Fall Barros: Papst trifft Missbrauchs-Überlebende

 

Mit seinen Äußerungen zu kirchlichen Missbrauchsfällen in Chile hat Papst Franziskus zu Jahresbeginn viele vor den Kopf gestoßen: Jetzt versucht er, den angerichteten Schaden wiedergutzumachen.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

In einem ungewöhnlichen Brief an die chilenischen Bischöfe bat der Papst, der das Land im Januar besucht hat, unlängst um Vergebung für schwere Fehleinschätzungen. Das bezog sich auf den Fall Juan Barros; dem Bischof von Osoro wird vorgeworfen, er habe gewusst, dass ein mit ihm befreundeter Priester Jugendliche sexuell missbrauchte. Barros leugnet das, und Franziskus hielt in öffentlichen Äußerungen bislang unbeirrt an Barros fest.

Jetzt also eine Kurskorrektur des Papstes. In einem ersten Schritt wird er sich mit einigen Opfern des Priesters – er heißt Fernando Karadima – treffen. Franziskus‘ Sprecher Greg Burke bestätigt an diesem Mittwoch, dass der Papst „am kommenden Wochenende drei Opfer von kirchlichen Missbrauchstätern in Chile in der Casa Santa Marta treffen wird“. Einer der drei Männer ist Juan Carlos Cruz, der seit Jahren besonders hartnäckig auf den Skandal rund um Karadima und Barros aufmerksam macht.

“ Damit sich solche abscheuliche Taten nicht mehr wiederholen ”

„Der Papst dankt ihnen dafür, dass sie seine Einladung angenommen haben“, so Burke. „In diesen Tagen des persönlichen, brüderlichen Begegnens will er sie um Vergebung bitten, ihren Schmerz und seine Scham für das Geschehene mit ihnen teilen und vor allem ihre Vorschläge anhören, was sich tun ließe, damit sich solche abscheuliche Taten nicht mehr wiederholen.“

Franziskus werde die Missbrauchs-Überlebenden einzeln treffen „und jeden von ihnen ausführlich zu Wort kommen lassen“. Der Papst bitte um Gebet für die Kirche in Chile und dafür, „dass diese Begegnungen in einem Klima des Vertrauens stattfinden“. Franziskus hoffe, dass die Treffen in seiner Vatikan-Residenz „ein wichtiger Schritt“ sein werden, damit es nie wieder zu „Gewissens-, Macht- und vor allem sexuellem Missbrauch in der Kirche“ komme.

Nach den Gesprächen mit den Missbrauchs-Überlebenden wird sich Franziskus in Rom in absehbarer Zeit auch mit den chilenischen Bischöfen treffen. Spätestens dann wird auch eine Entscheidung über Bischof Barros getroffen werden (müssen). (vatican news)

Bergamo: Leichnam Papst Johannes XXIII. kehrt für kurze Zeit in Heimatdiözese zurück

Laut „Crux“ werden die sterblichen Überreste von Papst Johannes XXIII. für 18 Tage in seine Heimatdiözese Bergamo überführt.

Vaticanhistory – Martin Marker.

Die US-Website „Crux“ berichtete gestern über dieses ungewöhnliche Ereignis:

„Wir danken Papst Franziskus für diese Geste der väterlichen Liebe“, sagte Bischof Francesco Beschi von Bergamo. „Es ist eine große Freude und besondere Gnade für uns.“

Von seiner Ruhestätte in der Peterskirche wird der Leichnam des verstorbenen Papstes am 24. Mai nach Bergamo überführt und soll zunächst im städtischen Gefängnis eintreffen, bevor er in das nach Papst Johannes XXIII. benannte Diözesanseminar verlegt wird. In dieser Nacht werden Priester der Diözese die sterblichen Überreste zur Kathedrale bringen.

Die Jugendlichen der Diözese werden am 25. Mai in der Kathedrale eine Gebetsvigil halten und für den nächsten Morgen sind Priesterweihen vorgesehen.

Nach einer Messe mit den Armen am 27. Mai wird die Leiche in das nach dem verstorbenen Papst benannte Krankenhaus gebracht und dann in das Heiligtum des Heiligen Johannes XXIII. in Sotto il Monte gebracht.

Pilger können bis zum 10. Juni vor dem Leichnam des Heiligen am Heiligtum beten, wenn Kardinal Pietro Parolin, Staatssekretär im Vatikan, die Messe feiert und die Leiche in den Vatikan zurückgebracht wird. (vh – mm)

Vatikan: Papst spricht mit chilenischen Missbrauchsopfern

Greg Burke, Leiter des Presseamtes des Heiligen Stuhls gab heute bekannt, dass Papst Franziskus am kommenden Wochenende einige Missbrauchsopfer aus Chile empfangen wird.

Vaticanhistory – Martin Marker.

Im Bulletin des Presseamtes heißt es hierzu:

„Am kommenden Wochenende wird der Heilige Vater in der Casa Santa Marta drei Opfer von Misshandlungen des Klerus in Chile empfangen: Juan Carlos Cruz, James Hamilton und Jose Andrés Murillo. Der Papst dankt ihnen dafür, dass sie seine Einladung angenommen haben: In diesen Tagen der persönlichen und brüderlichen Begegnung möchte er sie um Vergebung bitten, ihren Schmerz und ihre Scham über das, was sie erlitten haben, teilen und vor allem all ihren Vorschlägen zuhören, um zu vermeiden dass diese verwerflichen Tatsachen wiederholt werden. Der Papst wird die Opfer einzeln empfangen und solange wie nötig sprechen lassen.“

Die drei genannten Missbrauchsopfer stehen im Zusammenhang mit dem Fall „Bischof Barros“ und möglichen anderen Bischöfen des chilenischen Klerus.

Wie Vaticanhistory berichtete, gibt es vonseiten zumindest eines Missbrauchsopfers auch Vorwürfe gegen Kardinal Errázuriz Ossa (84), der derzeit Mitglied des Kardinalsrates K9 ist. (vh – mm)

Italien: Ehemaliger Papst-Butler gibt erstmals Interview

Der 83jährige Italiener Angelo Gugel war unter drei Päpsten Kammerdiener. Bisher gab er nie ein Interview, nun sprach er über seine Vergangenheit im Vatikan mit der Tageszeitung „Corriere della Sera“.

Mario Galgano – Vatikanstadt

Er kam unter Pius XII. in den Vatikan und diente zunächst in der vatikanischen Gendarmerie. Später wurde er unter Johannes Paul I. der Kammerdiener des Papstes, weil Albino Luciani – also Johannes Paul I. – sowohl die Mutter als auch die Ehefrau von Gugel persönlich gut kannte und deshalb Vertrauen in ihn hatte, wie Gugel im Interview mit der römischen Zeitung sagt. Später habe er auch Johannes Paul II. und Benedikt XVI. gedient.

Er habe Johannes Paul II. in seinen Händen gehabt, als am 13. Mai 1981 das Attentat auf dem Petersplatz auf ihn verübt wurde; auch war Gugel einer der letzten, der den lebenden „lächelnden Papst Luciani“ gesehen und mit ihm gesprochen hat. Viele Spekulationen und Verschwörungstheorien geisterten herum, doch er halte nichts davon.

Auch zum Fall der entführten Vatikan-Bürgerin Emanuela Orlandi oder zur angeblichen Beziehung von Vatikan-Mitarbeitern zu Freimauern will Gugel nicht viel sagen. Dies sei alles „böse Sprüche“ gegen den Vatikan und die Kirche. Über seinen Nachfolger Paolo Gabriele, der in den Fall Vatileaks – also den Raub und die illegale Verbreitung von vatikaninternen Dokumenten – verwickelt war und dafür verurteilt wurde, sagt Gugel, dass er „von vornherein gewusst habe“, dass mit diesem Mann „etwas nicht stimmte“, weil sich Gabriele kaum für die Tätigkeit von Gugel interessiert habe, als dieser ihn auf die Arbeitsabläufe eines päpstlichen Kammerdieners hinweisen wollte.

In dem langen Gespräch mit dem „Messaggero“ geht Gugel auch auf die vielen Inkognito-Ausflüge von Johannes Paul II. ein. Einmal habe er bei einem Ausflug an einen römischen Strand die Schlüssel des Aufzugs zur Papstwohnung verloren, doch eine Woche später habe er sie wiedergefunden. Stolz sei er darauf, dass ihm Benedikt XVI. einmal gesagt habe, dass er zur „päpstlichen Familie“ gehöre. In der Tat wurde Angelo Gugel lange Jahre im vatikanischen Jahrbuch unter dem Stichwort „Päpstliche Familie“ aufgeführt. (vatican news)

„Ruhig und familiär“: So feierte Benedikt seinen 91. Geburtstag

Quelle: VN (Screenshot am 17. April)

 

„In einem ruhigen und familiären Klima“ hat Benedikt XVI. am Montag seinen 91. Geburtstag gefeiert. Das teilte ein Vatikanstatement am Abend mit.

Der emeritierte Papst, der vor fünf Jahren von seinem Amt zurückgetreten war, beging den Geburtstag zusammen mit seinem älteren Bruder Georg (94).

Am Montagabend gab das Musikcorps der Schweizergarde ein kleines Konzert für den Jubilar. Papst Franziskus hatte am Montag die Frühmesse für seinen Vorgänger gefeiert und diesem dann seine Glückwünsche zukommen lassen.

Auch Benedikt selbst hatte den Tag, wie üblich, mit einer Messe in der Kapelle seines Domizils „Mater Ecclesiae“ in den Vatikanischen Gärten begonnen. In dem früheren Kloster wohnt er seit 2013. (vatican news)

Familienfeier zum 91. Geburtstag von Benedikt

VATIKANSTADT – Seinen 91. Geburtstag feiert am heutigen Montag, 16. April, Papst emeritus Benedikt XVI. in engstem Rahmen im Kloster Mater Ecclesiae: Der 94 Jahre alte Bruder, Monsignore Georg Ratzinger, ist bereits angereist.

Glück- und Segenswünsche aus aller Welt sind bereits vor dem Fest in großer Zahl im Kloster Mater Ecclesiae angekommen. Auch Papst Franziskus werde gratulieren, hieß es aus dem Vatikan.

Am 19. April jährt sich seine Wahl im Jahr 2005 zum Nachfolger des heiligen Petrus. (CNA Deutsch)

Hintergrund: Warum der Papst „schwere Fehler“ einräumt

 

Franziskus‘ Brief an die chilenischen Bischöfe zum Fall Barros ist einigermaßen präzedenzlos: Höchstens das Schreiben, das Benedikt XVI. 2009 zum Fall Williamson veröffentlichte, lässt sich damit vergleichen. Der deutsche Papst räumte damals im Umgang mit den Piusbrüdern freimütig eine „Panne“ ein, beklagte aber auch „sprungbereite Feindseligkeit“ bei einigen Kritikern. Was steckt nun hinter Franziskus‘ Mea Culpa?

Stefan von Kempis – Vatikanstadt.

Franziskus reagiert auf den Bericht eines von ihm nach Chile entsandten Sonderermittlers, der noch nicht veröffentlicht ist. Aus diesem Bericht des maltesischen Erzbischofs Charles Scicluna ergeben sich offenbar schwerwiegende Mängel und Fehler auch des Papstes beim Umgang mit dem sogenannten Fall Barros.

Dem chilenischen Diözesanbischof Juan Barros wird vorgeworfen, von sexuellem Missbrauch von Jugendlichen durch seinen Freund und Mentor, Pater Fernando Karadima, in dessen Pfarrei gewusst zu haben, diesen aber stillschweigend geduldet zu haben. Der „Fall Karadima“, der im Jahr 2004 öffentlich wurde, hat die Kirche in Chile schwer getroffen, noch immer ist sie mit der Aufarbeitung beschäftigt.

Obwohl er von den Vorwürfen wusste, ernannte Franziskus Anfang 2015 Barros, bisher Militärbischof, zum Diözesanbischof von Osorno im Süden Chiles. Das Aktenstudium hatte ihn offenbar zu der Überzeugung gebracht, Barros sei unschuldig und werde verleumdet. Auf Proteste gegen Barros und Forderungen nach einem Rücktritt des Bischofs reagierte der Papst mehrfach gereizt.

“ Fall Barros überschattete Chile-Reise des Papstes ”

Im Frühjahr 2018 besuchte Franziskus Chile; dabei erhielt er zunächst große Anerkennung dafür, dass er schon bei seiner ersten Ansprache in Santiago für sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche um Verzeihung bat. Nur wenig später jedoch fühlten sich Missbrauchsopfer vor den Kopf gestoßen, als er Vorwürfen gegen Barros eine Absage erteilte und diese als „Verleumdungen“ bezeichnete. Er werde erst über den Fall reden, wenn es „Beweise“ gegen Barros gebe, äußerte der Papst gegenüber Journalisten.

Als ihn daraufhin der Vorsitzende der vatikanischen Kinderschutzkommission Kardinal Sean O‘Malley offen kritisierte, bat Franziskus auf dem Rückflug von Lateinamerika nach Rom in etwas gewundenen Worten um Entschuldigung für seine Wortwahl. Der Fall Barros hatte einen tiefen Schatten auf die Papstreise geworfen; dass der umstrittene Bischof gut sichtbar an mehreren Papstterminen in Chile teilnahm, stieß auch bei vielen Gutwilligen in Kirche und Gesellschaft des Landes auf Empörung.

Kurz nach seiner Rückkehr in den Vatikan beschloss Franziskus, Erzbischof Scicluna, der früher an der Glaubenskongregation für die Untersuchung von schwerwiegenden Delikten wie Kindesmissbrauch durch Kleriker zuständig war, als Sonderermittler nach Chile zu schicken. Chiles Bischöfe begrüßten diese Untersuchung: Das zeige, „dass die Papstreise nach Chile für ihn auch eine Haltung des echten Zuhörens und der Nähe zur Realität“ bedeutet habe. Auch Barros selbst ließ in einer kurzen Erklärung wissen, er nehme „alles, was der Papst anordnet, mit Glauben und Freude auf“, und bete darum, „dass die Wahrheit aufleuchten möge“.

Sciclunas Untersuchung in Chile ist abgeschlossen, sein Bericht, der auf den Gesprächen mit über sechzig Missbrauchsopfern fußt, liegt dem Papst vor. (vatican news)

55 Jahre „Pacem in Terris“

Ein ganz besonderer Geburtstag: „Pacem in Terris“ wird an diesem Mittwoch 55 Jahre alt. Die Enzyklika des heiligen Papstes Johannes XXIII. war gleich in mehrfacher Hinsicht bahnbrechend.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt.

„Pacem in Terris soll in diesem Jahr des Herrn 1963 unser Ostergeschenk sein“: So kündigte der Roncalli-Papst damals seinen Text an. 1963: Das ist mitten im Kalten Krieg. Kuba-Krise, Angst vor einem neuen Weltkrieg, zugleich Zweites Vatikanisches Konzil und letztes Pontifikatsjahr von Johannes.

„Der Text breitet die Lehre der Kirche zum Thema Frieden aus. Es geht um die Elemente, die zu einem authentischen Frieden führen – im persönlichen, familiären und im öffentlichen Ambiente.“

Zum ersten Mal schreibt ein Papst eine Enzyklika nicht nur an eine bestimmte Gruppe – etwa die Bischöfe oder alle katholischen Gläubigen – sondern ausdrücklich an „alle Menschen guten Willens“. Eine Formel, die sich seither für diese päpstlichen Lehrdokumente eingebürgert hat.

Johannes schreibt bewusst an alle in Ost und West. Seine These: Frieden kann nicht durch ein Gleichgewicht des Schreckens, also durch nukleare Abschreckung, entstehen.

„Frieden ist nicht so sehr ein Gleichgewicht äußerer Kräfte als vielmehr ein Gottesgeschenk, Unterpfand der Liebe Christi, der die Seelen der Menschen mit dem Vater aussöhnt und sie mit seiner Gnade umfängt.“

“ Kirche gehört nicht zum Osten und nicht zum Westen ”

Der 11. April ’63, Tag der Veröffentlichung, ist der Gründonnerstag. Johannes ist schwerkrank; er weiß, dass er nicht mehr lange leben wird. Das macht „Pacem in Terris“ zu seinem Vermächtnis. „Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit“ nennt der Papst schon im Untertitel die Hauptvoraussetzungen für Frieden.

„Wir vertrauen darauf, dass die Botschaft der Enzyklika Pacem in Terris von den Menschen freudig und mit offenem Herzen aufgenommen werden wird. Und wir werden ihren Lauf mit unserem Gebet begleiten und mit der Zuneigung, die alle Völker umarmt.“

Erstmals macht ein hochrangiger päpstlicher Text auf die wichtige Rolle der Frauen aufmerksam. Aber auch dieser Satz findet sich in der Jahrhundert-Enzyklika, unter der Nummer 41: „Es kann nicht ein für allemal entschieden werden, welche Staatsform die geeignetere ist…“

Die Kirche gehört nicht zum Westen und nicht zum Osten, macht der Papst klar. Auch deswegen wird seine Enzyklika diesseits wie jenseits des Eisernen Vorhangs interessiert aufgenommen. Bis heute inspiriert sie die Friedensarbeit der Kirche überall auf der Welt.

Unser Video zeigt historische Aufnahmen aus der Entstehungszeit der Enzyklika; dazu hören Sie eine Ton-Aufnahme der Ankündigung von Pacem in Terris durch Johannes XXIII. in italienischer Sprache. (vatican news)

Papstbrief an die Bischöfe Chiles: „Ich habe Fehler gemacht

Papst Franziskus räumt „schwerwiegende Fehler bei der Bewertung und Wahrnehmung der Situation“ in Chile ein. Der Papst schrieb einen Brief an die Bischöfe des Landes, der von an diesem Mittwoch bei einer Pressekonferenz veröffentlicht wurde.

P Bernd Hagenkord – Vatikanstadt.

Im Januar diesen Jahres hatte der Papst Chile zu einer Pastoralreise besucht, gegenüber einem Journalisten hatte er Vorwürfe gegen Bischof Juan Barros als „Verleumdung“ zurück gewiesen. Selber räumte er später aber ein, dass er sich falsch ausgedrückt habe, er habe Überlebende von Missbrauch verletzt. Es geht um Missbrauchsvorwürfe gegen den chilenischen Priester Fernando Karadima, dem Bischof von Osorno, Juan Barros, wird vorgeworfen, vom Missbrauch gewusst und ihn gedeckt zu haben. Zahlreiche Opfer Karadimas hatten darauf hingewiesen und dem Papst auch einen Brief geschrieben.

Er habe sich „aufgrund eines Mangels an genauen und ausgewogenen Informationen“ ein Falsches Bild von der Situation gemacht, so der Papst in seinem Brief. Nach seinem Besuch hatte der Papst den maltesischen Bischof Charles Scicluna, den ehemaligen Missbrauchs-Anwalt der Glaubenskongregation, zu einer Visitation nach Chile geschickt. Scicluna war zunächst nach New York gereist, um mit Opfern von Pater Karadima zu sprechen und war dann nach Chile weiter geflogen. Insgesamt hat Bischof Scicluna 64 Zeugnisse von Beteiligten und Opfern gesammelt. Nach seiner Rückkehr hat er dem Papst seinen Bericht vorgelegt.

Beratungen in Rom

Als Konsequenz aus dem Bericht, so der Papst in seinem Brief, plane er, die Bischöfe des Landes zu Beratungen in den Vatikan zu berufen, um Schlussfolgerungen aus dem Bericht zu diskutieren. Der Bericht von Bischof Scicluna habe einen „tiefen Eindruck“ bei ihm hinterlassen. Er sei dankbar denen gegenüber, die „mit Ehrlichkeit, Mut und Sinn für die Kirche ein Treffen mit meinen Gesandten einforderten und ihnen die Wunden ihrer Seele zeigten“, heißt es in dem Brief. Beeindruckt zeigt sich der Papst auch von der Diskretion, welche die Angelegenheit nicht in einen „Medienzirkus“ verwandelt hätte. „In diesem Zusammenhang möchte ich den verschiedenen Organisationen und Medien für ihre Professionalität bei der Behandlung dieses heiklen Falls danken“, so der Brief wörtlich.

„Soweit es mich betrifft, erkenne ich an, und möchte Sie bitten es getreu zu übermitteln, dass ich bei der Beurteilung und Wahrnehmung der Situation schwerwiegende Fehler gemacht habe, insbesondere aufgrund eines Mangels an wahrheitsgemäßen und ausgewogenen Informationen. In diesem Augenblick entschuldige ich mich bei allen, die ich beleidigt habe, und ich hoffe, ich werde es in den kommenden Wochen persönlich bei den Treffen mit Vertretern der befragten Personen persönlich tun können.“

Die Bischofskonferenz Chiles ist in diesen Tagen in Punta de Tralca zu ihrer Vollversammlung zusammen gekommen. (vatican news)

Papst Franziskus räumt „schwere Fehler“ in chilenischem Missbrauchsfall ein

VATIKANSTADT – In einem Brief an die chilenischen Bischöfe hat Papst Franziskus eingeräumt, „schwere Fehler“ im Umgang mit der massiven sexuellen Missbrauchskrise des Landes gemacht zu haben, und bittet um Vergebung.

Der Papst hat die Bischöfe Chiles nach Rom einbestellt und auch Opfer eingeladen, sich mit zu treffen.

Mit Blick auf die kürzlich durch Erzbischof Charles Scicluna beendete Untersuchung der Vorgänge rund um vertuschten Missbrauch in Chile sagte Franziskus, dass er nach einer „sorgfältigen Lektüre“ des Berichts „bestätigen kann, dass alle gesammelten Zeugenaussagen klar und hart – ohne Zusatzstoffe oder Süßstoffe – von vielen gekreuzigten Leben sprechen. Ich gebe zu, dass dies in mir Schmerz und Scham ausgelöst hat.“

Franziskus gab zu, die Schwere der Affäre falsch eingeschätzt zu haben und sagte den chilenischen Bischöfen:

„Ich habe ernsthafte Fehler in der Beurteilung und Wahrnehmung der Situation gemacht, insbesondere aufgrund eines Mangels an wahrheitsgemäßen und ausgewogenen Informationen.“

Er bat die Bischöfe, dies weiterzugeben, und entschuldigte sich bei allen, die er beleidigt haben könnte.

Darüber hinaus berief er alle 32 Bischöfe Chiles nach Rom, um die Feststellungen des Scicluna-Berichts in der dritten Maiwoche zu erörtern und die Schlussfolgerungen des Berichts sowie die eigenen Schlussfolgerungen des Papstes zu diskutieren.

In seinem am 8. April, dem Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit, unterzeichneten Brief sagte Franziskus, er wünsche, dass das Treffen „ein brüderlicher Moment ohne Vorurteile oder vorgefasste Meinungen mit dem einzigen Ziel sei, die Wahrheit in unserem Leben erstrahlen zu lassen“.

Die Entscheidung, eine ganze Bischofskonferenz nach Rom einzuberufen, ist bemerkenswert.

Vergleichbares ist zuletzt im April 2002 passiert, als Johannes Paul II. sich mit 12 von 13 US-Kardinälen traf, von denen acht große Diözesen leiteten, und zwei hochrangige Vertreter der US-Bischofskonferenz im Vatikan waren, um die Missbrauchskrise in den Vereinigten Staaten anzugehen und ihnen zu sagen, dass sie mit der Situation anders umgehen müssen.

In einem Tweet nach einer Pressekonferenz vom 11. April über den Brief in Chile sagte Diakon Jaime Coiro, Sprecher der chilenischen Bischofskonferenz, dass Papst Franziskus in den kommenden Wochen auch mit einigen Missbrauchsopfern des chilenischen Klerus zusammentreffen werde und diese persönlich um Vergebung bitten werden.

Coiro sprach über den Schaden und das Leid, das den missbrauchten Minderjährigen widerfuhr, und dass sich die Kirche nicht angemessen um sie gekümmert habe. In den kommenden Wochen, so sagte er, werde die Kirche in Chile „eine intensive Erneuerung unserer Berufung und Mission“ durchlaufen.

Hintergrund

Die Entschuldigung des Papstes ist eine Konsequenz der Chile-Reise von Erzbischof Charles Scicluna vom 19. bis 25. Februar.

Der Erzbischof von Malta und Vorsitzende des Gremiums der Glaubenskongregation für die Untersuchung schwerwiegender Delikte war von Papst Franziskus nach Chile entsandt worden, um Zeugenaussagen über einer angeblich von Bischof Juan Barros von Osorno verübten Vertuschung von Fällen sexuellen Missbrauchs durch den Priester Fernando Karadima aufnehmen.

Erzbischof Scicluna empfing unter anderem Personen und Gruppen, die betroffen sind vom Fall Barros sowie den Bischof von Osorno selbst, sowie die Kommission zur Prävention sexuellen Missbrauchs und Zeugen, die in Verbindung zu angeblichen Fällen sexuellen Missbrauchs durch Maristen in Chile stehen.

Die Entsendung Sciclunas nach Chile im Februar folgte dem eigenen dreitägigen Besuch Chiles durch den Papst. Dabei hatte Franziskus erneut Bischof Barros verteidigt und gesagt, dass Vorwürfe, dieser habe Missbrauch vertuscht, unbewiesen und „verleumderisch“ seien.

Als Antwort auf einen chilenischen Journalisten, der nach dem Thema fragte, sagte Papst Franziskus wörtlich: „An dem Tag, an dem man mir Beweise gegen Bischof Barros bringt, werde ich sprechen. Es gibt keinen einzigen Beweis gegen ihn. Es ist alles Verleumdung. Ist das klar?“

Mehrere ehemalige Missbrauchsopfer betonten jedoch das Gegenteil: Sie werfen Bischof Juan Barros Madrid von Osorno vor, seinen langjährigen Freund und Mentor gedeckt zu haben. Dieser Priester, Fernando Karadima, hat jahrelang Minderjährige psychisch und sexuell schwerst missbraucht.

Bischof Barros selbst bestreitet diese Vorwürfe:

„Ich habe nie etwas von diesen schweren Misshandlungen gewusst oder hätte mir diese vorgestellt, die dieser Priester gegen die Opfer verübt hat“, sagte er gegenüber der Agentur „Associated Press“.

Hintergrund: Bischof Barros

Im Januar 2015 ernannte Papst Franziskus Bischof Barros zum Oberhirten der Diözese Osorno in Südchile. Die Ernennung löste sofort scharfe Proteste aus. Mehrere Priester forderten den Rücktritt des neuen Bischofs. Dutzende Demonstranten, darunter auch Nicht-Katholiken, versuchten, seine Einführungsmesse am 21. März 2015 in der Kathedrale von Osorno zu verhindern und stören.

Tage später sagte Erzbischof Fernando Chomali Garib von Concepción, dass Papst Franziskus ihm gesagt habe, dass es „keinen objektiven Grund“ gäbe, dass der Bischof nicht installiert werden sollte.

Der Papst sei über die Situation auf dem Laufenden gehalten worden, so Erzbischof Garib.

Am 31. März 2015 veröffentlichte die Kongregation für die Bischöfe des Vatikans ebenfalls eine Erklärung, in der sie erklärte, dass das Büro „die Kandidatur des Prälaten sorgfältig geprüft und keine objektiven Gründe gefunden habe, die Ernennung auszuschließen“.

Der damalige Apostolische Nuntius in Chile, Erzbischof Ivo Scapolo, sagte, dass alle Informationen über die Person Barros an Papst Franziskus weitergegeben worden seien. Die meisten Leute in der Kirche stünden hinter Barros, fügte der Nuntius hinzu.

Fakt ist: Jahrzehntelang war der heutige Bischof Barros ein Zögling und enger Freund von Fernando Karadima; der damals einflussreiche Priester aus Santiago förderte die Berufungen von etwa 40 Priestern — darunter die von Juan Barros.

Als Berichte über sexuellen Missbrauch und andere Skandale um Karadima immer wieder auftauchten, gehörte Bischof Barros zu den Priestern, welche die Vorwürfe öffentlich bestritten. Eine Zivilklage gegen Karadima wurde mit der Begründung abgewiesen, dass seine Taten verjährt seien.

Im Februar 2011 beendete dann die Kongregation für die Glaubenslehre ihre Untersuchung mit dem Urteil, dass der Priester erwiesenermaßen schuldig ist. Dem mittlerweile über 80 Jahre alten Mann wurde ein Leben in Zurückgezogenheit und Gebet verordnet. Karadima ist bis heute weiterhin Priester.

Bischof Barros erklärte, er habe sich bereits von dem Schuldigen distanziert, bevor Anschuldigungen aufgetaucht seien. Begründung: Karadima sei „übellaunig“ geworden.

„Der Schmerz der Opfer schmerzt mich enorm, ich bete für diejenigen, die diesen Schmerz heute mit sich tragen“, teilte Barros 2015 in einem Brief an die Gläubigen der Diözese Osorno vor seiner Installation mit.

Am 6. Mai 2015, fünf Monate nach der Ernennung von Barros zur Diözese Osorno, wandte sich Diakon Jaime Coiro, Generalsekretär der chilenischen Bischofskonferenz, persönlich an Papst Franziskus und sagte ihm: Die Kirche in Osorno habe für ihn „gebetet und gelitten“.

„Osorno leidet, ja“, antwortete Papst Franziskus, „an Dummheit.“

„Die einzige Anklage gegen diesen Bischof wurde vor Gericht entkräftet“, so der Papst gegenüber Diakon Coiro in einem Video, dass die chilenischen „Ahora Noticias“ veröffentlicht haben.

„Denken Sie mit Ihrem Kopf nach und lassen Sie sich nicht von den Linken an der Nase herumführen, die diesen Fall zusammengebastelt haben“, fügte der Papst hinzu.

Das sehen mehrere Missbrauchs-Opfer von Karadima anders.

Drei von ihnen werfen Barros vor, den überführten Täter gedeckt und dessen Verbrechen vertuscht zu haben – eine Darstellung, die von den offiziellen vatikanischen Ermittlungen nicht bestätigt wurde.

Der bekannteste dieser Ankläger, der ehemalige Seminarist Juan Carlos Cruz, lebt in den USA und hat als leitender Kommunikationsmanager für die Firma DuPont gearbeitet. Cruz wirft Karadima vor, ihn in den 1980er Jahren sexuell missbraucht zu haben, und hat wiederholt behauptet, Barros und andere Zöglinge Karadimas hätten von den Misshandlungen gewusst und seien sogar Zeuge davon geworden, so die „Associated Press“.

Am 11. Januar 2018 berichtete AP, dass ein vertraulicher Brief des Papstes an die Chilenische Bischofskonferenz vom 31. Januar 2015 die Besorgnis einiger chilenischer Bischöfe bezüglich der Ernennung anspricht. In diesem Schreiben erwähne der Papst auch, dass der Apostolische Nuntius 2014 Barros gebeten habe, als Militärbischof der chilenischen Streitkräfte zurückzutreten und eine Auszeit zu nehmen, bevor er eine andere Verantwortung als Bischof übernehme.

In dem Brief des Papstes heißt es zudem offenbar auch, dass Barros darüber informiert worden sei, dass ein ähnliches Vorgehen für zwei weitere von Karadima ausgebildete Bischöfe geplant sei. Dies solle Barros aber nicht weitersagen. Barros habe jedoch, berichtete AP, „ein ernstes Problem“ geschaffen, als er diese beiden Bischöfe in einem Rücktrittscheiben als Militärbischof beim Namen nannte und damit „jede Chance verbaute“, diese Bischöfe aus den Kontroversen zu entfernen. (CNA Deutsch)