Erste Einzelheiten zur Bischofssynode 2015

Kardinal BaldisseriDie nächste Bischofssynode zum Thema Ehe und Familie wird vom 4. bis 25. Oktober 2015 im Vatikan stattfinden. Das kündigte der Generalsekretär der Bischofssynoden, Kardinal Lorenzo Baldisseri, am Montag an. Baldisseri sprach auf der derzeitigen Versammlung der Außerordentlichen Bischofssynode; sie beschäftigt sich ebenfalls mit Ehe und Familie und soll die – deutlich längere – Synode vom Herbst 2015 vorbereiten. Kardinal Baldisseri nannte auch das vom Papst gewählte Thema der Synode vom nächsten Jahr: „Berufung und Mission der Familie in der Kirche und der Welt von heute“.

Er hoffe, dass die Synodenväter bei ihren Beratungen in Arbeitsgruppen diese Woche schon an die Synode vom nächsten Jahr dächten, so der Kardinal. „In den Gruppen könnte man auch Themen vorschlagen, die noch nicht behandelt worden sind“, sagte er.

Gespräche in Arbeitsgruppen starten

An diesem Montag beginnen auf der Versammlung der Bischofssynode offiziell die Arbeiten in den Arbeitsgruppen. Nach Sprachen organisiert treffen sich alle Synodenteilnehmer, um die Relatio – das zusammenfassende Dokument, das am Montagmorgen von Kardinal Peter Erdö verlesen wurde – zu diskutieren. Drei Gruppen finden auf Italienisch statt, drei ebenfalls in Englisch, zwei jeweils in Spanisch und Französisch.

Am Donnerstagmorgen werden die in den Arbeitskreisen erarbeiteten Ergebnisse in der Vollversammlung vorgestellt, danach tritt wieder das Redaktionskommitee zusammen, um sie einzuarbeiten. Der so erstellte Text – die Relatio Sinodi – wird dann am Samstag verlesen und diskutiert, am Nachmittag wird auch darüber abgestimmt.

Bereits am Freitag wird aber auch ein weiterer Text besprochen: die Botschaft, die jede Synode an die Gläubigen richtet. Die endgültige Form dieser Botschaft – Nuntius genannt – wird ebenfalls am Samstag abgestimmt.

Papst stellt Schlussdokument auf breitere Basis

Derweil hat Papst Franziskus zum Wochenende das Redaktionskomitee für das Schlussdokument der laufenden Synodenversammlung verstärkt. Bisher waren Kardinal Baldisseri, Synoden-Relator Kardinal Peter Erdö (Ungarn) und der italienische Bischof Bruno Forte mit dem Erstellen des Dokuments betraut. Es soll am nächsten Sonntag fertig sein und die Arbeitsgrundlage für die Bischofssynode von 2015 darstellen. Franziskus benannte nun sechs weitere Synodale in den Redaktionskreis: Kurienkardinal Gianfranco Ravasi, US-Kardinal Donald Wuerl, Jesuitengeneral Adolfo Nicolás, den argentinischen Erzbischof Victor Manuel Fernández, den Präsidenten des Lateinamerikanischen Bischofsrates Erzbischof Carlos Aguiar Retes und den koreanischen Bischof Peter Kang U-il. (rv)

Zwischenbericht der Bischofssynode: Die Notwendigkeit mutiger pastoraler Entscheidungen

Kardinal ErdöDie zweite Woche der Versammlung der Bischofssynode beginnt und auf dem Programm stehen die Arbeit in den Arbeitsgruppen und das Erstellen eines Abschlusstextes. Die Grundlage für diese Arbeiten wurde vergangenes Wochenende erstellt und an diesem Montag verlesen: Die Zusammenfassung der Beratungen der ersten Woche, die so genannte „relatio post disceptationem“. Pater Bernd Hagenkord fasst für uns zusammen.

Kardinal Peter Erdö fiel die Aufgabe zu, die Zusammenfassung zu erstellen und vorzustellen. Als Relator hatte er nicht wie die übrigen Teilnehmer zwei freie Tage, sondern musste die 240 Beiträge in einen Gesamttext verarbeiten und den Synodenteilnehmern vorlegen.

Die Relatio beginnt mit dem doppelten Ausgangspunkt, der sich auch in vielen der Statements in der Versammlung fand. Zum einen sei die Familie die Zelle der Gesellschaft und damit auch der Kirche, zum anderen gäbe es viele Krisensymptome, die eine erneuerte Verkündigung nötig machten.

Der Text ist in drei Teile gegliedert: Zunächst wendet er sich den verschiedenen Realitäten und Wirklichkeiten zu, in denen Familie gelebt wird. Damit werden vor allem die Berichte und pastoralen Erfahrungen der Synodenteilnehmer aufgegriffen. Dann folgt der Blick auf Christus und seinen Auftrag, die Frohe Botschaft zu verkünden. Im dritten Teil wendet man sich schließlich der Frage zu, was Wege sein könnten, „die Kirche und die Gesellschaft in ihrem Einsatz für die Familie zu erneuern“.

I. Das Hören: Der Kontext der Herausforderungen für die Familie
Viel war in der ersten Woche von diesen Herausforderungen die Rede, einige universal, andere kulturell oder regional. Diese werden im ersten Teil in acht Abschnitten zusammen gefasst. Es geht um den Individualismus und die Einsamkeit, um Polygamie und die Probleme, die in gemischt-religiösen Ehen entstehen, wenn es um Rechte und die christlichen Werte geht. Es geht aber auch um die Affektivität des Menschen und seine Fähigkeit, Bindungen zu leben. Dieser Teil macht deutlich, dass die Synodenteilnehmer nicht über eine idealisierte Vorstellung von Familie, sondern von deren konkreten Formen gesprochen haben. Die Kirche müsse hier „ein Wort der Hoffnung und des Sinns“ sprechen.

Der einleitende Satz dieses Abschnitts gibt die Absicht gut wieder: „Der anthropologisch-kulturelle Wandel heute beeinflusst alle Bereiche des Lebens und erfordert eine analytische und breit gefächerte Untersuchung, die fähig ist, die positiven Formen von individueller Freiheit zu erfassen.“ Es geht daher nicht um einen Familienbegriff unter Belagerung, sondern um das Erkennen von Herausforderungen und von Chancen.

II. Der Blick auf Christus: Die Frohe Botschaft von der Familie

Mit dem Blick auf Christus öffnen sich neue Wege und noch nicht gedachte Möglichkeiten: Mit diesem Gedanken Papst Franziskus’ beginnt der zweite Teil der Relatio. Zwei Begriffe prägen ihn, zum einen der der Gradualität, welcher sehr deutlich und vielleicht überraschend bei den Beiträgen immer wieder zu Tage trat, und der der Barmherzigkeit Gottes, die Maßstab und Schlüssel zum Verstehen der Gebote Gottes sei.

Gott habe die Gnade seines Bundes mit den Menschen auf verschiedene Weisen mitgeteilt, die es „zu unterscheiden ohne zu trennen“ gelte, wird über die Gradualität gesagt. „Kontinuität und Neuheit“ seien die beiden Perspektiven, in denen das Verstehen gesucht werden müsse.

Die Ehe sei unauflöslich, das habe Jesus selbst bestätigt, die Ehepartner würden sich deswegen Treue und Offenheit für das Leben versprechen. So münde das Sakrament der Ehe in der Familie.

In diesem Teil der Relation wird außerdem die Frage aufgegriffen, welche in der Synodenversammlung immer wieder gestellt wurde: Wie könne Menschen geholfen werden, deren Ehen gescheitert seien. Hier greift der Text eine Verstehens-Hilfe auf, die dem Zweiten Vatikanum entnommen ist (Lumen Gentium 8), genauer dem Begriff des „subsistit“, der schwer zu übersetzen ist. Damit will der Text den Gedanken wiedergeben, dass es auch außerhalb sakramentaler Ehen Heiligung und Wahrheit geben könne. Verkürzend zusammen gefasst kann man sagen, dass hier die Idee wiedergegeben wird, dass es nicht nur schwarz und weiß gibt, Ehe und nicht Ehe, sondern Zwischentöne, eben Grade. Was wiederverheiratete Geschiedene und ihre Zulassung zu den Sakramenten anginge, brauche es einen „geistlichen Unterscheidungsprozess“, so die Relatio.

Ein drittes Thema dieses Teils sind die Partnerschaften, die nicht mit Blick auf eine sakramentale Verbindung geschlossen wurden und werden, auch hier brauche es den barmherzigen Blick Jesu, um die Haltung der Kirche neu zu formulieren.

III. Die Auseinandersetzung: Pastorale Perspektiven

Der dritte Teil der Relation ist der längste Teil, er fügt die konkreten pastoralen Perspektiven und die grundsätzlichen Überlegungen zusammen. Die Spannung zwischen lokaler Not und universaler Perspektive wird genannt, die Frage der Verkündigung, die Rolle der Familien in der Kirche, die Sprache der Kirche in ihrer Verkündigung und die Vorbereitung auf die Ehe und die Begleitung der Ehepaare nach der Eheschließung, um nur einige Punkte zu nennen.

Ebenso wird jedoch betont, dass es gilt, sich nicht nur auf die sakramentale Ehe zu konzentrieren, sondern auch das Positive in anderen Partnerschaften zu sehen. Gleichzeitig gelte es aber auch, die eigene Vorstellung von Ehe und Sakrament zu bezeugen.

Noch einmal geht es in diesem Teil um die „verwundeten Familien“, also um getrennt Lebende, wiederverheiratete und nicht wieder verheiratete Geschiedene. „In der Synode klang klar die Notwendigkeit für mutige pastorale Entscheidungen an“, heißt es in dem Text. Treu zur Frohen Botschaft von der Familie hätten die Beratungen gezeigt, dass die Synodenväter die Dringlichkeit für solche „neuen pastoralen Wege“ erkannt hätten. „Es ist nicht klug, an eine einzige Lösung für alles zu denken oder an Lösungen, die durch ein ‚alles oder nichts‘ inspiriert sind“, heißt es in dem Text.

Noch einmal werden die geschiedenen Wiederverheirateten angesprochen, es geht um Ehenichtigkeitsverfahren und deren Verschlankung und die einzelnen Lösungsvorschläge aus der Debatte werden aufgeführt. Außerdem geht es um gleichgeschlechtliche Partnerschaften, auch hier nutzt der Text eine wertschätzende, keine beurteilende Sprache. Die Kirche könne ihre Partnerschaft nicht als Ehe sehen, die Relatio fragt aber, ob diese fähig sei, diese Gläubigen geschwisterlich aufzunehmen.

Pastoral und Lehre

Den gesamten Text prägt der Ansatz, dass die Kirche vor allem zuerst hören solle, bevor Antworten gegeben werden. Dem entspricht die Aufforderung, die Realität der Menschen zu schätzen und kennen zu lernen. Es ist ein sehr pastoraler Blick, wobei der Text nicht in die Falle tappt, Pastoral gegen Lehre auszuspielen, im Gegenteil. Auch sagt der Text nicht, die Frage der sakramentalen Ehe sei vor allem ein Vermittlungsproblem, die Herausforderungen werden sehr ernst genommen.

Das Dokument endet mit der Perspektive über die Synodenversammlung hinaus: Man wolle mit diesem Dokument Fragen aufwerfen und Perspektiven eröffnen, die in den Reflexionen in den Ortskirchen während des Jahres der Vorbereitung auf die kommende Synode reifen und präzisiert werden sollen, so der letzte Abschnitt. Damit ist auch das weitere Vorgehen angedeutet: In der kommenden Woche werden die Arbeitsgruppen an diesem Text weiterarbeiten, vielleicht Änderungsvorschläge oder Präzisierungen erarbeiten, die dann vorgeschlagen werden. Es liegt aber bereits jetzt das Gerüst vor für das, was von nun an bis zur kommenden Versammlung der Bischofssynode debattiert werden soll.

Aus der Synodenaula Pater Bernd Hagenkord für Radio Vatikan. (rv)

Synodenthema Nummer 1: Wiederverheiratete Geschiedene

Bernd HagenkordDas Thema der wiederverheirateten Geschiedenen ist dasjenige, das bei der Bischofssynode zur Familie am häufigsten in der Aula zur Sprache kommt. Das sagt unser Synodenbeobachter Pater Bernd Hagenkord in einem Gespräch zur Zwischenbilanz.

„Es sind sicher die wiederverheirateten Geschiedenen und der Kommunionempfang [die am häufigsten zur Sprache kommen]. Ich führe eine kleine private Strichliste, über 40 Mal ist das genannt worden, teilweise nur am Rande, teilweise als Zentrum der Wortmeldung. Und es ist kein europäisches Thema, es kommt auch aus Afrika und Asien. Thema sind sicher die Ehe-Annullierungen. Das Verfahren passt vielen nicht, das sei zu kompliziert, zu langwierig, so unpastoral sozusagen. Ein ganz uneuropäisches Thema ist Polygamie. Das wird sehr heiß debattiert, wie man damit umgeht. Das sind die konkreten Themen, die da besprochen werden. Ansonsten natürlich: Was verstehen wir heute unter Ehe? Was ist das, Familie? Was ist das Sakrament der Ehe? Solche Dinge werden auch besprochen.“

Gibt es auch Themen, die Sie überraschen?

„Ich höre zu, wenn es um Polygamie geht. Das Thema ist ähnliche wie wiederverheiratete Geschiedene nicht nur ein pastorales Problem, sondern dient ja auch dazu, das Thema Familie und Ehe überhaupt zu debattieren. Ich nenne das ein „Bruch-Thema“. So etwas kaputt ist und nicht funktioniert. Was manchen wir denn mit einem Mann, der drei Frauen hat und katholische werden will? Verweigern wir ihm das? Oder muss er dann zwei Frauen entlassen, die dann ins Nichts fallen – das kann es ja wohl auch nicht sein? Da wird darüber debattiert, wie verstehen wir das eigentlich? Was bedeutet für uns die moralische Folge unserer Lehre? Wie flexibel können wir sein oder wie strikt müssen wir sein? Und ich finde das spannend, dass das nicht apodiktisch debattiert wird, so und so hat das zu sein, sondern am Menschen, an seinen Geschichten. Das hat mich sehr fasziniert.“

Werden wirkliche Positionen vorgestellt, oder Vorschläge über zukünftige Positionen der Kirche?

„Es gibt alles Mögliche. Es gibt Leute, die nur aus der Erfahrung berichten. Es gibt theologische Positionen. Es gibt rein theologische Wortmeldungen, die sehr klar sagen, was katholische Kirche lehrt und woran man sich auszurichten hat, und das kommt nicht nur aus Rom, sondern aus der Praxis vor Ort – das ist so nicht aufteilbar. Interessant ist, dass die ganze Debatte sehr offen bleibt. Ich sehe keine Parteien. All die Kontroversen sehe ich nicht, die im Vorfeld eine Rolle gespielt haben. Natürlich wird kontrovers debattiert, da gibt es widersprüchliche Meinungen. Aber die gleichen Leute gehen danach gemeinsam die Treppe runter und reden weiter. Das ist eine sehr offene, kollegiale Atmosphäre.“

Es ist also eine echte Debatte und nicht einfach ein Das-Wort-Ergreifen und etwas sagen, das man hier immer schon anbringen wollte?

„Das schon, aber es gab jeden Abend eine Stunde offene Debatte, da gab es keine Rednerliste…“

…und das hat funktioniert diesmal?

„Das hat funktioniert diesmal. Es gab sogar die Wortmeldung, es mögen sich doch nicht immer die gleichen melden, weil dann eben klar ist, es gibt Leute, die haben mehr dazu zu sagen haben als andere, und andere sind froh, wenn sie nur ihren Beitrag liefern können. Es hat eine offene Debatte stattgefunden, aufeinander eingehend, und natürlich in der wichtigsten aller Debatten – der Kaffeepause.“

Papst Franziskus – ergreift er auch das Wort oder hört er nur zu?

„Der Papst hört nur zu. Am Anfang beginnt es mit einer Gebetszeit und auch am Ende steht ein Gebet, da ist er der Vorbeter, der das Gebet führt. Es ist ja eine geistliche Sache, keine Parlamentsdebatte. Aber während der einzelnen Beiträge schweigt der Papst nicht nur, sondern hört sehr aufmerksam zu und gibt nicht zu erkennen, ob er das gut findet oder schlecht findet, denn das wäre ja auch gefährlich, wenn er das gleich prägen würde. Er sitzt da und hört sich das an, macht sich Notizen, bedankt sich immer am Schluss und wünscht noch einen guten Appetit oder einen schönen Abend, bis morgen – wie man ihn so kennt, recht locker, aber auch aufmerksam. Es ist ja anstrengend, da zuzuhören, und er ist da voll dabei.“

Halbzeit ist jetzt – was kommt in der zweiten Woche?

„Zunächst kommt die Relatio, also der dafür zuständige Kardinal Erdö von Budapest fasst alles zusammen, was in den vergangenen Tagen hier gesagt wurde, und das ist dann die Grundlage für die Kleingruppen. Die Kardinäle und Bischöfe, und die Auditoren gehen in Kleingruppen, die nach Sprachen organisiert sind. Da entschieden sie, über welche Themen sie reden wollen und haben dann vier Tage Zeit zu debattieren, was immer sie zu debattieren haben. Das geht dann wieder zurück an Erdö, und er macht wieder eine Zusammenfassung daraus. Schritt für Schritt wird die Dynamik der Debatte aufgefangen, auch in Texten aufgefangen, und am Schluss soll dann irgendeine Form von Dokument stehen, das wieder an die Kirche gegeben wird. Das ist eine Vorbereitungssynode für die nächste Synode. Wie das aussehen wird, ist noch nicht entschieden, ob das schon das Vorbereitungsdokument ist, ob da systematisch noch einmal die Kirche vor Ort einbezogen wird, ob es vielleicht sogar noch eine zweite Fragebogenaktion gibt – alle möglichen Dinge werden besprochen und angeregt, wir werden sehen, was dann dabei herauskommt.“

Sie haben schon andere Synoden im Vatikan erlebt, was unterscheidet diese hier von den anderen?

„Es ist meine vierte Synode. Was mich am meisten überrascht ist, dass die alle begreifen, dass sie kein Dokument brauchen am Schluss. Sie brauchen keinen Kompromiss und können offen reden, und wenn die Frage offen bleibt, das sagte ein Synodenteilnehmer, dann ist das schon der erste große Erfolg der Synode. Sie reden nicht nach dem Motto, ich muss jetzt hier so sprechen, dass ich in eineinhalb Wochen einen Kompromiss abstimmen kann, sondern wir können alles auf den Tisch legen, was auf den Tisch gehört. Das ist, wenn ich das so ausdrücken darf, die Gnade dieser Synode, die dann darin mündet, dass man ein ganzes Jahr lang weiter debattieren wird.“ (rv)

Aus der Synodenaula: Wiederverheiratete Geschiedene und die Kommunion

Bischofssynode2Pater Bernd Hagenkord bietet einen Blick hinter die Kulissen der Bischofssynode und der diskutierten Themen von Mittwochabend und Donnerstagvormittag. Aus der Synodenaula für Radio Vatikan:

„Pastoral-schwierige Situationen“ – Unter dieser Überschrift finden sich all die Fragen aus der Praxis, die bereits im Vorfeld der Versammlung der Bischofssynode, wie auch in den Medien besondere Aufmerksamkeit gefunden haben und weiterhin finden. Das Vorbereitungsdokument Instrumentum Laboris nennt in diesem Kapitel die wiederverheirateten Geschiedenen und ihr Zugang zu den Sakramenten, nichteheliche Lebensgemeinschaften, ledige Mütter, dann aber auch die gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Die Liste der Wortmeldungen war so lang, dass sowohl der Mittwochnachmittag als auch der Donnerstagvormittag diesem Feld gewidmet waren.

Wiederverheiratete Geschiedene
Bereits bei der Kardinalsversammlung im Februar dieses Jahres hatte auf Bitten des Papstes Kardinal Walter Kasper einen Vortrag gehalten, in dem er die Frage nach der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten aufgeworfen hatte. Hierbei geht es um Vergebung und die Botschaft des Evangeliums, aber auch um die Glaubwürdigkeit dessen, wofür die Kirche einsteht.

Viele Beiträge bezogen sich auf diese Problematik, der wiederverheirateten Geschiedenen. Es gab kaum einen Beitrag an diesem Donnerstagmorgen, der nicht auf irgendeine Weise Bezug darauf nahm. Einige Wortmeldungen bezogen sich direkt auf die von Kardinal Kasper gestellte Frage. Spirituelle Kommunion, also das Mitfeiern der Messe ohne den Empfang der Eucharistie, wurde debattiert, und verschiedene pastorale Konzepte der Begleitung angesprochen und empfohlen, vor allem dort, wo sich Betroffene untereinander helfen und begegnen können. Immer wieder wurden auf andere kulturelle und religiöse Kontexte hingewiesen, auf Ökumene vor allem mit der Orthodoxie, auf interreligiöses Zeugnis und traditionelle vorchristliche Kulturen und ihr Eheverständnis. Andere Religionen erwarten von Christen Klarheit.
Es gab aber auch bemerkbare Ablehnung im Zuge des heutigen Treffens: Die Medizin sei schlimmer als die Krankheit, sagte ein Synodenteilnehmer. Ein Thema, das offen ist und offen bleibt; allein das ist schon ein Erfolg der Synode, wie es ein Teilnehmer formulierte.

Ehenichtigkeitsverfahren
Eine sehr technische Frage, denn sie betrifft nicht immer einfach zu verstehende kirchenrechtliche Fragen, ist das Ehenichtigkeitsverfahren. Von vielen wurde das Verfahren als zu kompliziert wahrgenommen, zu umständlich und lang. Die Vorschläge zur Änderung reichten von der Einführung schnellerer mündlicher Verfahren bis hin zum Wegfall der zweiten Instanz. Bislang braucht eine Ehenichtigkeit zwei übereinstimmende Urteile. Man könnte auch mehr Richter beschäftigen, etwa qualifizierte Laien und vieler mehr. Dagegen standen aber Argumente, dass gerade die Komplexität sicher stelle, dass es nicht zu einer verkappten „katholischen Scheidung“ komme und dass nach der Wahrheit, nicht nach schnellen Lösungen gesucht werde, immerhin ginge es um ein Sakrament. Papst Franziskus hatte direkt vor der Synode eine Kommission einberufen, die genau diese Fragen studieren soll. Dafür bietet die Synodenversammlung viel Material.

Neben den Themen des Ehenichtigkeitsverfahren und der wiederverheirateten Geschiedenen wurden Themen aufgegriffen, wie die immer wieder debattierten Polygamie, die Frage nach dem langen Zusammenleben vor der Ehe oder nach einer Pastoral für die Väter, nach gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und deren gesetzlicher Anerkennung .

Im Zuge der heutigen Versammlung wurden auch die dahinter liegenden Haltungen deutlicher: Man dürfe nicht in einen Legalismus verfallen, hieß es immer wieder. Teilweise wurden pastorale Erfahrungen als Argumente genützt, oft waren die Beiträge aber auch sehr technisch, vor allem wenn es um einzelne Canones des Kirchenrechtes ging. Aber genau hier entscheidet sich ja meistens die Praxis.

Armut
Immer wieder sehr deutlich und mit viel Engagement wurde die Frage der Armut genannt. Pastoral schwierige Situationen entstünden manchmal erst durch Armut, Ausbeutung, Migration und Ausbeutung. Eines der wichtigsten Themen der vergangenen Tage kehrte somit auch in diesen Generalversammlungen wieder.

Ein weites Feld, das engagiert debattiert wurde. Verstärkt lösen sich nun vor allem in der offenen Debatte die Beiträge vom Text und reagieren auf Vorredner. Die Diskussion wird offener, vor allem in der letzten Stunde am Abend, in der ohne vorbereitete Rednerliste auf Wortmeldung hin gesprochen wird. Es wurde kontrovers debattiert, ohne Polemik und respektvoll, aber durchaus klar und deutlich. Ein Zeichen dafür, dass die Aufforderung des Papstes, offen zu sprechen, als auch die Vertraulichkeit der Text-Beiträge Früchte trägt. Gleichzeitig wird aber schon jetzt klar, dass es keine schnelle Lösung für all diese Fragen geben wird, sondern dass die Kirche sicherlich das kommende Jahr brauchen wird, um all das in Breite und Tiefe aufzugreifen. Wie gesagt, dass die Frage gestellt und offen ist, ist schon ein gutes Ergebnis. (rv)

Kardinal Koch: „Jeder redet, wie er denkt, dass er reden muss“

Kardinal KochEs herrscht eine „offene Redefreiheit“ in der Synodenaula. Das sagen sowohl die wenigen Beobachter als auch die Synodenväter, die an den Gesprächen der Bischofsversammlungen in diesen Tagen teilnehmen. Unter ihnen ist auch der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch, der den Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen leitet.

„Die Debatte ist sehr offen! Ich denke, jeder redet so, wie er denkt, dass er reden muss. Ich bin auch beeindruckt zu sehen, wie viele Probleme der ganzen Welt dieselben sind. Die Behauptung, wir würden nur typisch für Europa wiederkehrende Probleme besprechen, bestätigt sich also nicht! Das ist aber eine große Herausforderung für die Kirche.“

Viele Themen wurden schon angesprochen; doch es sei zu früh, um Bilanz zu ziehen oder Prognosen zu machen.

„Es ist ja erst die außerordentliche Synode: Da werden die Probleme beschrieben. Nachher muss man sehen, wie man all diese Herausforderungen und Fragen angeht und welche Antworten man geben will.“ (rv)

Kardinal Schönborn: Schritt für Schritt in die Ehe

Kardinal SchönbornUnser Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord gehört zu den wenigen Journalisten, die in der vatikanischen Synodenaula die Beratungen hinter verschlossener Tür mit verfolgen. Er darf keine Geheimnisse ausplaudern – aber Interviews führen, das darf er. An diesem Mittwoch sprach er mit dem Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, dem Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz.

Kardinal Schönborn, bei der Pressekonferenz gestern, aber auch bei den Beratungen ist immer wieder von „Gradualität“ gesprochen worden. Vielleicht könnten Sie erklären, was damit gemeint ist?

„Wir alle wissen, dass es das unveränderliche Gesetz Gottes gibt. Die Zehn Gebote stehen nicht zur Disposition, die kann man nicht verändern. Aber wir erleben im eigenen Leben, dass wir sie nur zum Teil verwirklichen, nicht zur Gänze. Wir wissen, dass wir sie ganz verwirklichen sollten, wir schaffen es nicht hundertprozentig. Das Gesetz ist nicht graduell. Es gibt nicht mehr stehlen oder weniger stehlen. Stehlen ist stehlen – das siebte Gebot ist das siebte Gebot. Und lügen ist lügen.“

Aber wir in unserem Leben können uns dem Wort Jesu – dein Ja sei Ja, dein Nein sei Nein – mehr oder weniger annähern. Das nennt man die Gradualität der Verwirklichung des Gesetzes.

„Wenn man das auf die Situation von Ehe und Familie anwendet, dann muss man sagen: Die volle Verwirklichung ist natürlich die im Glauben vor Gott und vor der Kirche geschlossene sakramentale Ehe, die unauflöslich ist, die für die Lebenszeit der Ehepartner gültig ist und die offen ist für das neue Leben, für Kinder. Aber wir wissen auch, dass viele Menschen diese volle Gestalt der Ehe, so wie sie auch im Plan Gottes gesehen ist, erst allmählich erreichen. Papst Franziskus hat uns erst bei dem Besuch der österreichischen Bischöfe im Jänner im Gespräch gefragt: ‚Wie ist das bei euch, ist das ähnlich wie in Argentinien, dass viele junge Menschen zuerst einmal zusammenleben?‘ Er hat damit nicht gesagt, dass das in Ordnung ist, dass das okay ist. Er hat nur gesagt, dass es so ist. Und dass, wenn ein Kind unterwegs ist, man sich darüber Gedanken macht: ‚Vielleicht wollen wir doch heiraten, sollten zivil heiraten?‘. Und manche machen dann auch den weiteren Schritt und sagen: ‚Wir wollen kirchlich heiraten. Wir wollen unsere Beziehung in die volle Gestalt einer Ehe einbringen‘.

„Die Menschen Schritt für Schritt in die Gradualität begleiten“

„Der Papst hat uns gesagt, dass wir diese Menschen begleiten müssen, Schritt für Schritt in diese Gradualität, damit sie entdecken, was die volle Gestalt des Sakramentes ist. Was die Ehe im Plan Gottes ist. Natürlich gibt es, Gott sei Dank, mehr und mehr junge Leute, die diesen Weg bereits in frühen Jahren durch den Glauben, vielleicht auch durch das Vorbild ihrer eigenen Familien entdecken, und ihn mit ganzem Herzen und mit ganzer Bereitschaft gehen. Viele andere lernen das erst allmählich kennen. Wichtig ist, dass wir sie begleiten – und das meint, so glaube ich, die Rede von der Gradualität, nicht des Gebotes Gottes, sondern der Erfüllung des Gebotes Gottes.“

Heißt das nun, ich kann auch in nicht-sakramentalen Ehen, also in Beziehungen, das Positive finden?

„Ich kann eine unvollkommene Version von zwei Seiten her sehen, und beide Seiten haben ihre Berechtigung: Ich kann auf das sehen, was noch fehlt, und ich kann auf das sehen, was bereits da ist. Sicher ist es schon ein großer Schritt, wenn junge oder auch ältere Menschen nicht nur auf flüchtige Beziehungen setzen, sondern den Wert einer treuen, stabilen, in gegenseitiger Hilfe gelebten Beziehung finden. Wenn sie das finden und sich wirklich dafür engagieren – da kann ich sagen, ja, das ist keine sakramentale Ehe, da fehlt etwas. Aber ich kann auch sagen, da ist schon etwas da! Papst Franziskus hat uns ermutigt und gesagt, schaut auf das, was schon da ist, und begleitet es, natürlich hin zu einem „vollkommeneren, vollständigen“.

„Die Lebensumstände helfen nicht immer“

Und was ganz wichtig ist dabei, sind natürlich auch die Lebensumstände, in denen sich heute Ehe und Familie finden . Wenn in unserem Land, in Österreich, das unverheiratete Zusammenleben steuerlich bessergestellt ist als das verheiratete Zusammenleben, dann ist das natürlich für junge Menschen eine große Herausforderung, ja auch ein Opfer, den Schritt zu machen, wenigstens zivil zu heiraten oder auch sakramental zivil zu heiraten.

Es gibt auch äußere Lebensumstände, die Ehe erschweren! Ich denke an unsere frühere Zeit in Österreich und in vielen Ländern der Welt – in manchen ist es auch heute noch so -, wo eine Heirat mit gewissen sozialen und finanziellen Verpflichtungen verbunden ist, die ärmere Leute gar nicht eingehen können. Ich denke da zum Beispiel an den seligen Franz Jägerstätter, den ich sehr verehre. Seine Mutter war eine Bauernmagd, die bei einem Bauern als Magd gearbeitet hatte. Sie konnte gar nicht heiraten. Sie hatte keine Mittel dazu. Als dann der Franz als lediges Kind geboren wurde, hat sie dann später, als er schon größer war, das Glück gehabt, dass ein Bauer bereit war sie zu heiraten, und den kleinen Franz adoptiert hat. Diese Situationen waren sehr, sehr häufig, nicht nur im ländlichen, sondern auch im städtischen Bereich. Viele konnten sich eine Ehe auch nicht leisten! Und da müssen wir pastoral hinsehen, nicht mit urteilendem Blick, sondern mit einem begleitenden und verständnisvollen und ermutigenden Blick.“

Es gibt hier sehr viele Geschichten, die man hört, die auch aus der Pastoral kommen. Was heißt es denn, wenn wir hier bei der Synode über diese Hintergründe hören, wenn wir über Ehe sprechen? Es muss dann auch zu etwas Konkretem kommen oder zu Übereinstimmungen. Was kann das, im Namen der katholischen Kirche, für die Ehe im Konkreten bedeuten?

„Ich glaube, das Wichtigste ist, was an dieser Synode schon am Anfang sehr entscheidend ist. Das kann man schon nach den ersten drei Tagen sagen: Die Familie wird sozusagen auf ein Podest gestellt, und das in einer Zeit, wo die Familie für viele als ein überholtes Auslaufmodell gilt. Wir hören Zeugnisse hier aus der ganzen Welt, wie unglaublich wichtig die Familie für die Gesellschaft, aber vor allem für den Menschen in seiner Verwirklichung und in seinem Glück ist. Ich erwarte mir von dieser Synode natürlich auch Impulse für Situationen des Scheiterns – das ist alles wichtig. Aber was weltweit gesellschaftlich das große Thema ist, wie es der jetzt leider verstorbene deutsche FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher gesagt hat: ‚Die Familie ist die Überlebensfabrik der Zukunft.‘

„Wo Familie ist, ist ein Auffangnetz“

Wir kommen in schwierige Zeiten, in denen es ökonomisch immer schwieriger wird. Wir sehen schon jetzt in den europäischen Krisenländern: Dort, wo Familie ist, ist ein Auffangnetz. Es ist ein spontanes und natürliches und selbstverständliches Auffangnetz, und das sagen uns deutlich heute säkulare Soziologen, die mit Religion wenig am Hut haben. Wenn die Gesellschaft etwas braucht für die Zukunftstüchtigkeit, dann ist das Familie. Und ich denke, niemand kann die Familie mehr unterstützen als die Glaubensgemeinschaft. Ich erwarte mir von dieser Synode vor allem eine intensive Debatte über die Wichtigkeit der Familie für eine Gesellschaft, die in schwierige Zeiten kommt.“ (rv)

Synodenväter sprachen über Familienpastoral

Bernd HagenkordVerschiedene pastorale Aktivitäten zum Thema Familie, und die Herausforderungen, vor denen die Familienpastoral heute steht: Das waren die Themen der beiden vergangenen Generalversammlungen vom Dienstag Nachmittag und Mittwoch Morgen (letztere wegen der Generalaudienz in Abwesenheit des Papstes). Die Herausforderungen für die Familienpastoral waren auch am Montag und Dienstag schon immer wieder benannt worden: Armut, Migration, Emigration, Gewalt in verschiedensten Formen, Christenverfolgung, moderne Lebens- und Arbeitsbedingungen, Polygamie, Sekten, Prostitution, Menschenhandel, Machismo und die Einflüsse der modernen Welt mit ihren Individualismen und Materialismen, sie wurden immer wieder vor allem aus der pastoralen Praxis heraus ausführlich behandelt, und sie bildeten das Schwergewicht der Beratungen.

Zum ersten Mal in mehreren Beiträgen war auch das Ehenichtigkeitsverfahren der Kirche Thema; es könne keine Lösung für alle Probleme sein, aber für die Paare, die das betrifft, wäre es eine große Hilfe und für die Kirche eine Notwendigkeit, wenn diese Verfahren, die eine Ehe für ungültig erklären und so eine sakramentale Ehe möglich machen, vereinfacht und verkürzt würden. Dorthin gehört auch die Frage, wie mit der Frage der kirchlichen Rechtsprechung im Rahmen der Ökumene, vor allem mit der Orthodoxie, umgegangen wird: Verschiedene Kirchen kennen verschiedene kirchenrechtliche Regeln, das schaffe einerseits Verwirrung, andererseits Reibungen, weil Ehen und Familien verschiedener Konfessionen sozusagen dazwischen stehen.

„Wir können doch gar nicht zurück“

Die Synodenteilnehmer berichteten immer wieder aus ihrer eigenen Praxis, von pastoralen Initiativen in den Bistümern oder Gebieten der Bischofskonferenz. Besonders traten dabei Aktionen hervor, die nicht für, sondern von Familien getragen werden. So etwa Verbände oder Gemeinschaften von Ehepaaren, die anderen Ehepaaren helfen. Solche Initiativen gelte es zu fördern, war der Tenor.

Was auch deutlich wurde bei den Beratungen, war die unterschiedliche Bewertung des modernen Freiheitsbegriffes. Sehen ihn einige als Ausdruck der Gottesebenbildlichkeit und damit als etwas Gutes, sehen ihn andere als Einfallstor für die Menschen gefährdende Ideologien. In einigen Staaten auf der Erde versuchten Regierungen, über Gesetzgebung den Begriff von „Familie“ zu ändern, das sei Ausdruck dieser Ideologien, die durch das Tor dieser falsch verstandene Freiheit einfielen. Aber wir könnten doch gar nicht zurück, hieß es von den Vertretern der ersten Linie, die Sehnsucht nach einer Vergangenheit helfe nicht weiter, die Kirche müsse die positiven Seiten schätzen und prägen lernen.

Ein weiteres Thema war der scheinbare Gegensatz von Pastoral und Lehre. Im Vorfeld der Versammlung der Bischofssynode war immer wieder gesagt worden, man wolle die Lehre nicht verändern, sondern pastoral sein. Dazu hieß es, dass die Lehre Ausdruck des Willens und Auftrages Jesu sei, nichts was die Kirche sich erschaffen habe. Ein weiterer Kommentar betonte, die Lehre müsse sich entwickeln.

Eine ganze Reihe weiterer Themen möchte ich an dieser Stelle nur anreißen, um die Bandbreite dessen anzudeuten, was genannt wurde: Die Frage der Verbindung der Glaubensschwäche der Moderne und der Abnahme stabiler Ehen; Familie als Hauskirche; die Lehre Jesu über die Familie; geschiedene Wiederverheiratete; die Evangelisierung und immer und immer wieder die Ehevorbereitung.

Wenig Idealisierung, große Bandbreite

Die Synodenteilnehmer zeigen einen großen Realismus, wenn es um das Thema Ehe und Familie geht, da ist wenig Idealisierung. Gleichzeitig hört man viel Positives, viel Hoffnung, um es geistlich auszudrücken. Realismus und Hoffnung, mit diesen beiden Worten lassen sich die Beratungen an diesen beiden Tagen gut charakterisieren.

Die Stimmung ist ruhig und ohne Druck – sicherlich auch ein Ergebnis der Entscheidung, nicht eine, sondern zwei Synoden samt einem Jahr Zwischenzeit zu haben, darüber zu sprechen. So nehmen sich die Teilnehmer Zeit, Erfahrungen zu sammeln, aus ihren Kirchen zu berichten, zu reflektieren und zu sprechen. Noch greift die Dynamik einer Beratung in Gruppen nicht, aber das wird sicherlich in der kommenden Woche in den Kleingruppen kommen. Bisher zeigt sich die große Breite der Erfahrungen und Reflexionen zum Thema Pastoral und Familie.

Aus der Synodenaula Pater Bernd Hagenkord für Radio Vatikan. (rv)

Erste Synodenberatungen über Barmherzigkeit, Respekt und Naturrecht

Bernd HagenkordDie Versammlung der Bischofssynode nimmt Fahrt auf: Ab Montagmittag sind die Synodenteilnehmer an der Reihe, ihre Beiträge vorzutragen, sie haben jeweils vier Minuten und sind gehalten, möglichst frei zu sprechen. Unser Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord, der den Beratungen der Synode hinter verschlossenen Türen folgt, fasst einige Eindrücke von Montagnachmittag und Dienstagmorgen für uns zusammen.

Das grundlegende Kapitel des Willens Gottes für die Familie war das Thema des Montagnachmittages; die Themen sind nach dem Vorbereitungsdokument geordnet, für jede Generalversammlung gibt es einen neuen Schwerpunkt. Immer wieder wurde in dieser Auftakt-Session betont, dass die Familie die Zelle der Gemeinschaft sei, der Gesellschaft, und damit auch der christlichen Kirche. Ihr komme deswegen eine grundlegende Bedeutung zu. Deswegen müsse sie auch in sozialen Zusammenhängen betrachtet werden, nicht als isolierte Größe. Sie sei der privilegierte Ort, wo nicht Konsum und Nutzen, sondern allein menschliche Beziehungen, Liebe und Hingabe zählten.

Worte und Zeugnisse

Mehrere Teilnehmer sprachen davon, dass die Sprache der Kirche nicht mehr gehört werde, und wenige würden ihre Ehe und Familie so beschreiben, wie die Kirche das tue. Um verstehbar zu sein, müsse man zunächst einmal zuhören. Das Konzil habe das vorgemacht: ehrliches, aber auch kritisches Hinhören. Wenn die Kirche der Welt nicht zuhöre, dann höre auch die Welt der Kirche nicht zu. Sprache sei aber nicht alles, fügte ein weiterer Synodenvater an: Wie Paul VI. es ausgedrückt habe, der moderne Mensch höre viel eher auf ein Zeugnis denn auf Worte. Deswegen seien es auch vor allem die Familien selbst, die zeigten, was eine christliche Familie sein könnte. Daneben brauche es eine verstärkte Katechese, die weniger theologisch und mehr biblisch geprägt sei.

Einige Male genannt wurden auch die Unterschiede zwischen der modernen Kultur mit ihrem Individualismus und Säkularismus – keineswegs ein rein westliches Problem – und den Werten des Evangeliums. Auf der einen Seite gelte es hier, die eigenen Werte hoch zu halten. Man müsse aber auch in der modernen Kultur das Positive sehen, etwa die Würde von Mann und Frau, die Ablehnung von Gewalt und den Respekt vor Kommunikation.

Ein wichtiger Begriff war von Anfang an die Barmherzigkeit. Die Ehe bleibe ein unauflösliches Sakrament, aber die Barmherzigkeit liefere einen Schlüssel, wie die Gebote zu verstehen seien, sagte ein Teilnehmer. Es gehe nicht um eine Sammlung von Regeln, sondern um die Liebe Christi, die sich zeige. Das gelte es mehr herauszustellen, auch in der pastoralen Praxis.

Respekt

Ein Vorschlag lautete, nicht-sakramentalen Ehen, also stabilen Beziehungen und anderen Formen des Zusammenlebens, mit mehr Respekt zu begegnen. Wenn Treue und Liebe gelebt würden, dann sollte zunächst das Gute daran wertgeschätzt werden. Außerdem brauche es eine vermehrte Wertschätzung der Sexualität in der Ehe: Man spreche viel zu sehr über außerehelichen Geschlechtsverkehr.

Naturrecht

Der Dienstagmorgen begann dann mit dem Gebet – der Terz – und der Erzählung eines Ehepaares über ihre Erfahrungen in der Familienpastoral: Beides, Gebet und Erzählung, brachten Fokus in die Beratungen.

Das erste Thema an diesem Dienstag war die Frage nach dem Naturrecht: Es gehöre zum Glauben dazu, wenn der Glaube seine Verbindung mit der Vernunft nicht aufgeben wolle. Naturrecht, darunter versteht man ganz allgemein gesagt die Tatsache, dass aus der Schöpfung, unserer Natur, moralische Folgen entstehen. Zum Beispiel daraus, dass der Mensch als Mann und Frau geschaffen ist. Die Vernunft kann dem nachgehen, auch ohne den Glauben. Naturrecht bilde so eine Brücke zu Andersglaubenden und Nichtglaubenden. Dieses Fundament war das Thema, um das die Beiträge dieses Morgens kreisten.

Aber auch das ist nicht einfach eine theologische Größe, Familie ist auch eine historische Größe, wie ein Teilnehmer sagte. Man dürfe sie in den Beratungen nicht nur abstrakt betrachten. Ehe sei außerdem nicht nur die Eheschließung, wie das Kirchenrecht und die Liturgie es nahelegten, sondern wenn sie Zeugnis sein wolle, müsse man die gesamte Wirklichkeit sehen. Ehe sei ein Weg und kein Zustand.

Ein wichtiger und oft genannter Punkt: Die Ehe-Vorbereitung. Für das Ordensleben oder als Priester werde man lange vorbereitet, wenn die Ehe ein Sakrament sei, brauche es hier neue Ideen und pastoralen Einsatz. Und: Wenn die Lehre der Kirche vom Leben handle, dürfe Verkündigung nicht nur als Regeln wahrgenommen werden. Mehrfach also die Aufforderung, die Sprache und vielleicht sogar den Fokus des Sprechens von der Familie zu ändern.

Die meisten Wortmeldungen hielten sich an die vorbereiteten Statements, Zeichen sorgfältiger Vorbereitung. Es wurde offen gesprochen, die Schwierigkeiten für Familien kamen klar zur Sprache: Armut, Migration, Gewalt, Ausbeutung des Menschen, die individualistischen Vorstellungen vom Menschen, aber auch die Frage nach wiederverheirateten Geschiedenen und die Frage, ob Jesus mit seiner Aussage, was Gott verbunden habe, dürfe der Mensch nicht trennen, wirklich Autorität zum Ausschluss gegeben habe – das alles wurde besprochen. Die Erfahrungen verschiedener Kulturen kamen dabei zur Sprache, Familie sieht nicht überall gleich aus und ist nicht überall den gleichen Gefahren und Herausforderungen ausgesetzt.

Einige Male wurde bereits jetzt auf die Zeit nach der Synode, auf das Jahr der Vorbereitung bis zur kommenden Synode vom Oktober 2015, hingewiesen. In diesem Sinn weisen die Beratungen bereits jetzt über sich hinaus.

Aus der Synodenaula Pater Bernd Hagenkord für Radio Vatikan. (rv)

Am Donnerstag kommt das Arbeitspapier zur Familiensynode

Kardinal BaldisseriDas Arbeitspapier für die Familiensynode wird am kommenden Donnerstag veröffentlicht. Das teilte der Vatikanische Pressesaal an diesem Freitag mit. Das Dokument für die Bischofssynode sei eine Zusammenfassung der Ergebnisse der weltweiten Umfrage zu Ehe, Familie und Sexualität, so die Vatikan-Note. Das Papier diene den teilnehmenden Bischöfen während der zweiwöchigen Beratungen im kommenden Oktober als thematischer Leitfaden. Am Donnerstag werde der Text vom Synoden-Generalsekretär Kardinal Lorenzo Baldisseri sowie Kardinal Peter Erdö aus Budapest, Kardinal André Vingt-Trois aus Paris und dem italienischen Erzbischof Bruno Forte aus Chieti vorgestellt. Sie gehören zur Leitung der Bischofssynode.

Vom 5. bis 19. Oktober wird im Vatikan eine Außerordentliche Weltbischofssynode zur Familienseelsorge durchgeführt. In einem ersten Schritt gehe es um eine Bestandsaufnahme der Lebenswirklichkeit von Katholiken sowie der Akzeptanz der kirchlichen Lehre über Ehe, Familie und Sexualität. Ein Jahr später folgt im Herbst 2015 eine größere Ordentliche Weltbischofssynode, die künftige Leitlinien erarbeiten soll. (rv)

Vortrag von Kardinal Kasper zu Ehe und Familie veröffentlicht

Kardinal Walter Kasper„Bibel, Eros und Familie“: Unter diesem Titel veröffentlicht die italienische Tageszeitung Il Foglio an diesem Samstag den kompletten Konsistoriums-Text von Kardinal Walter Kasper. Der deutsche Kurienkardinal hatte am Donnerstag letzter Woche bei Kardinalsberatungen mit dem Papst hinter verschlossenen Türen die Auftakt-Rede gehalten; bei den Beratungen ging es um einen Neuentwurf der kirchlichen Ehe- und Familienseelsorge. Während Papst Franziskus Kaspers Text lobte, rief der Vortrag unter den Kardinälen dem Vernehmen nach zahlreiche Wortmeldungen, auch Widerspruch hervor. Am Montag will die Frankfurter Allgemeine Zeitung eine deutsche Fassung von Kardinal Kaspers Referat publizieren. Es ist sozusagen der Grundlagentext (Kasper selbst spricht von „Ouvertüre“) für die Debatte über Ehe und Familie, die auf vatikanischen Bischofssynoden im Herbst 2014 sowie 2015 geführt werden soll. Was hat Kasper eigentlich gesagt? Unsere Übersicht dazu geht von der italienischen Fassung der Zeitung Il Foglio aus.

„Die Familie macht eine tiefe kulturelle Krise durch“ – dieses Zitat aus dem Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ (Nr. 66) von Papst Franziskus steht am Anfang von Kaspers Überlegungen. „Individualismus und Konsumismus stellen die traditionelle Kultur der Familie in Frage, die wirtschaftlichen und Arbeitsbedingungen machen Zusammenleben und Zusammenhalten innerhalb der Familie oft schwierig.“ Darum steige die Zahl derer, „die Angst davor haben, eine Familie zu gründen, oder bei diesem Projekt scheitern, dramatisch an, ebenso wie die Zahl der Kinder, die nicht das Glück haben, in einer geregelten Familie aufzuwachsen“.

„Wir müssen ehrlich sein“

Diese Lage fordere die Kirche, welche Freud und Leid der Menschen teile, heraus. Die Familie sei, wie Johannes Paul II. formuliert habe, „der Weg der Kirche“, und „in allen Kulturen der Geschichte der Menschheit ist die Familie der normale Weg des Menschen“, so Kardinal Kasper. „Auch heute suchen viele junge Leute das Glück in einer stabilen Familie. Wir müssen allerdings ehrlich sein und zugeben, dass sich zwischen der Lehre der Kirche zu Ehe und Familie und den gelebten Überzeugungen vieler Christen ein Abgrund aufgetan hat. Die Lehre der Kirche scheint heute vielen Christen weit von der Realität und weit vom Leben entfernt.“ Und das, obwohl viele Familien („eine Minderheit, doch eine bemerkenswerte Minderheit“) durchaus ihr Bestes gäben, „um den Glauben der Kirche zu leben“.

Schon in den ersten Jahrhunderten der christlichen Ära sei die Kirche „Ehe- und Familiemodellen konfrontiert gewesen, die sehr anders waren als die, welche Jesus predigte“. Heute könne es der Kirche nicht um „ein liberales Anpassen an den Status quo“ gehen, sondern um eine „radikale Position, die an die Wurzeln geht, also an das Evangelium, und von dort aus nach vorne sieht“. Die kirchliche Lehre zu Ehe und Familie sei nicht statisch, sondern werde immer wieder neu vom Evangelium und der „Glaubenserfahrung des Volkes Gottes aller Jahrhunderte“ am Leben gehalten. „Sie ist eine lebendige Tradition, die heute, wie schon viele andere Male im Lauf der Geschichte, an einen kritischen Punkt gekommen ist und die … fortgeschrieben und vertieft werden sollte.“ Das Evangelium sei „kein juridischer Kodex“, und dementsprechend wolle auch das „Evangelium der Familie keine Belastung sein“, sondern „eine frohe Botschaft, Licht und Kraft des Lebens in der Familie“.

Gretchenfrage: „Wie steht es um den Glauben?“

Kardinal Kasper betont, dass die Sakramente „Sakramente des Glaubens“ seien, das bedeute: „Auch das Ehesakrament kann nur im Glauben wirksam werden und gelebt werden.“ „Die entscheidende Frage lautet: Wie steht es um den Glauben der zukünftigen Eheleute und Ehepartner? In den Ländern alter christlicher Kultur beobachten wir heute den Zusammenbruch dessen, was über Jahrhunderte hinweg Selbstverständlichkeiten des christlichen Glaubens und des natürlichen Verständnisses von Ehe und Familie waren. Viele Personen sind getauft, aber nicht evangelisiert… In dieser Lage können wir nicht von einer Liste von Lehren und Geboten ausgehen oder uns auf die sogenannten brennenden Fragen fixieren.“ Damit zielt Kardinal Kasper unter anderem auf die Frage des kirchlichen Umgangs mit Geschiedenen, die wieder geheiratet haben.

„Wir wollen und können diese Fragen nicht umgehen, aber wir müssen … von der Wurzel des Glaubens ausgehen … und Schritt für Schritt einen Weg des Glaubens zurücklegen. Gott ist ein Gott des Weges; in der Heilsgeschichte hat er einen Weg mit uns zurückgelegt; auch die Kirche hat in ihrer Geschichte einen Weg zurückgelegt. Heute muss sie ihn von neuem zurücklegen, zusammen mit den Menschen der Gegenwart. Sie will den Glauben niemandem aufzwingen. Sie kann ihn nur als Weg zum Glück darstellen und anbieten. Das Evangelium kann nur durch sich selbst und seine tiefe Schönheit überzeugen.“

Nach diesen einleitenden Überlegungen denkt Kasper über „die Familie in der Schöpfungsordnung“ nach. Die Einrichtung der Familie sei „trotz aller Unterschiede“ in verschiedenen kulturellen Kontexten doch „die ursprüngliche Ordnung der Kultur der Menschheit“. Versuchen, heute eine „neue Definition der Familie zu liefern“, könne „kein Erfolg beschieden“ sein, wenn diese Definition „der kulturellen Tradition der ganzen Menschheitsgeschichte widerspricht oder sie ändert“. Die sogenannte Goldene Regel der Bergpredigt (Mt 7,12), die es so ähnlich in nahezu allen Religionen und Kulturen gebe, biete ein „gutes Kriterium“, um Realitäten wie Zwangsheirat oder Prostitution zu beurteilen. „Die entscheidende Frage lautet immer: Was entspricht in der Beziehung zwischen Mann, Frau und Kindern dem Respekt vor der Würde des anderen?“

„Der Mensch ist nicht als Single geschaffen“

Das erste Kapitel des Buches Genesis treffe einige grundlegende Aussagen zum „ursprünglichen Plan Gottes für die Familie“: Die erste sei, dass Mann und Frau „Bild und Gleichnis“ Gottes seien. Der Mensch sei also „nicht als Single geschaffen“, so Kasper; Mann und Frau hätten „die gleiche Würde“, seien deswegen aber „nicht einfach gleich“. „Man wird nicht Mann oder Frau durch die entsprechende Kultur, wie einige neuere Meinungen behaupten. Das Mann- und das Frausein sind ontologisch in der Schöpfung begründet. Die gleiche Würde ihrer Verschiedenheit erklärt die Anziehungskraft zwischen beiden…; sie aus ideologischen Gründen gleichmachen zu wollen, zerstört die erotische Liebe.“

Kasper fährt fort: „Die menschliche Liebe ist etwas Großes und Schönes, aber sie ist nicht von sich aus göttlich.“ Viele Ehen scheiterten heute an „überzogenen Erwartungen“, wenn ein Partner den anderen zunächst überhöhe. „Die Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau mit ihren Kindern zusammen kann nur glücklich sein, wenn sie sich gegenseitig als ein Geschenk verstehen, das sie übersteigt.“

Des weiteren ergebe sich aus dem Ehe- und Familienbild der Genesis, dass Ehe „nicht etwas in sich selbst Verschlossenes“, sondern auf Fruchtbarkeit hin angelegt sei. „Die Ehe zwischen Mann und Frau und die Weitergabe des Lebens sind nicht voneinander zu trennen. Das gilt nicht nur für den Zeugungsakt, sondern weist darüber hinaus. Die erste Geburt setzt sich in der zweiten, der sozialen und kulturellen, fort.“ Aus biblischer Sicht seien Kinder „eine Frucht des Segens Gottes“; Gott lege „die Zukunft des Volkes und die Existenz der Menschheit in die Hände von Mann und Frau“. Darum bedeute „verantwortliche Elternschaft“ sehr viel mehr als das, wofür der Begriff gemeinhin eingesetzt werde. „Es bedeutet, dass Gott das Wertvollste, was er geben kann, nämlich das menschliche Leben, der Verantwortung von Mann und Frau anvertraut.“ Daraus ergebe sich eine große Verantwortung von Eheleuten und Eltern auch der Gesellschaft gegenüber. „Ihrer Sorge und Verantwortung ist nicht nur das menschliche Leben, sondern auch die Erde allgemein anvertraut.“

„Die Familie ist nicht nur eine persönliche, private Gemeinschaft. Sie ist die grundlegende und lebendige Zelle der Gesellschaft, die Schule der Menschlichkeit und der sozialen Tugenden… Ohne sie wird die Gesellschaft zu einer anonymen Masse… Sie ist auch grundlegendes Modell des Staates und der Menschheit als Familie… Das Evangelium vom Leben ist (darum) gleichzeitig ein Evangelium für das Wohl und den Frieden der Menschheit.“

Ehe und Familie nicht romantisieren

Im zweiten Kapitel seines Vortrags kommt Kardinal Kasper dann auf „Strukturen der Sünde im Leben der Familie“ zu sprechen. Das bisher Ausgeführte sei das „Ideal, aber nicht die Wirklichkeit der Familien“, das illustriere auch das Buch Genesis mit seiner Erzählung vom Sündenfall, der Vertreibung aus dem Paradies und dem Brudermord an Abel. „Die Entfremdung des Menschen von Gott“ führe zur Entfremdung der Menschen untereinander. Etwas sei grundlegend gestört im Verhältnis von Mann und Frau; Frauen müssten unter Schmerzen gebären, zwischen Brüdern brächen schwere Konflikte auf, und auch in der Beziehung des Menschen zur Natur und zur Welt stimme etwas Wesentliches nicht mehr. „Wenn wir von der Familie, von der Schönheit der Familie sprechen, können wir nicht von einem unrealistischen, romantischen Bild ausgehen. Wir müssen auch die harten Realitäten sehen und an der Trauer, den Sorgen und Tränen vieler Familien Anteil nehmen… Wir dürfen nicht der Versuchung nachgeben, die Vergangenheit zu idealisieren und … die Gegenwart als bloße Geschichte des Niedergangs wahrzunehmen.“

Das dritte Kapitel des Kasper-Vortrags gehört dann dem Platz der Familie „in der christlichen Heilsordnung“. Jesus sei „in eine Familiengeschichte eingetreten“, er habe zu Beginn seines Wirkens nach Angaben des Johannesevangeliums an einer Hochzeit teilgenommen und damit „sein ganzes Wirken unter das Zeichen der Ehe und der Hochzeitsfreude gestellt“. Ausführlich beschäftigt sich Kardinal Kasper mit den berühmten Jesusworten gegen die Ehescheidung in Matthäus 19, 3-9; man dürfe sie „nicht isoliert verstehen, sondern im Kontext seiner ganzen Botschaft vom Gottesreich“. Der Bund zweier Eheleute werde in Jesus` Verkündigung „umarmt und gestützt vom Bund Gottes, der wegen Gottes Treue auch dann weitergeht, wenn das schwache menschliche Band der Liebe schwach wird oder sogar reißt“. „Das endgültige Bundes- und Treueversprechen Gottes nimmt der menschlichen Verbindung das Beliebige; es verleiht ihm Solidität und Stabilität.“

„Unauflöslichkeit der Ehe ist Evangelium“

Augustinus habe daraus die Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe entwickelt. „Viele haben heute Schwierigkeiten, diese Lehre zu begreifen“, so Kardinal Kasper. Sie sei aber nichts der Liebe zweier Eheleute „Übergestülptes“, sondern „Evangelium, also endgültiges Wort und Vesprechen, das ewig gültig bleibt. Als solches nimmt sie den Menschen und seine Freiheit ernst. Es ist ein Kennzeichen der menschlichen Würde, endgültige Entscheidungen treffen zu können.“ Wer solche Entschiedungen wieder abstreife, schlage eine „tiefe Wunde“. „Wunden können heilen, aber die Narbe bleibt und schmerzt weiter; man kann und muss aber weiterleben, selbst wenn das Mühe bereitet. Dementsprechend ist die frohe Botschaft Jesu, dass für den, der sich bekehrt, dank der göttlichen Barmherzigkeit Vergebung, Heilung und ein neuer Anfang möglich sind.“

An den Epheserbrief angelehnt schildert Kasper „das Band zwischen Mann und Frau“ als „konkretes Symbol des Bundes Gottes mit den Menschen, der sich in Jesus Christus erfüllt hat“. Das Konzil von Trient habe das auf den sakramentalen Charakter der Ehe bezogen. „Durch sein Eintreten in die Geschichte einer Familie hat Jesus die Familie geheilt und geheiligt; die Heilsordnung umarmt die Schöpfungsordnung. Sie ist nicht körper- und sexualitätsfeindlich, sie schließt Sex, Eros und menschliche Freundschaft ein, reinigt und vervollkommnet sie. So wie die Heiligkeit der Kirche ist auch die Heiligkeit der Familie keine statische Größe, sondern ständig bedroht durch die Hartherzigkeit. Sie muss weitergehen auf dem Weg der Umkehr, der Erneuerung und des Reifens.“ Wie der Zölibat sei auch die Ehe eine „freie Wahl“, beide stützten sich gegenseitig bzw. gerieten gleichzeitig in die Krise, „wie wir das leider derzeit erleben“.

„Das ist die Krise, die wir erleben. Das Evangelium von der Ehe und der Familie ist für viele nicht mehr verständlich, es ist in eine tiefe Krise geraten. Was tun? Schöne Worte allein nützen wenig. Jesus zeigt uns einen realistischeren Weg. Er sagt uns, dass kein Christ allein oder verlassen ist, auch wenn er vom eigenen Partner verlassen wird oder als Kind bzw. Jugendlicher ohne Kontakt zur eigenen Familie aufwächst. Das Evangelium vom Leben konkretisiert sich in der Hauskirche: In ihr kann es von neuem lebbar werden.“

„Seelsorge endet nicht nach dem Scheitern einer Ehe“

Im vierten Redeteil führt Kardinal Kasper dementsprechend aus, was unter der Familie als „Hauskirche“ zu verstehen ist. Hauskirchen hätten schon im frühen Christentum eine wichtige Rolle gespielt, auch das Zweite Vatikanische Konzil habe die Idee von der Hauskirche wieder aufgegriffen. Es gelte nun, der Kernfamilie, die sich seit dem 18. Jahrhundert herausgebildet habe und die heute eine große Strukturkrise durchmache, „im buchstäblichen wie im übertragenen Sinn neue Häuser zu bauen“. Kasper wörtlich: „Wir brauchen Großfamilien neuen Typs.“ Damit Kernfamilien überleben könnten, bräuchten sie einen „größeren familiären Zusammenhang“: generationenübergreifend, von geistlichen Gemeinschaften geprägt, die ein günstiges Klima und Lebensumfeld für Familien schaffen könnten. Darum müssten Basisgemeinschaften und geistliche Bewegungen in der Kirche gestärkt werden; das hülfe dann auch der Familie.

Das fünfte Kapitel in Kardinal Kaspers Vortrag beschäftigt sich dann mit dem Problem von Geschiedenen, die wiederverheiratet sind: „ein komplexes und dorniges Problem“. „Man kann es nicht auf die Frage der Zulassung zur Kommunion reduzieren. Es betrifft die ganze Ehe- und Familienpastoral. Es beginnt schon mit der Ehevorbereitung, … geht dann weiter mit der pastoralen Begleitung von Eheleuten und Familien und wird aktuell, wenn Ehe und Familie in eine Krise geraten. In dieser Lage werden die Seelsorger alles nur Mögliche tun, um zur Heilung und Versöhnung in der kriselnden Ehe beizutragen. Ihre Sorge endet nicht nach einem Scheitern der Ehe; sie müssen den Geschiedenen nahe bleiben und sie einladen, am Leben der Kirche teilzunehmen.“

„Alle wissen auch“, so Kasper weiter, „dass es Situationen gibt, in denen jeder vernünftige Versuch, eine Ehe zu retten, dennoch umsonst bleibt. Der Heroismus eines verlassenen Partners, der alleinbleibt und alleine weitergeht, verdient unsere Bewunderung und Unterstützung. Aber viele verlassene Partner hängen um des Wohles der Kinder willen von einer neuen Beziehung und einer zivilen Heirat ab, auf die sie nicht verzichten können, ohne neue Schuld auf sich zu laden. Oft lasen diese Beziehungen sie nach den bitteren Erfahrungen der Vergangenheit neue Freude spüren…“

Keine „Barmherzigkeit zu herabgesetztem Preis“

Die Kirche könne in einer solchen Lage „keine Lösung anbieten, die den Worten Jesu entgegengesetzt ist“. Unauflöslichkeit der Ehe und „die Unmöglichkeit einer Wiederheirat, solange der andere Partner noch lebt“, gehörten nun mal zum „bindenden Glaubensgut der Kirche“, das nicht um einer „Barmherzigkeit zu herabgesetztem Preis“ willen aufgegeben werden könne. Gleichzeitig gelte aber auch, dass es wegen Gottes „barmherziger Treue“ keine menschliche Lage gebe, die „ganz ohne Hoffnung und Lösung“ sei. „So tief der Mensch auch fallen kann, er wird nie unter die Barmherzigkeit Gottes fallen.“

„Die Frage ist also, wie die Kirche dieser unauflöslichen Verbindung von Treue und Barmherzigkeit Gottes in ihrer Seelsorge an geschiedenen Wiederverheirateten entsprechen kann. Es ist ein relativ neues Problem, das es … erst seit der Einführung der Zivilehe durch den Code Napoléon von 1804 gibt.“ Wie das letzte Konzil zu neuen Problemfeldern, etwa der Ökumene, Türen geöffnet habe, „ohne die bindende dogmatische Tradition zu verletzen“, könne man sich heute fragen: „Ist nicht auch in dieser Frage eine Weiterentwicklung möglich, die nicht an die bindende Glaubenstradition rührt…?“ Die Antwort könne nur „differenziert“ ausfallen, weil die gegebenen Situationen „sehr unterschiedlich“ seien. „Eine allgemeine Lösung für alle Fälle kann es nicht geben.“

Kardinal Kasper beschäftigt sich etwas ausführlicher mit zwei Fällen, für die er Lösungsmöglichkeiten skizziert. Bei Geschiedenen und Wiederverheirateten, die vor ihrem Gewissen überzeugt seien, dass ihre vorige Ehe eigentlich nicht gültig gewesen sei, frage er sich manchmal, „ob der gerichtliche Weg wirklich der einzige zur Lösung des Problems sein muss und ob nicht mehr seelsorgliche und geistliche Prozeduren möglich wären“. Man könne daran denken, „dass der Bischof diese Aufgabe einem Priester mit geistlicher und seelsorgerischer Erfahrung überträgt“. Kasper wörtlich: „Ist es wirklich möglich, dass man über Wohl und Wehe der Personen in zweiter und dritter Instanz nur auf der Basis von Akten, also von Papier, entscheidet, aber ohne die Person und ihre Situation zu kennen?“

Fünf mögliche Bedingungen für Sakramentenempfang

Der zweite Fall, auf den Kasper eingeht, ist die Frage des Sakramentenempfangs für geschiedene Wiederverheiratete. Er erinnert daran, dass die frühe Kirche für Christen, die dem Glauben in der Verfolgung öffentlich abgeschworen hatten, eine „kanonische Busspraxis als zweite Taufe“ eingeführt hatte, „nicht mit Wasser, sondern mit den Tränen der Reue“. „Für den, der umkehrt, ist Vergebung immer möglich. Wenn sie es für den Mörder ist, dann auch für den Ehebrecher.“ Dementsprechend müsse auch die heutige Kirche „einen Weg jenseits von Rigorismus und Laxismus“ suchen. Reue und Busssakrament hätten die Treue zu Gottes Geboten und Barmherzigkeit Gottes zusammengebracht: „In diesem Sinn war und ist die göttliche Barmherzigkeit keine preisgünstige Gnade, die von der Umkehr dispensiert, und umgekehrt sind die Sakramente nicht ein Preis für jemanden, der sich gut benimmt“.

„Die Frage ist: Ist dieser Weg der Umkehr, der ins Sakrament der Barmherzigkeit, der Busse mündet, auch der Weg, den wir in dieser Frage gehen können? Wenn ein wiederverheirateter Geschiedener 1. das Scheitern seiner ersten Ehe bereut, 2. den Verpflichtungen, die aus der ersten Ehe noch erwachsen, nachkommt, 3. die neue Zivilehe nicht aufgeben kann, ohne neue Schuld auf sich zu laden, 4. sich aber bemüht, seine zweite Ehe im Glauben zu leben und seine Kinder im Glauben zu erziehen, und 5. nach den Sakramenten als Kraftquelle in seiner Lage verlangt – müssen oder können wir ihm nach einer Zeit der neuen Orientierung das Sakrament der Busse und dann der Kommunion verweigern?“

Kasper ermuntert die Kirche zu „geistlicher Unterscheidung, Weisheit und seelsorglichem Augenmass“. Er hoffe, „dass wir im Lauf des synodalen Prozesses eine gemeinsame Antwort finden, um glaubwürdig das Wort Gottes in menschlich schwierigen Situationen zu bezeugen“.

In einer kurzen Schlußfolgerung betont Kardinal Kasper, man dürfe die Debatte über das „Evangelium der Familie“ nicht auf die Frage der wiederverheirateten Geschiedenen oder ähnliche Streitfälle verengen. „Wir brauchen einen positiven Ausgangspunkt…“ In den Familien treffe die Kirche auf „die Lebensrealität“, sie seien „der Prüfstein der Pastoral“. Kasper wörtlich: „Die Familie ist die Zukunft. Auch für die Kirche ist sie der Weg der Zukunft.“ (rv)