Der bisherige Präfekt der Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst, der spanische Kardinal Antonio Cañizares Llovera, wird Erzischof von Valencia in Spanien. Das gab der Vatikan an diesem Donnerstag bekannt. Der Kardinal, der selbst aus diesem Bistum stammt, folgt damit auf Erzbischof Carlos Osoro Sierra, den Papst Franziskus zum Erzbischof von Madrid ernannt hat. Der Papst hatte zuvor den Rücktritt des bisherigen Erzbischofs der spanischen Hauptstadt, Kardinal Antonio María Rouco Varela, angenommen, eine Neubesetzung war also nötig geworden. Kardinal Antonio Cañizares Llovera war vor seinem Amt im Vatikan bereits Bischof in Spanien, in Avila, Granada und Toledo. Seit 2008 leitete er die Sakramenten-Kongregation im Vatikan. (rv)
Kategorie: Allgemein
Nigeria: Boko Haram will ebenfalls einen „Islamischem Staat“
Seit eineinhalb Jahren sind in Nigeria über 650.000 Menschen vor der Gewalt der islamistischen Sekte Boko Haram geflüchtet. Das teilte nun die UNO mit. Allein an diesem Freitag habe die Terrorgruppe im Nordosten des Landes ein Dorf eingenommen und etwa 11.000 Bewohner vertrieben. Das sagt im Gespräch mit Radio Vatikan der Erzbischof von Abuja, Kardinal John Olorunfemi Onaiyekan.
„Boko Haram scheint immer mehr Erfolge zu verzeichnen und erobert ein Dorf nach dem anderen, zum Teil handelt es sich sogar um Kleinstädte. Wir verstehen nicht, weshalb die Armee, die dort präsent sein sollte, jedes Mal abzieht, kurz bevor Boko Haram kommt. Wir warten auf Erläuterungen der Regierung. Mir scheint das sehr peinlich für die unsere Politiker zu sein.“
Noch vor einigen Monaten sorgte eine internationale Kampagne zur Befreiung von entführten Schulmädchen für Schlagzeilen und vor allem für viele Solidaritätsbekundungen für Nigeria. Nun seien vergangene Woche nochmals hunderte Mädchen verschleppt worden, doch die internationale Aufmerksamkeit scheint sich auf andere Krisengebiete verlagert zu haben, so der nigerianische Kardinal.
„Wir wissen nicht weiter. Hinzu kommt, dass in Nigeria selber die Entführungen für politische Zwecke missbraucht werden. Nächstes Jahr finden wichtige Wahlen statt, und die Politiker denken lieber daran, diese schrecklichen Vorkommnisse für ihre Zwecke zu benutzen. Fakt ist, Boko Haram hat eine tiefe Kluft zwischen den Muslimen und den Christen in Nigeria geschaffen, und das beunruhigt mich sehr.“
Boko Haram habe auch einen Bezug zum „Islamischen Staat“ im Irak, so Kardinal Onaiyekan.
„Wenn wir hier in Nigeria hören, was im Irak geschieht, dann sind wir erstaunt und beängstigt, denn dort entsteht das, was Boko Haram seit Jahren versucht ebenfalls einzuführen: ein Islamistischer Staat. Das haben sie bisher bei uns nicht geschafft, aber wir befürchten, dass die Methode dieselbe sein wird: all jene töten, die nicht zu ihnen passen, egal ob Christen oder Muslime.“ (rv)
Indien: Kardinal gibt vorsichtige Entwarnung
Die ersten Amtshandlungen der neuen Regierung unter dem Hindu-Nationalisten Narendra Modi geben keinen Anlass zur Beunruhigung für religiöse Minderheiten. Das sagte Kardinal Baselios Cleemis Thottunkal, der Vorsitzende der indischen Bischofskonferenz. Er äußerte sich vor Journalisten nach einer Begegnung mit Modi, die er als „herzlich“ schilderte. Der neue Regierungschef wurde am vergangenen 12. Mai ins Amt gewählt. Seither haben sich dem Kardinal zufolge keine Episoden der Gewalt gegen Minderheiten ereignet. Modi habe eine Aussetzung der interreligiösen Gewalt verhängt, „und wir sollten ihm glauben, ohne Verschwörungstheorien anzuhängen“, sagte der Vorsitzende der indischen Bischofskonferenz. Seinerseits habe er den Regierungschef auf die Verfolgung der christlichen Dalit angesprochen. Modi gehört der Hindunationalisten-Partei BJP an, die einzig den Hinduismus als Religion in Indien anerkennen will. Beobachter fürchten eine Neuauflage der großangelegten Christenverfolgung, wie sie sich 2008 im Bundesstaat Odisha (vormals Orissa) zutrug. (rv)
Vatikan/Irak: Aufruf zum Gewaltstopp an IS-Kämpfer
Caritas Internationalis appelliert an die IS-Kämpfer im Irak, Gewaltakte gegen die Bevölkerung unverzüglich einzustellen. In einem Solidaritätsschreiben an die chaldäische Kirche und die Caritas im Irak wendet sich der Präsident von Caritas Internationalis, Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, an die Islamisten, die dabei sind, in dem Land ein Kalifat zu installieren: „Wir rufen die Kämpfer des Islamischen Staates dazu auf, die folgenschweren Gräueltaten an ihren Brüdern und Schwestern einzustellen und auf eine friedliche Gesellschaft hinzuarbeiten, in der alle Menschen – ob Mehrheits- oder Minderheitsgemeinschaften zugehörig – zusammen in Frieden und fruchtbringend leben können“, schreibt der Kardinal in dem Brief, der auf den 15. August datiert ist.
Angst vor Rückschritten im Dialog
In dem Schreiben bringt der Präsident von Caritas Internationalis seine Sorge zum Ausdruck, dass die jüngste Gewaltwelle zu Rückschritten im christlich-muslimischen Dialog führen und die friedliche Koexistenz der beiden Religionsgruppen weltweit und „vor allem im Nahen Osten“ beeinträchtigen könne. Der Kardinal hält jedoch fest, dass die Gewalt im Irak alle Volks- und Religionsgruppen – Christen, Jesiden, Kurden, Shabaks und Mandäer. Die durch Islamisten erzwungene Markierung christlicher Häuser im Irak erinnere freilich an die Judenverfolgung im Nationalsozialismus, deutet der Kardinal an.
Solidarität mit den leidenden Menschen
Kirchen- und Ordensleuten, Caritasmitarbeitern und allen bedrängten Menschen im Irak drückt der Caritas Internationalis-Präsident im Namen des vatikanischen Dachverbandes Solidarität und Nähe aus. Caritas Internationalis arbeite „auf lokaler, nationaler, regionaler und globaler Ebene“ für die Wiederherstellung der Sicherheit, die Wahrung der Menschenrechte und die Unterbindung von Gewalt im Irak, versichert Rodriguez Maradiaga weiter. Der Brief ist an den chaldäischen Patriarchen, Louis Raphael Sako, und den Präsidenten von Caritas Irak, Schlemon Warduni, adressiert. (rv)
Nuntius im Irak: Ja zu US-Intervention
Immer deutlicher signalisiert der Heilige Stuhl seine Billigung für die US-Militärintervention im Irak. Als wichtigstes Ziel sieht man im Vatikan die Eindämmung und Entwaffnung der Terrorgruppe „Islamischer Staat“. Der Nuntius in Bagdad, Erzbischof Giorgio Lingua, sagte im Gespräch mit Radio Vatikan:
„Leider greift man ein, um eine Lage zu reparieren, die man hätte vermeiden können. Aber es ist gut, wenn es wenigstens gelingt, jenen Leuten, die keine Skrupel haben, die Waffen aus den Händen zu nehmen.“
Das Hauptproblem im Irak sei „das der Waffen“, fuhr der Nuntius fort.
„Ich frage mich, wie diese Gruppen an so hochentwickelte Waffen kommen. Sie sind ja nicht selber Waffenproduzenten: Sie müssen sie von irgendwoher haben. Ich glaube, das ist in erster Linie ein Bankrott der Geheimdienste. Man muss den Waffenhandel besser kontrollieren und stoppen. Sonst kommt man hier an kein Ende.“
Bereits der Ständige Beobachter des Heiligens Stuhles bei der UNO in Genf, Erzbischof Silvano Maria Tomasi, hatte vor zwei Tagen ein vorsichtiges „Ja“ zur Militärintervention signalisiert, während Papst Franziskus selbst beim Angelusgebet noch am Sonntag von seiner Hoffnung auf eine „wirksame politische Lösung auf internationaler und lokaler Ebene“ sprach. Die Christen im Irak jedenfalls fühlen sich – nicht zum ersten Mal – von der Welt im Stich gelassen. Das bestätigte uns der Weihbischof von Bagdad, Shlemon Warduni. Die chaldäische Kirche hat deshalb am Sonntag einen dramatischen Appell an die Staatengemeinschaft und alle Christen gerichtet. Warduni:
„Die internationale Bereitschaft zur Zusammenarbeit für den Irak ist sehr schwach. Und sie kam spät. Auch Europa und die USA und die Christen in der ganzen Welt haben geschlafen, als das Kalifat kam. Unsere Tragödie wurde anfangs nicht ernst genommen. Deshalb sind wir an diesen Punkt gelangt, von dem der Appell spricht.“
„Bitte, verkauft den Terroristen keine Waffen!“
In dem Appell – er hat die Form eines Offenen Briefs – zeigt sich Patriarch Louis Sako enttäuscht darüber, dass die USA nur die Stadt Erbil militärisch schützen will. Erbil ist Hauptstadt der autonomen Provinz Kurdistan im Nordirak. „Die Amerikaner wollen nicht die Stellungen des ‚Islamischen Staats’ in Mossul und der Ninive-Ebene angreifen – also fassen sie keine schnelle Lösung ins Auge, die Hoffnung geben könnte“, heißt es in dem Schreiben des Erzbischofs. Die Kämpfer des „Islamischen Staates“ haben alle Christen aus Mossul vertrieben und terrorisieren sie auch in ihren Zufluchtsorten in der Ninive-Ebene. Shlemon Warduni fordert im Namen der Christen des Irak:
„Wir wollen einen Eingriff! Jetzt, sofort. Für die Christen, die Jesiden. Arme Leute! Wie viele Kinder sind gestorben, wie viele Frauen entführt, wie viele Männer ermordet. Deshalb haben wir gesagt, die Welt muss einschreiten – sofort. Und verkauft diesen Leuten keine Waffen!“
Am Anfang führten die IS-Kämpfer im Irak, wie Warduni erinnert, eine überraschend milde Sprache. Die ganze Welt habe sich gerne davon täuschen lassen.
„Sie sagten den Christen, geht nicht weg. Dann haben sie begonnen, die Christen aus ihren Ämtern und Arbeitsstellen zu jagen. Dann haben sie ihre Häuser gekennzeichnet. Dann schrien sie: Christen raus. Sie haben sie verjagt oder ermordet, sofern sie bleiben und nicht zum Islam übertreten wollten. Und sie säten Angst in die Herzen aller. Wenn die Leute IS-Kämpfer sehen, fangen sie schon an zu laufen. Zu Tausenden. 200.000 unserer Leute sind geflohen. Die Kirche hat versucht, die Leute irgendwie unterzubringen, und für die meisten ist das sogar gelungen. Wir rufen die ganze Welt an: Bitte, tut etwas! Bitte, helft uns! Bitte, verkauft keine Waffen!“
Das Grundproblem im Irak ist aus Sicht Wardunis und auch des Heiligen Stuhles politischer Natur: Es ist das Fehlen politischer Einheit. Eine Vielzahl gesellschaftlicher, ethnischer und religiöser Gruppen steht sich teils unversöhnlich gegenüber. Im April hat der Irak gewählt, eine Regierung ist noch immer nicht entstanden. Präsident Fuad Masum hat nun endlich den schiitischen Politiker Haidar al-Abadi mit der Regierungsbildung beauftragt, der versprach, die Gruppen des Irak an der Regierung zu beteiligen.
„Koalition Bagdads mit den Kurden wäre besser…“
Der bisherige Amtsinhaber Nuri al-Maliki, ebenfalls Schiit, legt sich quer. Maliki steht freilich bei Sunniten und Kurden in schlechtem Ansehen. Sie werfen ihm vor, wegen der politischen Ausgrenzung der Sunniten für das Desaster „Islamischer Staat“ verantwortlich zu sein. Weihbischof Warduni:
„Das ist eines der größten Probleme: Die Regierung und alle anderen Parteien müssten an einem Strang ziehen. Aber sie gehen in Deckung, statt zu sagen: Gehen wir zu den Kurden, bilden wir jetzt einen Block zusammen mit ihnen, der die Stärke des Irak zeigt, wir wollen keinen Krieg, wir wollen keine Toten, wir wollen unsere Rechte. Frieden und Sicherheit! Würde die Regierung mit den Kurden koalieren, wären die Dinge sicher besser.“
Der Nuntius in Bagdad stellt die komplizierte Regierungsbildung in Bagdad in einen größeren Zusammenhang.
„Ganz gewiss, es braucht eine Regierung, die alle Volksgruppen miteinbezieht. Sonst wird der Staat immer schwächer. Es ist aber auch klar, dass die Demokratie ihre Zeiten braucht; man kann nicht erwarten, dass sie sich sofort herstellen lässt. Die Demokratie muss auch die Minderheiten miteinbeziehen, alle jene Gruppen, die schwächer sind oder andere Ansichten haben. Das ist ein Weg, der Zeit braucht, den man aber beschreiten muss. Andernfalls wird man nie aus dieser Pattsituation herauskommen.“
In diesen Tagen wird als persönlicher Gesandter des Papstes Kardinal Fernando Filoni im Irak erwartet. Erzbischof Lingua wird nicht nur einen Landsmann, sondern auch einen Vorgänger empfangen: Kardinal Filoni war 2001 bis 2006 Nuntius in Bagdad. Lingua misst dem Besuch des päpstlichen Gesandten eine moralische Bedeutung zu:
„Ich glaube, das ist eine Geste, die von der Bevölkerung sehr geschätzt wird. Das Wichtige ist, dass sie sich nicht verlassen fühlt. Materiell kann dieser Besuch aus dem Vatikan natürlich nicht alle Probleme lösen. Aber er kann die öffentliche Meinung sensibilisieren und die Menschen fühlen lassen, dass es da jemanden gibt, dem sie am Herzen liegen. Oft ist es wirklich dieses Gefühl der Verlassenheit, das dazu führt, dass man die Hoffnung verliert.“ (rv)
Papstreise nach Korea: Bericht von der Grenzlinie
An diesem Donnerstag trifft Papst Franziskus in Korea ein, es wird seine dritte große Auslandsreise sein, nach Rio de Janeiro im vergangenen Jahr und Jordanien, Palästina und Israel vor einigen Monaten. Korea ist ein Land, das vor allem durch ein Thema definiert wird: die Teilung in Nord und Süd. Genau von der Grenzlinie meldet sich unser Korrespondent, Pater Bernd Hagenkord, mit einem ersten Bericht.
Eine Holzbrücke, Stacheldraht, viele Fahnen und ein Wachturm, dahinter der Han-Fluss: Das sind sieben Kilometer vor der eigentlichen Grenze, weiter geht es nicht. 10.000 Won – also etwa acht Euro – kostet es, wenn man die buddhistische Friedensglocke in einem kleinen Pavillon schlagen will. Plakate am Stacheldrahtzaun verkünden, wer alles für die friedliche Wiedervereinigung der beiden Koreas ist. Aber wirklich wollen tun es wenige – denn wenn der Norden zusammenbricht oder eine Wiedervereinigung kommt, dann würden die Wirtschaft und der Lebensstil des Südens dies nicht verkraften.
Wir sind in der sogenannten demilitarisierten Zone. Das ist ein zynischer Begriff, denn es gibt wohl kaum eine Zone dieser Welt, in der mehr Waffen und Minen aufeinanderprallen. Diese Zone prägt das Leben in Korea, und auch die Reise von Papst Franziskus steht unter diesem Vorzeichen. Es ist wieder ein Land mit einem ungelösten militärischen Konflikt, in das Papst Franziskus reist. Völlig anders als zum Beispiel im Heiligen Land, aber eben auch ein ungelöster Konflikt. Der Papst wird Impulse setzen – und zwar durch was er sagt, durch sein Auftreten und seine direkte Kommunikation. Spätestens bei der Versöhnungsmesse in Seoul am Sonntag wird er es ganz direkt ansprechen.
Die anderen Dimensionen der Reise werden die Begegnung mit der Jugend Asiens, die Würdigung der Kirche Koreas durch ihre Märtyrer – das sind die Seligsprechungen – sowie die Begegnung mit den Angehörigen der Opfer des Fährunglücks sein. Dieses Fährunglück war eine Katastrophe, die tief im kollektiven Gedächtnis des Landes sitzt und die noch viel Spannung und Proteste hervorruft. Das alles wird wichtig sein bei dieser Reise, aber die Grundfärbung kommt von hier: dem Konflikt Nord-Süd. Papst Franziskus besucht ein Land, das im Kriegszustand ist. Frieden und Versöhnung sind in einer äußerst komplexen Situation. Nach dem Heiligen Land und dem Einsatz für Syrien geht es ein weiteres Mal um ein Thema des Pontifikats von Papst Franziskus.
Aus Korea, P. Bernd Hagenkord SJ (rv)
Patriarch: Amerikaner sollten nicht nur Erbil schützen
Der irakische katholische Patriarch äußert sich zum ersten Mal umfassend zu den Lufteinsätzen der USA im Nordirak. In einem Offenen Brief von diesem Sonntag zeigt sich Erzbischof Louis Raphaël Sako enttäuscht darüber, dass sich die Aktionen der Amerikaner auf den Schutz von Erbil beschränken. Erbil ist Hauptstadt der autonomen Provinz Kurdistan im Nordirak.
Natürlich freue er sich darüber, dass die nach Erbil geflüchteten Christen und Angehörige anderer Minderheiten dank der US-Luftschläge jetzt in Sicherheit seien. Doch allein im Vorort Ankawa müssten die 25.000 Christen, die dort lebten, jetzt für 70.000 Flüchtlinge sorgen. Von diesen Flüchtlingen schliefen nicht wenige „auf der Straße oder in den Parks“. In der nahegelegenen Stadt Dohuk hat die Zahl der Christen nach Angaben des chaldäischen Patriarchen von Babylon die 60.000er-Marke überschritten; die Lage in Dohuk sei „schlimmer“ als in Erbil. Außerdem seien viele Christen und Angehörige anderer Minderheiten nach Kirkuk und Sulaymaniyah geflohen, ja sogar bis in die weit entfernte Hauptstadt Bagdad. Man dürfe sich also nicht nur um Erbil kümmern, so Sako.
Der Patriarch weist auf einen wachsenden humanitären Notstand hin. In ganz Irakisch-Kurdistan herrsche dramatischer Mangel an humanitärer Hilfe: Unterkünfte, Nahrung, Wasser, Medizin würden gebraucht. „Tod und Krankheit treffen die Kinder und die älteren Leute unter den Tausenden von Flüchtlingsfamilien“, so Sako. Niemand koordiniere die Hilfen, die jetzt einliefen, das bremse ihre Wirksamkeit.
„Obamas Haltung ist enttäuschend“
In den christlichen Dörfern zwischen Mossul – das in der Hand der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ ist – und Kurdistan seien die Kirchen jetzt „leer und entweiht“; fünf Bischöfe könnten nicht mehr an ihren Bischofssitz zurückkehren, Priester und Ordensleute hätten fliehen und Missionsstationen, Krankenhäuser oder Schulen zurücklassen müssen. Nicht nur für die Kirche, sondern für alle Geflüchteten sei „das Desaster extrem“. Wörtlich fährt der Patriarch dann fort: „Die Haltung von US-Präsident Obama, nur Erbil militärisch zu schützen, ist enttäuschend“. Die Debatten über eine mögliche Teilung des Irak hält er für „erschreckend“: „Die Amerikaner wollen nicht die Stellungen des ‚Islamischen Staats’ in Mossul und der Ninive-Ebene angreifen – also fassen sie keine schnelle Lösung ins Auge, die Hoffnung geben könnte.“ Es sei „deprimierend“, darauf warten zu müssen, dass irakische Armee und kurdische Peschmerga-Kämpfer etwas gegen die islamistischen Gotteskrieger ausrichten – oder darauf, dass sich die streitenden Politiker in Bagdad endlich auf eine neue Regierung einigen.
Der Patriarch von Babylon vermisst eine „Strategie, um die Quelle der Macht und der Ressourcen der islamistischen Terroristen auszutrocknen“. Er sieht die Gefahr, dass sich die IS-Krieger dauerhaft in Teilen des Irak und Syriens einrichten. Vor welcher Wahl stünden denn jetzt die Flüchtlinge aus den Kalifats-Gebieten, fragt sich Sako. Emigrieren könnten doch nur die, die Papiere und Geld dafür hätten. Also bleiben? „In den Flüchtlingslagern darauf warten, dass der Winter kommt? Werden denn überhaupt Schulen wieder öffnen? Wird man die Kinder der Flüchtlinge in den Schulen des Kurdengebiets aufnehmen? Was wird aus dem Eigentum und der Arbeit dieser Tausenden von Unschuldigen, die Hals über Kopf aus ihren Dörfern flüchten mussten?“ Diese Fragen sollten, so Patriarch Sako, „auf dem Gewissen jedes Einzelnen und jeder Organisation lasten, damit etwas für diese Menschen getan wird.“ (rv)
Nigeria: Boko Haram schickt Mädchen als Attentäterinnen vor
Im Nordosten Nigerias ist es in den letzten Wochen abermals zu blutigen Anschlägen gekommen. Besonders besorgniserregend dabei ist, dass die Terrororganisation Boko Haram inzwischen Mädchen als Selbstmordattentäter vorschickt. Der schwerste dieser Anschläge ereignete sich am 27. Juli, als ein Mädchen vor einer Kirche der Gemeinde San Carlo eine Bombe zündete und vier Menschen mit in den Tod riss. Die junge Frau trug die Bombe unter ihren langen Gewändern. Der Erzbischof von Abuja, Kardinal John Onaiyekan, äußerte sich zu diesem Vorfall gegenüber Radio Vatikan:
„Angriffe von Boko Haram mit Autobomben haben wir schon immer gekannt. Aber derartige Attacken, bei denen minderjährige Mädchen die Bomben unter ihren langen Kleidern tragen, gibt es zum ersten Mal“.
Dies sei deshalb ein enormes Problem, weil die meisten Menschen in Nigeria lange Kleidung tragen. Der Erzbischof betonte in dem Interview, dass dies neue Formen der Kontrolle an Passanten erforderlich mache, auch wenn damit Unannehmlichkeiten verbunden seien.
„Wir hätten uns nie vorstellen können, dass ein Mädchen vor einer Kirche Sprengstoff mit sich tragen könnte. Jetzt wissen wir es und werden neue Maßnahmen ergreifen müssen, mit allen Personen, die vorbeikommen“.
Jedoch, so der Erzbischof weiter, würden die Terrorangriffe keineswegs nur Kirchen betreffen, sondern auch Märkte oder öffentliche Einrichtungen. Ihm zufolge würde allerdings die Regierung zu wenig unternehmen, um Widerstand zu leisten und die Bevölkerung zu schützen.
„Die Regierung betont immer wieder, sie werde den Kampf gegen Boko Haram gewinnen, aber schaut man auf die Resultate, scheint dies nicht zu gelingen: Boko Haram-Terroristen haben ja offenbar nach wie vor die Möglichkeit, zuzuschlagen. Alle wissen, dass man Notiz davon nimmt, wenn eine Kirche von derartigen Anschlägen betroffen ist. Keine Aufmerksamkeit mehr erweckt aber, wenn sie in den Dörfern im Nordosten zuschlagen.“
Stattdessen würden sich Politiker und Journalisten in Nigeria mit anderen Angelegenheiten befassen, wie den anstehenden Wahlen im nächsten Jahr.
„Wir müssen sicher sein können, dass die Regierung sich die Tragweiter dieser Situation bewusst macht, allerdings scheint es, sie habe andere Sorgen auf ihrer politischen Agenda. Auch in den Zeitungen stehen immer nur ein paar Zeilen über Boko Haram, während die Titelseiten immer anderen politischen Themen gelten.“
Im Nordosten Nigerias seien inzwischen so gut wie alle Gebiete von den Boko Haram Terroristen kontrolliert, bestätigt Kardinal Onaiyekan. Viele Menschen würden in Richtung Kamerun fliehen, da sie sich dort mehr Schutz erhoffen. In Nigerias abgelegenen Dörfern im Norden sei die Polizei nicht in der Lage oder willens, Anschläge zu verhindern. (rv)
Afghanistan: Immer noch keine Spur von entführten Jesuiten
Es sind bereits zwei Monate vergangen nach der Entführung des Jesuiten-Flüchtlingsdienst JRS-Direktors in Afghanistan, P. Alexis Prem Kumar, und noch immer gibt es keine Hinweise sowie auch kein Lebenszeichen. Das bestätigt der Vatikan an diesem Montag.
Der 47-jährige Jesuit und indischer Staatsbürger wurde am 2. Juni von einer Gruppe von Männern im Westen Afghanistans entführt. Er besuchte eine Schule des Flüchtlingsdienstes, 25 km entfernt von der Stadt Herat, als ihn unbekannte Männer mit einem Auto entführten. Einige Tage nach der Entführung bestätigte das indische Außenministerium, dass die afghanische Regierung alles tun würde um den Jesuiten zu befreien. In dem äußerst prekären Fall kam es auch zu einer Festnahme von drei Taliban. Weitere Details zu dieser Festnahme wurden jedoch nicht bekannt gegeben.
Laut internationalen Direktor des Jesuiten Flüchtlingsdienstes, Pater Peter Balleis, seien seine Familie sowie auch seine Mitbrüder in ständiger Angst um das Leben des Jesuiten. Die Hoffnung werden sie jedoch nicht aufgegeben, so der Pater in der Aussendung.
Ohne Alexis Prem Kumar, der seit über zehn Jahren für das Hilfswerk arbeitete, sei die Schule in Sohadat geschlossen, viele Projekte müssen aufgrund der Abwesenheit von Pater Kumar pausieren. Seit Juli werden jedoch langsam wieder einige Projekte aufgenommen.
Das Flüchtlingshilfswerk „Jesuit Refugee Service“ ist eine internationale Organisation der Jesuiten. Das regionale Büro Südasien betreut insgesamt 800.000 Flüchtlinge: darunter aus Bhutan in Nepal, aus Sri Lanka in Indien und afghanische Flüchtlinge. Für die sie werden Medikamente, Bildung, psychologische Unterstützung und Entwicklungshilfe bereitgestellt. (rv)
Migranten-Kardinal: „Europa soll sich an sein Versprechen halten“
Während die Weltgemeinschaft auf die Entwicklungen im Gazastreifen oder in der Ostukraine schaut, ist die Aufmerksamkeit auf das Flüchtlingsdrama auf dem Mittelmeer aus dem Blick geraten. Täglich versuchen hunderte von Hilfesuchenden aus Nordafrika nach Europa zu reisen, meist unter sehr prekären und unmenschlichen Bedingungen. Europa soll sein Versprechen gegenüber den Migranten halten und seine Grenze so öffnen, dass Bedürftige aufgenommen werden können. Daran erinnert im Gespräch mit Radio Vatikan der Präsident des Päpstlichen Rates für die Migrantenseelsorge, Kardinal Antonio Maria Vegliò.
„Ich denke, dass es ein großes Problem ist, dass täglich so viele Migranten ankommen und viele von ihnen dabei ums Leben kommen. Jeder von uns kann jetzt denken, wir sind unschuldig, weil wir nichts dafürkönnen, aber ein Gefühl von Scham und Unruhe sollte dies schon in uns auslösen. Deshalb ist jeder dazu aufgerufen, sich um Migranten zu kümmern, so wie es Papst Franziskus immer wieder betont. Von den Behörden ist vor allem eines zu wünschen: eine bessere Koordinierungsarbeit, damit wir alle eine bessere, solidarische und brüderliche Welt aufbauen können.“
Insbesondere die Europäische Union müsse mehr für die Migranten tun, so Kardinal Vegliò.
„Zwar unternimmt Europa viel für die Flüchtlinge, das dürfen wir nicht verkennen, aber mir scheint, dass das Bewusstsein fehlt, wo die Grenzen der EU sind. Jeder denkt nämlich, die seinen bei sich Zuhause, dem ist aber nicht so. Europa müsste die Möglichkeit bieten, dass ein Migrant überall hingehen darf, wo er es für richtig hält.“
Dies sei im Übrigen auch etwas, was die Europäische Union den südländischen Staaten versprochen habe, fügt Vegliò an.
„Vonseiten der europäischen Staaten gab es immer wieder das Versprechen, dass die Migranten in ihren Ursprungsländern eine Unterstützung erhalten sollten. Bisher haben wir aber wenig davon gesehen. Eigentlich müssten wir doch daran arbeiten, dass niemand gezwungen wird, auszuwandern. Ein zweites Versprechen war, dass die Sicherheit der Überfahrten gewährleistet sein sollte. Dazu bedarf es humanitäre Korridore, aber davon fehlt jegliche Spur. Und ein drittes nicht gehaltenes Versprechen betrifft die Integration der Migranten in den Aufnahmeländern. Auch da gibt es noch viel zu tun.“ (rv)