Schottischer Kardinal O’Brien verliert Kardinalsvorrechte

Kardinal O´Brien KeithDer schottische Kardinal Keith Michael Patrick O'Brien verliert die Kardinalsvorrechte. Papst Franziskus hat eine entsprechende Bitte auf Verzicht vonseiten des emeritierten Erzbischofs von Edinburgh angenommen, wie der Dekan des Kardinalskollegiums an diesem Freitag mitteilte. Der 77 Jahre alte O'Brien steht unter dem Verdacht, Anfang der 1980er Jahre mehrere Priesteramtskandidaten missbraucht zu haben. Die Vorwürfe wurden im Februar 2013 laut. Der Kardinal nahm aus diesem Grund nicht an der Papstwahl vom März 2013 teil.

O'Briens Entscheidung, den Papst um die Annahme des Verzichts „auf die Rechte und Privilegien des Kardinalates" zu bitten, sei „nach einem langen Weg des Gebets" gefallen, teilte der Vatikan mit. Mit dieser Maßnahme zeige Papst Franziskus „allen Gläubigen der Kirche in Schottland seine pastorale Sorge und ermutigt sie, den Weg der Erneuerung und der Versöhnung mit Vertrauen fortzusetzen", heißt er in der nur wenige Sätze langen Erklärung aus dem Vatikan. O'Brien wird den Papst nicht mehr als Berater unterstützen und verliert das Recht auf die Teilnahme an einer Papstwahl sowie an Kardinalsversammlungen.

Die Mitteilung des Dekans des Kardinalskollegiums, Kardinal Angelo Sodano, verweist auf allgemeine kirchenrechtliche Bestimmungen zum Amt des Kardinals, die Canones 349, 353 und 356. Dort heißt es unter anderem, die Kardinäle hätten „die Verpflichtung, angelegentlich mit dem Papst zusammenzuarbeiten" (356) und stünden ihm „zur Seite, … womit sie dem Papst vornehmlich in der täglichen Sorge für die Gesamtkirche Hilfe leisten" (349). Bestimmungen zum Verzicht auf die Kardinalsprivilegien sind in den genannten Canones nicht enthalten.

Der Verzicht auf das Kardinalat ist ein äußerst seltener Vorgang. Der bisher letzte solche Fall liegt 88 Jahre zurück. 1927 bewog Papst Pius XI. den französischen Kardinal Louis Billot zum Verzicht auf das Kardinalat. Der Jesuit und Theologe Billot stand der antisemitischen Action française nahe.

Die ersten öffentlichen Vorwürfe gegen O'Brien tauchten im Februar 2013 auf, der Kardinal ließ sie zunächst zurückweisen. Wenig später räumte er Fehlverhalten ein und bat bei der Kirche sowie bei allen Personen, die er mit seinem Verhalten verletzt habe, um Vergebung. Papst Franziskus verordnete O'Brien im Mai 2013 einige Monate der geistlichen Besinnung außerhalb von Schottland. Seither lebte der emeritierte Erzbischof zurückgezogen. Seinen Rücktritt als Erzbischof hatte bereits Papst Benedikt XVI. in seinen letzten Amtstagen im Februar 2013 angenommen.

Als Reaktion auf die Verfügung von diesem Freitag wiederholte der frühere Kardinal seine Vergebungsbitte vom März 2013. Die britische Zeitung „Catholic Herald" zitiert O´Brien mit den Worten: „Ich danke Papst Franziskus für seine väterliche Sorge um mich und um jene, die ich in welcher Weise auch immer verletzt habe. Ich werde weiterhin nicht mehr am öffentlichen Leben der Kirche in Schottland teilnehmen; und ich werde den Rest meines Lebens zurückgezogen und im Gebet verbringen, besonders für das Erzbistum Saint Andrews und Edinburgh, für Schottland, und für alle, die ich verletzt habe."

Im Auftrag von Papst Franziskus hatte Erzbischof Charles Scicluna die Vorwürfe gegen O'Brien untersucht. Der maltesische Geistliche, ein ausgewiesener Fachmann für Episoden von Missbrauch in der katholischen Kirche, leitet derzeit die Stelle im Vatikan, die Berufungsanträge von Geistlichen unter Missbrauchsverdacht bearbeitet.

O'Briens Nachfolger als Erzbischof von Edinburgh Leo Cushley bezeichnete dem „Catholic Herold" zufolge die Maßnahme von Papst Franziskus als „fair, gerecht und angemessen". O'Briens Verhalten habe viele Menschen „gequält, treue Katholiken demoralisiert und die Kirche bei den Nicht-Katholiken weniger glaubwürdig gemacht". (rv)

Hintergrund: Was ist ein Heiliges Jahr?

Papst Johannes  Paul II. PforteEs war zunächst einmal ein Verkehrsproblem: Als Papst Bonifaz VIII., Nachfolger des zurück getretenen Papstes Coelestin, für das Jahr 1300 das erste Mal überhaupt ein Heiliges Jahr ausrief. Die alte leoninische Mauer Roms musste an einigen Stellen eingerissen werden und die damals einzige Brücke über den Tiber – die Engelsbrücke – bekam ein Einbahnstraßensystem, um der Pilgermengen Herr zu werden.

Bonifaz wollte damals genau das feiern, was Franziskus heute auch feiern will: Die Vergebung Gottes, Gottes Barmherzigkeit. Bis dahin war die einzige Möglichkeit, im Mittelalter eine vollständige Lossprechung zu bekommen, ein Kreuzzug oder eine lange Pilgerreise etwa nach Santiago zu machen. Nun ging das also auch in Rom, was eine Aufwertung des Zentrums der Kirche bedeutete und eben auch eine neue Institution, das Heilige Jahr.

Den italienischen Dichter Dante hat das so beeindruckt, dass er Teile seiner Göttlichen Komödie in der Osterwoche des Heiligen Jahres 1300 spielen lässt. Was ihn nicht davon abhielt, den Papst in den achten Ring der Hölle zu versetzen.

Das Heilige Jahr heißt ursprünglich Jubeljahr oder Jubiläum und geht zurück auf Levitikus 25:8, dort wird jedes 50. Jahr die Befreiung der Sklaven, Erlass von Schulden und Rückgabe von Grund und Boden angeordnet. Es soll der sich entwickelnden Tradition der Kirche nach der inneren Erneuerung der Gläubigen dienen. Immer wieder wurden diese Jahre auch für aufsehenerregende Gesten genutzt, die das Grundthema der Jahre – die Vergebung durch Gott – ausdrücken, zuletzt die großen Vergebungsbitten Papst Johannes Paul II., die er in einer Liturgie zum Heiligen Jahr 2000 aussprach.

Zunächst ließ man es alle 100 Jahre stattfinden, dann verkürzte man auf 50, später 33 und zuletzt 25 Jahre. So hat das letzte Jubeljahr 2000 stattgefunden. Immer wieder hat es aber auch außerordentliche Jahre gegeben, zuletzt 1983, so dass auch hier Papst Franziskus eine Tradition aufgreift.

Das Jahr beginnt mit dem Öffnen der Heiligen Pforten – der symbolischen Öffnung neuer Wege zum Heil – und endet mit deren Schließung. Die Pforten in Sankt Peter sowie in Johannes im Lateran, Santa Maria Maggiore und Sankt Paul vor den Mauern sind normalerweise zugemauert.

Seit Einführung der Heiligen Jahre ist die Vorbereitung auf die Pilgerströme auch ein Anlass für bauliche Maßnahmen in der Stadt. Wie gesagt, auch das Verkehrproblem wie bei Bonifaz VIII. ist eine Tradition geblieben. Rom ist von den Heiligen Jahren geprägt, brachten die Pilger doch immer Votivgaben mit, welche die vielen Kirchen der Stadt schmücken. Auch einige Brücken sind für Pilgermassen gebaut, Julius II. zum Beispiel war das Einbahnsystem der Engelsburg nicht geheuer, er ließ 1500 eine zweite Brücke bauen, die Ponte Sisto.

Aber abgesehen von den vielen äußeren Dingen wollen diese Jahre Zeiten der Neuentdeckung zentraler Glaubensinhalte sein und diese mit ganz konkreten Handlungen, eben einer Pilgerfahrt nach Rom, verbinden. Das nächste reguläre Heilige Jahr wird dann 2025 stattfinden. (rv)

Neuer Vizedirektor für IOR

IORDas vatikanische Geldinstitut IOR hat einen neuen Vizedirektor: Gianfranco Mammì wird ab sofort das Amt bekleiden, so eine Vatikan-Note von diesem Freitag. Der 59 Jahre alte Italiener Mammì ist seit 1992 beim IOR tätig und zwar vorwiegend für die italienischen sowie südamerikanischen Klienten. Die Ernennung wurde von zwei maßgeblichen Stellen gebilligt, zum einen von der vatikanischen Finanzaufsichtsbehörde AIF, zum anderen von der Kardinalskommission, die für die Prüfung des IOR – wie die Vatikanbank offiziell heißt – zuständig ist. (rv)

D: Kirchenasyl richtet sich nicht gegen staatliche Ordnung

Kardinal MarxDie deutschen Bischöfe halten grundsätzlich am Kirchenasyl fest. Das bekräftigte Kardinal Reinhard Marx an diesem Donnerstag in Hildesheim. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz berichtete vor Journalisten über die gerade zu Ende gegangene Vollversammlung der Konferenz; sie hat diese Woche zum ersten Mal überhaupt in Hildesheim getagt.

„Die Bischöfe haben dabei einhellig die Auffassung vertreten, dass eine sehr ins Grundsätzliche gehende Debatte schlecht geeignet ist, um Antworten auf konkrete Probleme zu finden. Nochmals halten wir fest, dass sich das Kirchenasyl nicht gegen die rechtsstaatliche Ordnung richtet – im Gegenteil! – und die Kirche kein Sonderrecht für sich beansprucht. Wenn christliche Gemeinden Asylbewerber aufnehmen, so geschieht dies vielmehr, damit in einem konkreten Einzelfall die Rechtslage und rechtliche Ermessensspielräume noch einmal ausgelotet werden, um humanitären Härten oder sogar der Gefahr von Menschenrechtsverletzungen nach einer Abschiebung vorzubeugen."

Immer müsse „in Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden nach einer Lösung gesucht werden", so Kardinal Marx. Das gelte auch bei geplanten Abschiebungen in andere EU-Länder. Auf Nachfrage von Journalisten äußerte sich der Erzbischof von München und Freising dann auch mit einer gewissen Schärfe:

„Bestimmte Argumente wenigstens zulassen! Dass man nicht sagt ‚Es gibt ein Gesetz, und nach diesem Gesetz muss er sterben!‘ Das sagt der Hohepriester Kaiaphas… Die Folgen sind Ihnen bekannt! Und das kann nicht – „fiat iustitia, pereat mundus", das ist nicht die Regel des wirklichen Rechts!"

Zum 50-Jahr-Jubiläum des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils planen die deutschen Bischöfe bei ihrer Herbst-Vollversammlung in Fulda einen Festakt. Dieser soll am letzten Tag der Beratungen stattfinden; in den kommenden Wochen werden die Inhalte für diesen Tag festgelegt. Am 11. und 12. September 2015 wiederum soll in Würzburg mit einem letzten Gesprächsforum auch der Dialogprozess innerhalb der deutschen Kirche zu Ende geführt werden.

„Es geht darum, dass von Würzburg ein kraftvolles Zeichen für die Kirche in Deutschland ausgehen soll und der angestoßene und bewusst bis zu diesem Jahr terminierte Gesprächsprozess in geeigneter Weise weitergeht. Sobald das Programm und die thematische Ausrichtung stehen, werden wir darüber informieren."

In Finanz- und Vermögensfragen stellen die deutschen Bistümer künftig volle Transparenz in Aussicht. Sie spürten, dass die entsprechenden Bemühungen etwa im Erzbistum Köln „von der Öffentlichkeit positiv aufgenommen werden". Ein geistliches Wort zur Gefängnisseelsorge aus dem Jahr 2006 wollen die Bischöfe aktualisieren, die Arbeit an einer Ökumenischen Sozialinitiative setzen sie fort, zur Bedeutung und zum Profil katholischer Schulen starten sie einen Nachdenkprozess.

Marx äußerte sich im Namen der deutschen Bischöfe auch zu einigen internationalen Fragen. Mit Blick auf die Ukraine verurteilte er „die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland und das fortgesetzte militärische Engagement der Russischen Föderation auf dem Staatsgebiet der Ukraine".

„Das Verhalten Russlands beschädigt und gefährdet die Friedensordnung in Europa. Es ist deshalb unannehmbar und trifft zurecht auf harte Reaktionen der europäischen Länder und der USA. Zugleich ist es unerlässlich, dass alle Spielräume für eine Deeskalation des Konflikts und eine Minderung der gefährlichen Spannungen genutzt werden. Die deutschen Bischöfe begrüßen daher die Initiative Deutschlands und Frankreichs, die zu neuen Vereinbarungen geführt hat (Minsk II). Alle Konfliktparteien haben die Verpflichtung, das von ihnen unterzeichnete Abkommen einzuhalten und so auf eine friedliche Entwicklung hinzuarbeiten." (rv)

Kardinal: Kirchenrecht muss auch Wohl der Familie bedenken

Kardinal BaldisseriKardinal Lorenzo Baldisseri, Generalsekretär der Bischofssynode, wünscht Nachbesserungen beim Kirchenrecht zum Wohl der Familie. Das Kirchenrecht beschäftige sich hauptsächlich mit Ehe, aber wenig mit Familie, erklärt der Kardinal im Gespräch mit Radio Vatikan.

„Die Ehe, das sind zwei Menschen, die sich vereinen und ein gemeinsames Projekt haben, nämlich eine Familie zu gründen. Die Familie konstituiert sich vor allem, wenn die Kinder kommen. Dann wird die Familie ein erweiterte Realität, und deshalb muss man auch auf rechtlichem Gebiet einen Schritt nach vorne tun. Im Kirchenrecht spricht man viel vom bonum coniugum, also vom Wohl der Eheleute, und wir wollen das bonum familiae betonen, das Wohl der Familie."

Anlass für das Interview mit dem Synoden-Generalsekretär war eine Buchveröffentlichung des Kardinals über „Die Person und die Ehe: Geheimnis, Überlegungen und Leben" (italienischer Originaltitel: „Persona e matrimonio: mistero, riflessioni e vita"). In rund sieben Monaten findet im Vatikan die nächste Bischofssynode statt. So wie die Synode vom vergangenen Oktober (eine außerordentliche Vollversammlung) wird die kommende (eine ordentliche Vollversammlung) sich dem Thema Familie widmen. Derzeit werde vor allem über die heiklen Punkte nachgedacht, die im Synodenbericht auftauchten, sagte Kardinal Baldisseri. In den Diözesen der Weltkirche arbeiten Gremien, Seelsorger und Gläubige an den Antworten für den zweiten Fragebogen aus dem Vatikan. Diese Antworten werden den Synodalen in Rom als Denkanstöße dienen, erklärte Baldisseri. „Es ist ein Nachdenken: wir hören, was die Menschen vorschlagen, die einzelnen Teile der gesamten Kirche, was sie anbieten können, damit die Synodalen bessere Elemente an der Hand haben, um angemessene pastorale Linien zu finden."

Papst Franziskus hatte entschieden, den Schlussbericht der vergangenen Synode komplett zu veröffentlichen, einschließlich der Abstimmungsergebnisse für die einzelnen Punkte. Die strittigsten Punkte betrafen den Umgang mit Homosexuellen und die Sakramente für wiederverheiratete Geschiedene. (rv)

Der vatikanische Handschriftenretter: Kardinal Franz Ehrle

Kardinal Franz EhrleDem deutschen Vatikan-Kardinal Franz Ehrle widmet sich dieser Tage ein Kongress in Rom. Ehrle wirkte an der Wende zum 20. Jahrhundert als Präfekt der Vatikan-Bibliothek und von 1929 bis zu seinem Tod 1934 als Kardinal-Bibliothekar, womit ihm auch das vatikanische Geheimarchiv unterstand. Er war der „bedeutendste Präfekt dieser Bibliothek des 20., und ich würde sagen, auch des 19. Jahrhunderts", so charakterisiert ihn Paolo Vian, Leiter der Handschriftensammlung an der „Vaticana".

1880/81 hatte Papst Leo XIII. das Geheimarchiv für die historische Forschung geöffnet, in der Folge kam der Jesuit Franz Ehrle – wie viele andere Gelehrte – in den Vatikan und stieg 1896 zum Bibliothekspräfekten auf. „Ehrle war im Rat der Bibliothek der Geeignetste, um die Wünsche von Papst Leo umzusetzen", erklärte bei der Tagung die an der Vatikan-Bibliothek beschäftigte österreichische Historikerin Christine Grafinger. „Die Benutzer brauchten nach der Öffnung von Leo zwei Lesesäle. Ehrle musste die Bücher in die neuen Lesesäle bringen und hat das in kürzester Zeit umgesetzt." Zum anderen habe der Präfekt alles getan, um die reichen Bestände der Bibliothek erstmals benutzerfreundlich zu machen. Dabei setzte er neue Standards, von denen selbst die heutigen Nutzer noch profitieren. Grafinger:

„Er hat die Abteilung Kataloge ganz groß ausgebaut; Leute, die bei uns hier an den Handschriften arbeiten, möchten wissen, wo ihr Text vielleicht in einer anderen Bibliothek ist, und durch diese Abteilung Kataloge haben sie die Möglichkeit, das zu prüfen. Der Handschriftensaal ist zu seiner Zeit ausgebaut worden und auch das damalige Handschriftenmagazin."

Sogar die ersten Vorläufer der Fotokopie gehen in der „Vaticana" auf den deutschen Jesuiten zurück. Ehrle erkannte das Potential der Fotografie als Medium der Vervielfältigung.

„Er hat die technische Reproduktion von Handschriften eingeführt, das Lichtdruckverfahren ist Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt worden, und er sagte, zum Schutz gefährdeter Handschriften sollten die erst fotografiert werden und dann im Lichtdruckverfahren, ein Vorfahre von heutigen Faksimile, gedruckt werden, damit die Nutzer, wenn sie kommen, nicht sofort das fragile Papier oder Pergament in die Hand bekommen, sondern erst zum Studium das gedruckte in die Hand bekommen und damit arbeiten können."

Und noch eine Premiere, die weit in die Zukunft weist, bereitete Bibliothekspräfekt Ehrle im Vatikan: Er gründete die weltweit erste Restaurierungswerkstatt für Bücher. 1898 berief der Jesuit einen Fachkongress im schweizerischen Sankt Gallen ein und lud die Verantwortlichen der größten Bibliotheken Europas dazu ein.

„Er konnte sogar vatikanische Handschriften mitnehmen, um dort den anwesenden Teilnehmern zu dokumentieren, welche Schäden es gibt, und zu diskutieren, wie man die Handschriften am besten konserviert und erhält. In Folge dieser Tagung ist dann an die Regierungen herangegangen worden, damit sie Fördermittel zur Verfügung stellen, um die Handschriften zu schützen. In der Vaticana ist die erste Buchrestaurierungswerkstatt der Welt eingerichtet worden, die eigentlich beispielgebend war für alle anderen Bibliotheken. Das war 1900."

Franz Ehrle wurde 1845 in Isny im Allgäu geboren. Er war nicht nur als Bibliothekar, sondern auch als Gelehrter hervorragend. So gab er zusammen mit einem weiteren Historiker, dem österreichischen Dominikaner Heinrich Denifle, ein siebenbändiges Nachschlagewerk heraus, das „Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters". Paolo Vian arbeitete in seinem Vortrag bei der Ehrle-Tagung am Camposanto im Vatikan auch die charakterlichen Qualitäten des Bibliothekars heraus, etwa im Vergleich mit seinem Mitarbeiter und späteren Nachfolger Giovanni Mercati.

„Ehrle war ein ausgleichender und auf Stabilität setzender Mann, Mercati hingegen nervös und etwas hochfahrend. 1912 entfernte ein junger deutscher Gelehrter aus der Bibliothek einen handschriftlichen Katalog über Manuskripte aus Grottaferrata. Vielleicht irrtümlich, vielleicht auch um den Heiligen Stuhl herauszufordern. Und da sieht man den Unterschied: Mercati ist für die extreme Lösung. Er würde den jungen Gelehrten sofort und unwiderruflich aus der Bibliothek verbannen. Ehrle hingegen entscheidet, wir lassen den Mann nach einer Pause wieder zu, aber wir schreiben einen Brief an den Forscher, der ihn uns an die Bibliothek empfohlen hat. Das ist bezeichnend. Ehrle war ein Mann mit hohen Führungsqualitäten. Und das ist schön, denn ein großer Gelehrter und gleichzeitig ein guter Menschenführer zu sein, das sind Tugenden, die nicht immer gleichzeitig anzutreffen sind."

Die internationale Tagung „Franz Kardinal Ehrle: Jesuit, Historiker und Präfekt der Vatikanischen Bibliothek" wurde vom Römischen Institut der Görres-Gesellschaft mitveranstaltet und fand zum Teil im Camposanto Teutonico statt. (rv)

Vaticanhistory: Neue Seite „Altersstruktur des Kardinalskollegiums“

VH-LogoIn Vaticanhistory gibt es eine neue Kardinals-Seite. Sie stellt in Diagrammen die derzeitige Alterstruktur des Kardinalskollegiums dar und gliedert sich in

  • gesamtes Kardinalskollegium
  • wahlberechtigte Kardinäle
  • nichrechtige Kardinäle (vh)

Zur Seite: >>> Altersstruktur des Kardinalskollegiums

Konsistorium: Die Reform der Kurie offen diskutieren

Kardinal Rodriguez MaradiagaDie Reform der römischen Kurie steht seit diesem Donnerstag auf der Tagesordnung des Konsistoriums. Die Versammlung der Kardinäle tagt für zwei Tage in der Synodenaula des Vatikan in Anwesenheit von Papst Franziskus. Der Papst begrüßte die 165 Anwesenden, besonders aber die zwanzig neuen Kardinäle, mit einem Psalm-Vers: „Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen" (Ps 133).

Franziskus bedankte sich zunächst für die Arbeit der Kardinalskommission zur Reform der Kurie, der sogenannten „K9". Deren Arbeit solle vorgestellt und besprochen werden, erläuterte der Papst. Es geht bei den Beratungen der K9 und des Konsistoriums um eine neue Apostolische Konstitution zur Organisation der Kurie und damit um die Überarbeitung der letzten solchen Konstitution, „Pastor Bonus" aus dem Jahr 1988.

In seinen Begrüßungsworten gab der Papst den Zweck der Beratungen vor. „Es geht darum, eine größere Einheit in der Arbeit der verschiedenen Dikasterien und Institutionen herzustellen, um eine bessere Zusammenarbeit zu erreichen, und das in der absoluten Transparenz, welche auch eine authentische Synodalität und echte Kollegialität schafft." Die Reform sei kein Zweck in sich selbst, sondern ein Mittel, betonte der Papst. Es gehe um das Zeugnis für Christus, um eine bessere Verkündigung, um die Förderung eines fruchtbaren ökumenischen Geistes und einen konstruktiven Dialog.

Papst: Es braucht die Mitarbeit aller

„Die Reform, die lebhaft von der Mehrheit der Kardinäle bei den Generalversammlungen vor dem Konklave gewünscht wurde, muss die Identität der römischen Kurie verbessern, das heißt die Mitarbeit mit dem Nachfolger Petri in der Ausübung seines pastoralen Dienstes zum Wohl und Dienst an der weltweiten Kirche und der Ortskirchen. (…) Ein solches Ziel zu erreichen ist nicht einfach, dazu braucht es Zeit, Entschlossenheit und die Mitarbeit aller. Vor allem aber müssen wir uns dem Heiligen Geist anvertrauen, welcher die Kirche leitet."

Der Papst rief dazu auf, frei und offen zu sprechen und alles am wichtigsten Ziel auszurichten, dem „salus animarum", dem Heil der Seelen.

Zur Begrüßung hatte der Dekan des Kollegiums, Kardinal Angelo Sodano, die Versammelten an ihre Aufgaben erinnert, wie sie im Kirchenrecht festgehalten sind. „Wir sind hier, um unsere Mitarbeit anzubieten, und wir sind uns sowohl der Erfahrungen aus der Vergangenheit als auch der Erwartungen der Gegenwart bewusst."

Beratungen hinter verschlossenen Türen

Nach dem offiziellen Beginn war zunächst wie vom Papst angekündigt der Kardinalsrat „K9" an der Reihe. Dessen Koordinator Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga (Tegucigalpa/Honduras) und dessen Sekretär Bischof Marcello Semeraro (Albano/Italien) stellten anhand eines vorbereiteten Papiers die Arbeiten und Überlegungen vor. Damit ist der Einstieg in das Thema der Beratungen hinter verschlossenen Türen gegeben: die Reform der römischen Kurie.

Eine weitere genaue Tagesordnung gibt es nicht; die Teilnehmer am Konsistorium sollen Zeit bekommen, sich zu melden und eigene Kommentare und Bewertungen zu den vorgelegten Gedanken vorzunehmen. Ein Entwurf für eine neue Apostolische Konstitution zur Organisation der Kurie existiere noch nicht, hatte Vatikansprecher Federico Lombardi vor Beginn der Beratungen noch klargestellt. Der Austausch der Kardinäle bezieht sich also auf die vorgestellten Überlegungen der K9, noch nicht auf einen vorgelegten Entwurf. Die zweite Sitzung des Tages beginnt am Nachmittag um 17 Uhr. (rv)

Vatikan: Abschlussdokument der Kinderschutzkommission

Kardinal O´MalleyDie auf Anregung der "K9"-Gruppe im März 2014 entstandene vatikanische Kinderschutzkommission tagte erstmals Anfang Februar in voller Besatzung. Das internationale Gremium, welches aus 17 Mitgliedern – Geistlichen und Laien von allen Kontinenten der Erde – besteht, präsentiert in einem Abschlussdokument die Ergebnisse dieser ersten Sitzung. Ein Gebetstag für Missbrauchsopfer ist in Planung – sowie eine Verbesserung der Rechenschaftspflicht in der Kirche.

Die Hauptaufgabe der Kommission ist es laut dem Dokument, nach dem Wunsch von Papst Franziskus sich mit dem Schutz Minderjähriger vor sexuellem Missbrauch in der Kirche zu befassen. Im Zuge des Treffens wurden erste Resultate der unterschiedlichen Forschungen von Expertengruppen des vergangenen Jahres durch die jeweiligen Mitglieder präsentiert. Daraufhin wurde eine Vorschlagsliste für die formale Struktur der Kommission vorbereitet und diese auch Papst Franziskus vorgelegt.

Kirche als „sicheres Zuhause"

Ein wesentlicher Bestandteil der Kinderschutzkommission sind einzelne „Arbeitsgruppen", die in den kommenden Plenumssitzungen Forschungen und Projekte voranbringen sollen. Die Kirche als „sicheres Zuhause für Kinder, Jugendliche und hilfsbedürftige Erwachsene" zu gestalten, hat dabei die oberste Priorität. Dies beinhaltet das Erstellen internationaler Leitlinien zu vorbildlichen Praktiken für kirchliche Einrichtungen. Dabei sollen auch Antworten auf andere Fragen gegeben werden: Wie soll die Seelsorge für Geschädigte und ihre Familien gestaltet werden? Wie müssen Priester für das Thema sensibilisiert werden? Welche Prozeduren sind notwendig, wenn Bischöfe Pädophilievorwürfe gegen Priester nicht ernst nehmen? Welche weiteren kirchlichen und zivilrechtlichen Normen sind notwendig, um den Amtsmissbrauch zu kontrollieren?

Transparenz, Rechenschaftspflicht und Verantwortung

Eine entsprechende Rechenschaftspflicht auf allen Ebenen zu gewährleisten und Transparenz zu schaffen: Das deklariert die Kommission als einen der wichtigsten Punkte ihrer Arbeit. Nur wenn Transparenz geschaffen und jeder zur Reschenschaft gezogen werde, könne auch ein neues Bewusstsein in der Kirche enstehen. Die Prozessentwicklung für eine funktionierende Rechenschaftspflicht für alle – Klerus, Ordensleute und Laien –, die mit Minderjährigen arbeiten, sei dafür unumgänglich. Spezielle Seminare für Führungspersönlichkeiten in der Kirche sind bereits in Planung.

In Zukunft freut sich die Kommission bereits auf eine engere Zusammenarbeit mit Ortskirchen, um als erstes die geplanten Leitlinien genauer an einem Beispiel durchzusprechen. Ein weiteres Projekt der Kommission ist der geplante „Gebetstag" für alle Menschen, die sexuellen Missbrauch erleiden mussten. Dies solle zu einer „spirituellen Heilung der Wunden" beitragen und ein Bewusstsein in der kirchlichen Gemeinschaft für diese „Plage des Missbrauchs der Minderjährigen" schaffen. (rv)

Papstpredigt: „Alle Enden der Erde sehen das Heil unseres Gottes“

Pabstbesuch Sri Lanka 2015Predigt von Papst Franziskus bei der Messfeier zur Heiligsprechung von Joseph Vaz (Colombo, Strandpromenade des „Galle Face Green“, 14. Januar 2015)

„Alle Enden der Erde sehen das Heil unseres Gottes“ (Jes 52,10)

Das ist die großartige Prophetie, die wir in der heutigen ersten Lesung gehört haben. Jesaja sagt die Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi an alle Enden der Erde voraus. Diese Prophetie hat für uns eine besondere Bedeutung, da wir die Heiligsprechung eines großen Missionars des Evangeliums, des heiligen Joseph Vaz, feiern. Wie unzählige andere Missionare in der Geschichte der Kirche, antwortete er auf den Auftrag des auferstandenen Herrn, Menschen aller Nationen zu seinen Jüngern zu machen (vgl. Mt 28,19). Durch sein Wort, aber noch wichtiger durch das Beispiel seines Lebens führte er die Menschen dieses Landes zu dem Glauben, der uns ein „Erbe in der Gemeinschaft der Geheiligten“ verleiht (Apg 20,32).

Im heiligen Joseph sehen wir ein machtvolles Zeichen der Güte und Liebe Gottes zum Volk von Sri Lanka. Aber wir sehen in ihm auch eine Herausforderung, auf den Wegen des Evangeliums beharrlich voranzuschreiten, selber an Heiligkeit zuzunehmen und die Evangelienbotschaft von der Versöhnung, der er sein Leben gewidmet hat, zu bezeugen.

Der heilige Joseph Vaz war Priester des Oratoriums in seiner Heimat Goa und kam in dieses Land, angeregt von missionarischem Eifer und einer große Liebe zu dessen Volk. Wegen der religiösen Verfolgung verkleidete er sich als Bettler und verrichtete seine priesterlichen Pflichten in geheimen Treffen der Gläubigen, häufig des nachts. Seine Bemühungen verliehen der hart geprüften katholischen Bevölkerung spirituelle und moralische Kraft. Ein besonderes Anliegen war es ihm, den Kranken und den Leidenden zu dienen. Sein Einsatz für die Kranken während einer Pockenepidemie in Kandy fand beim König eine solche Anerkennung, dass ihm für seine missionarische Arbeit eine größere Freiheit zugestanden wurde. Von Kandy aus konnte er seine Tätigkeit auf andere Teile der Insel ausweiten. Er verausgabte sich in seiner missionarischen Arbeit und starb völlig erschöpft mit neunundfünfzig Jahren im Ruf der Heiligkeit.

Aus vielen Gründen ist der heilige Joseph Vaz immer noch ein Beispiel und ein Lehrer. Ich möchte mich nur auf drei konzentrieren. Erstens war er ein vorbildlicher Priester. Heute sind hier unter uns viele Priester sowie Ordensmänner und -frauen, die wie Joseph Vaz dem Dienst für Gott und den Nächsten geweiht sind. Ich ermutige jeden und jede von euch, auf den heiligen Joseph als einen verlässlichen Führer zu schauen. Er lehrt uns das Hinausgehen an die Peripherien, um Jesus Christus überall bekannt zu machen und die Liebe zu ihm zu entfachen. Er ist auch ein Vorbild geduldigen Leidens um des Evangeliums willen, ein Vorbild des Gehorsams gegenüber den Vorgesetzten und ein Vorbild der liebevollen Sorge für die Kirche Gottes (vgl. Apg 20,28). Wie wir lebte er in einer Zeit rascher und tiefgreifender Veränderungen: Die Katholiken waren eine Minderheit und oft untereinander gespalten, und es gab gelegentliche Feindseligkeiten, sogar Verfolgung von außen. Und doch konnte er, weil er ständig mit dem gekreuzigten Herrn im Gebet vereint war, für alle Menschen zu einer lebendigen Ikone von Gottes Barmherzigkeit und seiner versöhnenden Liebe werden.

Zweitens führt der heilige Joseph uns vor Augen, welche Bedeutung der Überwindung religiöser Spaltungen im Dienst für den Frieden zukommt. Seine ungeteilte Liebe zu Gott öffnete ihn für die Liebe zum Nächsten; er diente den Notleidenden, wo und wer immer sie waren. Sein Beispiel inspiriert auch heute noch die Kirche in Sri Lanka. Gerne und großherzig dient sie allen Gliedern der Gesellschaft. Sie macht keine Unterschiede nach Rasse, Bekenntnis, Volksstamm, Stand oder Religion in dem Dienst, den sie durch ihre Schulen, Krankenhäuser, Kliniken und viele andere gemeinnützige Werke bereitstellt. Die einzige Gegenleistung, die sie fordert, ist die Freiheit, ihre Mission zu erfüllen. Religionsfreiheit ist ein fundamentales Menschenrecht. Jeder Einzelne muss – allein oder in Gemeinschaft mit anderen – frei sein, nach der Wahrheit zu suchen und die eigenen religiösen Überzeugungen öffentlich auszudrücken, ohne Einschüchterung und äußeren Zwang. Wie uns das Leben des heiligen Joseph Vaz lehrt, bringt eine authentische Gottesverehrung Frucht nicht etwa in Diskriminierung, Hass und Gewalt, sondern in der Achtung vor der Unverletzlichkeit des Lebens, in der Achtung vor der Würde und Freiheit anderer und im liebevollen Einsatz für das Wohl aller.

Und schließlich gibt der heilige Joseph uns ein Beispiel missionarischen Eifers. Obwohl er nach Ceylon kam, um die katholische Gemeinschaft zu betreuen, brachte er seine am Evangelium orientierte Liebe allen entgegen. Indem er seine Heimat, seine Familie und die Bequemlichkeit seiner gewohnten Umgebung hinter sich ließ, folgte er dem Ruf, hinauszugehen und von Christus zu sprechen, wohin auch immer er gesandt wurde. Der heilige Joseph wusste, wie man die Wahrheit und die Schönheit des Evangeliums in einem multireligiösen Kontext darbieten muss, mit Respekt, Hingabe, Ausdauer und Demut. Das ist auch der Weg für die Anhänger Jesu von heute. Wir sind berufen, mit demselben Eifer, demselben Mut des heiligen Joseph hinauszugehen, aber auch mit seiner Sensibilität, seiner Ehrfurcht vor den anderen und mit seinem Wunsch, mit ihnen jenes Wort der Gnade (vgl. Apg 20,32) zu teilen, das die Kraft hat, sie aufzubauen. Wir sind berufen, missionarische Jünger zu sein.

Liebe Brüder und Schwestern, ich bete, dass die Christen dieses Landes, indem sie dem Beispiel des heiligen Joseph Vaz folgen, im Glauben gestärkt werden und einen immer bedeutenderen Beitrag zu Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung in der Gesellschaft Sri Lankas leisten mögen. Das ist es, was Christus von euch verlangt. Das ist es, was der heilige Joseph euch lehrt. Das ist es, was die Kirche von euch braucht. Ich empfehle euch alle der Fürsprache unseres neuen Heiligen, so dass ihr in Gemeinschaft mit der Kirche in aller Welt dem Herrn ein neues Lied singt und allen Enden der Erde seine Herrlichkeit verkündet. Denn groß ist der Herr und hoch zu preisen (vgl. Ps