Zwei Frauen, zwei Wunder

Die Journalisten, die zu den Heiligsprechungen in Rom sind, werden in diesen Tagen vom Vatikan mit Pressekonferenzen geradezu überschwemmt. Ein Auftritt durfte aber auf die besondere Aufmerksamkeit der Pressemeute zählen: als es nämlich um die zwei „Wunder“ ging. Um die zwei Frauen also, die auf die Fürsprache von Johannes XXIII. bzw. Johannes Paul II. auf medizinisch unerklärliche Weise geheilt worden sind. Im Fall von Johannes Paul hat das entsprechende Wunder seine schnelle Heiligsprechung neun Jahre nach seinem Tod ermöglicht; bei Johannes hingegen hat Papst Franziskus für die Heiligsprechung vom Nachweis des Wunders dispensiert. Sein Wunder, von dem hier die Rede ist, machte also im Jahr 2000 seine Seligsprechung möglich.

Tränen und Emotionen auf einer Pressekonferenz des Heiligen Stuhls – ein nicht gerade übliches Bild. Das Wort hat zunächst Schwester Adele Labianca aus Neapel, sie hat zusammen mit Schwester Caterina Capitani lange in einem Kinderkrankenhaus dort gearbeitet. Schwester Caterina nun mußte 1966 ein Teil ihres Magens entfernt werden, da war sie erst 23 Jahre alt; nach der OP gab es Komplikationen, die Ärzte fürchteten das Schlimmste. Caterina und ihre Mitschwestern riefen Johannes XXIII. im Gebet an – der war drei Jahre zuvor gestorben.

„Auf einmal spürte sie eine Hand auf ihrer Magengegend, und eine Stimme rief sie an: ‚Schwester Caterina!’ Sie erschrak und sah auf einmal Papst Johannes neben ihrem Bett stehen, der sie lächelnd ansah. Er sagte zu ihr: ‚Schwester Caterina, du hast viel zu mir gebetet und auch viele deiner Mitschwestern, vor allem eine von ihnen’ – ich muss in aller Bescheidenheit sagen, diese eine Mitschwester war ich! ‚Ihr habt mir wirklich ein Wunder vom Herzen gerissen! Jetzt ist alles vorüber: Dir geht es gut, du hast nichts mehr!’“

Schwester Caterina konnte sofort wieder essen, ihre Ärzte vermochten sich ihre plötzliche Besserung nicht zu erklären. Ihre Mitschwester Adele sagt:

„Schwester Caterina hat für den ganzen Rest ihres Lebens eine starke Verehrung für Papst Johannes empfunden und verbreitet. Wir wissen nicht, aus welcher Ecke des Paradieses sie uns heute zuschaut – sie starb im April 2010 –, aber sie hat uns ein geistliches Testament hinterlassen, das von ihrem Vertrauen zu Gott und zu seinem Willen zeugt.“

„Ich hörte eine Stimme: Steh auf, hab keine Angst!“

Den Journalisten im Vatikanischen Pressesaal wurde aber auch noch ein Wunder sozusagen aus erster Hand geboten: Das Wunder der 51-jährigen Hausfrau Floribeth Mora Diaz aus San José in Costa Rica. Die Ehefrau eines Polizisten, Mutter von vier Kindern, wurde im April 2011 aus dem Krankenhaus nach Hause geschickt: Man könne nichts mehr für sie tun, so die Ärzte, ihr Aneurisma sei nicht zu heilen, sie habe nur noch einen Monat zu leben.

„Ich betete daraufhin um die Fürsprache von Johannes Paul II., ich sagte ihm immer: ‚Johannes Paul, du bist so nahe bei Gott, sag doch dem Herrn, dass ich nicht sterben will!’ Ich hatte Angst vor dem Sterben… ‚Sag ihm bitte: Wenn ich sterbe, wer kümmert sich denn dann um meine Kinder? Die sind, zusammen mit meinem Mann, das, was ich am meisten liebe…’ Ich bat ihn immer wieder, sie zu beschützen und nicht alleinzulassen, wenn ich tot wäre. Ich betete, weil ich nicht sterben wollte.“

Am 1. Mai 2011 wurde Johannes Paul II. in Rom von seinem Nachfolger Benedikt XVI. selig gesprochen. Die todkranke Frau Mora Diaz sah sich das im Fernsehen an.

„Nach dieser Übertragung – das war um zwei Uhr nachts in Costa Rica – habe ich etwas Unglaubliches gespürt. Ich wachte morgens gegen acht Uhr auf, aber irgendetwas war anders. Ich hörte eine Stimme in meinem Zimmer, die mir sagte: ‚Steh auf!’ Ich war sehr überrascht, sah mich um und dachte: ‚Aber ich bin doch alleine hier?’ Und immer noch hörte ich diese Stimme: ‚Steh auf! Hab keine Angst!’ Mein Blick ging zu einer Zeitschrift, die auf dem Fernseher lag, eine Sondernummer zur Seligsprechung von Johannes Paul II., man sah darauf den Papst mit erhobenen Händen – und ich sah, dass die Hände auf diesem Bild zu mir hinwinkten, als wollte er sagen, nun mach schon! Ich antwortete: ‚Ja, Herr!’ Und seit diesem Tag stehe ich wieder auf meinen Füßen! Der Herr hat mir an diesem Tag die Angst genommen und den Todeskampf, und er hat mir einen Frieden gegeben – einen Frieden, der mir die Sicherheit gab, dass ich geheilt war…“ (rv)

Der Jesuit Spadaro über den „offenen Stil“ des Papstes

La Civilta CattolicaSie sind das „schlagende Herz“ des päpstlichen Lehramtes – so beschreibt der italienische Jesuit und Chefredakteur der Zeitschrift „la Civiltà Cattolica“ Antonio Spadaro die Morgenpredigten von Papst Franziskus. Er hat die Meditationen des Papstes gesammelt und daraus ein Buch gemacht, das in dieser Woche in Italien erscheint. Pater Spadaro sagte dazu gegenüber Radio Vatikan:

„Was mich fasziniert hat, ist die Tatsache, dass diese Predigten dem ursprünglichen Denken des Papstes entsprechen und keiner Theorie. Ich habe also eine thematische Gestaltung dieser Predigten von vornherein verworfen und mich dafür entschieden, sie in der Reihenfolge zu bringen, wie sie gehalten wurden, chronologisch. Die Santa Marta-Predigten sind wirklich das schlagende Herz des päpstlichen Dienstes. Das sind Schlüsselthemen und Schlüsselworte, die dann auch in die offizielleren Reden einfließen und die aus einem Gespräch mit dem Volk Gottes in eben diesen Predigten hervorkommen.“

Erst vor wenigen Tagen hat der Papst zu einer „Theologie des unabgeschlossenen Denkens“ aufgerufen. Laut Spadaro ist der offene Stil der päpstlichen Morgenpredigten auch der besonderen Situation geschuldet, in der Franziskus diese Meditationen hält: Er lege bei diesen Meditationen Wert auf die Begegnung und eine familiäre Atmosphäre.

„Das ist ein sehr frischer, unmittelbarer Stil, an die Menschen angepasst. Wir haben es da ohne Zweifel mit starken Inhalten zu tun, die aber mit einer großen Aufmerksamkeit gegenüber den Menschen, die der Papst vor sich hat, vorgebracht werden. Seine Sprache ist eine einfache, doch sehr einschneidende Sprache, die reich an Bildern und poetisch ist; eine Sprache, die dazu fähig ist, auf authentische Weise Bilder entstehen zu lassen, die Menschen berühren und die das Wort Gottes lebendig machen.“

Der diskursive Stil des Papstes in den Morgenpredigten sei auch der Grund dafür, warum die Meditationen nicht in einer vollständigen Text- und Audioversion publiziert werden, so der Jesuit weiter. „Wahrheit ist eine Begegnung. Die Santa Marta-Predigten“ heißt das Buch von Antonio Spadaro, das in dieser Woche auf Italienisch erscheint. Zugleich erscheinen die Predigten auch auf deutsch, im Freiburger Herder Verlag. (rv)

Heiligsprechung: Nicht nostalgisch werden!

Papst Johannes XXIII.Bald ist er heilig gesprochen: Angelo Giuseppe Roncalli, Papst Johannes XXIII. Sein Leben war von Milde und Güte gezeichnet, die Italiener nannten ihn den „Papa Buono“, den guten Papst. Kirchengeschichtlich bedeutend waren seine Initiativen zur Reform der Kirche. Dazu zählt vor allem die historische Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils, das 1962 bis1965 tagte und eine Veränderung und Annäherung der kirchlichen Vision an die damalige Welt zur Folge hatte.

Das betont auch Kardinal Loris Francesco Capovilla. Der heute 98-jährige Kardinal war langjähriger Privatsekretär von Papst Johannes XXIII. In einem Interview mit Radio Vatikan erklärt er, dass es Gemeinsamkeiten gibt, zwischen Papst Franziskus und Papst Johannes XXIII. Beide wollen die Kirche verändern. Papst Franziskus bringe uns die Nachricht von Jesus durch sein „Evangelii Gaudium“.

„Papst Franziskus nähert sich uns an, nimmt uns an die Hand. Er zwingt uns nicht mit ihm zu gehen – er überzeugt uns.“

Das schaffe er dank seiner Erfahrungen als Jesuit und durch seine argentinischen Wurzeln, seine Herkunft, seine Kultur. In Bezug auf die Heiligsprechung von Papst Johannes XXIII. meint der Kardinal, es sei wichtig, nicht nostalgisch zu werden, sondern nach vorne zu blicken – auf etwas Neues, auf eine Veränderung.

„Ich meine, dass wir nicht von Heiligen, Reliquien oder Museen beschützt werden. So hat es auch Papst Johannes gesagt. Wir sind dazu berufen, einen Garten zu hüten, wo die Samen des Wortes, des fleischgewordenen Wortes wachsen. Wir sollen diesen Garten bepflanzen, die Erneuerung von Pfingsten und Ostern ermöglichen. Ein neuer Frühling. Und nicht zum eigenen Vergnügen, aber zum Vergnügen der ganzen Menschheit. Wir sind noch auf dem Weg, wir sind noch nicht auf der Hälfte des Weges angekommen. Die Straße ist noch lang.“

Das Evangelium helfe, seiner Meinung nach, die Straße zu gehen unter der Führung des neuen Papstes.

„Wie schön ist es den Papst jeden Tag zu hören, fast jeden Tag, dass Jesus niemanden zurückweist, und auf alle wartet.“

Zehn Jahre arbeitete er für Papst Johannes XXIII. und es war Capovilla immer eine Freude und Ehre. Er war ein Mann, der von Gott geführt wurde, so der Kardinal. Der Tag der Heiligsprechung am 27. April ist für ihn ein normaler Tag – aber auch ein Feiertag.

„Ein Tag in unserem Kalender, da jeder Tag im christlichen Kalender ein Feiertag ist. Für denjenigen, der glaubt ist immer Feiertag, immer Ostern, immer Auferstehung.“ (rv)

Der Kreuzweg am Kolosseum: Die Schwere und die Herrlichkeit des Kreuzes

ColloseumZehntausende Gläubige haben an diesem Karfreitag Abend mit dem Papst den traditionellen Kreuzweg am Kolosseum gebetet. Die Meditationen stammten in diesem Jahr von dem italienischen Erzbischof Giancarlo Maria Bregantini von Campobasso-Boiano, der als exponierter Gegner der Mafia bekannt ist. Ausgehend von den 14 Stationen Jesu – vom Todesurteil bis zur Grablege – sprachen die Texte vom Kreuzweg der Arbeitslosen, der Flüchtlinge, der Todkranken, der versklavten Frauen, der Mütter drogenkranker Kinder.

„Gott hat dem Kreuz Jesu alle Last unserer Sünden, alle Ungerechtigkeiten aller Kaine gegen ihre Brüder, alle Bitterkeiten unseres Judas-Verrates und unserer Petrus-Verleugnungen, alle Eitelkeiten der Mächtigen, alle Arroganz der falschen Freunde auferlegt“, so Papst Franziskus am Ende des Kreuzweges. „Es war ein schweres Kreuz, schwer wie die Nacht eines verlassenen Menschen, schwer wie der Tod eines lieben Freundes, schwer weil es die ganze Hässlichkeit des Bösen auf sich nimmt.“

Im Kreuz zeige sich die gesamte Liebe Gottes, der viel größer sei als unsere Bosheit und unser Verrat. „Im Kreuz sehen wie wir die Scheußlichkeit des Menschen, wenn er sich vom Bösen führen lässt, aber wir sehen auch die Unermesslichkeit der Barmherzigkeit Gottes, der uns nicht nach unseren Sünden behandelt, sondern nach dieser seiner Barmherzigkeit.“

Meditationen über die Welt

Im Inneren des Kolosseum waren wie jedes Jahr die 14 Stationen aufgebaut; das Kreuz übernahmen an jeder Station wechselnde Träger, darunter ein Paar, das aus einem Arbeiter und einem Unternehmer bestand, sowie zwei Ausländer, zwei Obdachlose, zwei Häftlinge, eine Familie, zwei Frauen, zwei Kinder und zwei alte Menschen.

Wenn Jesus das Kreuz auf sich nimmt und unter ihm wankt, dann ist das auch „die Last all der Ungerechtigkeiten, die zur Wirtschaftskrise mit ihren schwerwiegenden sozialen Folgen geführt haben“; heißt es in der Meditation zur zweiten Station:

„Unsicherheit, Arbeitslosigkeit, Entlassungen, Geld, das regiert, anstatt zu dienen, Finanzspekulation, Freitod von Unternehmern, Korruption und Wucher, Auswanderung der Unternehmen. Das ist das schwere Kreuz der Arbeitswelt, die Ungerechtigkeit, die den Arbeitern aufgeladen wird. Jesus nimmt es auf seine Schultern und lehrt uns, nicht mehr in der Ungerechtigkeit zu leben, sondern mit seiner Hilfe fähig zu werden, Brücken der Solidarität und der Hoffnung zu bauen, damit wir weder umherirrende noch verlorene Schafe sind.“

In den Tränen Marias, der Mutter Jesu, erklinge auch „die herzzerreißende Klage der Mütter um ihre Kinder, die an Tumoren sterben, deren Ursache die Verbrennung giftiger Abfälle ist“. Zu weinen gelte es auch über jene Männer, die Gewalt an Frauen verüben, und über die „Frauen, die durch Angst und Ausbeutung versklavt sind“. Mitleid allein reiche da aber nicht aus, heißt es weiter: „Jesus ist anspruchsvoller. Die Frauen müssen beruhigt und ermutigt werden, sie müssen geliebt werden als ein unverletzliches Geschenk für die ganze Menschheit.“ Die Tränen des Mitleids können dann fruchtbar sein, wenn sie für „teilnahmsvollen Schmerz“ stehen, so der Meditationstext: Jesu wolle keine „weinerliche Bemitleidung. Keine Klagen mehr, sondern Wille zur Neugeburt, zum Blick nach vorn.“ Das Kreuz werde leichter, wenn es mit Jesus getragen und von allen gemeinsam hochgehoben wird.

„Kämpfen wir gemeinsam, … indem wir die Achtung gegenüber der Politik zurückgewinnen und versuchen, gemeinsam aus den Problemen herauszukommen.“

Jesus helfe uns mit seiner inneren Kraft, die er vom Vater erhält, auch dabei, dem Fremden unsere Tür zu öffnen. „Im Bewusstsein unserer eigenen Schwäche werden wir die Einwanderer in ihrer Schwäche bei uns aufnehmen, damit sie Sicherheit und Hoffnung gewinnen.“ Erzbischof Bregantini erinnerte in seinen Meditationen auch an das Leid der Häftlinge, denen wir es nicht erlauben, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern, sowie an die Praxis der Folter in Gefängnissen.

„In jedem Gefängnis, bei jedem Gefolterten ist er, der leidende, gefangene und gefolterte Christus immer gegenwärtig.“

Jesus wird ans Kreuz genagelt: Auch heute seien viele Menschen gefesselt wie Jesus – an ein Krankenbett, heißt es in der elften Station.

„Möge sich unsere Hand niemals erheben, um zu peinigen, sondern immer, um den Kranken Nähe zu schenken, sie zu trösten und zu begleiten und sie aus ihrem Krankenbett wieder aufzurichten. Nur wenn wir an unserer Seite jemanden finden, der sich an unser Bett setzt, nur dann kann die Krankheit eine große Schule der Weisheit, eine Begegnung mit dem geduldigen Gott werden.“

Jesus wird vom Kreuz abgenommen und in den Schoß seiner Mutter gelegt: Pietà, das bedeutet, „jenen Brüdern und Schwestern nahe zu sein, die in ihrer Trauer keinen Frieden finden.“

Die Kraft der Hoffnung und Liebe

„Vor dem Kreuz Jesu können wir fast mit den Fingern anfassen, dass wir bin in alle Ewigkeit geliebt sind“, schloss der Papst die Meditationen in einer kurzen Ansprache. Vor dem Kreuz fühle man sich als Kind, nicht als Sache oder Objekt. „Denken wir also gemeinsam an die Kranken, erinnern wir uns an die verlassenen Menschen unter der Last des Kreuzes, auf dass wir in der Prüfung des Kreuzes die Kraft der Hoffnung finden, der Hoffnung auf die Auferstehung und der Liebe in Gott.“

Franziskus leitete die Andacht vom gegenüberliegenden Palatin-Hügel aus und segnete am Ende die Anwesenden. Der Kreuzweg am Kolosseum fand in diesem Jahr zum 50. Mal in neuerer Zeit statt. Die Päpste seit Paul VI. meditieren die Via Crucis seit 1964 immer am Karfreitag am römischen Kolosseum. Diese Tradition setzte somit während des II. Vatikanischen Konzils neu ein. Davor hatten die Päpste auch zwischen 1750 und 1870 den Kreuzweg am Kolosseum gebetet. (rv)

Guido Marini bleibt im Amt des Zeremoniars

Msgr. Guido MariniGuido Marini bleibt weiterhin Zeremoniar der päpstlichen Liturgien. Das melden italienische Agenturen mit Verweis auf den vatikanischen Pressesaal. Der promovierte Kirchenrechtler, der auch einen Abschluss in Kommunikationspsychologie hat, war 2007 von Papst Benedikt XVI. zum Nachfolger von Erzbischof Piero Marini ernannt worden, mit dem er zwar den Nachnamen teilt, aber nicht verwandt ist. Vor seiner Ernennung war er in seinem Heimatbistum Genua unter anderem Sekretär dreier Bischöfe, Kanzler der Kurie und Spiritual im Priesterseminar. (rv)

Studium der Geschichte: Die Kirche mit ihren Licht- und Schattenseiten

Pater Bernard ArduraDie Geschichte kann auch heute noch eine Lehrerin sein, besonders der Blick auf den tragischen Ersten Weltkrieg kann uns das lehren. Das sagte Papst Franziskus an diesem Samstag zu den in Audienz empfangenen Mitgliedern des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften. Die Institution feiert ihr 60-jähriges Bestehen, 1954 hatte Papst Pius XII. das Komitee gegründet. In seiner Ansprache griff der Papst weit zurück, auf die Einsichten des Philosophen, Rhetors und Politikers Marcus Tullius Cicero:

„Der berühmte Satz Ciceros in seiner Schrift „De Oratore“, der Auszugsweise vom seligen Papst Johannes XXIII., einem leidenschaftlichen Historiker, bei der Eröffnung des Konzils zitiert wurde, hat immer noch seine Gültigkeit: „Historia vero testis temporum, lux veritatis, vita memoriae, magistra vitae“, das Studium der Geschichte stellt wirklich einen der Wege der leidenschaftlichen Suche nach der Wahrheit dar, die seit jeher die Seele des Menschen durchzieht. In ihren Studien und Lehren befassen sie sich mit der Kirche auf dem Weg durch die Zeit, mit ihrer glorreichen Geschichte der Verkündigung, ihrer Hoffnung, ihren täglichen Kämpfen, den im Dienst hingegebenen Leben, dem ermüdenden Durchhalten. Aber sie befassen sich auch mit der Untreue, den Verleugnungen, den Sünden.“

Damit seien die Ergebnisse der historischen Studien eine große Hilfe für diejenigen, deren Aufgabe es sei, zu unterscheiden, was der Heilige Geist der Kirche heute sagen will. Umgekehrt leiste das Komitee in seinen Beziehungen und seiner Zusammenarbeit mit anderen akademischen und kulturellen Institutionen einen besonderen Dienst im Dialog zwischen der Kirche und der Welt.

„Unter den Initiativen, die sie planen, denke ich besonders an die Tagung anlässlich der 100-Jahr-Gedenkfeiern zum Beginn des Ersten Weltkrieges. Hierzu ziehen sie die neuesten Forschungsergebnisse heran, unter besonderer Berücksichtigung der diplomatischen Initiativen des Heiligen Stuhls während dieses tragischen Konfliktes, außerdem der Hilfe der Katholiken und anderer Christen bei der Hilfe für die Verwundeten, der Flüchtlinge, der Witwen und Waisen, auf der Suche nach den Verlorenen, wie auch bei dem Wiederaufbau einer Welt, die – wie Benedikt XV. es ausgedrückt – hat zerrissen war von einem „unsinnigen Gemetzel“. Auch heute noch klingt sein Appell nach: „Mit dem Frieden ist nichts verloren, mit dem Krieg kann alles verloren sein“ (Brief an die Kriegführenden Mächte vom 1. August 1917). Wenn wir diese prophetischen Worte heute wieder hören, dann begreifen wir, dass die Geschichte die „magistra vitae“ ist, Lehrerin des Lebens.“

Das Komitee beendet an diesem Samstag seine Vollversammlung im Vatikan. (rv)

Papst würdigt verstorbenen chaldäischen Patriarchen von Babylon

Delly Emmanuel IIIEine große Figur der irakischen Kirche ist tot. Kardinal Emmanuel III. Delly, der frühere chaldäische Patriarch von Babylon, ist an diesem Mittwoch in einem kalifornischen Krankenhaus gestorben; er war 86 Jahre alt geworden. In Detroit, wo viele seiner Familienangehörigen leben, soll er am Samstag begraben werden.

Papst Franziskus würdigt den Verstorbenen in einem Telegramm als guten Hirten, der viel für gerechte und friedliche Beziehungen mit den Angehörigen anderer religiöser Traditionen getan habe. Er bete für den Verstorbenen, so Franziskus. Auch Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin verspricht der Kirche im Irak sein Gebet und erklärt, er fühle mit ihrer Trauer um den früheren Patriarchen.

Emmanuel Delly ist 1927 in der Nähe von Mossul im Irak geboren worden; er studierte in Rom und wurde dort auch 1952 zum Priester geweiht. Das Konzil erlebte er als theologischer Berater mit; 1963 wurde er Bischof im Irak. Im Vatikan half er bei der Revision des Kodex des Ostkirchenrechts mit und beriet den Papst in Islam-Angelegenheiten. 2003, im Jahr der US-Invasion im Irak, wurde er – aus Sicherheitsgründen in Rom – zum Patriarchen von Babylon gewählt und in Bagdad inthronisiert. Die Angriffe auf Kirchen in Bagdad und Mossul konnte der Kirchenführer nicht verhindern, ebensowenig den massiven Exodus von Christen aus dem Irak, oft unter dem Druck von islamischen Fundamentalisten. Dennoch gewann er sich viel Respekt und Bewunderung durch seinen Einsatz für Versöhnung der religiösen Gruppen im Irak. Papst Benedikt XVI. nahm ihn im November 2007 in das Kardinalskollegium auf; 2010 war er Ehrenpräsident der Bischofssynode über den Nahen Osten, zwei Jahre später ging er in den Ruhestand.

Das Patriarchat von Babylon der Chaldäer hat seinen Sitz im irakischen Bagdad. Angaben über die Zahl der Kirchenmitglieder schwanken zwischen 480.000 und einer Million. Durch Abwanderung bestehen grosse chaldäische Gemeinschaften auch in Nordamerika, Australien und in Westeuropa. (rv)

Franziskus wertet Bischofssynode weiter auf

Papst Franziskus wünscht sich mehr Mitbestimmung der Ortsbischöfe in der katholischen Kirche als bisher. Das formulierte der Papst in einem Brief an den Generalsekretär der Bischofssynode, Kardinal Lorenzo Baldisseri. Anlass des Schreibens ist die Erhebung in den Bischofsstand für den Untersekretär der Behörde, Fabio Fabene, von diesem Dienstag. „Man kann und man muss immer tiefere und authentischere kirchliche Formen zur Ausübung der synodalen Kollegialität suchen“, schreibt Franziskus in dem Brief.

Seit der Einführung der Bischofssynode im Zug des II. Vatikanischen Konzils seien fast 50 Jahre vergangen. Heute sei es „mehr denn je nötig, die enge Bindung mit allen Hirten der Kirche zu beleben“, so der Papst. Deshalb wünsche er „dieses wertvolle Erbe des Konzils“ aufzuwerten. Zweifellos brauche der Bischof von Rom dazu die Präsenz seiner Mitbrüder im Bischofsamt, „ihren Rat, ihre Vorsicht und ihre Erfahrung“.

Bereits Johannes Paul II. habe 1983 „weitsichtig“ gesagt, dass die Bischofssynode „vielleicht noch verbessert werden könnte. Vielleicht könnte sich die kollegiale seelsorgerliche Verantwortung in der Synode noch vollständiger ausdrücken“ (Predigt zum Abschluss der VI. Generalversammlung der Bischofssynode, 29.10.1983). Auch er selbst habe „die Zeichen der Zeit befragt“, schreibt Franziskus wörtlich. Aufgabe des Papstes sei es zwar, allen zu verkünden, „wer Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ sei. Gleichzeitig aber müsse der Papst auch das wahrnehmen, „was der Heilige Geist auf den Lippen jener hervorruft“, die an der apostolischen Gemeinschaft teilhaben. Nur so könne die kirchliche Gemeinschaft besser verwirklicht und ihre „grenzenlose Aufgabe“ besser gefördert werden.

Die Erhebung des Untersekretärs der Bischofssynode in den Bischofsrang ist ein ungewöhnlicher Schritt. Franziskus erklärte ausdrücklich, er habe damit die Bedeutung der Bischofssynode verdeutlichen wollen. Der 55 Jahre alte römische Priester Fabio Fabene ist ausgebildeter Kirchenrechtler mit langjähriger Vatikan-Erfahrung und hat Bücher über das Amt des Bischofs und des Priesters verfasst. Erst vor zwei Monaten wurde er Untersekretär der Bischofssynode. Fabene wirkt auch als Geistlicher Assistent des katholischen Frauenverbandes „Centro Italiano Femminile“ in Rom. Als Titularbistum wies Franziskus dem neuen Bischof Acquapendente zu.  (rv)

Synoden-Sekretär: „Kirche braucht Familienkongresse“

Kardinal BaldisseriNeben der vatikanischen Familienumfrage sind auch Kongresse wichtig, damit die Synodenteilnehmer sich ein besseres Bild von der Familie in der heutigen Zeit machen können. Das sagt im Gespräch mit uns der Sekretär der Bischofssynode, Kurienkardinal Lorenzo Baldisseri. Er nahm am Wochenende an einem Familienforum an der Päpstlichen Universität Gregoriana teil.

„Solche Veranstaltungen sind wichtig, und je mehr es davon gibt, desto mehr wissen wir über die derzeitige Lage der Familie. Es geht da um das Evangelium des Lebens, wie es Papst Franziskus nennt. Wir wollen bei der Synode die pastoralen Herausforderungen erarbeiten. Wer unsere Umfrage genau gelesen hat, wird sicherlich bemerkt haben, dass in der Einleitung vor allem vom Evangelium gesprochen wurde, und das wollen wir auch gerne betonen.“

Das Forum an der Gregoriana war keine trockene Uni-Vorlesungsveranstaltung, sondern vor allem eine mehrtägige Gesprächsrunde zwischen Theologen, Priestern und Familien. In den Vorlesungsaula waren also nicht nur Studenten anwesend.

„Da haben wir ganz spannende Zeugnisse gehört. Ich denke da nicht nur an Eheleute, sondern auch an Psychotherapeuten, die über die konkreten Eheproblemen sprachen. Klar, es gab viele Experten, die wissenschaftliche Resultate vortrugen. Aber das Ganze war doch sehr praxisorientiert und mit der Einbeziehung von Eheleuten.“

Es wäre schön und wünschenswert, wenn auch die Familiensynode so praxisorientiert wäre – das sagt uns der Hauptorganisator des Familienforums an der Gregoriana und Bergoglio-Schüler, Jesuitenpater Manuel Yanez.

„Wir wissen alle, dass der Papst sehr besorgt ist, wie die heutige Familie lebt. Ihm ist bewusst, dass es heutzutage nicht einfach ist, eine Familie zu gründen und das zu leben. Da wir Kardinal Baldisseri bei uns hatten, sind wir zuversichtlich, dass die Familiensynode Ähnlichkeit mit unserem Forum haben könnte.“

Wie praxisorientiert die Familiensynode werden kann, ist derzeit noch unklar – Details zu Programm und Gestaltung sind der Öffentlichkeit noch nicht bekannt. Für Pater Yanez wäre es durchaus denkbar, dass Eheleute oder Familien vor und mit den Synodenteilnehmern sprechen.

„Ja klar, das wäre eine tolle Idee. Aber ich würde dafür plädieren, dass in jedem Bistum auf der Welt vor der Synode solche Familienkongresse stattfinden sollten. Das wäre eine Basis für den Dialog zwischen den Synodenvätern und den Familienvätern und –müttern. Das wäre eine große Bereicherung!“

Die Weltbischofssynode zum Thema Familie findet im Oktober 2014 im Vatikan statt. Ein Jahr später werden die dort angesprochenen Themen auf einer Ordentlichen Synode im Vatikan vertieft.  (rv)

Entscheidung zum IOR: Das Institut bleibt

IORDas IOR – bekannt unter dem Namen Vatikanbank – wird weiterhin spezialisierte finanzielle Dienste für die weltweite Kirche leisten. Papst Franziskus hat einen dementsprechenden Antrag genehmigt. Das gab der Vatikan an diesem Montag bekannt. In der Vergangenheit war immer wieder über die Zukunft des Instituts spekuliert worden; derzeit durchläuft es einen ausführlichen Revisionsprozess. Mit der Bekanntmachung von diesem Montag sind Spekulationen über eine mögliche Auflösung des Institutes hinfällig.

Die Arbeit des IOR wird vom Vatikan mit „Hilfe für den Heiligen Vater und für die ihn unterstützenden Institutionen“ angegeben, damit wird der Kreis von möglichen Aktivitäten enger beschrieben, als es in der Vergangenheit der Fall war.

Der Antrag wurde gemeinsam von allen beteiligten Gremien gestellt: Der Päpstlichen Kommission für das IOR (CRIOR), der Päpstlichen Kommission für die Organisation der ökonomischen und administrativen Angelegenheiten (COSEA), der Kardinalskommission des IOR – der unter anderem der Wiener Kardinal Christoph Schönborn angehört – und dem Aufsichtsrat des IOR. Kardinal George Pell, Präsident des Wirtschaftssekretariates, hatte diesen Antrag dem Papst vorgelegt.

Damit wird der Auftrag des Finanzinstituts bestätigt, so der Vatikan. Genaueres werde in der kommenden Zeit in Zusammenarbeit zwischen dem neuen Finanzsekretariat des Vatikan unter Leitung von Kardinal George Pell und dem IOR-Aufsichtsrat unter Leitung von Ernst von Freyberg ausgearbeitet. Das IOR solle in die neuen Finanzstrukturen des Vatikan eingepasst werden.

Zugleich werde die Vatikanbank ihre Anstrengungen zur Anpassung an internationale Transparenzstandards fortsetzen, betont das Statement. Das Institut werde weiterhin unter die vatikanische Finanzaufsicht (AIF) fallen, dank der in den vergangenen Monaten viele Fortschritte im Abschluss von bilateralen Verträgen zur Prävention von Geldwäsche gemacht wurden – diese Entwicklung wird sich also fortsetzen. Eine strenge Aufsicht und Verbesserungen im Bereich Compliance, Transparenz und bei allen Tätigkeiten, wie sie 2012 begonnen und 2013 noch einmal beschleunigt wurden, seien wesentlich für die Zukunft des Instituts, betonte Kardinal George Pell laut dem Vatikanstatement. (rv)