Missbrauchsbericht in Australien: Horrendes Ausmaß

Ein riesiges Ausmaß von sexuellem Missbrauch in kirchlichen und staatlichen Einrichtungen zeichnet der Abschlussbericht der staatlichen australischen Missbrauchskommission, der am Freitag in Canberra der Regierung übergeben wurde: Zehntausende Kinder und Jugendliche wurden demnach über die Jahre zu Opfern von Missbrauch. Als „horrende“ bezeichnet P. Hans Zollner von der Päpstlichen Kinderschutzkommission im Interview mit Radio Vatikan die Ergebnisse des 100.000 Seiten umfassenden Abschlussdokumentes.

Überproportional hoch: Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen

„Die Zahlen sind enorm. Es handelt sich um Opfer von Missbrauch in staatlichen Stellen, im Sportbereich, beim Militär und bei allen Religionen und kirchlichen Institutionen, die da untersucht wurden. Man sieht, wie weit verbreitet diese Art von Missbrauch ist in der Gesellschaft – viel mehr, als man sich das eingesteht. Der Großteil der Aufmerksamkeit richtet sich dabei auf die Zahlen, die kirchliche Institutionen betreffen – die sind überproportional hoch.“

Auch bei diesen Missbrauchsfällen hätten bestimmte Voraussetzungen zu Missbrauch geführt, erläutert Pater Zollner: „Was die katholische Kirche und auch andere Institutionen angeht, sind es immer dieselben Dinge, das heißt, dort wo eine Institution sich selber als absolut setzt oder von den Angehörigen dieser Institution als absolut gesetzt wird, dort wo keine entsprechenden Supervisionseinrichtungen sind, wo keine Meldeeinrichtungen sind, wo Transparenz und Offenheit auch im Rechtsverfahren nicht genügend befolgt werden, da ist das Risiko, dass Missbrauch nicht nur vereinzelt, sondern häufig geschieht und überdurchschnittlich geschieht, sehr hoch.“

Die Empfehlungen der australischen Missbrauchskommission schlagen unter anderem ein Nachdenken über das Beichtgeheimnis und das Pflichtzölibat für katholische Priester vor. „In der Empfehlung heißt es, man soll darüber nachdenken, ob nicht ein freiwilliges zölibatäres Versprechen eingeführt wird“, so Zollner. Dass dies einen Stein in der Debatte um den Zölibat ins Rollen bringen könnte, glaubt der Jesuit allerdings nicht: „Weil es weltweit diese Art von Beobachtung nicht gibt. Das ist jetzt auch zum ersten Mal, dass eine staatliche Behörde sich da in kirchliche Belange vorwagt. Ich glaube nicht, dass dadurch eine Debatte ausgelöst wird – die gibt es eh schon fast so lange, wie es den Zölibat gibt.“

Es gelte vielmehr weiter darüber nachzudenken, „ob die Leute, die ins Priesterseminar aufgenommen werden, tatsächlich geeignet sind“, so Zollner. „Und wir müssen auch deutlich machen, dass die Ausbildung sowohl während als auch nach der Seminarzeit alles tun muss, damit Menschen, die zölibatär leben wollen, dies auch können im Rahmen dessen, wie sie mit Emotionen, Sexualität, Beziehungen umgehen. Ich erwarte keine grundlegende Diskussion nur aufgrund der australischen Ergebnisse.“ Auch sei die Debatte um die so genannten Viri probati für manche Weltgegenden weiter in Gang, merkt der Jesuit an.

Nachdenken über das Beichtgeheimnis und den Pflichtzölibat

Was das Beichtgeheimnis angehe, stellten sich im Fall von Missbrauch einige Fragen, so Zollner weiter. Wenn etwa ein Minderjähriger während der Beichte darüber berichte, dass er aktuell missbraucht wird – sollte dann das Beichtgeheimnis weiter gültig sein? Über diese Frage werde sowohl in der australischen Missbrauchskommission als auch unter den australischen Bischöfen diskutiert, denen eine Verständigung mit dem Vatikan darüber empfohlen worden sei, so Zollner. Er selbst hat in der Frage eine klare Position: „Ich meine, dass das eindeutig ist, dass es nicht zum Beichtgeheimnis gehört, weil es sich nicht um eine persönlich bekannte Schuld, sondern um ein Verbrechen handelt.“

Die zweite Frage in diesem Kontext sei, ob eine Lossprechung von den Sünden bei einem beichtenden Missbrauchstäter „solange hinausgezögert werden kann, bis sich dieser selber angezeigt habe“: „Ich meine auch dies ist eindeutig, weil es keine Rechtsverpflichtung geben kann, dass sich jemand selber anzeigt – also die Lossprechung kann nicht daran gebunden werden, aber natürlich kann die Lossprechung verweigert werden.“

Kardinal Pell in Australien „persona non grata“

Im Brennpunkt des australischen Missbrauchsskandals steht auch Kurienkardinal George Pell, der als junger Priester an der Vertuschung von Missbrauchsfällen beteiligt gewesen sein soll. Der Kardinal steht in Melbourne wegen des Vorwurfs vor Gericht, als Priester in Ballarat im Schwimmbad zwei junge Männer sexuell belästigt zu haben. Wie stark hat dieser Fall die Glaubwürdigkeit der Kirche, die andererseits auch viel in der Präventionsarbeit geleistet hat, zerstört? Dies wollten wir von Pater Zollner wissen, der in den letzten Monaten Australien mehrmals besuchte:

„Es ist wirklich sehr heftig zu sehen, wie die Grundlage des Vertrauens bei vielen Leuten außerhalb und innerhalb der Kirche zerstört ist. Bei vielen ist es stark erschüttert, das habe ich mehrfach wahrgenommen. Ich bin auch überzeugt, dass die Person von Kardinal Pell und die Anklagen (dazu beigetragen haben), dass das noch mal eine andere Dimension bekommen hat. Ich kann sagen, dass in Australien Kardinal Pell eine ,persona non grata‘, eine unerwünschte Person, ist. Es gibt kaum Leute, die sagen, sie stünden auf seiner Seite. Es gibt aber auch genügend Leute, die sich sozusagen als seine Feinde bezeichnen und die dennoch nicht glauben, dass er selber Missbrauch verübt habe. Er selbst wird in diesem Bericht erwähnt, aber alle Anhaltspunkte seines Verfahrens können aus Rechtsgründen nicht veröffentlicht werden, weil es sich eben um ein schwebendes Verfahren handelt. Die Person des Kardinals ist sehr kontrovers und man wird sehen müssen, wie dieser Prozess ausgeht, der sich aber wohl noch über Jahre hinziehen wird.“ (rv)

Royal Commission: Die Stellungnahme von Sydneys Erzbischof Fisher in deutscher Sprache

„Ich kann Ihnen versichern, dass ich keine Ruhe geben werde, und ich verpflichte mich und die katholische Kirche in Sydney, unser Bestes für Überlebende des Missbrauchs zu geben, um sicherzustellen, dass dieses schreckliche Kapitel niemals wiederholt wird“.

SYDNEY – Der Erzbischof von Sydney, Pater Anthony Fisher OP, hat eine Stellungnahme zum Abschlussbericht der Royal Commission veröffentlicht.

CNA Deutsch veröffentlicht den vollen Wortlaut der schriftlichen Stellungnahme in deutscher Sprache.

In erster Linie möchte ich meine Achtung den Opfern sexuellen Kindesmissbrauchs durch Mitarbeiter der Kirche aussprechen, die ein Leben lang mit den Folgen von Missbrauch gelebt haben und dies auch weiterhin tun werden.

Viele schilderten ihre Geschichten mit großem Mut, selbst unter großen persönlichen Kosten, und wiederholten traumatische Erlebnisse. Ich sage noch einmal, wie leid es mir tut, dass Sie auf diese Weise von Menschen verletzt wurden, denen Sie hätten vertrauen können müssen.

Ich hoffe, dass die Veröffentlichung dieses Berichts Ihnen, Ihrer Familie und Ihren Freunden etwas Trost gibt angesichts der Entschlossenheit, dass sich das, was auf den Seiten dieses Berichts offenbart wurde, niemals wiederholen darf.

Ich danke den Kommissionsmitgliedern und Mitarbeitern für ihre Hingabe, mit der sie den Opfern geduldig und mitfühlend gelauscht haben, dabei die Ursachen dieser schrecklichen Geißel analysierend und Vorschläge erarbeitend, wie jedwede Wiederholung verhindert werden kann.

Der Abschlussbericht umfasst 17 Bände, die sich über fast fünf Jahre der Anhörungen erstrecken. Es wird Zeit brauchen, diese zu verdauen, aber der Bericht wird nicht auf irgendeinem Regal sitzen. Ich werde die Ergebnisse und Empfehlungen sorgfältig studieren und dann eine detaillierte Antwort darauf geben, wie wir – gemeinsam mir der Gesellschaft insgesamt – den Weg nach vorne beschreiten.

Viele der Ergebnisse und Empfehlungen werden nicht überraschen, da sie im Lauf der Arbeit der Königlichen Untersuchungskommission angesprochen wurden; andere werden weiterer Untersuchung bedürfen. Aber was ich heute sagen kann, ist, dass ich entsetzt bin über die sündhaften und kriminellen Aktivitäten einiger Geistlicher, Ordensleute und kirchlicher Laien-Mitarbeiter, dass ich mich schäme für das Versagen mancher Entscheidungsträger und dass ich bereit bin, etwaige systemischen Probleme in Angriff zu nehmen.

Mir ist klar und bewusst, wie dies die Glaubwürdigkeit der Kirche in der Gesellschaft erschüttert und viele unserer eigenen Gläubigen schockiert hat. Wenn wir dem Vertrauen der Menschen würdig sein wollen, müssen wir zeigen, dass das Recht von Kindern auf Schutz, Anhörung und verantwortlichen Umgang immer gewährleistet sind.

Der Abschlussbericht der Kommission wird uns viel darüber sagen, und wir werden viel zu lernen haben. Aber ich möchte Ihnen versichern, dass wir mit der Arbeit bereits begonnen haben.

Seit mindestens zwei Jahrzehnten versucht die Kirche in Australien, auf diese Bedenken einzugehen. Seit den 1960er, 70er und 80er Jahren – der Zeitraum, in dem die meisten dieser schrecklichen Verbrechen verübt wurden – haben wir einiges getan. Aber um die Sicherheit und das Wohlergehen der Jugendlichen und anderer Schutzbefohlener zu gewährleisten, ist auf Dauer viel mehr zu tun.

Wir konzentrieren uns viel stärker auf die richtige Auswahl, Vorbereitung und Bildung des Personals der Kirche; auf die Grenzen, Warnzeichen, angemessene Eingriffe und den richtigen Umgang mit Beschwerden. Laien, besonders Frauen, sind jetzt auf vielen Ebenen an der Gestaltung und Durchführung dieser Aktivitäten beteiligt.

Auf nationaler Ebene hat die Kirche die Einrichtung „Catholic Professional Standards Ltd“ geschaffen, ausgestattet mit der nötigen Expertise und Unabhängigkeit, um glaubwürdige neue Standards zum Schutz von Kindern und Schutzbefohlener zu entwickeln und die Einhaltung der Vorschriften zu überprüfen.

Vor Ort habe ich ein Büro für Schutz und Pastorale Integrität eingerichtet, um sich auf vorbeugende Strategien zu konzentrieren, und die katholischen Schulen in Sydney waren ähnlich proaktiv. Wir haben jetzt auch Pfarrei-Sicherheitsbeauftragte und andere Initiativen.

Ich kann Ihnen versichern, dass ich keine Ruhe geben werde, und ich verpflichte mich und die katholische Kirche in Sydney, unser Bestes für Opfer des Missbrauchs zu geben, um sicherzustellen, dass dieses schreckliche Kapitel niemals wiederholt wird.
Wir werden, so bete ich, eine bescheidenere, reinere und mitfühlendere Kirche sein, als Folge der Arbeit der Kommission und der Überprüfung, die wir erhalten haben.

Ich bete weiterhin für Gerechtigkeit und Heilung der Opfer; für Weisheit und Mitgefühl für Entscheidungsträger und Pfleger; für die Reue der Täter; um Gnade für jene, die versucht sind, den Glauben oder die Hoffnung zu verlieren; für Sicherheit für alle jungen Menschen; und um Trost für alle Betroffenen. Ich bitte alle gläubigen Menschen, mich in diesem Gebet zu begleiten.

Anthony Fisher OP

Erzbischof von Sydney  (CNA Deutsch)

Kritisches Papstbuch: „Der Papst-Diktator“ (Il Papa dittatore)

 

Vor wenigen Tagen ist das papstkritische Buch „Il Papa dittarore“ ( Der Papst- Diktator) in Italien erschienen. Diese Woche kam es in Englisch auf den Markt. Eine Ausgabe in deutscher Sprache soll folgen.

In mehreren Medien weltweit sorgte das Buch von Marcantonio Colonna (ein Pseudonym) für beträchtliches Aufsehen. Der Vatikan reagierte erst heute auf dieses Buch, allerdings nicht durch einen eigenen Artikel, sondern einen Artikel der Nachrichtenagentur kna, platziert bei Radio Vatikan. Unter dem Titel „Italien: Kritisches E-Book zum Papst erschienen “ war lediglich folgendes zu lesen:

„Unter dem Pseudonym Marcantonio Colonna ist ein kritisches E-Book zu Papst Franziskus erschienen. Neue kritische Aspekte zu seinem Pontifikat nennt es nicht, referiert aber auch Kritiker von Jorge Mario Bergoglio aus seiner Zeit in Argentinien. In konservativen Blogs sowie im Nachrichtendienst Twitter sorgte die Publikation für teils heftige Schlagabtausche. Vergangene Woche erschien das E-Book in italienischer Sprache; seit Montag ist es auch auf Englisch erhältlich“.

Die Buchkapitel

  • Die St. Gallen-Mafia
  • Der Kardinal aus Argentinien
  • Die Reformen – welche Reformen?
  • Auf krummen Wegen
  • Barmherzigkeit, Barmherzigkeit!
  • Der Kreml von Santa Marta

Der derzeit noch unbekannte Autor des Werkes, hat im Prinzip weitestgehend bekannte Quellen zusammengetragen und publiziert. In ihrer Gesamtheit wird das Desaster um Papst Franziskus allerdings sehr deutlich.

Jesuitengeneral Peter Hans Kolvenbach

Laut dem Autor war Pater Jorge Bergoglio im Jesuitenorden wohl recht unbeliebt. Vor der Ernennung zum Weihbischof musste der damalige Jesuitengeneral Peter Hans Kolvenbach (1983-2000) einen Bericht über Bergoglio abfassen. Der Inhalt war niederschmetternd. Kolvenbach, gestützt auf Meinungen anderer Ordensmitglieder, bescheinigte Bergoglio, das er für diese Amt nicht geeignet sei. Bergoglio habe einen hinterlistigen Charakter und es fehle im an psychologischem Gleichgewicht. Ferner habe er in der Zeit als Ordensprovinzial von Argentinien gespalten. Der Buchautor will wissen, dass besagter Bericht seinerzeit unter den Mitgliedern der Kongregation für die Bischöfe verteilt wurde und somit einer größeren Personenanzahl bekannt war. Nachdem Bergoglio zum Papst gewählt war, ließ er diesen Bericht offensichtlich verschwinden auch eine Kopie im offiziellen Archiv des Jesuitenordens in Rom ist verschwunden.

Die italienische Tageszeitung La Verità führte per E-Mail ein Interview mit dem Autor. Nachzulesen bei katholisches.info.

„Mein Buch hat dem Vatikan nicht gefallen. Es gab sofort Versuche, zu verstehen, wer es geschrieben hat. Sie dachten schon, den Autor ausgeforscht zu haben als jemand, der sich in England befindet, und haben ihn mit telefonischen Drohungen belästigt. Was ihnen nicht bewusst ist: Das Buch stellt keine Einzelmeinung dar, sondern bringt die Sorgen von sehr vielen Menschen zum Ausdruck, im Vatikan und außerhalb, die wollen, dass die Wahrheit bekannt wird“.

Interessant dürfte es für die Zukunft sein, wer den nun der tatsächliche Autor hinter dem Pseudonym Marcantonio Colonna ist. Stammt dieser womöglich aus dem Vatikan oder sogar aus dem näheren Umfeld des Papstes? Vielleicht ein ehemaliger Mitarbeiter eines vatikanischen Dikasteriums? (vh)

Italien: Übertriebene Therapie nicht besser als Euthanasie

Wie es so ist, manchmal lösen Papstworte durchaus hitzige Diskussionen aus. Doch oftmals werden die Worte des Papstes – mehr oder weniger bewusst – falsch und aus dem Kontext gerissen wiedergegeben. So titelten vor nicht allzu langer Zeit vor allem italienische Medien, der Papst habe in Bezug auf die kirchliche Haltung zum Umgang mit sterbenden Menschen „eine Kehrtwende“ eingeläutet und stünde sogar für Suizidbeihilfe ein. Das stimmt nicht, betont der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Gualtiero Bassetti, Erzbischof von Perugia, gegenüber Radio Vatikan an diesem Dienstag.

Hintergrund des Missverständnisses ist eine Botschaft des Papstes an die Teilnehmer einer Tagung, die sich Mitte November im Vatikan mit Fragen rund um das Lebensende beschäftigte. Da ging Franziskus auf den Umgang mit schwerstkranken Menschen ein und rief dazu auf, bei aussichtslosen Fällen nicht um jeden Preis medizinisch weiter zu behandeln. Am Montag hatte nun der Vatikan die Papst-Botschaft zum Welttag der Kranken, der jeweils am 18. Februar 2018 begannen wird, veröffentlicht. Diese Botschaft zeige konkret auf, wie es der Papst „und die katholische Kirche“ konkret beim Umgang mit Patienten meinen, so Kardinal Bassetti. In der Botschaft zum Weltkrankentag warnt der Papst katholische Krankenhäuser vor dem „Risiko einer Betriebsmentalität“, die nur den Profit und nicht den Patienten vor Augen hätte.

„Was der Papst der Akademie für das Leben sagte, fügt sich in das ein, was die Kirche für die Menschen wünscht und zwar, dass die Bedingungen für Sterbende so menschlich wie möglich sind. Es ist aber nicht immer leicht, von vornherein die klare Grenze zwischen übertriebenen lebensverlängernde Therapien und Euthanasie zu unterscheiden. Deshalb ist es wichtig, dass jene, die zu einem bestimmten Zeitpunkt entscheiden müssen, wie sie medizinisch handeln sollen, sowohl den Willen des Patienten als auch die Kompetenzen des Arztes in Betracht ziehen. Diese Unterscheidungskraft muss also den richtigen Ausgleich zwischen der Pflege und dem Patientenwillen beachten. Das darf aber niemals zu einer ,Wegwerfkultur´ verkommen, wie Papst Franziskus es mehrmals angeprangert hat.“

Sterben sei ein Moment im menschlichen Leben, „in der man an der Grenze der eigenen Existenz“ angelange, fügt Kardinal Bassetti an. Da kämen all die Schwächen zum Vorschein, aber auch die Tatsache, dass man von anderen Menschen abhänge.

„Dazu gehört auch die Abhängigkeit von Gott. Eine solche Situation ruft jene Nähe der Pflege und Gefühle in den Vordergrund, die man vor allem in der palliativen Pflege kennt. … Da geht es darum, auf jene Therapien zu verzichten, die nicht gerechtfertigt sind, weil sie die Bedingungen des Patienten nicht sonderlich verbessern. Damit meine ich aber sicherlich nicht, dass der Patient keine Nahrung und Trinken oder hygienische Pflege mehr bekommen soll.“ (rv)

Medjugorje: Wallfahrten bald erlaubt?

Offizielle kirchliche Wallfahrten nach Medjugorje werden wohl bald erlaubt. Das sagte der Sondergesandte des Papstes für die Seelsorge in Medjugorje, Henryk Hoser, dem Nachrichtenportal Aleteia. Er werde dem Papst empfehlen, einen offiziellen Wallfahrts- und Pilgerbetrieb in dem Dorf in Bosnien-Herzegowina zu erlauben. Allerdings stehe die letzte Entscheidung darüber Franziskus zu.

In Medjugorje kommt es angeblich schon seit Juni 1981 zu Marienerscheinungen. Etwa zweieinhalb Millionen Menschen besuchen den Ort pro Jahr. Der Vatikan hat das Phänomen untersuchen lassen, hat sich bisher aber noch nicht dazu geäußert. Eher skeptisch ließ sich Papst Franziskus zur Authentizität der meisten Erscheinungen vernehmen; allerdings ist ihm eine ordnungsgemäße Pastoral für die Menschen, die nach Medjugorje kommen, ebenfalls ein Anliegen.

Hoser war bis Freitag, als er seinen altersbedingten Rücktritt einreichte, Erzbischof von Warschau-Praga in Polen. Franziskus ernannte ihn im Februar dieses Jahres zu seinem Sonderbeauftragten, um die seelsorgliche Lage in dem Dorf zu studieren. Seinen Bericht hat Hoser im Juni dem Papst übergeben. Es werde aus seiner Sicht „bald kein Problem mehr sein“, wenn Bistümer und andere kirchliche Organismen offizielle Wallfahrten nach Medjugorje durchführen wollen, sagte er jetzt. (rv)

Kardinal Kasper erwartet Ende der Kontroverse um Amoris Laetitia

VATIKANSTADT – Ist die Kontroverse um Amoris Laetitia und die widersprüchlichen Interpretationen des Lehrschreibens nun geklärt und beendet? Diese Erwartung äußert Kardinal Walter Kasper in einem Gastkommentar für die deutschsprachige Sektion von Radio Vatikan.

Durch die Veröffentlichung des Briefes von Papst Franziskus an die Bischöfe von Buenos Aires im Amtsblatt des Vatikans sei „die leidige Auseinandersetzung“ nun „hoffentlich beendet“, schreibt darin der emeritierte Kurienkardinal.

Die „große Mehrheit des Volkes Gottes hat dieses Schreiben schon bisher mit Freude dankbar aufgenommen und darf sich jetzt bestätigt fühlen“, schreibt Kardinal Kasper.

Die mit dem – auf den 5. September 2016 datierten – Papstbrief verknüpfte Interpretation einer Zulassung von wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramenten in Einzelfällen sei in der Lehre der Tradition begründet, so Kasper weiter.

„Der Kardinalfehler der teilweise heftigen Kritik war, dass sie sich an einer einzigen Anmerkung festgebissen und diese aus dem Gesamtzusammenhang herausgerissen hat.“

Den „Kritikern von Amoris Laetitia“ wirft Kardinal Kasper einen „einseitigen moralischen Objektivismus“ vor, der „die Bedeutung des persönlichen Gewissens beim sittlichen Akt“ unterbewerte.

Damit sei nicht geleugnet, dass das Gewissen auf die objektiven Gebote Gottes achten müsse, so Kasper. „Aber allgemeingültige objektive Gebote (…) können nicht mechanisch oder rein logisch deduktiv auf konkrete, oft komplexe und perplexe, Situationen angewandt werden“.

Ohne im Detail auf die Fragen der Dubia einzugehen, betont Kardinal Kasper, es sei vielmehr zu fragen, „welches in der konkreten Situation die rechte und billige Anwendung des Gebots“ sei.

„Das hat nichts mit einer Situationsethik zu tun, welche keine allgemeingültigen Gebote kennt, es geht auch nicht um Ausnahmen vom Gebot, sondern um die Frage der als Situationsgewissen verstandenen Kardinaltugend der Klugheit“.

Ein solche „Anwendung eines Gesetzes“ kenne der weltliche Rechtsbereich in der Unterscheidung von Mord und Totschlag im Fall einer Tötung eines Menschen, argumentiert Kardinal Kasper weiter.

Zudem stehe Papst Franziskus damit „klar auf dem Boden des II. Vatikanischen Konzils, das gelehrt hat, dass das Gewissen die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen ist, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinem Innersten zu hören ist (Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 16)“. (CNA Deutsch)

Zum Streit um die Versuchungsbitte im Vaterunser

Von VATICAN Magazin / Klaus Berger.

Die deutsche Wendung „in Versuchung führen“ ist zumindest doppeldeutig. Daher gibt es auch bei uns dazu immer wieder Anfragen, die eine große Irritation verraten. Denn jede der beiden deutschen Bedeutungen führt zu theologischen und religiösen Unmöglichkeiten

Versteht man „in Versuchung führen“ als Versuchen, also als Bemühen zu Fall zu bringen, dann kann man sagen: Das tut Gott nicht. Und bestätigt wird das durch den Jakobusbrief 1,13 („Gott versucht keinen“). Und Jak 1,14 sagt auch, dass wir bei Versuchungen immer wieder über die eigene Schwäche stolpern, aber eben Gott dafür nicht verantwortlich machen dürfen. Nein, Gott versucht nicht, und wenn die Evangelien sagen, dass der Teufel in Versuchung führe, dann meinen sie zweifellos, das zu einer Versuchung, in die man hineinfällt, immer zwei gehören: der schwache Mensch und eine rätselhafte, zur Sucht führende Macht von außen.

Versteht man „in Versuchung führen“ als Hineinführen in eine Situation, in der dann der Teufel die Menschen versucht, dann widerspricht dem augenscheinlich wiederum die Schrift selbst. Denn nach Mk 1,12 heißt es: „Und sogleich trieb der Heilige Geist Jesus in die Wüste“; dort wird Jesus dann versucht. Gott selbst also führt Jesus in die Versuchung. Der Teufel versucht Jesus, aber Gottes Geist treibt Jesus förmlich in die Versuchung durch den Teufel hinein. Auch das sieht nach einer Unmöglichkeit aus. Denn Gott tut hier genau das mit Jesus, was er nach dem Vaterunser mit den Jüngern nicht tun soll. Geht es also auch hier um eine theologische Unmöglichkeit?

Ergebnis: Beide mögliche Bedeutungen führen zu Absurditäten. Doch wer so denkt, hat das Vaterunser nicht verstanden.

Denn es ist in der Tat so, dass Gott nach Mk 1,12 mit Jesus das tut, was er mit den betenden Jüngern nicht tun soll. Denn im Vaterunser bringt Jesus den Jüngern bei, wie sie beten sollen. Jesus hat das Vaterunser nicht mit den Jüngern zusammen gebetet, diese Annahme würde schon bei der Vergebungsbitte in neue Absurditäten führen. Denn Jesus, der ohne Sünde ist, kann nicht um Vergebung seiner Schuld bitten.

Die Versuchungsbitte macht vielmehr dann Sinn, wenn man sie übersetzt: Und lass uns nicht in Versuchung geraten.

Das versteht man besser, wenn man den Text Mk 14,35-42 (Versuchung in Gethsemane) hinzunimmt. Jesus lässt die Jünger schlafen, währender betet. Er weiß, dass er ihnen nicht zumuten kann, was ihm zugemutet wird. Denn er weiß, dass er Sohn Gottes ist (seit Mk 1,11), die Jünger aber sind das gerade nicht. Eine Versuchung, wie er sie überstanden hat, kann er den Jüngern gerade nicht zumuten.

Und wenn die Versuchung doch kommt (denn das könnte trotz allem Gottes Wille sein, vgl. Mk 14,36b), dann gibt er den Jüngern ein Mittel an die Hand, sie zu überstehen: Gott auf sein Vater-Sein hin ansprechen, wie Jesus es nach Mk 14,36 (und nur dort!) mit dem hebräischen Wort ABBA tut. Das ist ein Signal für die Einzigartigkeit der Sohnschaft Jesu.

In diesem und nur in diesem Sinne – unter Beachtung von Punkt 2.bis 4. meiner Argumente – kann ich übersetzen: „Lass uns nicht in Versuchung geraten“. Denn das könnte Gott tun, wie man an Jesus sieht. Doch er soll es lieber nicht tun (außer wenn er es dezidiert will, was auch Jesus sagt: Nicht mein, sondern dein Wille geschehe) Denn das Vaterunser betont durchweg die Hilfsbedürftigkeit und Schwäche der Menschen, von der Brotbitte bis hin zur Vergebungsbitte. Und da passt die Bitte um Verschonung von Testsituationen gut hinein.

Erläutert, umgesetzt ins Gebet heißt demnach die Übersetzung „Lass uns nicht in Versuchung geraten“: Mute uns das nicht zu, was Jesus siegreich überstehen konnte. Er ist auf einzigartige Weise dein geliebter Sohn, voll des Heiligen Geistes; so konnte er nach seiner Taufe dem bösen teuflischen Geist widerstehen. Wir aber sind schwache, sündige Menschen, schwache Lichter. Verschone uns, Herr. Verschone uns von Situationen, denen wir nicht gewachsen sind. Nimm dieses als unser demütiges Eingeständnis. Die Rolle stolzer Glaubenskrieger können wir nicht wahrnehmen. Wir sehen es in Mk 14 an den Jüngern, die selbst dazu nicht in der Lage waren, mit Jesus wach zu bleiben.

Im Alten Testament heißt es: Gott versuchte Abraham (Gen 22,1). Doch das hebräische Verb heißt an dieser Stelle „erproben“, „auf die Probe stellen“, „prüfen“. nicht aber: heimtückisch, listig und mit dem Ziel des Absturzes in die Irre leiten. Wenn die Seelsorge von „Prüfungen“ spricht, dann meint sie so etwas. Wir kennen das auch von Führerscheinprüfung, Abiturprüfung usw. Prüfungen müssen sein, sie gehören zu jedem Beruf. Im Falle Abrahams, dessen Beruf war, „Muster aller Glaubenden“ zu sein, hat die jüdische Tradition Abrahams Prüfungen dann im Sinne von Schicksalsschlägen gedeutet, z.B. den Tod Saras. Und von den Schicksalsschlägen wissen wir, dass sie jeden treffen können und immer wieder treffen werden. Abraham übersteht das alles, weil er durch seinen Glauben gestärkt Gottes Freund ist. Die Opferung Isaaks ist ein Sonderfall, auf den ich an anderer Stelle gerne eingehe. Hier könnte gelten: Es kann geschehen, dass einer mehr geprüft wird je nach der Größe und Verantwortung seines Amtes bzw. seiner Rolle in der Heilsgeschichte oder in der Kirche. Beim Vaterunser geht es darum nicht. Denn wir wollen uns ja bewähren. Aber dem Teufel oder der Kreuzigung leibhaftig ausgeliefert sein wie es Jesus geschah, da bitten wir um Schonung.

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von VATICAN Magazin.

Hinweis: Kommentare spiegeln die Meinung des Autors wider – nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch. (CNA Deutsch)

Franziskus ernennt neuen Erzbischof von Mexiko-Stadt

Papst Franziskus nahm heute den Rücktritt von Kardinal Rivera Carrera von seinem Amt als Erzbischof von Mexiko-Stadt an. Die Leitung des Erzbistums hatte er seit Juni 1995 inne. Sein Nachfolger wird der Erzbischof von Tlalnepantla, Kardinal Carlos Aguiar Retes. Mit dieser Ernennung ist Kardinal Aguiar Retes zugleich auch Metropolitan des Erzbistums. Papst Franziskus hatte ihn vor einem Jahr in den Kardinalsstand erhoben und ihm die Titelkirche „Ss. Fabiano e Venanzio a Villa Fiorelli“ übertragen. (vh)

Neuer Erzbischof von Paris: Michel Aupetit

Stabwechsel in einer der wichtigsten Diözesen Europas: Kardinal André Vingt-Trois räumt seinen Platz als Erzbischof von Paris. Neuer Hausherr in der Kathedrale Notre Dame wird – für viele überraschend – der bisherige Bischof von Nanterre, Michel Aupetit.

Es ist vor allem Jean-Marie Lustiger, der dem Erzbistum Paris innerkirchlichen Glanz gegeben hat. Lustiger, ein zum Christentum konvertierter Jude, war von 1981 bis 2005 einer der profiliertesten Denker der Kirche, auch die Académie Francais wählte ihn in die Reihen der „Unsterblichen“. Vingt-Trois, ein gebürtiger Pariser, konnte in seinen zwölf Jahren an der Spitze des Erzbistums mit dem Charisma seines Vorgängers zwar nicht mithalten, sorgte aber auf solide Weise dafür, dass die Stimme der Kirche in den zeitweise wilden Debatten der französischen Gesellschaft gehört wurde.

Jetzt beginnt an der Seine also die Ära Aupetit. Er wurde 1951 in Versailles geboren, studierte Medizin in Créteil, arbeitete zwölf Jahre lang als Arzt in Colombes – immer in der Peripherie der Hauptstadt. Seine Spezialität: Bioethik. 1990 entschied er sich, ins Priesterseminar einzutreten; fünf Jahre später war er Priester des Erzbistums Paris. Zunächst arbeitete er als Pfarrer und Schulseelsorger im für seine Buntheit bekannten Stadtviertel Marais; ab 2006 war er Generalvikar, ab 2013 Weihbischof von Paris. Schon ein Jahr später machte ihn Papst Franziskus zum Bischof von Nanterre.

Innerhalb der französischen Bischofskonferenz ist Aupetit für das Thema Familie und Gesellschaft zuständig – keine Kleinigkeit angesichts der heftigen Debatten um „Ehe für alle“ und angesichts der katholisch geprägten Bewegung „Demo für alle“. Er sitzt auch in der Bioethik-Arbeitsgruppe der Bischofskonferenz. (rv)

D: Kirchenrechtler fordert Papstkritiker zu Gehorsam auf

Radio Vatikan (Screenshot vom 07. November)

Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller fordert Kritiker von Papst Franziskus zum Gehorsam auf. Nachdem der Papst mit lehramtlicher Autorität festgelegt hat, wie Seelsorger mit wiederverheirateten Geschiedenen umgehen sollen, sei mittlerweile „völlig klar, was der Papst meint“. Das sagte Schüller dem Online-Portal „Kirche und Leben“.

„Die Kardinäle und Bischöfe müssen nun endgültig diese Sicht der Dinge annehmen und sie gegenüber ihren Gläubigen so vermitteln. Jetzt ist endgültig geklärt, was 99 Prozent der Katholiken ja ohnehin schon verstanden haben.“

Schüller bezog sich darauf, dass das Amtsblatt des Vatikans für 2016 Dokumente veröffentlicht hat, die sich auf den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen beziehen. Der Streit um eine entsprechende Fußnote im Papstschreiben Amoris Laetitia hatte zu einem Dubia-Brief von Kardinälen geführt (dubia, lat.: Zweifel).

Dann hat man gegenüber Dritten zu schweigen

„Die »Acta Apostolicae Sedis« sind das offizielle Publikationsorgan des Heiligen Stuhls, in dem kirchenamtlich veröffentlicht wird, was verbindlich für die Kirche lehramtlich und kirchenrechtlich festgelegt ist“, so Schüller. Franziskus habe sich damit „mit lehramtlicher Verbindlichkeit“ geäußert. „Damit ist klar: Dies hat jeder katholische Gläubige mit religiösem Verstandes- und Willensgehorsam (c. 752 CIC) anzunehmen.“

Das gilt, wie der Kirchenrechtler betont, auch für Kardinäle. Zwar sei es in der Kirchengeschichte immer wieder mal vorgekommen, dass Kardinäle mit der Entscheidung eines Papstes „nicht zurecht“ kämen. Doch „dann hat man gegenüber Dritten im Gehorsam gegenüber dem Papst zu schweigen und keine Gegenpolitik zu leisten – und Bischöfe und Kardinäle schon mal gar nicht“.

Kardinäle hätten sich „zu besonderer Treue gegenüber dem Papst verpflichtet“, mahnt Schüller. „Sie haben dann schlichtweg zu schweigen und dem Papst bedingungslos zu gehorchen und jedwede öffentliche Äußerungen zu unterlassen, die den Eindruck erwecken könnten, dass sie eine andere Sicht der Dinge haben.“ (rv)