Konsistorium: „Ein bisschen frustrierend“

barbarinGanz so geheim ist es mittlerweile nicht mehr, was der Papst letzte Woche mit seinem Kardinalskollegium alles so besprochen hat. Der deutsche Kardinal Reinhard Marx und einige andere haben von ihren Eindrücken beim „Konsistorium“ vom Donnerstag und Freitag hinter verschlossenen Türen berichtet. Wir haben noch einmal mit dem Erzbischof von Lyon, Kardinal Philippe Barbarin, gesprochen und ihn vor allem nach dem Stil des neuen Papstes gefragt. Wie ist das denn so, wenn Papst Franziskus zur Beratung in die Synodenaula des Vatikans bittet?

„Das ist ein brüderlicher Moment und gleichzeitig ein bisschen frustrierend, denn jeder spricht zwischen fünf und sieben Minuten, also hört man etwa achtzig Wortmeldungen direkt hintereinander! Es gibt keine wirklichen Diskussionen unter uns. Man spricht mit seinen Sitznachbarn, mit dem, der vor einem sitzt, dem, der hinter einem sitzt, aber sonst hat man kaum brüderliche Kontakte. Es gibt kleine Kaffeepausen, wenn man da etwas auf dem Herzen hat, stürzt man auf einen Kardinal zu und sagt: ‚Weißt du, dies und das wollte ich dir noch sagen…’ Aber das ist schon etwas heftig, an einem Nachmittag 25 Wortmeldungen am Stück zu hören!“

Papst Franziskus will das synodale Element noch stärker betonen als seine Vorgänger, und darum richten sich große Erwartungen auf die angesetzten Bischofssynoden vom Herbst 2014 und 2015. Doch die Art und Weise der Debatten in der Synodenaula hat sich, so ergibt sich aus den Bemerkungen von Kardinal Barbarin, im Vergleich zu früher noch nicht so richtig verändert.

„Man hört allen aufmerksam zu; viele haben ja wirklich neue und interessante Vorstellungen, darum macht man sich Notizen – aber alles in allem hat man da noch nicht die Formel gefunden, man muss sie weiter suchen. Also, ein gutes und brüderliches Klima, ohne Zweifel, man ist auch einfach froh, sich mal wieder zu sehen. Man braucht ja auch diese brüderlichen Kontakte untereinander, man hat sich Dinge zu sagen, lädt sich gegenseitig ein… also, es herrscht da eine gewisse Brüderlichkeit.“ (rv)

Die 58 Propositionen: Eine Zusammenfassung

Der Vatikan hat an diesem Samstag die endgültige Version der Propositiones vorgestellt, also der Vorschläge, die aus der Arbeit der Bischofssynode dem Papst zur Erstellung eines postsynodalen Schreibens übergeben werden. Es sind insgesamt 58, geordnet in vier Hauptteile.

Was ist Neuevangelisierung?
Nach einer Einleitung befasst sich ein erster Teil mit der Frage, was genau Neuevangelisierung sein will. Eng an den ursprünglichen Auftrag anschließend, den der Vater an den Sohn und der Sohn an seine Jünger erteilt habe, sei es nun Auftrag der Kirche, den Glauben weiterzugeben. Dies geschieht unter konkreten Umständen und unter Wahrung des kirchlichen Charakters. Weiter geht es um die Frage der Rolle der Kultur, der Erstverkündigung und um die Funktion und Wichtigkeit der Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils als „vitales Instrument".

Der Kontext der Neuevangelisierung
Nach den eher grundsätzlichen einführenden Propositionen handeln die Nummern 13 – 25 vom konkreten Kontext, in dem die Neuevangelisierung stattfindet. Versöhnung und Menschenrechte werden genauso erwogen wie Religionsfreiheit, die kirchliche Soziallehre, Massenmedien und Kunst. Besondere Betonung findet das „Grundgesetz des Glaubens", die grundsätzliche Vereinbarkeit von Vernunft und Glauben. Die intellektuellen Anstrengungen, die vernünftige Einsicht in die Schöpfung [das Naturrecht] in den Dialog mit der Welt einzubringen, sei ein Weg zu einer „Theologie der Glaubwürdigkeit" (Nr. 17).

Was tut Neuevangelisierung?
Ein dritter Teil befasst sich mit den pastoralen Antworten auf diese Umstände (Propositiones 26 – 40). Wie sich in den Beratungen bereits gezeigt hat, liegt ein erstes Schwergewicht auf den Pfarreien und auf der Erziehung. Drei Propositionen behandeln das Feld der Erwachsenenbildung, Theologie und Katechese. Die Option für die Armen wird ebenfalls behandelt, denn Jesus identifiziere sich mit den Menschen in Not.
In einem weiteren Komplex der Propositionen geht es um die geistliche Dimension der Neuevangelisierung, um die Beichte und die Liturgie, um die Firmung und die Volksfrömmigkeit: Grundlinie ist hierbei immer die persönliche Begegnung mit Christus.

Wer sind die „Neuevangelisierer"?
Im vierten Teil geht es um die Akteure der Neuevangelisierung. Das wichtigste Subjekt sei die Ortskirche, denn Verkündigung hänge stark von den Umständen und Kulturen ab. Die Propositionen legen großen Wert auf Zusammenarbeit. Diese geschieht innerhalb eines Bistums, zwischen Bewegungen und Leitungsebene sowie zwischen einzelnen Initiativen. Die Rollen der Laien allgemein und der Frauen im Besonderen erfahren eine besondere Wertschätzung. Proposition 48 behandelt die während der Beratungen so wichtige Frage der Familien als Haus-Kirchen. Hier werden gescheiterte Familien und Ehen ebenso erwähnt wie die alleine lebenden Menschen. Hier brauche es besondere pastorale Anstrengungen. Ferner werden Priester, Ordensleute und die Jugend mit eigenen Propositionen bedacht. Für die Jugend seien vor allem der Youcat und die Weltjugendtage von besonderer Bedeutung.
Unter den kirchlichen Aktivitäten werden die Dialoge genannt, mit Nichtchristen, in der Ökumene und zwischen den Religionen. Die Synode fordert insbesondere zu einer Intensivierung des Dialoges mit dem Islam auf.

Propositio 57 fasst das zuvor gesagte zusammen: Verkündigung könne nur geschehen, wenn das Leben des Verkünders selbst nach dem Evangelium gestaltet sei: Auch der eigene Glauben müsse ständig erneuert werden, um geteilt werden zu können. Hier greifen die Propositionen die Aufforderung zur Selbstevangelisierung auf, ebenfalls ein prominentes Thema bei der Synode.

Zwei vatikanische Institutionen finden explizite Erwähnung in dem Dokument: Zum einen der päpstliche Rat zur Förderung der Neuevangelisierung, der Modell stehen solle für ähnliche Einrichtungen in den Bischofskonferenzen. Zum anderen der „Vorhof der Völker" des päpstlichen Kulturrates. (rv)

Wuerl: „Propositiones betonen Einheit der Kirche bei Neuevangelisierung“

Einer der wichtigsten Aspekte, die bei der Synode behandelt wurden, sei die Einheit der Kirche. Dies sagte der Generalrelator der Bischofssynode, Kardinal Donald Wuerl an diesem Samstag bei der Vorstellung der 58 Propositiones oder Vorschläge, die aus der Mitte der Bischofssynode an den Papst überreicht werden. Die Kirche müsse gemeinsam positiv in die Zukunft schauen. Zentral sei dabei vor allem eine Frage:

„Wie bringen wir den Glauben der Kirche in diese sehr moderne, säkularisierte und komplexe Welt?’ Dieses Ziel kam immer wieder bei der Synode zur Sprache und reflektiert sich auch in den Propositionen: Einheit bei dem, was die Kirche tun muss, warum sie es tun muss und wohin sie gehen will"

Was Neuevangelisierung eigentlich ist und in welcher Weise sie mit der Welt in Verbindung steht, sei ein weiterer wichtiger Punkt, der die Propositionen verbinde, so Wuerl. Außerdem befassen sich die Vorschläge mit möglichen Orten der Neuevangelisierung wie etwa Schulen oder Krankenhäuser. Nicht zuletzt beantworteten die Synodalen in ihren Vorschlägen auch die Frage, wer für die Neuevangelisierung zuständig sei:

„Und zwar jeder von uns. Die Vorschläge sprechen beispielsweise über die Familie, junge Leute, Priester und Ordensleute, aber auch über die Rolle eines jeden einzelnen in der Gemeinschaft der Kirche. Die Diskussion wird mit der Proposition 57 abgeschlossen, die maßgeblich ist: Sie ist eine Zusammenfassung dessen, was wichtig ist, um den Glauben weiter zu tragen und spricht von den dafür nötigen Elementen. Erstens ist das eine Vertiefung des Glaubens, zu der jeder Gläubige aufgerufen ist, zweitens das unbedingte Vertrauen in Gott und seinen Glauben und das dritte ist einfach: dies alles zu teilen."

Zum Abschluss der Vorschläge, in der 58. Proposition, wird der Maria als „Stern der Neuevangelisierung" gedacht. Ihr Beispiel sei maßgeblich für das weitere Wirken der Neuevangelisierung bei den Völkern der Welt. Die Propositionen werden nun dem Papst überreicht, der dann das Abschlussdokument der Bischofssynode verfasst. (rv)

Libanon/Syrien: Konflikt betrifft die ganze Region

Die Lage im Nahen Osten stand in diesen Tagen im Zentrum der Aufmerksamkeit der Synodalen. Wenn die Bischofssynode in Rom beendet ist, soll die vom Papst und der Synode entsandte Delegation nach Syrien aufbrechen. Der designierte Kardinal und Patriarch der Maroniten von Antiochien, Béchara Boutros Raï, erinnert im Radio Vatikan-Interview daran, dass die Delegation eine Solidaritätsbekundung für die Menschen in Syrien sein solle – und natürlich ein Aufruf zum Frieden und zur Versöhnung.
Raï geht davon aus, dass die Delegation eine Geste der Hoffnung für alle sein wird, die unter der tragischen Situation in Syrien leiden. Sie sei ein konkreter Weg, zu zeigen, dass die Kirche Anteil nehme und sich Frieden in Syrien wünsche. Frieden, der durch Dialog und Absprachen erreicht werde und nicht durch Gewalt und Krieg. Die Kirche unterstütze auf diese Weise eine nationale Versöhnung. Was das Attentat im Libanon betreffe, das in der vergangenen Woche den Nahen Osten erschüttert hatte und dem acht Menschen zum Opfer gefallen sind, so sei dieses allerdings leider vorhersehbar gewesen. Der hochrangige Geheimdienstmitarbeiter Al Hassan, der bei dem Attentat ums Leben gekommen ist, habe mehrfach Drohungen erhalten und deswegen die letzte Zeit hauptsächlich im Ausland verbracht, so Raï:

„Ich bin bestürzt über dieses Attentat. Man kennt das Motiv dafür: Al Hassan hatte ein Komplott aufgedeckt, das schweren Schaden angerichtet hätte. Dabei wäre Sprengstoff zum Einsatz gekommen, den ein früherer Minister in den Libanon eingeführt hatte. Al Hassan hat das entdeckt und angezeigt. In jüngster Zeit musste er im Ausland leben. Alle hatten ihm geraten, nicht wiederzukommen, denn er wurde bedroht. Nicht einmal 24 Stunden nach seiner Rückkehr ist er nun ermordet worden."

Der Hauptkonflikt im Libanon und der Region sei durch Spannungen zwischen sunnitischen und schiitischen Muslimen bedingt, so der Patriarch. Er habe sich mit dem libanesischen Präsidenten Michel Suleiman, einem Christen, getroffen und zu Besonnenheit geraten, damit die Geschehnisse korrekt aufgeklärt werden können:

„Der Präsident hat dann eine Beratung abgehalten, um herauszufinden, ob es nötig ist, die Regierung zu entlassen oder nicht: Aktuell ist der Premierminister Sunnit, und einige fürchten, er könnte Beziehungen nach Syrien haben oder zu sunnitischen Kreisen. Aber: Es ist überhaupt noch nicht gesagt, ob wirklich Syrer hinter dem Attentat auf Al Hassan stecken. Wir können das nicht einfach so behaupten. Und wer auch immer es war – es scheint, dass sich die Situation wieder beruhigt."

Dennoch sei die Situation aufgrund der Lage in Syrien sehr kritisch. Alles, was im Nachbarland passiere, schlage sich auch im Libanon nieder. Das gelte insbesondere für die Tatsache, dass sich in Syrien ein blutiger Konflikt zwischen der sunnitischen Mehrheit und der alawitischen Regierung abzeichne. Hier gebe es Parallelen auch zum Libanon:

„Im Libanon gibt es sowohl Sunniten als auch Alawiten – und die syrischen Probleme schlagen sich hier ebenfalls nieder. Dazu kommt, dass die Libanesen unter sich gespalten sind: Die Sunniten sind gegen die Regierung, die Schiiten hingegen sind für sie. Der Konflikt ist politischer Natur. Wenn er in diesem Ambiente bleibt, dann wird bald wieder Normalität einkehren. Wenn diese Grenze aber überschritten wird – was ich allerdings nicht glaube – dann könnte sich die Lage im Libanon verschlimmern."

Die Christen seien sich in dieser Situation uneins: Aufgrund der politischen Bündnisse hätten sich einige mit den Sunniten verbündet, andere mit den Schiiten. Der Patriarch hat eine klare Botschaft an die Christen:

„Wir rufen sie dazu auf, ein Bindeglied zwischen beiden zu sein! Die Christen sollten eine Brücke zwischen Schiiten und Sunniten sein, denn dieser Konflikt betrifft die ganze Region." (rv)

Neuevangelisierung ist keine europäische Angelegenheit

Europa könne von Asien in Sachen Neuevangelisierung lernen. Das sagt der Erzbischof von Mumbay, Kardinal Oswald Gracias, im Interview mit Radio Vatikan. Die Erneuerung des Glaubens unter der Überschrift der Neuevangelisierung war mit Blick auf die christlich geprägten Kontinente begonnen worden und so war auch die Bischofssynode in Rom vorbereitet, an der der Kardinal teilnimmt.

„Ich habe mir genau darüber Sorgen gemacht, denn ich habe befürchtet, dass wir durch diesen Fokusaußen vor bleiben würden. Aber während der Synode habe ich dann verstanden, dass wir alle diese Erneuerung der Evangelisierung brauchen. Für uns bedeutet Neuevangelisierung den Dialog mit den anderen Religionen, mit den Kulturen in unserem Land, den Dialog mit den Armen: in unserem gesellschaftlichen Kontext ist das sehr bedeutsam für uns."

Er sehe konkret zwei Dimensionen der Verkündigung: Nach innen zur Erneuerung des eigenen Glaubens und nach außen zur Verbreitung und zum Dialog. Indien habe aber auch für die anderen Kontinente, und vor allem dem Westen, etwas anzubieten, so Gracias:

„Asien und besonders Indien, das ich besser kenne, ist ein sehr spirituelles Gebiet. Gott ist ein Teil des Lebens aller Inder und in anderer Weise gilt das auch für ganz Asien: Hindus, Muslime, Buddhisten. Ich denke, dass Asien der Welt verstehen helfen kann, dass trotz des materiellen Fortschritts Gott wichtig ist. Trotz dieses Fortschritts ist Gott für uns wesentlich. Wir können ohne Gott nicht leben, das ist der Punkt."

Das gleiche gelte aber ebenso umgekehrt, auch Asien könne lernen. Er selbst habe auf jeden Fall etwas gelernt. Die pastoralen Herausforderungen in Lateinamerika, die kulturellen und religiösen Auseinandersetzungen überall auf der Welt, der Glaubensschwund in Europa: Das alles seien Eindrücke, die er von der Synode mit nach Indien zurück nehme:

„Meine Wahrnehmung der Kirche hat sich in diesen Wochen geweitet. Ich nehme den Enthusiasmus, den Mut und die Ideen mit, die sich hier gezeigt haben." (rv)

Synode: Das Neue muss wirklich neu sein

Eine rein inhaltliche Einigung bei der Synode in Punkten des Glaubens werde nicht helfen. Denn der moderne Mensch werde nur dann zum Glauben finden, wenn er jemandem begegne, der ihm wirklich etwas zu sagen habe. Das sagt Pater Heinrich Walter im Interview mit Radio Vatikan. Pater Walter ist Generaloberer der Schönstatt-Patres und als Delegat bei der Bischofssynode im Vatikan dabei. Er habe immer wieder gestaunt, wie häufig bei den Beratungen von der Selbstevangelisierung die Rede sei. Es gebe ein beachtliches Bewusstsein dafür, dass die Kirche auch Schuld trüge an den Entwicklungen, die jetzt sichtbar seien:

„In der deutschsprachigen Gruppe ist zum Schluss eine Formulierung gestanden, dass wir und die Bischöfe uns auch entschuldigen wollen, dass sich sie bewusst sind und um Vergebung bitten nicht nur für die Fehler sondern für das, was man nicht getan hat, um als Christen und als Leiter der Gemeinden mit den Zeitentwicklungen richtig mitzukommen."

Die Suche nach der Schuld draußen, bei den –,ismen´ wie Säkularismus etc. – sei einfacher, aber viele sähen doch, dass die Kirche selbst eine Mitverantwortung trüge, allein durch die Weise, wie sie mit der Welt und der eigenen Glaubensgemeinschaft umgegangen sei. Er denke, dass für die Zukunft die Gemeinschaft das Zentrale sei, denn der Glaube komme vom Hören und vom Zeugnis, so Pater Walter.

„Neuevangelisierung darf nicht einfach eine etwas geänderte herkömmliche Evangelisierung sein. Diese Befürchtung habe ich allerdings, dass jetzt gegen Ende [der Synode] das mehr in den Vordergrund gerät, wir müssten dies und das nur ein wenig besser machen und hier und dort was verändern und dann werde es sich wieder zurecht rütteln. Das wird es eben nicht. Zum Beispiel bin ich der Überzeugung, dass das „neu" heißen muss, dass es keinen Sinn hat, weiterhin zu glauben, dass irgendwann ein Aufbruch kommt und die Feier der Sakramente von alleine wieder geschehen wird."

Das Neue in der Neuevangelisierung müsse wirklich ernst genommen werden. Darüber werde in den Debatten der Synode gestritten, aber auf eine gute Art, wie Pater Walter findet:

„Ich habe bisher nicht den Eindruck, dass es da zwei oder drei Lager gibt. Man spürt bei einigen Beiträgen, dass sie eher konservativ sind – wie man traditionell sagt – sich also im Bewahren des Bisherigen zentrieren und die anderen nach neuen Methoden und neuen Wegen suchen, aber ich erlebe das bisher nicht als Gegensatz. Ich erlebe in der Synode eine beachtliche Qualität des Zuhörens." (rv)

Syrien/Vatikan: „Vatikandelegation reist später“

Die Delegation des Vatikans nach Syrien wird wohl erst nach Abschluss der Bischofssynode aufbrachen. Das kündigte Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone an diesem Dienstag bei der Bischofssynode an. Die Delegation werde ebenfalls womöglich in einer anderen Zusammensetzung nach Syrien reisen als bisher geplant. Die derzeit tagende Bischofssynode zur Neuevangelisierung im Vatikan wolle mit der Delegation ein konkretes Zeichen der Solidarität mit dem syrischen Volk setzen. Der Papst hatte die Initiative der Bischöfe aufgegriffen.

In Syrien gehen die Kämpfe derweil weiter. Vor allem die Menschen in Damaskus und Aleppo leiden unter der Gewalt. Sie hoffen auf eine Waffenruhe zum islamischen Opferfest, das am kommenden Donnerstag beginnt. Die Vereinten Nationen erwägen in diesem Fall, eine Friedenstruppe nach Syrien zu entsenden. Ein Mitarbeiter der italienischen Redaktion von Radio Vatikan, Cristiano Tinazzi, ist soeben aus Aleppo nach Rom zurückgekehrt. Er berichtet von Gewalt und Flüchtlingsnot, aber auch von großer Solidarität der Zivilbevölkerung in Syrien.

„Es ist eine Situation extremen Leids für die Zivilbevölkerung hier. Wer kann, geht weg und versucht aus Syrien zu fliehen. Das Problem ist nur, dass sie jetzt im Land festsitzen. Es hat sich ein Flüchtlingslager mit etwa 9.000 Personen gebildet, die nicht in die Türkei fliehen können, weil dort das Flüchtlingslager voll ist. Sie befinden sich in einem Niemandsland und warten, das sie weiterreisen können."

Trotz dieser Extremsituation hätten die Bürger ihre Solidarität untereinander nicht über Bord geworfen. Tinazzi:

„Ich habe einen Bombenanschlag auf das Krankenhaus von Al Chifa in Aleppo miterlebt. Wenige Sekunden, vielleicht eine Minute nach dem Anschlag, kamen Leute mit ihren Autos und halfen den Verletzten, sie zogen sie aus den Trümmern und riskierten ihr Leben, denn der Beschuss mit Gewehren ging weiter. Die Opfer kommen dann in anderen Familien unter, man teilt die wenigen Dinge, die man hat.. Wie in Sarajewo damals bilden sich Schlangen, um für Brot anzustehen, schon früh um sieben stehen die Menschen da, Männer , Frauen und Kinder."

Aus Sicht des Journalisten hat die Welt noch nicht begriffen, wie schockierend die Situation in Syrien tagtäglich ist.

„Der Alltag in Syrien ist wirklich Horror. Uns Journalisten reichte eine Woche in Syrien, um durch die Realität in dem Land traumatisiert zu werden. Wir wussten aber zumindest, dass wir wieder zurück konnten. Die meisten Syrer haben keinen Ort, wo sie hinkönnen." (rv)

Vatikan: Trotz Gewalt – Delegation nach Syrien

Trotz der Gewalt in Damaskus halten der Heilige Stuhl und die derzeit tagende Bischofssynode daran fest, eine Delegation nach Syrien zu schicken. Das bekräftigte an diesem Montag der Leiter des vatikanischen Pressesaals, Jesuitenpater Federico Lombardi. Die Reise solle „so schnell wie möglich stattfinden, um effizient Solidarität, Frieden und Versöhnung voranzubringen, trotz der schwerwiegenden Ereignisse in der Region". (rv)

Synodentelegramm: Entwurf der Schlussbotschaft vorgestellt

Auf der Bischofssynode im Vatikan ist an diesem Samstag der erste Entwurf der Schlussbotschaft vorgestellt worden. Die Bischöfe, die über das Thema Neuevangelisierung beraten, können Änderungen vorschlagen und am nächsten Freitag dann über einen endgültigen Text abstimmen. Der Entwurf betont, dass alle Christen, Geweihte wie Laien, zur Verkündigung des Evangeliums berufen seien. Die Frohe Botschaft sei kein Marktprodukt, darum würden zur neuen Evangelisierung auch keine neuen Strategien gebraucht. In dem Entwurf werden auch Familien, junge Leute und Politiker direkt angesprochen, außerdem gibt es eigene kurze Absätze zu jedem einzelnen Kontinent; der Text unterstreicht die Bedeutung des interreligiösen Dialogs, der Caritas und des Engagements im Erziehungswesen. Entscheidend sei, dass die Christen ihre Angst im Glauben überwänden und Mut fassten, um das Evangelium in die Welt hinauszutragen.

Bereits am Freitagabend hat der Vatikan die Redetexte von der Vormittagssitzung der Bischofssynode veröffentlicht. Auf der Sitzung im Plenum berichteten Bischöfe von den Debatten in den einzelnen Sprachgruppen. Danach regte Erzbischof Rino Fisichella an, „den Begriff Neuevangelisierung genauer zu definieren". Er verlangte „eine ernsthafte Gewissenserforschung über einzelne Bereiche der Seelsorge, die im Lauf der Zeit eingeschlafen sind". In jedem Bistum sollten „ein oder zwei Orte benannt werden, wo die Gläubigen immer einen Priester dazu bereit finden, um ihnen auf ihrem Weg der Bekehrung zu helfen". Bischöfe sollten sonntags wieder in ihrer eigenen Kathedrale predigen. Fisichella leitet den von Papst Benedikt gegründeten Rat für Neuevangelisierung.

Kardinal (Anm. von VH: Erzbischof) Philip Tartaglia, Erzbischof von Glasgow in Schottland, schlug vor, dass der Katechist „ein stabiles Amt innerhalb der Kirche" werden solle. Die Neuevangelisierung werde scheitern, wenn die Kirche nicht stärker auf die Frauen setze und „die ernsthaften seelsorglichen Probleme rund um die Ehe" angehe.

Der Bischof von Fréjus-Toulon in Frankreich, Dominique Rey, wies auf die Wichtigkeit der „Einführung ins Christentum" und des Katechumenats hin, „für Anfänger wie für Neustarter". Seine Sprachgruppe wolle die vatikanischen Behörden bitten, „die katechetische und sakramentale Praxis der Initiation ins Christentum komplett zu revidieren". Aus der Neuevangelisierung in Gebieten, wo es das Christentum schon lange gebe, könne außerdem eine Art „Welt-Mission" werden. Der Papst könne diese „Welt-Mission" im Lauf des jetzigen „Jahres des Glaubens" ausrufen, schlug Rey vor.

Der Bischof von Basel, Felix Gmür, hat am Freitag vor Journalisten erneut um mehr Verständnis in der Kirche für geschiedene und wiederverheiratete Personen geworben. „Wie sprechen wir denn die Leute an, die in etwas anderen Familienformen leben?", fragte Gmür. Er kenne ein Paar, „das seit fünfzig Jahren zusammen ist"; beide Partner seien zuvor kurz mit einem anderen verheiratet gewesen. Gmür wörtlich: „Gelten denn diese fünfzig Jahre gar nichts in unseren Augen?" Die Kirche könne doch entweder ihre Regeln im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen überdenken oder „den Pfarrern eine besondere Verantwortung in dieser Sache zusprechen". (rv)

Bischofssynode: Die wiederverheirateten Geschiedenen

Es war der italienische Bischof Bruno Forte, der als erster im Plenum bei der Bischofssynode das Thema der wiederverheirateten Geschiedenen angeschnitten hatte, und das bereits an einem der ersten Tage. Seitdem kam das Thema immer wieder vor, mal explizit, mal als Teil des Themas Familie. Erzbischof Robert Zollitsch ging in einer Pressekonferenz an diesem Freitag noch einmal explizit auf eine dieser Fragestellungen ein. Es sei nicht nur Europa gewesen, das diese Frage stelle: Die wiederverheirateten Geschiedenen seien bei der Synode vor allem von Afrika in die Debatte gegeben worden. „Das ist nicht ein typisches Problem Mitteleuropas", so Zollitsch. „Dass die Pastoral an diesen Eheleuten bis hin zu den gescheiterten Ehen und den Wiederverheirateten eine wichtige Aufgabe ist, kam immer wieder durch und es bestärkt mich auch, zu schauen, welche Wege es für uns gibt."

Seiner Einschätzung nach werde die Synode etwas zum Thema der Familie sagen, so Zollitsch weiter, vor allem zur Familie als Ort der Glaubensverkündigung und als Kirche im Kleinen. Die Situation sei weltweit sehr verschieden, als Deutschsprachige wollten die Synodalen aber auch die Frage des Scheiterns und der Scheidungen mit in den Blick nehmen.

Rückblickend auf die Debatte um die Bedeutung und Rolle der Familie fand Zollitsch aber auch kritische Töne: „Es bestand zum Teil die Gefahr der Idealisierung, nach dem Motto: Es kommt nur auf die Familie an." Da sei der Blick auf die Scheidungen, gemischt konfessionelle Ehen und so weiter wichtig. (rv)