Noch einmal sind 248 Änderungsvorschläge eingearbeitet worden, am Samstag war er fertig, der Abschlusstext der Bischofssynode. Er wurde in der Versammlung per Abstimmung angenommen. Alle Abschnitte bekamen eine Zweidrittelmehrheit. Danach: die Übergabe an den Papst, der mit diesem Text den letzten Schritt des synodalen Prozesses zum Thema Familie gehen wird. Eine Zusammenfassung von P. Bernd Hagenkord:
Der Sakramentenzugang für wiederverheiratete Geschiedene kommt direkt nicht vor. Auch die mit dem Namen von Kardinal Walter Kasper verbundene Idee einer „via poenitentialis“ zurück zu den Sakramenten, die im Vorfeld so heftig debattiert wurde, taucht im Abschlussdokument nicht auf. Überhaupt sind die 94 Paragrafen des Abschlusstextes der Bischofssynode nicht das, was sich die meisten erwartet haben. An diesem Samstag wurde der Text den Synodenteilnehmern vorgelesen – und für alle Nichtitaliener auch simultan übersetzt. Danach stimmten die Synodenväter über ihn ab. Knapp 50 Seiten sind es geworden, 94 Paragrafen, drei große Teile mit je vier Kapiteln.
Aber neben den außerhalb der Synode am meisten diskutierten Themen sind auch andere Dinge nicht im Text. So spricht das Dokument nicht von einem „objektiven Stand der Sünde“, wenn es um wiederverheiratete Geschiedene geht, und vermeidet eine rigoristische Sprache oder die Perspektive des Richters.
Der erste Satz des ersten Kapitels nimmt seinen Anfang bei der Schöpfung Gottes und spricht über das Staunen über diese Schöpfung. Die Synode verankert ihr Denken in einer theologischen Vision, beginnend mit dem Handeln Gottes.
Die Redaktion hat die drei Schritte beibehalten, die bereits in der vergangenen Bischofssynode im Oktober 2014 das Arbeiten strukturiert haben: Sehen, Urteilen, Handeln. Daraus waren im Arbeitsdokument drei Textteile und in der Synode drei Arbeitsteile geworden. Das findet sich nun auch im Abschlusstext wieder.
Diese drei großen Teile haben jeweils ein eigenes Vorwort bekommen, wie auch der Text insgesamt. Diese Texte geben dem ganzen Duktus eine mehr positive Richtung: Die Kirche sieht nicht nur Probleme überall, sondern hat etwas positiv beizutragen, sie bekennt ihren Glauben. Insgesamt ist das Dokument neu geordnet und systematisiert, viel besser als vorher, wie viele Synodenteilnehmer bemerkten. Es gibt klarere Zuordnungen und eine erkennbare innere Logik.
Ein Thema sticht heraus, und hier hatte es auch im Vorfeld den meisten Redebedarf gegeben: die Frage des Gewissens (vor allem in den Punkten 84 ff. entwickelt). Das Gespräch mit dem Beichtvater, die Einbeziehung der Umstände und inneren Verfassung. Klargestellt wird die Tatsache, dass aus allgemeinen Regeln nicht einfach konkrete Handlungsanweisungen folgen können, und dazu der Wunsch, zu einer volleren Teilhabe am Leben der Kirche zu kommen.
Die Pastoral und auch die Entscheidungen müssen der Wirklichkeit entsprechen, um die sie sich kümmern. Zuerst taucht dieser Gedanke bei den Flüchtlingen auf, dann aber immer wieder, unter anderem im Kapitel zur kirchlichen Lehre zur Unauflöslichkeit (51). Was zuerst selbstverständlich klingt, war in seiner Formulierung nicht unumstritten. Der Katechismus (zitiert wird § 1735) sieht vor, dass moralische Normen kein Deduzieren von korrekten Antworten in allen Fällen erlaubten. Die Frage bleibt, wie dann die Normen gelten. Oder noch genereller: Wie gelten dann die Gebote? Nur in Anwendung oder auch als solche, so dass sich die Wirklichkeit dem beugen müsste? Es sind abstrakte Fragen, die im Hintergrund dieser harmlos daher kommenden Überlegungen erscheinen. Und in diesem Licht wird man den Text lesen müssen, in diesem Licht wird Papst Franziskus ihn auch entgegengenommen haben, weiter bearbeiten und eventuell zu einem eigenen Schreiben umformulieren.
Die Teile im Einzelnen
Teil 1: Blick auf die Wirklichkeit der Familien – ohne Idealisierungen
Teil 1 beginnt mit dem realistischen Blick auf Familien heute. „Paare und das Eheleben sind keine abstrakten Wirklichkeiten, sie bleiben unvollkommen und verletzlich“ – deutlich setzt sich der Text gleich zu Beginn von Idealisierungen ab. Sozio-kulturelle Bedingungen werden erwogen, Stützen wie auch Herausforderungen und Gefährdungen. Es geht um Flucht und Vertreibung. Es geht um Einstellungen zum Menschsein, individuelle und politische, zur Frage des Individualismus. Es geht um Politik und die Frage, ob Ideologien dem gesellschaftlichen Leben übergestülpt werden sollen. Insgesamt sei die Vorstellung von Familie kulturübergreifend prägend und werde als selbstverständlich verstanden. Trotzdem gebe es Konflikte und Spannungen, über die man sprechen müsse.
Ein Kapitel befasst sich mit den wirtschaftlichen Fragen und mit Armut und Ausschluss, mit Umweltfragen, mit der „Kultur des Wegwerfens“, mit modernen Phänomenen wie der Mobilität und mit Sozialpolitik. Stark ist der Paragraf zu Migranten, Flüchtlingen und Verfolgten (23 f.).
Die Katechesen des Papstes in diesem Jahr aufgreifend, spricht das Papier über die einzelnen Teile und Rollen in der Familie, über die Kinder, die Frau, den Mann, die Jugend. Gewalt gegen Frauen kommt dort vor, sexualisierte Gewalt gegen Kinder, aber auch die gegenseitige Unterstützung. Auch die Großeltern, ältere Menschen und Menschen mit Behinderung werden angesprochen und gewürdigt. Zum Schluss wird auf die pastoralen Herausforderungen eingegangen, hier ist auch das erste Mal von der „Dynamik der Barmherzigkeit“ die Rede (34).
Dieser erste Teil gibt einen allgemeinen Überblick über die Wirklichkeit von Familie in der Welt, wie sie in den vergangenen drei Wochen in der Synodenaula zusammengetragen wurde. Deutlich wird in den Formulierungen, dass man sich nicht auf die negativen Aspekte beschränken wollte, so schwierig sie in den einzelnen Weltgegenden auch wahrgenommen werden.
2. Teil: Die Berufung der Familie – Unterscheidung der Geister
Teil 2, der theologische Teil, stellt die Formulierung „Berufung der Familie“ an den Anfang und stellt sie damit anderen „Berufungen“ gleich. Normalerweise benutzt die Kirche dieses Wort nur für Priester und Ordensleute, hier erfolgt also eine deutliche Aufwertung. Diese Berufung der Familie – so der Text – empfängt ihre kirchliche Form durch die sakramentale Verbindung, welche die eheliche Beziehung als unauflöslich heiligt. Gegenseitige Hingabe und Offenheit für Kinder sind Zeichen der Gnade des Heiligen Geistes, lebendiges Zeichen für die Einheit Christi mit der Kirche, heißt es weiter (36).
Der Text betont die Zugehörigkeit zu den anderen Sakramenten: Man könne die Ehe nicht losgelöst betrachten, es gebe eine „göttliche Pädagogik“, Gott handle im Leben der Christen und führe zur Integration in seine Gemeinschaft (37). Der Teil schaut auf die Bibel als Quelle, auf die Lehren der Päpste von Paul VI. bis Franziskus und des Zweiten Vatikanums, und er fasst die Lehre der Kirche zu Sakramentalität, Zugehörigkeit zur Schöpfung, Offenheit für das Leben und Unauflöslichkeit zusammen. Dieses sakramentale Band zu brechen, sei gegen den Willen Gottes, so glaubt die Kirche. Gleich hier wird aber auch auf die „Komplexität der verschiedenen Situationen“ hingewiesen, welche eine „Unterscheidung“, also eine reflektierende Anwendung auf die einzelnen und unterschiedlichen Wirklichkeiten nötig mache (51). Hier erscheint – sowohl im Gedanken der Begleitung von Ehen in Schwierigkeiten als auch bei der Vorbereitung auf die Ehe – der Wegcharakter der Pastoral der Kirche (53 f).
3. Teil: Die missionarische Familie
Teil 3 verbindet das Sprechen von der Familie mit dem Sprechen von Dienst und „Mission“, also dem Auftrag der Kirche. Gemäß dem Leitprinzip dieses Teils – Handeln – geht es um praktische Bereiche. Nicht die Norm, sondern die Verkündigung der Gnade Gottes stehe im Vordergrund (56). Zunächst geht es um die Vorbereitung auf die Ehe, dann um die Feier und die weitere Begleitung; auch hier dominiert der Wegcharakter der Pastoral. Es geht um verantwortete Elternschaft, um Adoption, Schul- und Erziehungsfragen.
Kapitel 3 behandelt dann die „komplexen Situationen“ (69-86). Dieses Thema nimmt den breitesten Raum im Dokument ein. Prägend ist der „Weg“, der in pastoralen Situationen eingeschlagen wird; der Text denkt dynamisch, nicht in Festlegungen, es geht um das Gehen auf dem Weg zur „vollen Sakramentalität“, um einen „Weg des Wachsens“, etc. (69, 71). Der Text spricht vor allem von den konkreten Umständen, wie sie etwa von verschiedenen Kulturen geprägt werden.
Darauf müsse eine „differenzierte Pastoral“ antworten, es könne nicht eine einzige Antwort auf verschiedene Umstände geben (73). Auf dem Weg brauche es Begleitung, die wiederum von Barmherzigkeit geprägt sein müsse. Es gehe ums Zuhören und Versöhnung, aber auch um Gerechtigkeit im Fall einer gescheiterten Ehe, vor allem für die Kinder.
Im Abschnitt mit dem Titel „Unterscheidung und Integration“ (84-86, oben schon einmal angedeutet) geht der Text dann darauf ein, wie das geschehen kann: „Die Logik der Integration ist der Schlüssel für ihre pastorale Begleitung“, sagt er über die wiederverheirateten Geschiedenen. So gelte es darüber nachzudenken, wie praktizierte Formen des Ausschlusses in Pastoral, Liturgie, Erziehung oder auch in Beteiligung in den Institutionen überwunden werden können. Auf die Zulassung zu den Sakramenten geht der Text nicht ein. Er sagt aber, dass alle Beteiligten „verpflichtet sind, die Situation gut zu unterscheiden“, d.h. die Realität im Blick des Glaubens gut in den Blick zu nehmen. Diese Unterscheidung solle „nach der Lehre der Kirche und unter der Anleitung des Bischofs“ geschehen.
An einer Stelle wird es recht kompliziert: „Man kann nicht übersehen, dass es Situationen gibt, in denen Anrechenbarkeit einer Tat und Verantwortung für sie durch verschiedene Bedingungen vermindert, ja sogar aufgehoben“ sind (siehe Katechismus § 1735). Ein Urteil über eine objektive Situation muss deswegen nicht in den konkreten Umständen zu denselben Ergebnissen führen. „Die pastorale Unterscheidung, das recht gebildete Gewissen der Menschen einbeziehend, muss sich dieser Situationen annehmen. Auch die Konsequenzen der Handlungen sind nicht immer in allen Fällen dieselben.“
Wie soll das geschehen? „Im Gespräch mit dem Priester, im Forum Internum, geschieht das Bilden des rechten Urteils über das, was einer volleren Teilhabe am Leben der Kirche entgegensteht, und über die Schritte, welche diese wachsen lassen.“ Das nehme nichts weg von dem, was die Wahrheit und die Nächstenliebe des Evangeliums geböten.
Abschließend geht es um die Spiritualität der Familie, aufbauend auf der Trias „Entschuldigung, Danke, Bitte“, die Papst Franziskus immer wieder ins Zentrum des familiären Verhaltens setzt (87). Familien sollen Handelnde in der Pastoral der Kirche sein, nicht nur als Objekt der Pastoral behandelt werden. So wird die Familie das, was Papst Franziskus von der ganzen Kirche will: missionarisch.
Ein Gebet schließt das Dokument ab. (rv)
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