Internationale Presseschau zum Papst-Interview

Washington PostDas freimütige Interview von Papst Franziskus mit Jesuiten-Zeitschriften hat viele überrascht: Die Kirche sei für ihn eine Art Feldlazarett nach der Schlacht, hat der Papst darin u.a. gesagt, da werde nicht lange gefackelt und gezögert, sondern Wunden verbunden und geheilt. Die Morallehre der Kirche sei bekannt, aber man müsse auch nicht immer nur davon sprechen, äußerte er weiter; und: Nein zur spirituellen Bevormundung des Einzelnen. Wie sind erste Reaktionen auf das Interview? Eine Übersicht.

„Ja, kein Zweifel: Papst Franziskus ist neu, anders, reformorientiert und offen." Das schreibt die „Washington Post" in ihrer Online-Ausgabe. Sein Pontifikat bedeute einen „klaren, wenn auch ruhigen Bruch" mit der Linie „vieler Kirchenführer in den letzten zwei Jahrzehnten, vor allem in den USA". Schon vor dem Interview, das am Donnerstag Abend veröffentlicht wurde, habe sich auf dem „rechten Flügel der Kirche" – eine Formulierung von Erzbischof Charles Chaput, Philadelphia – Unruhe gezeigt: „Die Leute auf dem rechten Flügel sind nicht wirklich glücklich über diese Papstwahl, soweit ich das sehe", so Chaput zum „National Catholic Reporter". Bischof Thomas Tobin von Providence wird von der „Washington Post" mit den Worten zitiert, er sei „etwas enttäuscht, dass Papst Franziskus nicht viel zum Thema ungeborenes Leben und Abtreibung sagt". Auch dies ein Zitat noch aus der Zeit vor dem Papst-Interview.

„Er hat zwar nichts gesagt, was die kirchliche Lehre ändern würde", so die „Post". „Aber es wird doch klar, dass er der Kirche eine neue Richtung vorgibt." Kronzeuge des Blattes ist Pater James Martin, Chefredakteur des Jesuitenmagazins „America". „Der Papst ermuntert uns, unsere Prioritäten von den sogenannten heißen Themen hinüber zu Gottes Barmherzigkeit zu verschieben", so Martin. Und wieder die „Post": „Es wäre eine Untertreibung zu sagen, dass das tiefgreifende Folgen für die öffentliche Arbeit der Kirche haben kann – und für die Politik."

Die „New York Times" nennt Franziskus in ihrem Online-Auftritt am Samstag einen „surprise pope", einen Überraschungspapst. „Franziskus fordert den Status quo der katholischen Kirche so entschieden und unerwartet heraus, dass Vatikan-Beobachter dämmert, hier könne mehr vorliegen als eine bloße Änderung im Ton." Einige dächten jetzt, der Papst bereite „den Boden für einen grundlegenderen Richtungswechsel in der Kirche" vor. Dass sich Franziskus am Freitagmorgen nur Stunden nach Bekanntwerden seines Interviews vor Ärzten gegen Abtreibung ausgesprochen hat, deutet die „New York Times" als „Versuch, den Einschlag seines Interviews etwas abzufedern".

„Die Kurie schweigt gegenüber der Herausforderung durch den Papst", urteilt die spanische Zeitung „El Pais", die auch in Lateinamerika viel gelesen wird. „Die Konservativen fragen sich unruhig, wie weit es der Papst mit seinen Öffnungen treiben wird." In Spanien habe „nur die Kirchenbasis der Botschaft des Papstes applaudiert", während die Bischofskonferenz sich einer Stellungnahme verweigere. Als einziger habe der Erzbischof von Valencia, Carlos Osoro (den „El Pais" als möglichen nächsten Erzbischof von Madrid bezeichnet), das Schweigen gebrochen. Franziskus „führt uns auf das Evangelium zurück, und er gibt uns klare Handlungsvorgaben", so der Erzbischof.

„Der Papst bittet um Mitgefühl für Homosexuelle und Frauen, die abtreiben", titelt die Zeitung „Clarín" aus Buenos Aires, der Heimatstadt von Franziskus. Der Papst zeige in dem Interview „einen ausgesprochenen Geist der Erneuerung, aber zugleich Subtilität in seinen Formulierungen". Die Online-Kommentare zu dem Artikel der argentinischen Zeitung sind in der Regel unfreundlich: „Mitgefühl? Für wen hält der sich eigentlich?", schreibt einer. „Wenn man nur daran denkt, dass Bergoglio früher wie eine Furie gegen die Homo-Ehe kämpfte!" Der Papst solle doch lieber die argentinischen Bischöfe zu einem Mea Culpa für ihre Rolle in Zeiten der Militärdiktatur bewegen – „etwas, das er nicht gemacht hat, als er noch Erzbischof von Buenos Aires war". Es folgt eine lange Online-Debatte über den kirchlichen Umgang mit Homosexuellen und mit der gleichgeschlechtlichen Ehe.

Der britische „Guardian" nennt es „faszinierend zu sehen, dass Caravaggio der Künstler ist, den Franziskus am meisten achtet – eine Schwulenikone des Barock und ein Mann von der Straße, dem für seine Werke Prostituierte und Stricher Modell standen". Italienische Zeitungen würdigen das Interview als „revolutionär" und eine „Herausforderung an die Kurie". In „La Stampa" würdigt der Kirchenhistoriker Alberto Melloni das Interview als eine „Rehabilitierung für Hunderttausende von Pfarrern, die seit zwei Tagen nicht mehr Untergrundkämpfer sind". Das eigentlich Neue sei, dass Franziskus „von den Leuten ausgehe und nicht von den Gesetzen, von den Personen und nicht von den –ismen". Viele Bischöfe seien jetzt allerdings durch den neuen Kurs „in Schwierigkeiten". Der katholische US-Philosoph Michael Novak findet hingegen in der „Stampa" die Papstworte „verletzend für alle, die sich für den Lebensschutz engagieren". Franziskus sei offenbar „gar nicht klar, wieviel Schaden er anrichtet". Viele Katholiken gerieten durch den Papst jetzt „in die Defensive, und das in einem Moment, wo sie ohnehin unter Beschuß stehen". Franziskus ermutige „zur Kritik an der Kirche", seine Worte böten sich zur „Instrumentalisierung durch erklärte Kirchengegner" an.

Das meinungsstarke „Il Foglio", das für eine Verschärfung des Abtreibungsrechts in Italien eintritt, zeigte sich unverhohlen enttäuscht. „Untreue Braut" ist das Editorial überschrieben: Franziskus sei „in flagranti beim Ehebruch mit der Welt ertappt" worden, nach dem „Kämpfer" Johannes Paul und der „rationalen Kathedra" Benedikts XVI. sei Bergoglios Feldlazarett „ein Überlebensversuch" der Kirche in der Welt. Die Zeitung druckt den ärgerlichen Offenen Brief eines Katholiken, der sich für Lebensschutz engagiert: „Hat denn der Papst nicht auch mal ein gutes Wörtchen für Leute, die ihrer Ehefrau treu sind und die nicht abtreiben lassen?"

Die französische „Le Monde" erkennt in dem Interview „ein neues Beispiel genau orchestrierter Kommunikation der Jesuiten, zu denen der Papst gehört". Das Pariser Blatt scheint noch nicht an den großen Wechsel in Rom zu glauben; der Soziologe Olivier Bobineau durfte unlängst in „Le Monde" seine These ausbreiten, Franziskus sei „kein Revolutionär", sondern einfach ein „rhetorisch versierter Konservativer".

In der deutschen Kirche treffen die Papstworte offiziell auf große Zustimmung. Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch sagte voraus, das Interview werde nächste Woche bei der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe zum Thema werden. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner sagte am Freitag dem Kölner domradio, Franziskus lasse „keinen Raum für Engstirnigkeit, sondern macht die Tiefe und Weite eines echten katholischen und apostolischen Glaubens deutlich". Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, zeigte sich begeistert. „Franziskus ist der Wegbereiter einer angstfreien Kommunikation in der Kirche. Das kann man gar nicht hoch genug schätzen", sagte er dem „Tagesspiegel". Die Theologie von Franziskus sei „konsequent den Menschen zugewandt".

„In Sicherheit wiegen sollte sich niemand", kommentiert die „Frankfurter Allgemeine" an diesem Samstag das Papstinterview. Es gehe Franziskus um einen „Wiederaufbau der Kirche": „Barmherzigkeit statt Rigorismus oder Laxheit, Dynamik und Risiko statt Rückzug, Nähe und Verbundenheit statt Funktionärstum und Überheblichkeit". Es werde sich „bald zeigen", zu welchen „Reformen" dieser „neue Geist" führen werde.

Die Vatikanzeitung „Osservatore Romano" druckt das Interview von Franziskus in voller Länge ab, statt es zu verstecken, und kommentiert es auf der Titelseite. Der Papst habe dasselbe literarische Genus gewählt wie andere Päpste – von Paul VI., der sich 1967 mit Jean Guitton unterhielt, bis zu Benedikts XVI. Gesprächen mit Peter Seewald. Daraus werde das ständige Bemühen des Papsttums um einen Dialog mit den Menschen unserer Zeit deutlich. „Das hat auch die Kirche, trotz aller menschlichen Schwächen, immer getan, um dem Wort Christi treu zu bleiben. Dies und nichts anderes tut jetzt auch – verschiedensten Interpretationen zum Trotz – Papst Franziskus." (rv)

Personaländerungen in der Kurie – Müller bestätigt – Neuer Nuntius in Berlin

VatikanfahnePapst Franziskus hat einige Änderungen in der Zusammensetzung der römischen Kurie vorgenommen. Dies gab der Vatikan an diesem Samstag bekannt. So wird Kardinal Mauro Piacenza Großpönitentiar beim Gnadengerichtshof, der Apostolischen Pönitentiarie. Piacenza, der bisher Präfekt der Klerus-Kongregation war, löst Kardinal Manuel Monteiro de Castro ab, der aus Altersgründen sein Amt aufgibt. Neuer Präfekt der Klerus-Kongregation wird Erzbischof Beniamino Stella, der bisher Präsident der Päpstlichen Diplomatenakademie war. Die Klerus-Kongregation ist als eine Art Personalabteilung für einen Großteil der rund 280.000 katholischen Weltpriester zuständig. Es ist das erste Mal, dass der Papst den Präfekten einer Kongregation, die einflussreichste Position nach dem Kardinalstaatssekretär, auswechselt. Auffällig ist, dass Franziskus einen weiteren kirchlichen Diplomaten in eine Spitzenposition beruft. Der künftige Kardinalstaatssekretär, Erzbischof Pietro Parolin, der am 15. Oktober sein Amt antritt, war zuvor päpstlicher Botschafter in Venezuela.

Im Amt bestätigt wurden hingegen der aus Deutschland stammende Erzbischof Gerhard Ludwig Müller als Präfekt der Römischen Glaubenskongregation, der Sekretär der Kongregation, Erzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer SJ sowie alle weiteren Mitglieder und Berater. In der Glaubenskongregation ernannte Franziskus Erzbischof Joseph Augustine Di Noia zum „beigeordneten Sekretär". Di Noia war bisher Vizepräsident der Kommission „Ecclesia Dei". Kurienerzbischof Giuseppe Sciacca, bis dato „beigeordneter Sekretär" an der Apostolischen Signatur, wird nun Berater der Glaubenskongregation. In ihrer bisherigen Zusammensetzung bestätigte Franziskus die Kongregation für die Evangelisierung der Völker.

Zum Nuntius in Deutschland ernannte der Pontifex Erzbischof Nicola Eterovic, bisher Generalsekretär der Bischofssynode. Seine Stelle dort übernimmt dafür Erzbischof Lorenzo Baldisseri, bis dato Sekretär der Bischofskongregation.

Giampiero Gloder ernannte Franziskus zum Apostolischen Nuntius und zum neuen Präsidenten der Päpstlichen Diplomatenakademie. Franziskus erhob Gloder, der bisher Berater in der Nuntiatur war sowie als Büroleiter mit Sonderaufträgen des Staatssekretariats betraut war, zudem zum Erzbischof. (rv)

Vatikan: Der Papst und die neuen Medien

kathpressNutzt der Vatikan die digitale Revolution gut genug? Das ist Thema bei der derzeit in Rom tagenden Expertenrunde des Päpstlichen Medienrates. Rund 500 Fachleute, Kardinäle und Bischöfe aus allen Kontinenten nehmen teil; es ist die erste Zusammenkunft seit dem Wechsel von Benedikt XVI. zu Franziskus. Aus Wien ist Paul Wuthe angereist, Chefredakteur der Nachrichtenagentur kathpress. Der emeritierte Papst ist es, der als „Papst der digitalen Revolution" gelten muss, so Wuthe. (rv)

Vatikan: Mit nichtglaubenden Journalisten ins Gespräch kommen

RavasiIn der Reihe „Vorhof der Völker", die dem Gespräch mit Nichtglaubenden gilt, findet in Kürze erstmals ein „Vorhof der Journalisten" statt. Das hat an diesem Freitag der Päpstliche Kulturrat bekannt gegeben. Höhepunkt ist eine Debatte zwischen Kardinal Gianfranco Ravasi, dem Präsidenten des Rates und Initiator des „Vorhofs der Völker", und Eugenio Scalfari. Der Gründer der linksliberalen römischen Tageszeitung „La Repubblica" hatte jüngst einen Brief des Papstes erhalten, in dem dieser Fragen zur Glaube und Kirche beantwortete, die Scalfari öffentlich gestellt hatte. „Ich fühle mich wohl dabei, Ihre Fragen anzuhören und mit Ihnen gemeinsam die Wege zu suchen, auf denen wir vielleicht beginnen können, gemeinsam unterwegs zu sein", hatte Franziskus dem ehemaligen sozialistischen Senator geantwortet. Der „Vorhof der Journalisten" am 25. September verstehe sich als Etappe in diesem Sinn, heißt es aus dem Kulturrat. (rv)

Radio Vatikan: Nächste Live-Übertragung: Papst auf Sardinien

SardinienAm kommenden Sonntag, dem 22. September, fährt Papst Franziskus zu einem eintägigen Besuch nach Sardinien. Radio Vatikan überträgt die Messe vor dem Marienheiligtum von Bonaria in Cagliari von ca. 9.40 – 12.10 Uhr mit deutschem Live-Kommentar. Unser Kommentatorin ist Anne Preckel.

Hier das Programm der Papstreise im Detail:

8.15 Uhr Ankunft des Papstes am Flughafen von Cagliari

8.45 Uhr Papst trifft in Cagliari Arbeiter und Gewerkschaftsvertreter und hält eine Ansprache

10.30 Uhr Beginn der Papstmesse vor dem Marienheiligtum "Nostra Signora di Bonaria", Papstpredigt, Angelus. Vor der Messe begrüßt der Papst etwa 100 Kranke

15.00 Uhr Papst trifft Arme und Strafgefangene in der Kathedrale von Cagliari, Ansprache des Papstes

16.00 Uhr Papst trifft Vertreter aus Kultur und Gesellschaft in der Päpstlichen Fakultät für Theologie von Cagliari, Ansprache des Papstes

17.00 Uhr Papst trifft Jugendliche in Cagliari, Ansprache des Papstes

18.30 Uhr Rückflug Richtung Rom (rv)

Mexiko: Tropenstürme Ingrid und Manuel

Die dramatischen Folgen der beiden Tropenstürme Ingrid und Manuel in Mexiko haben Papst Franziskus „tief betrübt". Dies geht aus einem von Kardinalstaatsekretär Tarcisio Bertone unterzeichneten Telegramm des Papstes an den Vorsitzenden der Mexikanischen Bischofskonferenz, Kardinal José Francisco Robles Ortega, hervor. Bisher haben die Unwetter in Mexiko mehr als 80 Tote gefordert, mehr als 58 Menschen werden vermisst. In dem am Donnerstag vom Vatikan veröffentlichten Telegramm versichert Franziskus allen Opfern, Verletzten, Obdachlosen sowie ihren Familien seine Nähe im Gebet. (rv)

„Die Qualität des Zeugnisses erhöhen“ – zum Arbeitsdokument für die Bischofssynode 2012

Der Vatikan hat an diesem Dienstag das so genannte „Instrumentum Laboris", das Arbeitspapier für die Weltbischofssynode zur Neuevangelisierung, veröffentlicht. Die Synode beginnt am 7. Oktober, wenige Tage vor Beginn des von Benedikt XVI. ausgerufenen „Jahres des Glaubens", und geht bis zum 28. Oktober. Zur Vorbereitung der Synode war im März 2011 das erste Vorbereitungsdokument, die so genannte „Lineamenta" vorgestellt worden. Unser Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord hat beide Dokumente gelesen.

Pater Hagenkord, was für ein Dokument ist das heute veröffentlichte Arbeitspapier genau?

Der lange Text – es sind über 80 Seiten – ist und liest sich als eine Fortschreibung des ersten Vorbereitungstextes, also der so genannten „Lineamenta". Das war ein ähnlicher Text, etwas kürzer, der dem Projekt der Bischofssynode einen ersten Aufgabenumriss gegeben hat.
Damals wurden nach jedem Kapitel Fragen gestellt mit der Aufforderung, diese im Bistum oder im Orden zu besprechen. Diese Antworten bilden nun die Fortschreibung. Man hat das Gerüst des ersten Dokumentes genommen und dann mit den Impulsen aus der Ortskirche weiter gearbeitet.
Das Ganze ist eindeutig kein Katechismus und kein fertiges Dokument, man merkt ihm an, dass es für die Weiterarbeit gedacht und geschrieben ist.

Was sind denn die Unterschiede zwischen dem ersten und dem zweiten Text?

Der zweite ist eindeutig weniger abstrakt. Beim ersten, den Lineamenta, war ganz allgemein und sehr theologisch und spirituell ein Rahmen formuliert worden. Diesem Text merkt man nun an, dass die Praxis eingeflossen ist. Das soll nicht heißen, dass er weniger profund ist, aber die Antworten aus den Ortskirchen haben den Charakter des Textes geändert. Damit wird die Synode, wenn sie im Oktober tagt, sicherlich etwas anfangen können.

Aber muss denn nicht ein Text aus Rom, der für die ganze Kirche gelten soll, notwendigerweise allgemein sein, ja vielleicht ein wenig abstrakt?

Das könnte man meinen, aber dies ist wirklich ein pastoral ausgerichteter Text. Er beginnt damit, die verschiedenen Bezüge herzustellen: Das Konzilsjubiläum, das Jahr des Glaubens usw., dann spricht er aber auch die problematische Situation der Kirche an und die Notwendigkeit, über eine Erneuerung zu sprechen, und zwar in der ganzen Kirche, nicht nur im alten Westen. Das zeigt, dass das Dokument seinen Ort in der Debatte hat und nicht wie ein Einzelstück herausragt.
Dann ist es die theologische Sprache, die gewählt wurde: Der Text stellt die Begegnung mit Christus vor, er spricht davon, die Menschen hineinzunehmen in die Beziehung Gottes. Das ist sehr pastoral und deswegen sehr praktisch. Eben genau für die Ebene gedacht, auf der Neu-Evangelisierung stattfinden muss, nämlich vor Ort.

Die Weltbischofssynode vom Oktober steht unter dem Titel „Die Neue Evangelisierung für die Weitergabe des christlichen Glaubens". Nun ist das Wort „Neuevangelisierung" nicht wirklich beliebt, zumindest nicht in der deutschsprachigen Kirche. Was genau soll das sein?

Neue Evangelisierung soll nicht einen Zustand von früher wieder herstellen. Sie ist keine Taktik, um mehr Mitglieder zu gewinnen. Sie will Veränderung, und das meint vor allem zuerst die Veränderung aus sich selbst, von der Kirche selbst.
Es ist richtig, wirklich beliebt ist das Wort nicht, aber es ist das hier in Rom eingeführte Wort, das letztlich auf Papst Paul VI. zurück geht. Wir würden das eher missionarische Seelsorge nennen, gemeint ist genau das Gleiche.

Was genau soll laut Arbeitsinstrument die Synode im Oktober denn leisten?

Sie soll eine Revisionsarbeit leisten, und zwar soll neu nachgedacht werden, wie Kirche unter Menschen heute sein und leben und verkünden kann. Es ist keine Neuerfindung von Kirche, aber auch nicht das Trauern um das Alte. Es geht um das Heute. Und hier werden in Sachen Analyse der Gegenwart erste Schritte gemacht, die die Synode selbst sicherlich noch vertiefen wird, etwa in der Frage der ökonomischen oder sozialen Bedingungen, der Globalisierung, oder auch in der Veränderung der Medienwelt. Das sind neue Bedingungen für die Kirche – und unter denen muss sie sich neu finden.

Auch vom Phänomen der Migration und den Folgen der Säkularisierung für das Glaubensleben ist in dem Dokument die Rede. Sie haben gerade das Stichwort „Veränderung auch von innen" genannt. Geht es auch um eine Reform der Kirche?

Nicht ganz. Es geht schon um Verkündigung. Im ganzen Dokument wird sehr klar, dass es um die Natur der Kirche geht, also um ihren Auftrag, das Evangelium Jesu Christi zu leben und weiter zu geben. Das Wort ‚Reform’ meint ja eher die Struktur. Bei dem Projekt der neuen Evangelisierung soll es schon um den Kern gehen, also um das Leben des Glaubens und dessen Weitergabe. Um eine Formulierung des Textes zu verwenden: Evangelisierung will neues Leben für jede menschliche Erfahrung. Sie will keine Sonderwelt namens Kirche oder Glauben, sondern die ganze menschliche Welt, wie sie eben heute ist, für den Glauben öffnen.
Das ist das Projekt der Synode, und diesen Geist atmet auch das „Instrumentum Laboris". (rv)

Papst an Priester: Pastoraler Blick auf die zweite Ehe

Papst Franziskus lässt sich beraten in der Frage, wie die katholische Kirche in Zukunft mit wiederverheirateten Geschiedenen umgeht. Die nächste Weltbischofssynode im Vatikan werde diesem Thema gelten, sagte Franziskus am Montag vor Priestern seiner Diözese Rom. Auch die neuartige Kardinalskommission, die sich Anfang Oktober erstmals im Vatikan trifft, werde das Thema behandeln, bekräftigte der Papst; dies hatte er bereits Ende Juli auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Rio angekündigt. Das Treffen mit dem römischen Klerus war thematisch allerdings sehr viel breiter aufgestellt. Es dauerte volle zwei Stunden und war von Herzlichkeit, viel Applaus und einem Hin und Her von Frage und Antwort geprägt. Eine Zusammenfassung von Gudrun Sailer.

Mühsam ist es, wahrhaft mühsam, ein Priester zu ein. Franziskus unterschied zwei Arten von Müdigkeit: eine, die abends von der täglichen Arbeit herrührt, die andere, die am Ende des Priesterlebens auftritt, eine „Müdigkeit des Herzens", die dann aufkomme, wenn sich der Priester Fragen stelle über seine Existenz und zurückblicke auf den Weg und an all den Verzicht denke, an die Kinder, die er nicht hatte – und sich frage, ob er etwas falsch gemacht hat, ob sein Leben „gescheitert" ist. Franziskus sprach als Bischof, als IHR Bischof zu den Priestern:

„Wir Bischöfe müssen den Priestern nah sein, wir müssen Nächstenliebe üben, und die Nächsten sind für den Bischof die Priester. Das gilt auch umgekehrt, nicht wahr? … Er ist schön, dieser Austausch, nicht? Und das, denke ich, ist der wichtigste Moment der Nähe zwischen Bischof und Priestern: dieser Augenblick ohne Worte, denn für diese Mühe gibt es keine Worte."

Nach dieser Eröffnung lud der Papst die Priester ein, ihm ihre Fragen zu stellen. In seiner ersten Antwort ermunterte der Papst zu Kreativität im seelsorgerlichen Dienst. Kreativität bedeute „nicht einfach, Dinge zu ändern". Sie komme vom Heiligen Geist und verwirkliche sich im Gebet und im Gespräch „mit den Gläubigen, mit den Leuten". Franziskus mit einem Beispiel aus seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires:

„Nun, wenn da so viele Leute vorbeikommen, wäre es vielleicht schön, die Kirche stünde den ganzen Tag offen … gute Idee! Es wäre auch schön, wenn da immer eine Beichtgelegenheit wäre… Gute Idee! Und so haben wir es gemacht."

Anderes Beispiel: die Elternkurse zur Vorbereitung auf die Taufe ihrer Kinder. Der Papst brachte Verständnis auf für die Väter und Mütter, die von Montag bis Samstag arbeiten und sich am Sonntag gerne mit ihren Kindern ausruhen. Da könne man neue Wege suchen wie eine von Laien getragene „Stadtteilmission". Die Kirche, „auch das Kirchenrecht gibt uns so viele Möglichkeiten, so viel Freiheit, um diese Dinge zu suchen." Die Priester sollten im richtigen Moment bereitstehen und für eine gute Aufnahme sorgen, wenn die Gläubigen aus irgendeinem Grund in die Pfarrei kämen. Franziskus kritisierte jene Priseter, die sich mehr um die Gebühr für ein auszustellendes Dokument als um das Sakrament sorgten, denn das „lässt die Leute wieder weggehen". Stattdessen sei, wer immer hereinkomme, herzlich aufzunehmen: „Wer in die Kirche kommt, soll sich zu Hause fühlen. Er soll sich nicht ausgenommen fühlen."

Über die Barmherzigkeit des Priesters befragt, wartne der Papst vor „rigoristischen" und vor „laxen" Geistlichen gleichermaßen. Der barmherzige Priester sei jener, der die Wahrheit sage, aber hinzufüge: „Erschrick nicht, der gute Gott wartet auf uns. Wir gehen gemeinsam." Dieses gemeinsame Gehen müsse der Priester überhaupt immer im Blick haben: „Begleiten. Weggefährten sein." Bekehrung erfolge „immer auf diese Weise: unterwegs, nicht im Labor".

„Die Wahrheit Gottes ist diese Wahrheit, nennen wir sie „dogmatisch" … oder "moralisch", aber immer begleitet von der Liebe und der Geduld Gottes. Immer auf diese Weise."

Ein hohes Lob für die Arbeit in der Familie flocht der Papst in seine Ausführungen vor den Priestern ein. In der Kirche gebe es zwar viele Skandale, aber auch viel Heiligkeit, und die sei größer als die Skandale. Und dann gebe es da noch eine versteckte „Alltagsheiligkeit", „die Heiligkeit so vieler Mütter und so vieler Frauen und Männer, die den ganzen Tag für die Familie arbeiten".

Überhaupt, die Familie: Die Frage der Ehe-Annullierung und der wiederverheirateten Geschiedenen sei heikel, sagte der Papst seinen Seelsorgern. Ein Problem, das schon Benedikt XVI. sehr am Herzen lag, erinnerte Franziskus. „Das Problem lässt sich nicht einengen auf die Frage, ob man zur Kommunion darf oder nicht, denn wer das Problem nur in dieser Optik sieht, versteht das wahre Problem nicht." Es sei ein „schwieriges Problem" der „Verantwortung der Kirche in bezug auf die Familien, die in dieser Situation leben". Die Kirche „muss in diesem Moment etwas tun, um das Problem der Ehenichtigkeit zu lösen". Der Papst bestätigte, er werde darüber mit den acht Kardinälen sprechen, jener Beratungskommission, die Franziskus für die dringendsten anstehenden Probleme der Kirche ins Leben gerufen hat; die erste Sitzung wird Anfang Oktober im Vatikan stattfinden, und das Anliegen der wiederverheirateten Geschiedenen werde unter den erörterten Fragen sein. Auch die nächste Bischofssynode über die „anthropologische Beziehung" des Evangeliums mit der Person und der Familie werde die Frage in den Blick nehmen.

Den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen empfinden viele Priester und Laien heute als Nagelprobe einer „Seelsorge der Barmherzigkeit". Wer nach einer kirchlich geschlossenen und zivil geschiedenen Ehe eine neue Verbindung eingeht, ist nach dem derzeit geltenden Kirchenrecht vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen. Seit längerem gibt es innerhalb der katholischen Kirche Stimmen, die ein Überdenken dieser Praxis fordern. Eine gültig geschlossene Ehe ist nach katholischer Lehre unauflöslich; anders als im zivilen Recht gibt es für die Kirche keine Scheidung. Allerdings können Kirchengerichte eine Ehe aus einer Reihe von Gründen für nichtig erklären. Das bedeutet, die betreffende Ehe hat nie bestanden. (rv)

Papst nimmt Rücktritt von Erzbischof Zollitsch an

Papst Franziskus hat an diesem Dienstag den Rücktritt des Erzbischofs von Freiburg, Robert Zollitsch, angenommen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz war am 9. August 75 Jahre alt geworden; der Rücktritt ist laut Kirchenrecht deshalb nicht unüblich. Dennoch kam der Schritt überraschend, rechneten doch viele damit, dass Zollitsch zumindest noch bis zur Wahl eines neuen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Erzbischof von Freiburg bleiben werde. Laut Angaben der Bischofskonferenz bleibt Zollitsch Vorsitzender, wird aber bei der turnusgemäßen Wahl im März 2014 nicht mehr antreten. Nach seinem Rücktritt als Erzbischof von Freiburg wird er als Administrator seines Bistums tätig sein, wurde weiter bekannt.
Der 1938 im früheren Jugoslawien geborene Zollitsch studierte von 1960 bis 1964 in Freiburg und München Philosophie und Katholische Theologie. Zum Priester geweiht wurde er am 27. Mai 1965 in Freiburg. Von 1974 bis 1983 leitete er das Erzbischöfliche Theologische Konvikt „Collegium Booromaeum in Freiburg. Diese Zeit beschreibt er im Rückblick als eine der schönsten seines Lebens. Nach seiner Wahl zum neuen Freiburger Oberhirten durch das Domkapitel am 6. Juni 2003 wurde Zollitsch am 16. Juni desselben Jahres von Papst Johannes Paul II. zum Freiburger Erzbischof und Metropoliten der Oberrheinischen Kirchenprovinz ernannt. Am 9. Juli 2003 wurde Zollitsch zum Bischof geweiht; sein Wahlspruch lautete „In fidei communione", „In der Gemeinschaft des Glaubens". Den Vorsitz der Deutschen Bischofskonferenz hat Zollitsch seit dem 18. Februar 2008 inne.
Als einen Höhepunkt in diesem Amt beschreibt Zollitsch den Besuch von Papst Benedikt XVI. 2011 in Freiburg: Zollitsch begleitete Franziskus‘ Vorgänger bei dessen erstem offiziellen Staatsbesuch in Deutschland. Dunkelstes Kapitel für Zollitsch im Amt des Vorsitzenden der Bischofskonferenz dürfte der Missbrauchsskandal in der deutschen Kirche gewesen sein. Wichtige Impulse in der deutschen Kirche gab der Freiburger Erbischof im Dialogprozess. Dort signalisierte er unter anderem bei Fragen wie der stärkeren Beteiligung von Laien und Frauen in der kirchlichen Arbeit sowie einer barmherzigen Pastoral für wiederverheiratete Geschiedene Offenheit. (rv)

Rom: Erneutes Treffen zwischen Papst und Klerus der Stadt Rom

An diesem Montag trifft Papst Franziskus erneut mit dem Klerus der Stadt Rom zusammen. Bereits am 17. Juni fand ein erstes Treffen in der Aula Pauls VI. statt. Zur Vorbereitung hat Franziskus diesmal seinen Kardinalvikar Vallini gebeten, einen Text unter den Priestern zu verteilen, den er 2008 verfasst hatte für die Priester seines damaligen Erzbistums Buenos Aires. Seinerzeit war gerade die Versammlung lateinamerikanischer Bischöfe (CELAM) in Aparecida zu Ende gegangen. Das Treffen findet am Montag um 10 Uhr in der Lateran-Basilika statt. (rv)