Bosnien-Herzegowina/D: Kardinal Puljic wart vor radikalem Islamismus

Der Erzbischof von Sarajevo, Kardinal Vinko Puljic, warnt vor einer Zunahme des radikalen Islamismus. Bei einem Besuch in Königstein beim katholischen Hilfswerk „Kirche in Not", kritisierte Puljic besonders das Verhalten der bosnischen Regierung. Die Politiker ignorierten die Probleme und besäßen nicht den Mut, diese anzusprechen. Der Bau immer neuer Moscheen werde mit Geldern aus Saudi-Arabien finanziert, erklärte Puljic. Der Kardinal zeigte sich sehr besorgt über die konservative islamische Bewegung des Wahabismus, die in Bosnien-Herzegowina immer mehr Einfluss gewinne. Der Wahabismus gilt in Saudi-Arabien als offizielle Form der islamischen Religion. (rv)

„Zusammenprall der Kulturen? Nein – der Ignoranz“

Im Oktober 2008 hatte es sich zum ersten Mal getroffen, das vatikanisch-islamische Gesprächsforum: entstanden nach einem Brief von Islamgelehrten, der wiederum auf die kontroverse „Regensburger Rede" des Papstes antwortete. Kontrovers und unter großem Medieninteresse gestartet, hat sich das Forum mittlerweile etabliert: In Jordanien ging es Ende November in die zweite Runde. Diesmal abseits der Scheinwerfer – dabei wurde es sogar von König Abdullah II. empfangen. Kardinal Jean-Louis Tauran hat eine Erklärung für das abflauende öffentliche Interesse:

„Wissen Sie – immer, wenn es etwas Neues gibt, hat man ein Echo. Das war aber das zweite Mal, und es wird auch ein drittes geben, und zwar in einem Land mit katholischer, christlicher Tradition; wir wissen noch nicht genau, wo. Was mich frappiert, ist: Kaum ist ein Treffen vorüber, denken alle schon über das nächste nach. Das bedeutet, dass diese Dialogstruktur als nötig und als positiv wahrgenommen wird. Ich halte das für wichtig: den Wunsch zum Gespräch wachzuhalten."

Vernunft, Glaube und menschliche Person – darüber unterhielten sich im jordanischen Al-Maghtis hochkarätige Katholiken und Moslems aus fast zwanzig Nationen drei Tage lang. Kardinal Tauran, der den vatikanischen Dialograt leitet, führte die katholische Delegation an. „Wir haben bisher den Zusammenprall der Zivilisationen vermeiden können; jetzt müssen wir den Zusammenprall der Ignoranz ebenfalls vermeiden. Oft rühren die Probleme nämlich von der Ignoranz her, und dazu braucht es solche Begegnungen."

Das vatikanisch-islamische Forum hat unversehens an Bedeutung gewonnen, seit im Frühjahr 2011 der Gesprächsfaden des Heiligen Stuhls zu al-Azhar abgerissen ist. Die Universität in Kairo, eine der wichtigsten Autoritäten im sunnitischen Islam, legte den Dialog auf Eis, nachdem Papst Benedikt zu explizit Religionsfreiheit in Ägypten gefordert hatte. Tauran meint dazu nur:

„Der Heilige Stuhl steht nicht am Ursprung dieser Meinungsverschiedenheit. Wir können dieses Problem also gar nicht von uns aus lösen, sondern nur durch Gespräch." (rv)

Papst trifft Religionsführer aus Israel: Hintergründe

Es ist nicht das erste Mal, dass Religionsführer aus Israel in dieser Zusammensetzung mit Benedikt XVI. zusammenkommen. Die Premiere gab es im Mai 2009, erklärt Pater Norbert Hofmann, der im Päpstlichen Einheitsrat verantwortlich zeichnet für das Gespräch mit dem Judentum.

„Man muss sehen, dass der Papst bei seinem Besuch in Nazareth diese Gruppe schon einmal getroffen hat, und das ist gleichsam der Rückbesuch in den Vatikan. Diese Gruppe möchte zeigen, dass Religion nicht Teil des Konflikts in Palästina-Israel ist, sondern Teil der Lösung dort sein soll. Die Religionen und die christlichen Konfessionen wollen beweisen, dass sie friedlich zusammenleben können, um so ein Modell, ein Beispiel abzugeben."

Hier werde „Friedfertigkeit vorexerziert", ergänzt Israels Vatikanbotschafter Mordechai Lewy – und kann sich eine Spitze nicht verkneifen: „Das müsste man auch in den Nachbarregionen nachmachen!" In einem Statement fordern die Religionsführer den ungehinderten Zugang zu Heiligen Stätten im Heiligen Land, ein Punkt, über den sich Pater Hofmann freut:

„Es ist immer Massgabe des Heiligen Stuhls gewesen, die Heiligen Stätten besuchen zu können: Die Freiheit zu diesen Heiligen Stätten ist ein ganz wesentlicher Punkt, den wir immer wieder gefordert haben. Und wie jetzt herauskommt, ist das eigentlich allen Religionen wichtig, dass diese Heiligen Stätten besucht werden können; da wollen sie zusammenarbeiten."

Einer aus der Gruppe der Religionsführer stellte sich den Journalisten nach der Begegnung mit Benedikt als „Widersprüchlichkeit auf zwei Beinen" vor: Elias Chacour ist Palästinenser, aber Christ, aber israelischer Staatsbürger. Und deutsch kann der katholisch-melkitische Erzbischof von Nazareth und Galiläa auch. Er sagte uns:

„Normalerweise kommen die Juden allein, die Moslems allein, die Christen allein zum Heiligen Vater, und jeder sagt, was er will. Wir haben entschieden, alle zusammen zum Heiligen Vater zu kommen, um alle öffentlich in Anwesenheit des Heiligen Vaters unseren Glauben an Frieden und Gerechtigkeit auszudrücken."

Schön und gut – aber kann das dann auch Rückwirkungen auf die jüdisch-muslimisch-christliche Gemengelage in Israel und Palästina selbst haben?

„Warum nicht? Israel ist nicht bloß ein Land – das sind Menschen! Die haben gelitten, und die haben Angst heute, genau wie die Palästinenser. Beide Seiten hoffen auf Frieden und Menschenwürdigkeit. Die Juden sind Menschen wie Sie und ich, die brauchen das, wie wir Palästinenser das brauchen!"

Man könne heute nicht mehr pauschal sagen: Diese Seite ist gut und die andere besteht aus Terroristen, so wie viele das vor siebzig Jahren behauptet hätten:

„Juden waren schmutzige Juden – aber das war nicht wahr, das war falsch! Heute werden die Palästinenser als ein Volk der Terroristen dargestellt… nicht als ein terrorisiertes Volk. Dabei wäre das die Wahrheit."

„Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht, um im Heiligen Land für eine gerechtere Gesellschaft zusammenzuarbeiten", verspricht das Statement der Religionsführer von diesem Donnerstag. (rv)

Iran: Bibelverbrennungen im Iran

Unter dem Titel "Erneute Bibelverbrennungen im Iran" berichtete heute das unabhängiges, katholisches, österreichisches Internetmagazin KATH.NET folgendes (Auszug):

 
"Frankfurt am Main (kath.net) Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) weist darauf hin, dass die Verbrennung von Hunderten von Bibeln durch die Behörden der Islamischen Republik Iran weltweit ignoriert wird. Gleichzeitig habe die Verbrennung eines einzelnen Korans in Florida durch eine winzige christliche Splittergruppe zu Regierungserklärungen, Massenprotesten, Gewaltexzessen und Enthauptungen geführt."

Hat man den Artikel gelesen, stellen sich mindestens zwei Fragen:

1. Ist der Islam wirklich eine Religion?

2. Wo bleibt der Protest der deutschen Bischöfe zu den Bibelverbrennungen???

Artikel bei  >>KATH.NET

Aartikel bei  >>Welt Online

Artikel bei  >>Politically Incorrect (PI)

(vh)

Vatikan: Was steckt hinter der Absage aus Ägypten?

Einen Tag nach der Absage aus Kairo ist das Schweigen im Vatikan geradezu ohrenbetäubend. Niemand will sich beim Heiligen Stuhl zu der Entscheidung der Kairoer al-Azhar-Universität äußern. Die wichtigste Lehrautorität im sunnitischen Islam hatte am Donnerstag ihren Dialog mit dem Vatikan „auf Eis gelegt".
 Ein Mitglied des al-Azhar-Rates äußerte sich gegenüber der Nachrichtenagentur adn-kronos zu den Gründen der Krise. Aus Abdel Muti al-Bayoumis Äußerungen wird deutlich, dass al-Azhar nicht nur über die Rufe Benedikts XVI. nach mehr Schutz für koptische Christen aufgebracht ist. Diese wiederholten Appelle des Papstes hatten in den letzten Tagen auch schon den Zorn der ägyptischen Regierung auf sich gezogen, die deswegen ihre Vatikanbotschafterin „zu Konsultationen" nach Kairo zurückrief. Einige Beobachter sehen im Schritt von al-Azhar denn auch einfach einen Gefallen, den die Uni dem Regime von Hosni Mubarak macht.
Allerdings spricht al-Bayoumi bei der Begründung der gelben Karte aus Kairo genereller von „den Positionen Benedikts XVI. gegenüber dem Islam", etwa in seiner Regensburger Rede vom September 2006. Er verlangt vom Papst, zur Linie seines Vorgängers Johannes Paul zurückzukehren: Schließlich sei Johannes Paul II. „sehr interessiert gewesen an unserer Arbeit", und der Dialog zwischen dem Heiligen Stuhl und al-Azhar sei „damals sehr aktiv gewesen". Wer will, kann aus diesen Worten Verärgerung herauslesen über die Tatsache, dass der Dialog zwischen Kairo und Rom mittlerweile Konkurrenz bekommen hat. Schließlich hat sich in den letzten Jahren, nach einem Brief islamischer Gelehrter an den Papst, ein weiterer intensiver Dialogprozess zwischen dem Päpstlichen Dialograt und der islamischen Welt entwickelt. Wie fruchtbar dieser Dialog binnen kurzer Zeit geworden ist, führte der Papstbesuch in einer jordanischen Moschee im Frühjahr 2009 vor. al-Azhar muss also damit leben, dass es nicht mehr die einzige große Stimme des Islam dem Vatikan gegenüber ist. Der Bedeutungsverlust der Kairoer Uni läuft parallel zum Bedeutungsverlust Ägyptens innerhalb der arabischen (und islamischen) Welt.
Einige Stimmen im Islam haben die Entscheidung der al-Azhar kritisiert – etwa der schillernde ägyptische Gelehrte Tariq Ramadan, der in der Schweiz lehrt. Wenn der Papst sich für angegriffene Kopten einsetze, dann sei das doch „normal"; es sei ein Fehler, den Gesprächskanal zwischen Nil und Tiber dichtzumachen. Auch die al-Azhar-Universität habe doch das blutige Attentat auf Kopten in der Neujahrsnacht verurteilt. Vielleicht müsse Benedikt XVI. noch deutlicher machen, dass er sich nicht nur für angegriffene Christen, sondern in gleichem Mass auch für verfolgte oder diskriminierte Muslime einsetze, so Ramadan bei einem Besuch in Rom. Der evangelische Pfarrer von Kairo, Axel Matyba, meldet sich hingegen mit sehr besonnenen Überlegungen zu Wort: Einmischungen von außen seien weder bei der Regierung noch bei den Christen willkommen. Die Christen fürchteten „zu Recht, dass auf diese Art ein Keil zwischen sie und ihre muslimischen Landsleute getrieben wird". Statt „strammer Worte" sei „hier eher praktische Solidarität gefragt".
Wie aufgebracht die ägyptische Regierung über die jüngsten Stellungnahmen des Vatikans ist, wurde übrigens auch auf dem Wirtschaftsgipfel arabischer Staaten im ägyptischen Badeort Sharm el-Sheik deutlich: Dort sorgte die Regierung Mubarak dafür, dass Einmischungen von außen zugunsten von Minderheiten in arabischen Ländern ausdrücklich verurteilt wurden. Übrigens: In der ägyptischen Presse spielte dieser Wirtschaftsgipfel eine viel größere Rolle als das Aussetzen des Dialogs zwischen al-Azhar und dem Vatikan. Wer zum letzten Thema etwa in der führenden Kairoer Tageszeitung „al-Ahram" Infos sucht, der muss lange blättern.
Die italienische Tageszeitung „Il Foglio" weist an diesem Freitag darauf hin, dass al-Azhar letztes Jahr ein Pamphlet mit dem Titel „Gegen die Christen" zur Veröffentlichung zugelassen habe. Autor sei ein Mitglied des wissenschaftlichen Komitees der al-Azhar-Universität. Der Vatikan hatte am Donnerstag in einer ersten Reaktion auf die Nachricht aus Kairo seine weiterhin bestehende Offenheit und Bereitschaft zum Gespräch betont. (rv)

Aussteigen auf katholisch: Zahl der Einsiedler wächst

Sie leben in Höhlen, beten Tag und Nacht, sprechen mit niemandem und ernähren sich von Waldbeeren. So oder so ähnlich leben Eremiten, zumindest gemäß der allgemeinen Vorstellung. Eremit sein, das ist eine Lebensform, für die heute in der katholischen Kirche wieder Platz ist. Und mehr noch, der Einsiedler ist im Aufwind. Allein in Italien leben heute ungefähr 200 Eremiten, hat der in Bologna lehrende Soziologe Isacco Turrina herausgefunden.
 „Ein Eremit ist ein Mensch, der ein mönchisches Leben führt, aber außerhalb von Klostermauern",
definiert der Wissenschaftler. Ein Mensch, der hauptsächlich betet.
„Er betet in einer Atmosphäre der Stille und der Einsamkeit. Die Lebensform der Einsamkeit bedeutet auch, dass der Eremit banale Tätigkeiten macht, wie Hausarbeit – es gibt ja niemanden, der das für ihn erledigt, keine Gemeinschaft. Ansonsten führt er ein zurückgezogenes, sehr einfaches, nüchternes Leben."
Konkret heißt das: Einsiedler vermeiden die Zerstreuung und die Unterhaltung, die typisch wären für ein normales Leben, erklärt Turrina.
„Sie und ich, wir haben, wenn wir arbeiten, mit vielen Menschen zu tun, die wir nicht kennen, ein normales Arbeitsleben bringt das heute mit sich. Der Eremit hat überdies kein Fernsehen und liest meist keine Zeitung. Einige Eremiten haben ein Radio, hören es aber nur zu den Mahlzeiten und auch da nur bestimmte spirituelle Sendungen. Es ist nicht so, dass das eremitische Leben gar keine Form der Kommunikation vorsieht. Es sieht aber vor, sie sehr sparsam zu verwenden. Damit sie nicht diese Form des Lebens stören, die ganz dem Gebet und der Vereinigung mit Gott gewidmet ist."
Rund 200 Eremiten gibt es heute in Italien, ebenso viele in Frankreich und etwa 80 in Deutschland, so die Erhebungen des Soziologen.
„Viele Eremiten sind Kustoden von aufgelassenen Pfarreien oder entlegenen Heiligtümern, die seit langem nicht mehr genutzt werden, normalerweise in Berggegenden. Aber es stimmt nicht, dass die Eremiten heute ausschließlich in entlegenen Gebieten und in irgendwelchen Grotten hausen. Wir finden Eremiten in allen Landschaften und in allen Umgebungen."
Dabei bedeutet das Wort Eremit eigentlich „Wüstenbewohner". Manche Einsiedler wählen freilich heutzutage auch die Stadtwüste als ihr Lebensumfeld:
„Der Stadt-Eremit ist ein Eremit wie andere auch. In den Städten gibt es ja heute viele Menschen, die fast wie Einsiedler leben, nur dass sie das nicht freiwillig und nicht im Gebet tun. Denken wir an die vielen einsamen alten Menschen. In einer Stadt ist das Individuum anonym. Im Supermarkt oder auf der Post sehen wir viele Leute, aber wir können, wenn wir wollen, auch darauf verzichten, nur ein Wort mit jemandem zu wechseln. Allerdings, für die meisten ist diese Lebensform ein Unglück, nichts was sie sich selbst wählen würden. Der Eremit hingegen sucht bewusst diese einsame Lebensform."
Einsam, aber nicht allein, könnte man hinzufügen. Denn der Eremit ist normalerweise kein Mensch, der überhaupt niemanden trifft:
„Im Gegenteil, um den Einsiedler herum entsteht immer ein Netz von spirituellen Kontakten, Menschen, die im Austausch mit dem Eremiten stehen, etwa regelmäßig für ein paar Stunden und für eine spirituelle Erfahrung vorbeikommen. Ein Eremit braucht andere Menschen, gerade weil er in extremer Armut lebt."
Für das Einsiedlerdasein muss man freilich gemacht sein – das hat Turrina bei seinen Gesprächen mit Eremiten immer wieder gehört. Die meisten Einsiedler, unter ihnen sind übrigens gut die Hälfte Frauen, kommen aus Ordensgemeinschaften, sie waren etwa als Missionare tätig. Und auch die Charaktereigenschaften müssen mitspielen, damit das Leben in der Einsamkeit gute Früchte trägt:
„Der Eremit muss einen guten Charakter haben, also auch anderen in aufgeräumter Weise begegnen können. Eremiten sind keine Menschenfeinde, keine Leute, die andere meiden, denn wenn es so wäre, würden sie zum Trübsinn neigen, der Eremit muss aber ein herzlicher Charakter sein. Und er muss einen bemerkenswerten inneren Reichtum haben. Eine starke Berufung, damit er sich nicht langweilt und auch immer etwas findet, was er vertiefen und nachfragen und meditieren möchte."
Die Figur des Eremiten ist ein uraltes christliches Kulturgut. So erwähnt im 6. Jahrhundert der Heilige Benedikt in seiner Ordensregel den Einsiedler als die eine von vier Arten von Mönchen. Allerdings war dem Eremiten in der neueren Geschichte nicht immer Glück beschieden. Jahrhunderte lang war diese Lebensform in der Kirche im Wortsinn ausgestorben und überlebte nur noch als Dekor. So gab es im 18. und 19. Jahrhundert in englischen Landschaftsparks so genannte „Schmuckeremiten". Diese professionellen Einsiedler lebten gegen Bezahlung in eigens eingerichteten, auf alte getrimmten Eremitagen und ließen sich zu bestimmten Tageszeiten sehen, um den Hausherren und dessen Gäste mit seinem Anblick zu erfreuen.
„Im 19. Jahrhundert hat sich eine Vorstellung von Ordensleben als einem aktiven Leben in der sozialen Realität der Zeit entwickelt. Das kontemplative Ordensleben wurde für nutzlos gehalten und ging in eine tiefe Krise. Wiedergeboren wurde es erst nach dem 2. Weltkrieg, mit zunächst sehr vereinzelten Erfahrungen in Kanada, Frankreich, USA. Und dann kam das 2. Vatikanische Konzil, das die eremitische Lebensform wieder bestätigte. Das hat sich auch im neuen Kirchenrechts-Gesetzbuch von 1983 niedergeschlagen. Der Kodex von 1917 sah die eremitische Lebensform gar nicht vor. Die Initiative ging also von unten aus, aber die Kirche hat sie aufgenommen im Kirchenrecht und hat ihr eine neue Energie gegeben, weshalb die Zahl Eremiten heute sicherlich zunimmt."
Der Kanon 603 des kirchlichen Gesetzbuches weist den Einsiedlern eine ganz genaue Funktion zu: Beten für das Heil der Welt. Im Gebet lenkt der bzw. die Eremitin die Aufmerksamkeit Gottes auch auf die Probleme seiner Mitbrüder und Schwestern, die mitten im Leben der Welt stehen. Der Eremit repräsentiert damit alle anderen im Gebet. Abseits der spirituellen Komponente ist die nonkonforme Lebensweise des Einsiedlers auch für nicht-spirituelle Gemüter anziehend. Isacco Turrina macht das an dem deutschen Wort „Aussteiger" fest:
„Der Aussteiger ist jemand, der nach einem ausgefüllten Leben sich zurückzieht in ein einsameres Leben. Der Aussteiger macht das meist nicht aus religiösen Motiven. Doch allein die Tatsache, dass es auf Deutsch dieses Wort gibt, legt nahe, dass diese Person eine Figur der Moderne ist. Ein Idealtyp, den wir heute in verschiedenen Ausformungen sehen. Das heißt, die Eremiten sind nicht die einzigen, die eine Wahl dieser Art machen. Ihre Eigenheit ist, dass sie diese Wahl aus religiösen Gründen treffen, weil sie dazu berufen sind. Sie sind aber geistig verwandt mit Menschen, die für sich entscheiden, sich aus dem Leben in Gesellschaft zu entfernen." (rv)

USA: Obama für Moschee an Ground Zero

Präsident Barack Obama hat sich für den Bau einer Moschee in der Nähe des „Ground Zero" ausgesprochen. Damit bezieht er eine klare Position in einem Moscheestreit, der längst über New York hinausgeht. Das geplante islamische Gemeindezentrum soll nur hundert Meter von der Stelle entstehen, wo islamistische Attentäter am 11. September 2001 das „World Trade Center" zerstörten; dabei rissen sie etwa zweitausend Menschen in den Tod.
 „Natürlich müssen wir alle die Sensibilitäten wahrnehmen und respektieren, die die Entwicklung an der Südspitze von Manhattan betreffen". Das sagte Obama am Freitag in Washington bei einem abendlichen Fastenbrechen im Weißen Haus anlässlich des islamischen Fastenmonats Ramadan. „Die Angriffe vom 11. September waren zutiefst traumatisch für unser Land; die Angst und das Leiden derer, die damals nahestehende Menschen verloren haben, sind kaum vorstellbar. Ich verstehe also die Emotionen, die dieses Thema weckt."
„In der Tat ist der Ground Zero ein heiliger Boden", so der Präsident weiter. „Aber lassen Sie mich klar sein, als Bürger und als Präsident: Ich glaube, Moslems haben das gleiche Recht wie alle anderen in diesem Land, ihren Glauben zu praktizieren – und dazu gehört das Recht auf einen Gebetsort und ein Gemeindezentrum auf einem privaten Grundstück in Lower Manhattan, dem örtlichen Baurecht entsprechend. Das ist Amerika – unser Einsatz für Religionsfreiheit muss unerschütterlich sein. Menschen aller Religionen sind in diesem Land willkommen und werden von der Regierung alle gleich behandelt – das gehört zu unserem Wesen!"
Obama verwies auf den ersten Zusatz zur US-Verfassung, der die Religionsfreiheit garantiert und eine Diskriminierung aus religiösen Motiven verbietet, und bemühte auch die Gründungsväter, die die USA klar auf dem Prinzip der Religionsfreiheit begründet hätten. „Unsere Gründer verstanden, wie zentral die Freiheit der Glaubenspraxis war. Thomas Jefferson schrieb, dass alle ihre Meinung in religiösen Dingen frei heraussagen können." Genau das haben in den letzten Wochen allerdings auch die Gegner des New Yorker Moscheeprojekts getan, darunter die konservative Politikerin Sarah Palin. Die New Yorker Behörden haben den Bau, der 15 Stockwerke hoch sein soll, allerdings vor ein paar Tagen genehmigt.
„Gesegneten Ramadan", wünschte Obama am Freitagabend. Das Ende des Ramadan fällt dieses Jahr ausgerechnet auf den 11. September; US-Moslemverbände bitten deshalb um besondere Aufmerksamkeit der Polizei, damit es an diesem Jahrestag der Terroranschläge nicht zu anti-islamischen Gefühlsaufwallungen kommt. (rv)

Italien: Grabtuchausstellung schließt mit Besucherrekord

In Turin endete an diesem Sonntag die Ausstellung des Grabtuchs Jesu. Seit dem 10. April haben mehr als 2,1 Millionen Pilger in der Kathedrale der norditalienischen Industriemetropole vor dem Tuch gebetet, in das der Tradition nach der Leichnam Jesu nach der Kreuzigung eingehüllt worden war. Die meisten Besucher kamen aus Italien, 130.000 reisten aus den Nachbarländern an, vor allem aus Frankreich, teilte der Turiner Kardinal Severino Poletto am Samstag bei einer Bilanzpressekonferenz mit. Unter den Besuchern waren fast 40.000 Kranke und Behinderte. Die öffentliche Ausstellung des Grabtuchs werde künftig auf wenige und kurze Phasen beschränkt bleiben, unterstrich Poletto. Eine Dauerausstellung, wie mitunter gefordert, komme mit Rücksicht auf die empfindliche Substanz des Leinentuchs nicht in Frage. – Die Ausstellung endete am Sonntagnachmittag mit einer feierlichen Abschlussmesse. Gegen 16 Uhr wurde das Leinen wieder verschlossen. Termin und Anlass für die nächste Ausstellung sind noch nicht bekannt. (rv)

Radioakademie- Religiöse Symbole: Kruzifix

Um religiöse Symbole in öffentlichen Räumen wird in Europa heiß diskutiert. Wird Sichtbarkeit von Religion immer mehr zum roten Tuch? Der zweite Teil unserer Radioakademie wirft ein Schlaglicht auf aktuelle Debatten und begibt sich auf die Spuren des wohl wichtigsten Symbols des Christentums. Ein Ausblick von Anne Preckel.

Kreuz und Schweißtuch sind „Zeichen der Hoffnung", so Papst Benedikt zuletzt beim Gebet vor dem Turiner Grabtuch. Das Abbild des Gekreuzigten zeuge von „radikalster Solidarität" und „paradoxer Herrschaft", dem Sieg des Lebens über den Tod. Die Christenheit brauchte aber lange, um die Scheu vor dem Kreuz zu verlieren, galt die Kreuzigung doch lange als eine der qualvollsten und schamvollsten Hinrichtungsformen Pater Bieger, Autor des „Kleinen Buches der christlichen Symbole": „Erst die mittelalterliche Frömmigkeit, die wesentlich von Franziskus und seiner Leidensmystik bestimmt wurde, hat sich getraut, ein Marterinstrument in den Raum zu hängen, das an sich für die Auferstehung steht." (rv)