogar hoffen, dass diese Diskussion auf die lange Bank geschoben wird, denn wie die außerkirchliche Erfahrung zeigt, schützt Ehe vor Missbrauch nicht.

Meiner Meinung nach bietet die Erklärung aber auch den Ansatz zu einer Lösung, nämlich dort, wo die Bischöfe den Betroffenen Gerechtigkeit zu teil werden lassen wollen und von einem institutionellen Versagen sprechen. Welche Institution könnte hier gemeint sein, wenn nicht das Bischofsamt selbst! Viel zu lange haben die Bischöfe sich hinter einer anderen Institution, der Bischofskonferenz, versteckt. Sagen wir es ganz klar: Hier geht es nicht um Kollegialität, hier geht es um Jurisdiktion!

Das II. Vatikanum hat es in Lumen Gentium, 27, ganz eindeutig erklärt: „Die Bischöfe leiten die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch, Beispiel, aber auch in Autorität und heiliger Vollmacht, die sie indes allein zum Aufbau ihrer Herde in Wahrheit und Heiligkeit gebrauchen (…). Kraft dieser Gewalt haben die Bischöfe das heilige Recht und vor dem Herrn die Pflicht, Gesetze für ihre Untergebenen zu erlassen, Urteile zu fällen und alles, was zur Ordnung des Gottesdienstes und des Apostolats gehört, zu regeln.“

Daraufhin möchte man ausrufen: Bischöfe Deutschlands! Bischöfe in aller Welt! Lasst Euch nicht von Bischofkonferenzen einhegen, sondern nehmt Euren Auftrag wahr. Dort wo sich Vorwürfe gegen Priester und Diakone erhärten, suspendiert sie vom Amt und entfernt sie aus den Gemeinden – ganz gleich, welche sexuelle Präferenz sie haben. Versetzt sie aber nicht in andere Pfarreien, wo sie weiter Straftaten begehen können. Wenn sie vor Gericht überführt werden, entlasst sie aus dem kirchlichen Dienst und stellt sie bitte nicht als Pastoralreferenten wieder ein. Ja, ihr habt eine Fürsorgepflicht auch gegenüber diesen Priestern. Sie brauchen Hilfe. Aber wie „Uncle Ted“ sollten sie ein Leben in Abgeschiedenheit und Buße führen.

Nehmt also einfach Euer Amt wahr, dann werdet ihr Eure Glaubwürdigkeit zurückerlangen – vielleicht zum Ärger derjenigen, die nun Morgenluft für ihre billigen theologischen Allgemeinplätze wittern. Nicht nur die Opfer, sondern auch alle Gläubigen haben das Recht, die authentische Stimme der Bischöfe zu hören, anstatt sich im eiskalten Behördendeutsch des Sekretariats der DBK wiederfinden zu müssen.

Aber vielleicht ist das alles zu viel verlangt, in einer Zeit, in der Bischofskonferenzen die Jurisdiktion des einzelnen Bischofs unterlaufen, ihm gleichzeitig aber Gelegenheit bieten, sich hinter allen anderen Konferenzmitgliedern zu verstecken. Eins steht aber fest: Mit „Good Governance“ der oben zitierten Art wird die Gerechtigkeit den Betroffenen gegenüber auf die lange Bank geschoben. (CNA Deutsch)

Kardinal Schönborn: Vielleicht weihe ich eines Tages auch Frauen als Diakone

 

WIEN – Kardinal Christoph Schönborn hat am heutigen Samstag im Stephansdom über die Weihe von Frauen zu Diakonen gesprochen. „Grundsätzlich ist alles offen“, so der Erzbischof von Wien wörtlich laut der österreichischen Agentur „Kathpress„.

Schönborn habe beim Abschlusstag der Diözesanversammlung zur spirituellen Erneuerung als Basis für die Reformbemühungen aufgerufen: „Wenn die Liebe zu Gott wächst, dann wächst eine Gemeinde, dann ist sie stark und lebendig“, so der Vorsitzender Österreichischen Bischofskonferenz.

Der Kardinal berichtete, vor wenigen Tagen 14 Männer zu Ständigen Diakonen geweiht zu haben.

„Vielleicht eines Tages auch Frauen als Diakone“, fügte Schönborn unter großem Applaus der 1700 Delegierten der Diözesanversammlung hinzu, meldet „Kathpress“, und weiter: Es habe Diakoninnen in der Kirche gegeben, in manchen Ostkirchen bis heute, erinnerte Schönborn. „Grundsätzlich ist das offen.“

Auch Papst Franziskus hat oft über die Bedeutung der Rolle der Frau in der Gesellschaft gesprochen und 2016 eine neue Kommission eingesetzt, um die Möglichkeit zu untersuchen, Frauen als Diakone zu weihen.

Erzbischof Luis Ladaria, Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, wurde zum Präsidenten einer aus 12 Mitgliedern – 6 Männern und 6 Frauen – bestehenden Kommission ernannt, darunter Karl-Heinz Menke und Marianne Schlosser.

Deren Abschlussbericht wurde Quellen zufolge bereits im April entworfen, wie CNA Deutsch berichtete. Ob er dem Papst bereits vorgelegt wurde, ist unbekannt.

Bericht der Internationalen Kommission

Die Frage eines Diakonats der Frau wurde in der jüngsten Vergangenheit diskutiert: Ein Bericht der Internationalen Theologischen Kommission von 2002 mit dem Titel „Der Diakonat: Entwicklungen und Perspektiven“ widmete der Rolle weiblicher Diakone in der frühen Kirche ein ganzes Kapitel über den „Dienst der Diakonissen“.

Im Hinblick auf die Weihe von Frauen zum Diakonat wird im Bericht betont, dass „Diakonissen“ in der frühen Kirche des Westens kein Weihe-Amt ausübten. Eine Quelle aus dem 10. Jahrhunderts wird zitiert mit den Worten:

„Früher wurden auch Diakonissen geweiht; sie hatten die Aufgabe, sich der erwachsenen Frauen anzunehmen, damit sie sich nicht vor dem Bischof ausziehen mussten. Aber als der Glaube sich ausbreitete und entschieden wurde, Kindern die Taufe zu spenden, erübrigte sich diese Aufgabe.“

Der Bericht der Internationalen Kommission schreibt auch:

„Im Mittelalter haben Nonnen in Krankenhäusern und als Lehrerinnen faktisch die Aufgaben der Diakonie erfüllt, ohne allerdings zu diesem Dienst geweiht zu werden. Der Titel, dem kein Dienst mehr entspricht, wird Frauen gegeben, die zu Witwen oder Äbtissinnen eingesetzt werden. Bis zum 13. Jahrhundert werden Äbtissinnen manchmal Diakonissen genannt.“

(CNA Deutsch)

Erzbischof Vigano veröffentlicht neue Stellungnahme zu Papst Franziskus und McCarrick

VATIKANSTADT – Erzbischof Carlo Maria Viganò hat ein neues Schreiben zu den Vorwürfen veröffentlicht, dass hochrangige Prälaten an der Vertuschung des mutmaßlichen sexuellen Missbrauchs durch Erzbischof Theodore McCarrick beteiligt waren.

Der auf den 29. September – dem Fest des Heiligen Erzengels Michael – datierte Brief trägt als Überschrift das bischöfliche Motto von Erzbischof Viganò: Scio Cui credidi (ich weiß, wem ich geglaubt habe – nach 2 Tim 1,12). Er wurde vor wenigen Stunden veröffentlicht.

Der ehemalige Apostolische Nuntius dankt in dem vierseitigen Dokument eingangs „Gott dem Vater für jede Situation und Prüfung, die er vorbereitet hat und die er für mich während meines Lebens vorbereiten wird“. Als Priester und Bischof der Heiligen Kirche sei er wie jeder Getaufte berufen, die Wahrheit zu bezeugen, schreibt Viganò, und erinnert an Psalm 103:33-34:

„Ich beabsichtige, dies bis zum Ende meiner Tage zu tun.“

Viganò erinnert daran, dass er vor einem Monat seine schweren Vorwürfe gegen Papst Franziskus und mehrere hochrangige Kirchenmänner veröffentlicht hat, denen er zur Last legt, vom sexuellen Fehlverhalten von Erzbischof Theodore McCarrick gewußt zu haben.

Er habe sich entschieden, diese Vertuschung zum Wohl der Kirche offenzulegen, „nach langem Nachdenken und Beten, während Monaten tiefen Leidens und Leidens, angesichts eines Crescendos ständiger Nachrichten über schreckliche Ereignissen“, schreibt Viganò.

„Das Schweigen der Hirten, die hätten Abhilfe schaffen und neue Opfer verhindern können, wurde immer unhaltbarer, ein verheerendes Verbrechen für die Kirche“.

Viganò betont: „Im Bewusstsein der enormen Folgen, die mein Zeugnis haben könnte, denn was ich enthüllen würde, betraf den Nachfolger Petri selbst, entschied ich mich dennoch zur Aussage, um die Kirche zu schützen, und ich erkläre mit reinem Gewissen vor Gott, dass mein Zeugnis wahr ist.“

Päpstliches Geheimnis

Der Erzbischof und ehemalige Nuntius räumt ein, dass ein Teil dessen, was er offenlegte, unter das Päpstliche Geheimnis fiel, rechtfertigt aber seine Entscheidung mit dem Argument, dass „der Zweck einer jeden Geheimhaltung, einschließlich des Päpstlichen Geheimnisses, darin besteht, die Kirche vor ihren Feinden zu schützen, nicht Verbrechen zu vertuschen oder sich daran zu beteiligen“.

Als „unfreiwilliger Zeuge schockierender Tatsachen“ berufe er sich auf des Katechismus der Katholischen Kirche, der – außer in der Beichte – eine Offenlegung eines Geheimnisse erlaubt, um Schaden abzuwenden.

Tatsächlich sieht der Katechismus dies in Fällen vor, wo „die Bewahrung des Geheimnisses dem, der es anvertraut, oder dem, dem es anvertraut wird, oder einem Dritten einen sehr großen Schaden zufügen würde“ (KKK, 2491) – und entbindet in solchen Fällen Katholiken von der Geheimhaltung.

Viganò stellt fest: „Weder der Papst noch einer der Kardinäle in Rom haben die Tatsachen geleugnet, die ich in meinem Zeugnis beschrieben habe“. Wenn sie seiner Darstellung widersprechen wollten, so der Erzbischof, „müssen sie es nur sagen und Unterlagen zur Verfügung stellen, um ihr Abstreiten belegen“.

Unvermeidlich sei da doch der Eindruck, dass der Grund, warum die Akten nicht veröffentlicht werden, darin bestehe, dass diese „meine Aussagen bestätigen“, so der Erzbischof.

McCarrick „eindeutig kein Einzelfall“

Erzbischof Viganò verweist darauf, dass Papst Franziskus auf die Vorwürfe antwortete, dass er dazu „kein einziges Wort“ sagen werde, jedoch dann „sein Schweigen mit dem von Jesus in Nazareth und vor Pilatus verglichen hat, und mich mit dem großen Ankläger Satan verglichen hat, der Skandal und Spaltung in der Kirche sät – wenn auch ohne jemals meinen Namen zu sagen“.

Der Erzbischof kritisiert die „mangelnde Bereitschaft des Papstes, auf meine Vorwürfe zu reagieren, und seine Taubheit gegenüber den Appellen der Gläubigen“. Das Verhalten von Franziskus sei weder vereinbar mit seiner Rechenschaftspflicht, noch stehe es im Einklang „mit seinen Forderungen nach Transparenz und Brückenbau“.

Viganò schreibt weiter, dass

„die Vertuschung von McCarrick durch den Papst eindeutig kein Einzelfall war“. Franziskus habe schließlich „homosexuelle Geistliche verteidigt, die schwere sexuelle Übergriffe gegen Minderjährige oder Erwachsene begangen haben“. Er nennt als Beispiele die Fälle der überführten Kinderschänder Julio Grassi aus Argentinien und Mauro Inzoli aus Italien – sowie den Fall der Überprüfung von „Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs gegen Kardinal Cormac Murphy O’Connor“.

Erzbischof Viganò fordert Kardinal Daniel DiNardo und weitere US-Bischöfe auf mitzuteilen, ob Papst Franziskus ihre Forderung nach einer Untersuchung der Vorwürfe durch den Vatikan abgelehnt hat.

(DiNardo hatte eine solche selbst gefordert, den Papst dazu am 13. September mit einer US-Abordnung im Vatikan getroffen, danach aber nicht mitgeteilt, wie Franziskus entschieden hat. Auch das Presse-Amt des Heiligen Stuhls machte dazu keine Angaben.)

Es stehe den Gläubigen zu, die Wahrheit zu erfahren, schreibt Viganò dazu.

Appell an Kardinal Ouellet

Der Erzbischof wendet sich in seinem neuen Schreiben auch an den kanadischen Kardinal Marc Ouellet, der als Präfekt der Bischofskongregation dient.

Erzbischof Viganò schreibt, dass Kardinal Ouellet in der Anfangszeit des Pontifikats noch seine Würde bewahrt habe.

„Später jedoch, als sein Amt als Präfekt der Bischofskongregation untergraben wurde, weil Empfehlungen für bischöfliche Ernennungen von zwei homosexuellen ‚Freunden‘ seines Dikasteriums unter Umgehung des Kardinals direkt an Papst Franziskus weitergegeben wurden, gab er auf. Sein langer Artikel im „Osservatore Romano“, in dem er sich für die umstritteneren Aspekte von Amoris Laetitia aussprach, stellt seine Kapitulation dar.“

Viganò wendet sich direkt an Ouellet: „Bevor ich nach Washington ging, waren Sie es, der mir von Papst Benedikts Sanktionen gegen McCarrick erzählt hat. Sie verfügen über Schlüsseldokumente, die McCarrick und viele in der Kurie für ihre Vertuschungen belasten. Eminenz, ich bitte Sie, die Wahrheit zu bezeugen.“

Erzbischof Viganò beendet sein Schreiben mit einer Ermutigung an Katholiken, „niemals mutlos zu sein“ und auf Christus zu vertrauen.

„Dies ist eine Zeit der Reue, der Umkehr, des Gebets, der Gnade, um die Kirche, die Braut des Lammes, vorzubereiten, bereit, mit Maria zu kämpfen und den Kampf gegen den alten Drachen zu gewinnen“, schreibt er.

Viganò erinnert an ein Kunstwerk in der Markuskirche in Venedig, das Jesus zweimal im gleichen Bild zeigt: Einmal, wie er im Boot liegt und schläft, während ein Sturm tobt, und Petrus versucht, zu wecken; und zugleich auch den erwachten Christus, der hinter den verängstigten Jüngern – die ihn nicht sehen – im Boot steht und das aufgewühlte Wasser bändigt.

„Die Szene ist sehr zeitgemäß, um den gewaltigen Sturm darzustellen, den die Kirche in diesem Moment durchmacht“, schreibt der Erzbischof, „aber mit einem wesentlichen Unterschied: Der Nachfolger von Petrus sieht nicht nur nicht den Herrn, der das Boot fest in der Hand hat, sondern scheint auch nicht die Absicht zu haben, den im Bug schlafenden Jesus zu wecken.“

Viganò schreibt: „Ist Christus vielleicht für diesen Vikar unsichtbar geworden? Vielleicht ist er versucht, als Ersatz für unseren einzigen Meister und Herrn zu dienen?“

Er schließt mit den Worten: „Der Herr hat die volle Kontrolle über das Boot! Möge Christus, die Wahrheit, immer das Licht auf unserem Weg sein!“ (CNA Deutsch)

Kirchenkrise: Kardinal bittet, auch auf die treuen Priester zu schauen

ROM – Der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz (CEI), Kardinal Gualtiero Bassetti, hat Katholiken aufgefordert, nicht nur auf die weltweite Plage des sexuellen Missbrauchs und dessen systematische Vertuschung zu schauen, sondern auch auf „die große Menge treuer und armer Priester, die die Menschen lieben.“

Der Kardinal sagte dies in einem Interview mit dem Sender „TV2000“.

„Es sind schreckliche Dinge geschehen, aber es gibt auch eine Menge treuer Priester, die die Menschen lieben.“

Kardinal Bassetti beklagte in diesem Gespräch vom 23. September auch den Skandal des vertuschten und verschwiegenen Missbrauchs durch Bischöfe, Priester und andere.

„Das Evangelium sagt, dass es gut ist, dass es Skandale gibt, insofern sie die Wahrheit ans Licht bringen; denn der größte Skandal wäre, die Wahrheit zu verschleiern“ mahnte er.

Der Vorsitzende der CEI erklärte weiter, dass „es in der Kirche immer Skandale gegeben hat; sicher, heute werden sie durch die Kommunikationsmittel offenbart, die früher in ihrer Härte weniger effektiv waren. Es sind wirklich schreckliche Dinge geschehen, die erschaudern lassen. Angesichts all dessen, sprechen wir unser Urteil aus, so wie es der Herr aussprechen würde.“

Trotzdem – sagte er den Katholiken – müsse man „zusammen mit dieser Plage in der Kirche auch auf die Menge an treuen und armen Priestern blicken, die die Leute lieben.“

„Als ich mit den anderen Bischöfen aus den europäischen Bischofskonferenzen gesprochen habe, sagte man mir: ‚Eure Kirche [in Italien, Anm.d.R.] ist immer noch eine Volkskirche, denn die Priester sind bei den Leuten und mögen die Leute“.

Gerade diese positiven Aspekten der Kirche sollten aber auch genutzt werden, und die Krise selbst verdammt werden. „Ich verurteile den Skandal, nicht die Person. Die Person wird einst vor Gott selbst stehen“, so der Kardinal. (CNA Deutsch)

Umstrittenes China-Abkommen: Papst ruft zu Versöhnung und Dialog auf

Franziskus: Katholiken in der Volksrepublik sollen „gute Bürger“ sein und gesellschaftlich einbringen – Berichte: Kirchen sehen zunehmend wie „Kulturclubs“ aus – Kritiker: Verrat an Chinas verfolgten Christen.

PEKING – Die Regierung der Volksrepublik China hat sein massives Vorgehen gegen Christen im Land seit Monaten verschärft und setzt dieses offenbar auch nach seinem Abkommen mit dem Vatikan unverändert fort. Indessen hat der Papst das – unter anderem von Menschenrechtlern scharf kritisierte – Abkommen des Vatikans mit der Volksrepublik in einer Botschaft erörtert. Darin fordert Franziskus die Katholiken auf, „gute Bürger“ zu sein, sich um Dialog und Versöhnung zu bemühen.

Recherchen des australischen Rundfunks zufolge werden christliche Symbole in China systematisch entfernt – als Teil der „Sinisierung“ der Religion im Land.

Was die – offiziell atheistische – kommunistische Regierung unter „Sinisierung“ versteht, wenn es um das Christentum geht, ist weit mehr als eine „kulturelle Prägung“ des Glaubens: Viele Kirchen, auch staatlich anerkannte, wurden geschlossen oder gleich abgerissen, und die noch bestehenden Gotteshäuser sähen von außen wie innen zunehmend wie „Kulturclubs“ aus, heißt es im Bericht der „ABC“ unter Berufung auf Pastoren vor Ort.

Augenzeugen schildern, dass Kreuze verbrannt und zerstört werden, und an ihrer Stelle Portraits von Präsident Xi Jingping oder die Nationalflagge Chinas aufgehängt werden.

Pastor Liang Zhang aus Shangqiu (Provinz Henan) sagte gegenüber der ABC, Kirchenvertreter seien zuerst informiert worden, dass die Behörden die Beseitigung der Kreuze verfügten. Dann seien auch Bibel-Zitate und andere erkennbar christlichen Gegenstände aus dem Inneren des Gotteshauses entfernt worden.

Inzwischen habe man noch ein Kreuz im Innenraum der Kirche, so Pastor Zhang: Es hängt zwischen zwei Portraits. Einmal von Präsident auf Lebenszeit Xi Jinping, und dann von Mao Zedong.

Minderjährigen ist der Zutritt zu Kirchen verboten, und Erwachsene werden von „Informationsbeamten“ beobachtet. Die Verbreitung der Bibel oder von Gebeten ist in den Sozialen Medien mittlerweile ebenfalls verboten.

Vor diesem Hintergrund ist das Abkommen des Vatikans mit der Volksrepublik in scharfe Kritik geraten, sowohl von Katholiken in China als auch Menschenrechtlern.

Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin beschrieb das Abkommen, das die Ernennung von Bischöfen regelt, als „pastoral, nicht politisch“, wie CNA Deutsch berichtete.

Doch Bob Fu etwa, Gründer der christlichen Menschenrechtsorganisation ChinaAid, nennt den Deal einen „Verrat sowohl an den Millionen leidenden, verfolgten Christen in China als auch an der weltweiten Katholischen Kirche“.

Ähnlich urteilt Kardinal Joseph Zen. Der ehemalige Erzbischof von Hong Kong hat Papst Franziskus persönlich mehrfach vor einem Appeasement gegenüber Peking gewarnt. nun sagte er laut „ABC“:

„Mit der Vereinbarung kann die [chinesische] Regierung nun den Katholiken sagen: Gehorcht uns! Wir sind uns mit deinem Papst einig!'“

Papst: Ein „Zeichen Gottes“

In einer am gestrigen Mittwoch veröffentlichten Botschaft hat Papst Franziskus betont die Katholiken in China sollen „spüren, dass sie auf dem Weg, der sich jetzt vor ihnen öffnet, nicht alleine sind“.

„Auf ziviler und politischer Ebene sollten chinesische Katholiken gute Bürger sein, ihre Heimat voll lieben und ihrem Land mit Engagement und Ehrlichkeit dienen, je nach ihren Fähigkeiten“, so der Pontifex laut „Vatican News“. Und weiter:

„Dies kann die Mühe bedeuten, dass sie ein kritisches Wort sagen, nicht aus steriler Opposition heraus, sondern um eine Gesellschaft aufzubauen, die fairer, menschlicher und respektvoller gegenüber der Würde jedes Einzelnen ist.“

Einzelheiten des inhaltlich noch nicht bekannten Abkommens nannte der Pontifex nicht. So ist weiterhin unklar, wie Bischöfe in Zukunft in der Volksrepublik ausgewählt werden, auch wenn die offizielle Ernennung aus Rom kommt.

Auf seinem Rückflug einer viertägigen Reise – der Papst war im Baltikum unterwegs, als das Abkommen und die Aufhebung der Exkommunikation sieben staatlich eingesetzter Bischöfe bekanntgemacht wurde – hatte Franziskus am 25. September gesagt:

„Ich denke an den Widerstand, an die Katholiken, die gelitten haben. Es ist wahr. Und sie werden leiden. Bei einem Abkommen gibt es immer Leiden. Sie haben einen großen Glauben.“

Gleichzeig erklärte Franziskus – der betonte, persönlich für das Abkommen verantwortlich zu sein – dass er auf ein „Zeichen Gottes“ hin dieses befürwortete habe: Als er ein Unterstützungsschreiben von zwei Bischöfen erhalten habe angesichts der schweren Vorwürfe gegen seine Person im Fall McCarrick, habe er dies als „Zeichen Gottes“ gesehen, dem Deal mit China zuzustimmen, so der Pontifex zu Journalisten. (CNA Deutsch)

Papst Franziskus über Abkommen mit China: „Ich bin verantwortlich“

VATIKANSTADT – Papst Franziskus hat bestätigt, dass er persönlich für das Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Volksrepublik China verantwortlich ist.

Der Pontifex sagte gegenüber Journalisten auf dem Rückflug von seiner Reise ins Baltikum am 25. September, dass bei solchen Verhandlungen „beide Seiten etwas verlieren“.

Der Journalist Antonio Pelayo von „Vida Nueva“ hatte Franziskus über das „provisorische Abkommen“ gefragt; die Vereinbarung zwischen Vatikan und Volksrepublik über die Ernennung von Bischöfen auf dem chinesischen Festland wurde am 22. September in Peking unterzeichnet, wie CNA Deutsch berichtete.

Franziskus sagte, dass die Vereinbarung das Ergebnis eines mehrjährigen Dialogs sei.

„Das Vatikan-Team hat viel gearbeitet“, so der Pontifex, der die Bemühungen von Erzbischof Claudio Maria Celli, emeritierter Präsident des Päpstlichen Rates für soziale Kommunikation, Pater Rota Graziosi, Beamter der römischen Kurie, und Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin hervorhob.

Franziskus sagte, Parolin „hat eine besondere Hingabe an die Lupe; er studiert alle Dokumente bis auf Punkt und Komma, achtet auf Notizen, und das gibt mir eine große Sicherheit“.

„Sie wissen, wenn man ein Friedensabkommen oder eine Verhandlung abschließt, dann verlieren beide Seiten etwas“, sagte der Papst weiter. „Das ist Gesetz. Beide Seiten. Und dann machst du weiter.“

„Ich habe meine Ideen eingebracht“

Franziskus sagte weiter, dass der Dialog mit der chinesischen Regierung, der zu dem Abkommen führte, ein Prozess gewesen sei, bei dem zwei Schritte vorwärts und ein Schritt zurück gegangen wurde.

„Dann vergingen Monate, ohne miteinander zu sprechen, und dann die Zeit Gottes, welche [die Zeit] der Chinesen zu sein scheint. Langsam. Das ist Weisheit, die Weisheit der Chinesen“, so der Papst wörtlich.

Mit Blick auf die exkommunizierten Bischöfe der direkt der Kommunistischen Partei unterstellten „Patriotischen Vereinigung“ sagte Franziskus, dass „die Bischöfe, die in Schwierigkeiten waren, von Fall zu Fall untersucht wurden“, und dass „die Dossiers über jeden einzelnen auf meinen Schreibtisch kamen. Und ich war dafür verantwortlich, den Fall der Bischöfe zu unterschreiben.“

Daraufhin seien die Entwürfe der Vereinbarung auf seinen Schreibtisch gekommen, sagte Franziskus. Man habe diese diskutiert und: „Ich habe meine Ideen eingebracht“, so der Papst, und weiter:

„Ich denke an den Widerstand, an die Katholiken, die gelitten haben. Es ist wahr. Und sie werden leiden. Bei einem Abkommen gibt es immer Leiden. Sie haben einen großen Glauben.“

Der Pontifex fuhr fort, dass „sie“ ihm geschrieben hätten: „Was der Heilige Stuhl, was Petrus sagt, ist das, was Jesus sagt. Der Märtyrer-Glaube dieser Menschen hält auch heute durch. Sie sind die Großartigen!“

„Ich habe die Vereinbarung unterschrieben“, sagte Papst Franziskus. „Ich bin verantwortlich.“

Dann fügte er hinzu: „Die anderen, die ich ernannt habe, arbeiten insgesamt seit mehr als 10 Jahren. Es ist keine Improvisation. Es ist ein Weg, ein wahrer Weg.“

Papst Franziskus sagte weiter, dass ihm nach der Veröffentlichung eines „berühmten Kommuniqués eines ehemaligen apostolischen Nuntius, die Episkopate der Welt schrieben und deutlich sagten, dass sie sich mir nahe fühlten, dass sie für mich beteten“.

Derr Pontifex weiter wörtlich:

„Die chinesischen Gläubigen schrieben mir und die Unterschrift dieses Schreibens kam von einem Bischof der, sagen wir mal so, traditionellen katholischen Kirche, und von einem Bischof der patriotischen Kirche, gemeinsam und treu, alle beide. Für mich war das ein Zeichen Gottes“.

Der Papst erinnerte dann die Journalisten im Flugzeug daran, dass es in Lateinamerika „350 Jahre lang Aufgabe des Königs von Portugal und Spanien war, die Bischöfe zu ernennen, und der Papst gab nur die Zuständigkeit“.

Franziskus weiter: „Wir vergessen den Fall von Österreich-Ungarn. Maria Theresia war es leid, die Ernennungen der Bischöfe zu unterschreiben und gab dem Vatikan die Zuständigkeit. Das waren andere Zeiten, und Gott sei Dank, dass sie sich nicht wiederholen.“

Was das Abkommen mit China betreffe, so Franziskus, werde die Volksrepublik einen Dialog mit dem Vatikan „über mögliche Kandidaten“ führen, „aber Rom ernennt, der Papst ernennt.“

Franziskus fügte hinzu: „Und lasst uns für das Leid derer beten, die das nicht verstehen und die so viele Jahre lang im Untergrund hinter sich haben.“

Tatsächlich sind die Einzelheiten des Abkommens nicht bekannt und somit sind die Modalitäten der Ernennung zukünftiger Bischöfe weiter unklar, einschließlich der Frage, inwiefern die Volksrepublik etwa Kandidaten bestimmt, aus denen dann der Papst einen Bischof auswählt.

In einer Erklärung am 22. September teilte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin laut „Vatican News“ mit, das Ziel des Abkommens sei „pastoral“.

„Papst Franziskus, wie es seine unmittelbaren Vorgänger auch schon getan haben, schaut mit besonderer Aufmerksamkeit auf das chinesische Volk. Was jetzt gebraucht wird, ist Einheit, ist Vertrauen und ein neuer Impuls“, so Parolin wörtlich.

Es gehe darum „Gute Hirten zu haben, anerkannt vom Nachfolger Petri – vom Papst – und von den legitimen zivilen Behörden“. Parolin sagte, er hoffe, dass das Abkommen ein Mittel dafür sein werde.

In China geht die Regierung systematisch gegen Religionsgemeinschaften vor, auch und gerade Christen. Die „Patriotische“ Kirche untersteht direkt der Kommunistischen Partei. Berichten zufolge werden immer wieder Kreuze entfernt, Kirchen abgerissen, Gläubige schikaniert. Seit kurzem ist selbst das Teilen von Gebeten in den Sozialen Medien verboten, wie CNA Deutsch berichtete. (CNA Deutsch)

Abkommen zwischen Vatikan und China: Analyse eines Experten

HONG KONG – Ein Missionspriester und Experte für die katholischen Kirche in China hat das „vorläufige Abkommen“ zwischen Vatikan und Volksrepublik analysiert, das weltweit für Unverständnis und scharfe Kritik gesorgt hat, vereinzelt aber auch auf Zustimmung gestoßen ist.

Pater Bernardo Cervellera, Chefredakteur der Nachrichtenagentur „Asia News“ – ein Projekt des Päpstlichen Instituts für die auswärtige Missionen (PIME) – hat eine differenzierte Analyse der Vereinbarung veröffentlicht, die am 22. September unterschrieben wurde.

Das Abkommen, dessen genauer Inhalt bislang geheimgehalten wird, regelt offenbar die Anerkennung der von der Kommunistischen Partei bestimmten Bischöfe. Diese waren bislang exkommuniziert; mehrere sind selber Parteimitglieder.

Außerdem räumt der Vatikan der Regierung Chinas offenbar ein Mitsprache-Recht bei der Auswahl zukünftiger Bischöfe ein.

Ein bekannter Gegner dieser Vereinbarung mit der Volksrepublik ist der emeritierte Bischof von Hongkong, Kardinal Joseph Zen. Er forderte den Rücktritt von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der für dieses Abkommen – im Auftrag des Papstes – verantwortlich zeichnet.

Parolin selber betonte, das Abkommen sei „vorläufig“ und „pastoral“, wie CNA Deutsch berichtete.

Die von der Kommunistischen Partei direkt kontrollierte „Katholische Patriotische Vereinigung“ erklärte ihrerseits, dass die Kirche in China – so wörtlich – „weiterhin unabhängig funktionieren“ werde, und weiter:

„Wir lieben das Land und die Kirche, wir werden das Prinzip der Unabhängigkeit und der Sinisierung der Religion weiterführen und auf dem Weg bleiben, der zur sozialistischen Gesellschaft führt.“

Tatsächlich ist die Religionsfreiheit in China alles andere als „funktionierend“; das Menschenrecht wird durch die Regierung massiv eingeschränkt, es werden Kirchen immer wieder zerstört, Kreuze entfernt, Christen schikaniert, und Minderjährigen ist sogar der Zutritt zu Kirchen verboten, wie CNA Deutsch berichtete.

Trotzdem – oder gerade deshalb – meinen Beobachter wie Pater Cervellera, dass die Vereinbarung nicht unbedingt katastrophal ist.

So schreibt Pater Cervellera, dass die „vorläufige“ Vereinbarung für Optimisten „historisch“ sei.

„Bei den Optimisten wurde das Adjektiv ‚historisch‘ sehr verschwenderisch benutzt, und dabei vergessen, dass es sich um ein als ‚vorläufig‘ definiertes Abkommen handelt, das ‚regelmäßigen Bewertungen‘ unterliegt, und dass der Direktor des Presseamtes [Greg Burke, Anm.d.R.] selbst vom ‚Beginn‘ eines Prozesses sprach, und nicht von seinem Ende.“

Für die „Pessimisten“ bedeute das Abkommen nicht weniger als den Startschuss einer völligen Auslieferung der chinesischen Kirche und ihrer Millionen, im Untergrund lebenden, Gläubigen an die Machthaber in Peking: „Die Regierung wird machen, was sie will – wie es ja bereits geschieht“, so der Priester.

Damit werde die Kirche „ein Werkzeug der Partei“ – und das vor dem Hintergrund der Verfolgung und des Leids, das „Katholiken seit 70 Jahren ertragen“, so Pater Cervellera.

Nachdem er betont, dass der Text der Vereinbarung „nicht veröffentlicht wurde und auch nicht veröffentlicht werden wird“ räumt der Experte ein, dass Franziskus mit seiner Anerkennung von Bischöfen, welche die chinesische Regierung eingesetzt hat, „auf dem Papier“ das „Ende der ‚unabhängigen‘ Kirche“ in Kauf nehme.

Allerdings, so der Autor weiter, könne der Papst immerhin nun einen Kandidaten ablehnen, den die von der Kommunistischen Partei kontrollierten Gremien vorschlagen. „Und das ist der optimistische Teil“, schreibt Pater Cervellera.

Aber stimmt das überhaupt? Cervellera stellt die Frage:

„Was wird passieren, wenn der von China vorgeschlagene Kandidat vom Papst nicht akzeptiert wird?“

Bislang habe es die Möglichkeit eines „temporären Vetos“ gegeben: Der Papst musste die Gründe für seine Ablehnung innerhalb von drei Monaten vorlegen, so Cervellera.

„Aber wenn die Regierung die päpstlichen Gründe für haltlos befand, musste man mit der Ernennung und der Weihe des Kandidaten fortfahren.“

Und jetzt? Da der Text der „provisorischen“ Vereinbarung nicht bekannt ist, sei unklar, ob diese Klausel weiter gilt, schreibt der Autor.

Die Aufhebung der Exkommunikation

Pater Cervellera ist der Meinung, dass dies „eine positive Maßnahme“ sei. Denn „zumindest am Anfang wird es den chinesischen Katholiken helfen, in größerer Einheit zu leben“, hofft der Autor.

„Diese exkommunizierten Bischöfe waren von der Katholisch-Patriotischen Vereinigung benutzt worden, um die Kirche zu spalten. Bei den Zeremonien der Bischofsweihen war die Polizei anwesend.“

Wie kann dann deren Anerkennung durch den Papst – über die Köpfe der Gläubigen in China hinweg – ein positiver Schritt sein? „Einige von ihnen“, so Cervellera, „sind einen Weg der Umkehr gegangen und bitten seit ein paar Jahren die Versöhnung mit Rom.“

Die Aufhebung der Exkommunikationen sei nicht Teil des „vorläufigen“ Abkommens, sondern eine „Geste“ des Vatikans.

Konkubinen und Kinder

Allerdings räumt auch Cervellera ein, dass einige der nun vom Papst anerkannten Bischöfe nicht nur linientreue Partei-Funktionäre sind: Was viele Gläubige demütige und traurig mache, sei, dass auch „einige dieser Bischöfe dafür bekannt sind, Geliebte und Kinder zu haben“.

Wie dieser Skandal mit dem Anliegen der Einheit der Kirche vereinbar ist – die ja auch aus den skandalisierten Gläubigen besteht – erklärt Cervellera nicht.

Ein eventuell weiterer „positiver“ Aspekt aus Sicht des Priester ist, dass in der vorläufigen Vereinbarung das Thema Taiwan nicht genannt wird. Das bedeute: Der Vatikan musste die Beziehungen zu diesem Staat nicht brechen, um das Abkommen zu unterzeichnen.

Allerdings werden die Beziehungen zu Taiwan vom Vatikan seit Jahren abgeschwächt, wie CNA Deutsch berichtete.

Verfolgung und Leid dauern an

Selbst für Pater Cervellera ein „komplett negativer“ Aspekt ist, dass offenbar weder in der Vereinbarung, noch in den Verlautbarungen von Kardinal Parolin und anderen aus dem Vatikan „die Verfolgung erwähnt wird, die die Katholiken und alle Christen derzeit in China erleiden.“

„Im Namen der ‚Sinisierung‘ werden in China zahlreiche Kreuze verbrannt und zerstört, Kirchen demoliert, Gläubige verhaftet und den jungen Menschen unter 18 Jahren wird verboten, an Gottesdiensten teilzunehmen oder eine religiöse Erziehung zu erhalten, wie viele Nachrichtenagenturen berichten“, beklagt der Experte.

Zudem gebe es Bischöfe und Priester, die von der Polizei verhaftet werden und ‚verschwinden‘; Bischöfe, die wie Verbrecher in Hausarrest inhaftiert leben, so Cervellera weiter. Der Priester verweist auch auf die Schikanen und Verfolgung anderer Religionsgemeinschaften, darunter Buddhisten, Taoisten und Muslime.

„Das zeigt, welch negative Sicht China in Bezug auf die Religionen besitzt, sowie seinen Plan, sie zu assimlieren oder zu zerstören“, so der Autor.

Ob der Vatikan mit seinem „vorläufigen“ Abkommen tatsächlich einen eventuell „positiven“ Schritt leistet, wird sich zeigen müssen.

Am 29. Januar schrieb Kardinal Zen über ein Treffen mit Papst Franziskus, dass dieser ihm eigentlich gesagt habe, er wolle ausdrücklich einen „weiteren Mindszenty-Fall“ vermeiden.

Kardinal Josef Mindszenty (1892-1975) war Primas von Ungarn und ein unerschrockener Gegner der kommunistischen Herrschaft. Er wurde verhaftet, gefoltert und in einem Schauprozess verurteilt. Später wies ihn der Vatikan an, das Land zu verlassen – Teil einer umstrittenen Appeasement-Politik gegenüber den Kommunisten.

Nicht wenige Beobachter erinnert das jetzige Abkommen mit der Volksrepublik an dieses – vergebliche – Appeasement im 20. Jahrhundert. (CNA Deutsch)

Kirchenkrise: Kardinal Marx predigt über Missbrauch und Vertuschung bei Vollversammlung

FULDA – Angesichts der Kirchenkrise über die Vertuschung sexuellen Missbrauchs hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, über sexuellen Missbrauch bei der heiligen Messe zur Eröffnung der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz gepredigt.

„Wir schauen in jeder Eucharistiefeier auf die Sünden der Kirche, nicht nur auf die Heiligen. Wir schauen auf unsere eigene Schwäche, auf die dunklen Seiten unseres Lebens und des Lebens der ganzen Kirche“, so Kardinal Marx.

„Gerade heute tun wir das, wenn wir unsere Beratungen aufnehmen – Beratungen über Missbrauch, sexuelle Gewalt, Erniedrigung inmitten der Kirche, auch durch Amtsträger. Wir sind erschrocken und tief erschüttert über das, was möglich war im Volk Gottes, durch Priester, die den Auftrag des Evangeliums hatten, Menschen aufzurichten.“

Kardinal Marx weiter: „Wir müssen das anschauen, auch wenn wir schon viel getan haben. Aber wir müssen noch mehr tun. Die Opfer, die Betroffenen haben ein Anrecht auf Recht und Gerechtigkeit. Wir müssen das Gespräch mit den Betroffenen suchen. Bei all dem Dunklen ist es unsere Verpflichtung hinzuschauen, zu verstehen und Konsequenzen zu ziehen.“

Dazu brauche es auch das Gebet des ganzen Volkes Gottes. „Wir brauchen den Mut und die Kraft, einen neuen Anfang zu machen, neue Zeichen zu setzen, damit die Menschen uns wieder glauben! Denn viele glauben uns nicht mehr“, so Kardinal Marx. „Ich bitte Sie alle, dass wir uns im Gebet gegenseitig stärken. Wir treten vor ihn, unsere Hoffnung und unser Leben und bekennen unsere Schuld.“

In seiner Predigt fragte der westfälische Würdenträger, der als Erzbischof von München und Freising wirkt, wie ein gelingendes Leben aussehen könne. Für die Christen komme es darauf an, zu verstehen, was die Gemeinschaft des Gottesvolkes ausmache: „Was ist das Projekt der Kirche? Was ist das gute Leben der Kirche? Gerade in herausfordernden Zeiten wie jetzt, wo wir in der Diskussion um sexuellen Missbrauch die dunklen Realitäten des kirchlichen Lebens sehen, ist die Frage nach dem Kern dessen, was wir als Kirche tun wollen, umso wichtiger.“

Kardinal Marx erinnerte an den Weg Jesu: Er habe zuerst zugehört, dann eine neue Lebenspraxis gezeigt und das Gebet gelehrt. „Diese drei Elemente machen die wesentliche Ausrichtung der Kirche aus, wenn sie gut werden will, wenn sie das Ziel Jesu verwirklicht. Nur wenn diese drei Elemente miteinander gelebt werden, kann die Kirche neue Glaubwürdigkeit gewinnen. Nicht die reine Lehre macht uns glaubwürdig, nicht der Katechismus allein, sondern das, was Jesus uns als Lebenspraxis und Gebet mitgibt.“ Die Verschränkung von Lehre, Praxis und Gebet zu erkennen, zeichne eine neue Epoche der Kirche aus.

„Das Gebet verändert den Glauben, es bringt ihm neue Perspektiven hinzu. Wir sollen nicht nur hören und alles besser wissen, sondern wir haben den Auftrag zu bezeugen was es heißt, Christ zu sein. Dann werden wir das Evangelium wieder sichtbar machen können in unserer Gesellschaft“, so Kardinal Marx.

„Bitten wir den Herrn in dieser herausfordernden Stunde der Kirche, dass wir neu mutig werden, den Weg der Kirche einzuschlagen, den Jesus von uns will. Er verlässt die Kirche nicht.“

Während des Gottesdienstes wurde in den Fürbitten der Betroffenen sexuellen Missbrauchs gedacht. Der Wortlaut der Fürbitten:

  • Für alle, die sexuell oder auf andere Weise missbraucht wurden, innerhalb und außerhalb der Kirche: Um deine besondere Nähe und um Heilung ihrer Wunden an Leib und Seele.
  • Für alle, die anderen mit Rat und Tat helfend zur Seite stehen: Um ein hörendes Herz und die nötige Geduld im Umgang miteinander.
  • Für unseren Papst Franziskus und das ganze Volk Gottes: Um Glaubensfreude, Mut und Zuversicht bei der Verkündigung deines Wortes.
  • Für die hier versammelten Bischöfe: Um Frucht bringende Beratungen in den drängenden Fragen und Problemen unserer Tage.
  • Für die Regierenden in unserem Land und für alle Machthaber dieser Erde: Um weise Entscheidungen und den Einsatz für Frieden in Gerechtigkeit.
  • Für unsere verstorbenen Seelsorger, Angehörigen und Freunde – und für alle Toten: Um das ewige Leben in deiner Herrlichkeit.

(CNA Deutsch)

Der Papst in Lettland: Freiheit und Verantwortung, Ökumene, Mission und Geduld

RIGA – Gleich mehrere Anliegen hat Papst Franziskus am Vormittag seiner Tagesreise nach Lettland in Begegnungen mit Politikern und Protestanten, aber auch gegenüber den Katholiken des Landes zur Sprache gebracht.

Der Besuch begann – wie bei diesen Reisen üblich – mit einer Rede vor Vertretern aus Politik und Gesellschaft. Darin betonte der Pontifex, dass Freiheit und Unabhängigkeit sowohl ein Geschenk seien, als auch eine Verantwortung darstelle, derer man nur entsprechen kann, wenn man auch einen „Bezug zum Höheren“ habe.

Anschließend legte Franziskus am Freiheitsdenkmal im Zentrum Rigas nieder, das die kommunistischen Sowjets einst abreißen wollten.

Mission als Schlüssel zur Einheit

Bei einer ökumenischen Begegnung – Lettland ist vorwiegend protestantisch geprägt – stellte Franziskus dann erneut die Einheit der Christen unter das Vorzeichen der Mission: Ein Lösungsansatz zur Überwindung der Spaltung, den er zuletzt in Genf beim Ökumenischen Rat der Kirchen vorgetragen hat, wie CNA Deutsch berichtete.

Nächster Halt in Riga war die katholische Kathedrale St. Jakob. In seiner dortigen Ansprache widmete der Papst sich dem Apostel und Namenspatron des Doms, vor allem dessen Aufruf zu Beharrlichkeit im Glauben und zur Geduld:

„Der Apostel Jakobus lädt uns ein, beständig zu sein und nicht aufzugeben“, so der Pontifex.

Nach dem Mittagessen wird Franziskus per Hubschrauber zum Marienheiligtum Aglona geflogen, um dort die heilige Messe zu feiern.

Die Papstreise ins Baltikum, die vom 22. bis 25. September dauert, brachte Franziskus zuerst nach Litauen, wie CNA Deutsch berichtete.

Letzte Station ist am morgigen Dienstag dann Estland. (CNA Deutsch)