Kardinal Rai: „Wahre Solidarität für Nahost ist Hilfe vor Ort“

Kardinal Bechara RaiDie Kirche der deutschsprachigen Katholiken Roms hat als erste nicht-maronitische Kirche eine Reliquie des libanesischen Heiligen Charbel Markhlouf erhalten. Bei einer Feier am Freitagabend hat in der Kirche Santa Maria dell´Anima überreichte das Oberhaupt der Maroniten Kardinal Bechara Boutros Rai – er ist auch Patriarch von Antiochien – anlässlich einer Liturgiefeier im maronitischen Ritus die Reliquien. Es war ein einmaliges Ereignis. Am Samstag traf Patriarch Rai zudem Papst Franziskus, um über die politische Situation im Libanon zu sprechen. Radio Vatikan hat das Oberhaupt der Maroniten im Vorfeld interviewt. Dabei sprach der Patriarch auch von falsch verstandener Solidarität für Flüchtlinge in Europa.

„Wir sind den Christen im Westen sehr dankbar für ihre Menschlichkeit und Solidarität. Aber uns hilft es nicht, den Christen im Orient zu sagen: Kommt her, ihr seid herzlich Willkommen. Wir können den Nahen Osten nicht von der Kirche entleeren. Christen sind nicht einfach Individuen zum Herumverteilen. Es ist die Kirche Christi, die Wiege der Christenheit im Orient. Wir können nicht die Wurzeln des Christentums ausreißen.“ Patriarch Rai fügte an, dass der Westen und die Christen allgemein jeden Tag einen lautstarken Appell machen müssten: „Schluss mit Krieg in Syrien, Irak, Jemen und in Palästina! Und Friedenslösungen finden. Wie Papst Franziskus gesagt hat: Schluss mit dem Waffenhandel! Schluss mit wirtschaftlichen, geostrategischen, politischen Interessen auf dem Rücken von Millionen von Menschen, die aus ihren Ländern vertrieben werden. Also muss der christliche Westen den Christen helfen, in ihren Ländern zu bleiben, anstatt ihnen zu sagen: Kommt her. Ich weiß, das ist hart. Aber das ist wahre Solidarität. Ihnen vor Ort zu helfen, würdevoll zu leben, Arbeit zu bekommen, und auszuharren, bis dieser Sturm vorüber ist. Das wünsche ich diesen Menschen. Und so werde ich das auch dem Papst sagen.“

Patriarch Rai ging am Samstagvormittag beim Papst in Audienz, um mit ihm über die Entwicklungen bei der Besetzung des Staatspräsidentenamtes in seiner Heimat zu besprechen. Und über die Friedensbemühungen im Nahen Osten.

Zur Feier am Freitagabend in der Anima: Der Heilige Charbel Makhlouf war ein maronitischer Mönch des 19. Jahrhunderts, den Papst Paul VI. erst selig- und schließlich 1977 heiligsprach. Charbel führte in einer Einsiedelei des Klosters Annaya ein asketisch strenges Büßerleben und wurde schon zu Lebzeiten wie ein Heiliger verehrt. Die Knochenreliquie von ihm ist ein Geschenk des Kollegs Mar Abda des Maronitenordens der Heiligen Jungfrau Maria im Libanon. Sie erhielt ihren Platz in einem der Altare der Kirche, an dem zugleich ein permanentes „Friedenslicht für den Libanon und den Nahen Osten“ entzündet wurde. Kardinal Bechara Rai erklärte, wie die Anima in Rom zu dieser Ehre gekommen ist:

„Einige unserer Patres in Rom lernen deutsch und haben auch schon in der deutschsprachigen Gemeinde mitgeholfen. Daraus wurde eine Freundschaft und die Idee entstand, die Reliquien vom Heiligen Charbel auf einem Altar der Kirche aufzubewahren. Der Rektor des Päpstlichen Instituts Santa Maria dell’Anima, Franz-Xaver Brandmayr, bat mich dann darum, dort zu diesem Anlass eine Messe zu feiern.“

Die Messe wurde in syrisch-aramäisch, der Sprache Jesu gehalten. Ebenso die Gesänge der maronitischen Geistlichen, deren orientalischer Klang zusammen mit dem Weihrauch eine mystische Stimmung erzeugte. Es ist eine große Ehre für die Gemeinde, denn der Heilige Charbel wird auf der ganzen Welt verehrt, wie Kardinal Bechara Rai erklärt:

„Der heilige Charbel ist ein Eremiten-Mönch, ein großer Mensch der Stille, des Gebets, des großen Heldentums. Er wurde von der Welt und seinen Lieben ganz getrennt. Selbst als seine Mutter einmal zum Kloster kam, wollte er sich ihr nicht zeigen und sagte: ‚Mutter, wir sehen uns im Himmel‘. Er ist ein Mann des großen Opfers, der sich so sehr Gott hingegeben hat. Wir wissen nicht, warum Gott ihn auf der ganzen Welt bekannt gemacht hat. Egal wo auf der Welt Sie hingehen, gibt es eine Verehrung für den Heiligen Charbel – sei es in Afrika, Lateinamerika, Europa oder Ozeanien – überall. Wir fragen uns: warum bewirkt er überall Wunder, ist überall präsent? Menschen, die nicht einmal den Libanon kennen, kennen dafür den Heiligen Charbel.“

Die Wunder waren stets ziemlich ausgefallen, wie der Kardinal betont. An eines erinnern die Maroniten immer am 22. jedes Monats. Es geschah vor 23 Jahren. Eine Frau war komplett gelähmt und träumte eines Nachts von Charbel, der zu ihr sagte: Ich werde dich operieren. Sie antwortete: Aber nein, Pater, der Arzt hat gesagt, das sei nicht möglich. Als sie erwachte, merkte sie, dass sie blutete und eine Narbe hatte – sie war geheilt worden. Auf ein Wunder in der libanesischen Politik dürfte man auch hoffen – seit Mai 2014 gibt es keinen Präsidenten mehr, weil eine Patt-Situation zwischen zwei Kandidaten Wahlen blockierte. Einer der Kandidaten, der Samir Geagea von der sunnitisch geprägten Allianz des 14. März verzichtete am Montag vor einer Woche auf seine Kandidatur, zugunsten seines Gegenkandidaten und Erzfeinds, wie Bechara Rai sagt: Michel Aoun. Doch wer glaubt, dadurch sei die Ausganglage für eine baldige Präsidentenwahl besser, täuscht sich, so der Patriarch:

„Der Verzicht von Samir Geagea auf die Präsidentschaftskandidatur zugunsten seines Feindes Michel Aoun war eine Überraschung, die zugleich die Dinge komplizierter macht. Denn mit Michel Aoun und dem Kandidaten der maronitischen Marada-Partei, Suleiman Frangieh, sind beide Kandidaten Alliierte der Hisbollah. Die Versöhnung von Samir Gaegea und Michel Aoun hat der libanesischen Gesellschaft sehr geholfen, weil es eine sehr angespannte Situation war. Es stimmt, auch Michel Aoun hat eine starke Persönlichkeit, aber er kann nicht auf viele Stimmen hoffen. Jetzt kommt es auf die Hisbollah an, die einen Schritt vorangehen und sehen muss, wen der beiden sie aufstellt. Das wird nicht einfach. Jetzt müssen wir hören, was die einzelnen Fraktionen und Parteien sagen, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Die Situation ist kritisch. Damit die Wahlen vorangehen, müssen wir jetzt Druck auf die Hisbollah und den Iran machen, der Verbündeter der Hisbollah ist.”

Da könnte es auch hilfreich sein, wenn der iranische Präsident Hassan Rohani am kommenden Dienstag Papst Franziskus besucht. (rv)

 

Italien/Libanon: Anima-Kirche erhält Charbel-Reliquie

Santa Maria dell AnimaDie Kirche der deutschsprachigen Katholiken in Rom, Santa Maria dell´Anima, erhält eine Reliquie des libanesischen Heiligen Charbel. An diesem Freitag um 18 Uhr zelebriert Kardinal Bechara Boutros Rai, der Patriarch von Antiochien, anlässlich der feierlichen Übergabe in der Anima eine Heilige Messe im maronitischen Ritus. Die Knochenreliquie ist ein Geschenk des Kollegs Mar Abda des Maronitenordens der Heiligen Jungfrau Maria im Libanon. Sie erhält ihren Platz in einem der Altare der Kirche, an dem zugleich ein permanentes „Friedenslicht für den Libanon und den Nahen Osten“ entzündet wird.

Charbel Makhlouf ist ein maronitischer Mönch des 19. Jahrhunderts, den Papst Paul VI. erst selig und schließlich 1977 heiligsprach. Er führte in einer Einsiedelei des Klosters Annaya ein asketisch strenges Büßerleben und wurde schon zu Lebzeiten wie ein Heiliger verehrt. (rv)

Israel/Palästina: Verlassenes Heiliges Land

IsraelDie Pilger im Heiligen Land bleiben aus. Die heiligen Stätten scheinen verlassen und die Christen, die im Tourismus arbeiten, denken daran wegzuziehen. Das sagt Franziskanerpater Ibrahim Faltas von der Kustodie des Heiligen Landes in Jerusalem. Alleine aus Italien seien rund 40 Prozent weniger Gäste gekommen. Es handle sich nicht nur um ein wirtschaftlich-soziales Problem, sondern es sei auch ein „Verlust der Werte der Pilgerorte“, prangert Pater Faltas an.

„In der Tat war 2015 ein sehr schwieriges Jahr für den gesamten Raum des Heiligen Landes und für die Pilger….Wir können sagen, dass weniger als die Hälfte als im Vorjahr gekommen sind und das ist ein großer Verlust. Das schadet auch der christlichen Präsenz, denn die meisten Christen hier arbeiten im Tourismusbereich: sie haben Unterkünfte, Restaurants, sind Reiseleiter und in diesem Moment sind alle Pilgerorte leer. Die Menschen weinen, viele von ihnen sind arbeitslos geworden und deswegen verlassen sie das Heilige Land. Das ist das Problem.“

Pater Faltas erlebte im Jahr 2000 auch die zweite Intifada mit. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte er, dass die derzeitige Situation noch drastischer sei, wenn es um die Besucherzahl gehe.

In Getsemani beispielsweise, wo normalerweise fünf- bis sechstausend Menschen täglich hin pilgern, sei derzeit so gut wie niemand. Schuld daran sei, laut Pater Faltas, auch die negative Berichterstattung der Medien.

„Und dann denke ich, dass die Menschen Angst haben. Sie haben nicht nur Angst ins Heilige Land zu kommen, sondern in den gesamten Nahen Osten, nach Ägypten oder Jordanien. Dort ist die Situation ähnlich. Das gilt auch für die Türkei nach den letzten Attentaten. Das sind große Probleme, Probleme, die mit Angst verbunden sind. Darum sage ich den Menschen, sie sollen diese Angst überwinden. Ihr müsst als Pilger wieder kommen. Es ist wirklich noch nie einem Pilger etwas passiert. Palästinenser und Israelis respektieren die Touristen. Während der zweiten Intifada war ich mit einer Touristengruppe in Betlehem. unterwegs Die Kämpfe wurden damals für unseren Eintritt unterbrochen.“

Während Pater Faltas dazu aufruft ins Heilige Land zu pilgern, meldete jedoch die deutsche Benediktinerabtei Dormitio in Jerusalem christenfeindliche Attacken. Unbekannte hätten vergangenes Wochenende in schwarzer Farbe Sprüche auf die Außenwand der Kirche sowie ein Hospiz gesprüht. Tatverdächtig seien jüdische Extremisten, berichtete die Zeitung Haaretz. Nach Angaben der Abtei schrieben sie unter anderem Parolen wie „Christen zur Hölle“, „Tod den Christen“ oder „Rache für die Israeliten“. Auch die Umfassungsmauern eines benachbarten griechisch-orthodoxen und eines armenischen Friedhofs seien betroffen. Die Mönche forderten die israelischen Behörden zu mehr Schutz auf und sowohl Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als auch der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Fouad Twal verurteilte den Angriff. (rv)

Kardinal Marx sieht Fortschritte in Vietnam

Kardinal MarxKardinal Marx sieht Fortschritte bei der Religionsfreiheit in Vietnam. Zwar seien noch nicht die vollen Rechte gewährleistet, wie sie in den internationalen Menschenrechtsvereinbarungen festgehalten sind. Aber der heutige Zustand sei auch „weit entfernt von der Repression, die die Kirche in früheren Jahrzehnten erleiden musste“, so der Kardinal laut einer Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz. Am Sonntag war der Münchner Erzbischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz von einer neuntägigen Reise in das Land zurückgekehrt. Er war mit Vertretern der örtlichen Kirche und Repräsentanten des Staates sowie des Wirtschaftslebens in Hanoi und Ho-Chi-Minh-City zusammengetroffen. Auch sprach Marx mit einigen Dissidenten. Ein geplanter Besuch in die zentralvietnamesische Stadt Vinh wurde hingegen von den staatlichen Behörden untersagt, wahrscheinlich wegen des geplanten Begegnung mit dem Bischof von Vinh, Nguyen Thai Hop. (rv)

Vietnam: Ein wichtiges Jahr für die Kirche

Kardinal Nguyen Van NhonKardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, besucht derzeit Vietnam und trifft dort auf eine Kirche, die 2015 ein ausgesprochen wichtiges Jahr erlebt hat. Das ergibt sich aus dem Jahresrückblick, den die Bischofskonferenz des Landes jetzt veröffentlichte. Zu den nachhaltigsten Ereignissen dürfte die Einrichtung der ersten katholischen Universität Vietnams gehören.

An erster Stelle der wichtigen Ereignisse nennt der Bericht die Erhebung des Erzbischofs von Hanoi, Pierre Nguyen Van Nhon, zum Kardinal. Er sei der sechste Kardinal überhaupt in der Geschichte des Landes. Als zweites führt der Bericht den Besuch von Kardinal Fernando Filoni auf; der Präfekt der vatikanischen Missionskongregation feierte im Januar letzten Jahres die Abschlussmesse der Feiern, die den 400. Jahrestag der Evangelisierung Vietnams markierten.

Nummer drei: die Einrichtung der katholischen Universität, die derzeit allerdings noch in den Kinderschuhen steckt. Eine Erlaubnis des Regimes und dann im Oktober letzten Jahres ein Dekret der vatikanischen Bildungskongregation machten den Weg frei für das „Katholische Institut Vietnams“.

Als weitere kirchliche Höhepunkte des Jahres 2015 führen die Bischöfe einen Nationalen Eucharistischen Kongress und ein Katholisches Jugendtreffen auf. Das Jugendtreffen organisieren sie seit mittlerweile dreizehn Jahren, Vorbild ist der kirchliche Weltjugendtag. In Vietnam richtet jedes Jahr ein anderes Bistum das Jugendtreffen aus, das sich wachsenden Zuspruchs erfreut. (rv)

Hilfskirche für das Heilige Jahr: San Salvatore in Lauro

S. Salvatore in LauroDas Heilige Jahr ist drei Wochen alt, noch sind keine Massen in die Stadt gekommen und die Sicherheitsvorkehrungen sind nach den Anschlägen von Paris sehr streng. Und doch sind die Stadt und die Kirche auch geistlich vorbereitet auf die Pilger und Gläubigen, die Rom besuchen wollen. Sechs Heilige Pforten hat die Stadt, neben Sankt Peter die Bischofskirche San Giovanni in Lateran, dann Sankt Paul vor den Mauern und Santa Maria Maggiore, dazu der Wallfahrtsort Divino Amore und das Caritas-Zentrum am Hauptbahnhof von Rom. Das ist aber noch nicht alles, daneben gibt es weitere „Hilfskirchen“ für das Jahr der Barmherzigkeit, zum Beispiel San Salvatore in Lauro. Die Kirche hat keine eigene Heilige Pforte, hilft aber mit Gebets- und Beichtmöglichkeit aus, wo die Zugänge zu den Basiliken und vor allem in Sankt Peter nicht so einfach sind. Mit besonderen Angeboten und eine für Italien nicht üblichen ganztäglichen Öffnung will man zum Erfolg des Jahres der Barmherzigkeit beitragen.

Pater Pio

Pietro Bongiovanni, Pfarrer von San Salvatore, berichtet gegenüber Radio Vatikan, dass seine Kirche in den vergangenen Jahren immer mehr zu einem Zentrum des Gebets geworden sei, man sei also gut vorbereitet. „Vor allem kann man während des Jahres bei uns den ganzen Tag über beichten und einen Priester treffen. Darüber hinaus gibt es aber auch Anbetung, Gebetsstunden, und andere Initiativen. Das Ganze geht auf die Spiritualität von Pater Pio zurück, der in der Kirche besonders verehrt wird.“ Der Schrein mit den sterblichen Resten des italienischen heiligen Kapuziners Pio da Pietralcina wird im Februar in Sankt Peter zur Verehrung ausgestellt, auch nach San Salvatore werden die Reliquien kommen, berichtet der Pfarrer. „Der Papst wollte, dass Pater Pio nach Rom kommt, um den Menschen ein Beispiel eines heiligen Priesters vor Augen zu führen, der sein Priestertum ganz konkret ganz für die Versöhnung eingesetzt hat. Er war sozusagen ein großer Apostel der Beichte. Zu ihm sind tausende, wahrscheinlich sogar bis zu zwei Millionen Menschen, ins Sakrament der Beichte gekommen.“ Die Beichte gehört fest zum Bestandteil des Rituals des Durchschreitens der Heiligen Pforte, somit liegt die Kirche ideal für alle Pilger.

Von Sankt Peter aus ist es nur einen Steinwurf, bei der Engelsburg über den Tiber und dann einige Meter nach links. Damit liegt sie direkt an einem der Pilgerwege Roms, die für dieses Heilige Jahr besonders ausgebaut wurden und werden. (rv)

Bosnien: „Es ist ein bisschen deprimierend“

Bosnien HerzegowinaEs gibt Schöneres, als Weihnachten in Bosnien-Herzegowina zu feiern. Diesen Eindruck bekommt man jedenfalls, wenn man mit Weihbischof Pero Sudar von Sarajewo spricht. „Weihnachten hat zwei Gesichter“, sagt er: „Das erste ist das Familien-Gesicht. Die Familien wollen sich treffen, aber leider sind viele von ihnen getrennt – die Kinder in einer anderen Weltgegend, die Eltern und Großeltern hingegen in Bosnien-Herzegowina. In den letzten Jahren haben die Jüngeren immer die Anstrengung gemacht, an Weihnachten nach Hause zu den Eltern und Großeltern zu kommen. Jetzt läuft es umgekehrt, die Eltern und Großeltern fahren zu ihren Kindern und zu den Enkeln ins Ausland. Ich sehe diesen umgekehrten Pilgerstrom, wenn ich in diesen Tagen in unseren Pfarreien bin.“

Und das andere Gesicht von Weihnachten? Das ist das „soziale Gesicht“, sagt Weihbischof Sudar – und das sei „ein bisschen deprimierend“. „Denn leider bleibt die politische Lage blockiert, und auch die wirtschaftliche Lage ist weiter sehr schwer: viele Arbeitslose, viele Familien, die keinen haben, der mal Geld nach Hause bringt. Diese drückende Lage verhindert echte Weihnachtsfreude in den Familien, den Pfarreien, auch in der Gesellschaft. Immerhin sieht man in der Stadt, aber auch in kleinen Dörfern doch ein bisschen Weihnachtsschmuck – er zeigt die Präsenz der Katholiken in Bosnien-Herzegowina.“

Warum Sudar so sicher ist, dass es Katholiken sind, die Weihnachtsschmuck anbringen? Ganz einfach: Die serbisch-orthodoxen Christen in Bosnien feiern Weihnachten später, erst im Januar… und die Muslime feiern es gar nicht. (rv)

D: „Krippe ohne Jesuskind ist albern“

DeutschlandDer Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, ermuntert die Katholiken zu Präsenz in der deutschen Öffentlichkeit – und zwar gerade rund um Weihnachten. In einem Interview mit Radio Vatikan sagte der Verbindungsmann zwischen den deutschen Bischöfen und der Bundesregierung:

„Also ehrlich gesagt: Ich finde es extrem albern, wenn Leute nur „Seasons greetings“ verschicken zum Weihnachtsfest oder zu Neujahr und sich nicht mehr zu ihrer eigenen Religion bekennen. Wenn jemand nicht mehr glaubt, kann er das natürlich tun, aber dann fragt man sich, warum er diese Tage überhaupt noch zum Anlass nimmt, irgendwelche Grüße zu verschicken. Genauso albern finde ich es, wenn man in eine Krippe kein Jesuskind mehr hineinlegt – da wird die Sache allmählich auch lächerlich. Das wird im übrigen von denjenigen, die keine Christen sind, auch überhaupt nicht wertgeschätzt!“

Wenn die Christen selbst nicht mehr für ihre eigenen Symbole und ihren Glauben in der Öffentlichkeit eintreten, „dann werden uns andere Religionsgemeinschaften oder Atheisten nicht mehr wirklich ernst nehmen“, urteilt Jüsten.

„Was man sicher nicht machen sollte, ist, dass man religiöse Symbole sozusagen einsetzt, um politische Ziele durchsetzen zu wollen, um zu agitieren oder um anderen ihre eigene Meinungsfreiheit nicht zu lassen. Also, ich fand es zum Beispiel auch pervers, dass bei der Pegida-Demonstration die Demonstranten mit Kreuzen losgezogen sind, um das christliche Abendland zu schützen. Das ist natürlich auch ein Missbrauch von religiösen Symbolen!“

Unser Interview mit Prälat Jüsten drehte sich vor allem um das Thema Religionsfreiheit; Ausgangspunkt ist das Konzilsdokument „Humanae Dignitatis“ zur Religionsfreiheit, das vor fünfzig Jahren veröffentlicht wurde. Das ganze Interview mit Prälat Jüsten können Sie in unserer Abendsendung hören. (rv)

Erzbischof Wesolowski starb natürlichen Todes

PolenDer des Kindesmissbrauchs angeklagte Vatikandiplomat Erzbischof Jozef Wesolowski ist eines natürlichen Todes gestorben. Das hat nun auch ein weiterer medizinischer Befund ergeben, wie der Vatikan am Freitag mitteilte. Die chemisch-toxologische Untersuchung von bei der Autopsie entnommenen Proben wurde von Gerichtsmedizinern durchgeführt, die dazu von der vatikanischen Staatsanwaltes am Tag nach dem Tod des Erzbischofs beauftragt worden waren, hieß es.

Wesolowski war Ende August im Vatikan verstorben. Ein gegen ihn im Vatikan eröffneter Prozess kam wegen seiner Erkrankung nicht mehr zustande. Der polnische Erzbischof wurde 2009 Nuntius in der Dominikanischen Republik. Dort hat er der vatikanischen Staatsanwaltschaft zufolge mehrere Jungen im Alter von 13 bis 16 Jahren sexuell missbraucht und große Mengen kinderpornografischen Materials besessen. (rv)

Militärischer Einsatz auch katholisch zu rechtfertigen

Deutsche BundeswehrDie Bundeswehr hat ihren Anti-ISIS Einsatz begonnen, in der Nacht auf Mittwoch flog erstmals ein deutsches Tankflugzeug um Kampfjets in der Luft zu versorgen. Kardinal Reinhard Marx sagte hingegen jüngst in einem Interview, dass dieser Einsatz, ein Kriegseinsatz, eine Niederlage sei. Er hinterfragt den Bundeswehreinsatz in Syrien, ob dieser wirklich zu rechtfertigen sei. Doch es gibt auch katholische Stimmen, die diesen Einsatz befürworten: der ehemalige General Karl Hein Lather. Er engagiert sich im Stiftungsbeirat der Katholischen Friedensstiftung und hat mit Pia Dyckmans über den militärischen Einsatz der deutschen Bundeswehr in Syrien gesprochen.

Karl-Heinz Lather: „Ich glaube, dass es richtig ist, dass wir uns an der Koalition, die gegen den Islamischen Staat dort kämpft, beteiligen. Nicht zuletzt ist der Einsatz auch zu Stande gekommen wegen den Anschlägen in Paris und weil Frankreich um Hilfe bei der EU gebeten hatte. Von daher versteht sich, dass wir solidarisch die Lasten Frankreichs mittragen.“

RF: Viele sprechen von einem Kriegseinsatz, die Regierung nennt es vehement nicht Krieg. Was denken Sie, ist das Krieg, was wir da führen?

Lather: „Ich würde es militärischen Einsatz nennen. Ein Krieg ist es nicht, weil bei einem Krieg sich nach dem internationalen Völkerrecht, so wie es nach dem Zweiten Weltkrieg die Vereinten Nationen verfasst haben, zwei Staaten bekämpfen. Wir aber erkennen ganz bewusst nicht den sogenannten Islamischen Staat als Staat an, sondern bezeichnen ihn als Terrororganisation.“

RV: Kardinal Marx hat in einem Interview noch einmal in Frage gestellt, dass dieser Einsatz überhaupt gerechtfertigt ist. Ist der Einsatz denn gerechtfertigt oder braucht man mehr Diplomatie?

Lather: „Die Diplomatie war vielleicht nicht ganz gescheitert. Es laufen auch noch Gespräche in Wien, wo viele der Konfliktparteien miteinander versuchen eine diplomatische Lösung zu suchen. Wir haben in Saudi Arabien das Treffen der Gegner von Assad und dem IS gehabt, die haben sich darauf verständigt, dass man ohne Assad zu einem Kompromiss kommen könne. Das alles sind Dinge, die im Werden sind, aber wir vergessen zu schnell, was in Paris geschehen ist, was auf den Islamischen Staat zurück zu führen ist. Und der Islamische Staat ist ununterbrochen dabei, schlimmste Dinge zu tun, von Enthauptungen bis hin zu Vergewaltigungen oder Versklavungen. Das alles gelingt es nicht zu bremsen ohne, dass man militärisch eingreift.“

RV: Der Syrienkonflikt dauert schon viele Jahre, auch der IS ist nicht erst seit gestern am wüten im Irak und Syrien. Kommt der Einsatz nicht viel zu spät?

Lather: „Da würde ich zustimmen. Aber anscheinend bedurfte es dieses schlimmen Anschlags in Paris, dass die deutsche Bevölkerung und der deutsche Bundestag dann die Hemmschwelle überwunden hat, sich dort militärisch zu engagieren. Es ist oft so in unseren westlichen demokratisch verfassten Staatsgefügen, dass wir einen solch schlimmen Anlass brauchen, bevor wir dann beginnen konkret zu handeln.“

RV: Die kirchliche Friedenslehre sagt, Krieg ist die Ultima Ratio und militärische Gewalt darf nur in Betracht gezogen werden, bei Aussicht auf Erfolg. Besteht diese Aussicht? Viele kritisieren den Einsatz, weil es keinen Plan und kein konkretes Ziel gibt.

Lather: „Das mit der Ultima Ratio muss man direkt übersetzen, es bedeutet äußerstes und nicht letztes Mittel. Das ist mir ganz wichtig und ich stehe komplett in der christlichen Friedensethik und engagiere mich auch in dem Bereich. Ich glaube, dass wir momentan an einer Schwelle sind, wo das Beschreiben des Zieles des Ganzen politisch noch nicht vollständig gelungen ist. Gleichzeitig handelt man schon militärisch. Das ist nicht die Ideallösung nach unserer Ethik, aber es kommt dem Nahe. Zumal wir keine anderen Lösungen finden. Wir erleben jeden Tag die Unmengen von Flüchtlingen, die aus diesen Konfliktgebieten nach Europa streben. Wir müssen an die Ursachen ran und ein Teil der Ursachenbekämpfung ist der militärische Anteil. Ich hoffe, dass es politisch gelingt, die verschiedenen Konfliktparteien zueinander zu bekommen und zu einer Konfliktlösung zu kommen und dann eine friedliche Lösung zu finden. Das geht aber nicht ohne die Menschen vor Ort, die am Stärksten von diesem Konflikt betroffen sind.“

RV: Bedeutet das, dass gerade aus katholischer Friedenslehren-Sicht ist dieser militärische Einsatz auch ohne konkreten Friedensplan gerechtfertigt wegen der Lage vor Ort?

Lather: „Ich persönlich glaube das. Ich verstehe aber den ein oder anderen auch, der da rigoroser ist in seinem Urteil und sagt, die Politik hat noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um zu sagen, jetzt ist Ultima Ratio. Aber was muss denn noch Schlimmeres geschehen, als was Paris und die Menschen dort erlebt haben, damit wir zu einer politischen Entscheidung kommen? (rv)