Papst an Paraguays Politik: Mahnung zu stabiler Demokratie

ParaguayIn den Gärten des Präsidentenpalastes Lopez in Asuncion hielt Papst Franziskus ein berauschendes und persönliches Plädoyer für eine bessere Welt und ein besseres Paraguay – gegen ein Vergessen der Geschichte, für die Förderung des Dialogs und der demokratischen Werte, sowie für ein wirtschaftliches Wachstum, das den Armen in den Mittelpunkt stellt.

Die musikalische Untermalung des Treffens setzte sich nicht aus Zufall aus Stücken der Jesuitenreduktionen Paraguays zusammen. Paraguay war im 17./18. Jahrhundert Kernland der früheren sogenannten Jesuiten-Reduktionen, dem Orden, welchem auch Papst Franziskus angehört. Doch die Missionssiedlungen seines Ordens gingen ab 1756 gegen den Willen der Jesuiten in einem Blutbad der Kolonialarmeen unter. Mehr als 6.000 Indios wurden ermordet.

Der Papst mahnte dazu, die Militärdiktatur des Landes (1954-1989) aufzuarbeiten. An ihrer Spitze stand der deutschstämmige General Alfredo Stroessner, der das Land mit eiserner Hand regierte. Papst Johannes Paul II. hatte damals Anteil an seinem Sturz. Bislang widmete sich Paraguay diesem Schreckenskapitel kaum.

Der Binnenstaat habe immer schon eine schwierige Geschichte gehabt, betonte Franziskus. Bis zu seinen ersten Schritten zur Unabhängigkeit, aber auch vor noch nicht allzu langer Zeit. „Die Geschichte Paraguays hat schreckliches Leid des Krieges erlebt, Brudermord, Unterdrückung von Freiheit und Verstöße gegen die Menschenrechte. Wie viel Leid, wie viel Tod! Es ist bewundernswert, wie hartnäckig und mit welchem Geist das paraguayische Volk diese Unglücke überstand und weiterhin Kräfte aufbringt, eine blühende und friedliche Nation aufzubauen.“

Auch der Palast selbst sei Zeuge der Geschichte, betonte der Papst. Dieser war einst noch das Ufer des Flusses, den viele Guarani nutzten. Franziskus bedachte, all den „namenlosen“ Paraguayern, die nicht in den Geschichtsbüchern genannt werden, doch die die wahren Protagonisten der Geschichte waren. Eine große Rolle hatten vor allem die Frauen des Landes.

„Auf den Schultern der Mütter, der Ehefrauen, der Witwen war die schwerste Last. Sie waren im Stande, ihre Familien und ihr Land voranzubringen und pflanzten in den neuen Generationen eine Hoffnung für ein besseres Morgen. Gott segne die paraguayische Frau“. Ohne es hier wörtlich zu nennen spielt Papst Franziskus offensichtlich auch auf seine persönliche Geschichte an. Als Jesuitenprovinzial hatte Bergoglio in Buenos Aires zur Rettung zahlreicher Menschen vor dem Staatsterror beigetragen. Doch für seine erste Arbeitsgeberin, die Paraguayanerin und Menschenrechtsaktivistin Esther Ballestrino de Careaga (1918 – 1977) konnte er leider nichts tun. Sie kämpfte für die Auffindung der vielen Entführungsopfern des Regimes und wurde schließlich selbst Opfer der Diktatur. Papst Franziskus prangerte an, dass niemand die Geschichte vergessen dürfe. Die Vergangenheit müsste aufgedeckt werden.

„Ein Volk, dass seine Vergangenheit, seine Geschichte vergisst und damit seine Wurzeln, hat keine Zukunft. Das Gedächtnis, welches sich unerschütterlich auf die Basis Gerechtigkeit stützt, ist frei von Rachegelüsten und Hassgefühlen und verwandelt die Vergangenheit in eine Quelle der Inspiration um eine Zukunft des Zusammenlebens aufzubauen. Denkt an die Tragödie und die Absurdität des Krieges. Nie mehr Krieg unter Brüdern!“

Mit den Bruderkriegen sind die Kriege innerhalb Lateinamerikas der vergangenen 200 Jahre mit ihren vielen Opfern gemeint. Die Arbeit für den Frieden solle nie ruhen und der Dialog soll den gemeinsamen friedlichen Weg bereiten. Für Papst Franziskus sei es die Zusammenarbeit, die zähle. Dazu gehöre auch das Zulassen von anderen Meinungen. Paraguay sei laut Franziskus auf dem richtigen Weg in der Konstruktion einer „soliden, stabilen und demokratischen“ Basis, dies sei auch in der Verfassung verankert. Eine der großen Herausforderungen sei der Kampf gegen die Korruption im Lande und der Wille zum Gemeinwohl. Eine Wirtschaft, die den Schwächsten und den Ärmsten nicht in den Mittelpunkt stelle, sei zum Scheitern verurteilt. Wirtschaftswachstum müsse menschenwürdig sein. Der Papst nannte auch Details.

„Es wurden wichtige Schritte auf dem Gebiet des Bildungs- und Gesundheitswesens gemacht. Die Bemühungen aller gesellschaftlich Handelnden mögen nicht aufhören, bis es keine Kinder ohne Zugang zu Bildung mehr gibt, keine Familien ohne Heim, keine Arbeiter ohne menschenwürdige Arbeit, keine Landwirte ohne urbares Land und keine Menschen, die zur Migration auf eine unsichere Zukunft hin gezwungen sind; bis es keine Opfer von Gewalt, Korruption und Drogenhandel mehr gibt.“ (rv)

Vatikan: Ernennungen für Caritas Internationalis und Cor Unum

Kardinal TagleDer Papst hat Kardinal Luis Antonio Tagle, Präsident von Caritas Internationalis und Erzbischof von Manila, zum Mitglied des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ ernannt. Das gab der Vatikan an diesem Samstag bekannt. Zudem stockte Franziskus den Führungsausschuss von Caritas Internationalis mit drei weiteren Mitgliedern auf: dem Bischof von Gent und Präsidenten von Caritas Europa, Lucas Van Looy, dem Erzbischof von Zypern und Präsident der Caritas Zypern, Youssef Antoine Soueif, und dem Präsidenten von Caritas Ozeanien, Pater Gerard Patrick Burns. (rv)

Italien: Giacomo Kardinal Biffi verstorben

Kardinal Giacomo BiffiDer emeritierte Erzbischof von Bologna, Kardinal Biffi ist heute in den Morgenstunden im Alter von 87 Jahren verstorben. Biffi leitete die Erzdiözese bis Dezember 2003. Papst Johannes Paul II. hatte ihn 1985 in den Kardinalsstand erhoben und ihm die Titelkirche Ss. Giovanni Evangelista e Petronio zugewiesen. Bis 2008 war er Mitglied der Kongregation für die Evangelisierung der Völker. Mit seinem Tod umfasst das Kardinalskollegium insgesamt 221 Kardinäle und von diesen haben 120 ein aktives Wahlrecht in einem künftigen Konklave. (vh)

Kardinal Turkson: Kirche solidarisch mit Volksbewegungen

Kardinal TurksonEine der wichtigsten oder zumindest öffentlichkeitswirksamsten Begegnungen bei dieser Lateinamerikareise von Papst Franziskus findet an diesem Donnerstagabend in Bolivien statt: Der Papst nimmt an einem internationalen Treffen der Volksbewegungen teil. Wenige Tage vor diesem Treffen hat sich der Vatikanvertreter Kardinal Peter Turkson mit den Zielen der Bewegungen solidarisch erklärt. Die Kirche anerkenne, schätze und fördere das politische Engagement der Volksbewegungen, unterstrich der Präsident des Päpstlichen Friedensrates beim Start der Konferenz am Dienstag im bolivianischen Santa Cruz. An dem Zweiten Welttreffen der Volksbewegungen in Bolivien nehmen schätzungsweise 1.500 Vertreter aus Lateinamerika und anderer Kontinente teil, darunter zahlreiche Bischöfe und andere Kirchenvertreter. Papst Franziskus tritt am Donnerstagabend vor die versammelten Vertreter und wird in einer Ansprache seine Sicht der Dinge darlegen.

Bereits im Oktober 2014 hatte der Papst Teilnehmer eines solchen Treffens der Volksbewegungen im Vatikan empfangen und über das Thema Solidarität gesprochen: „Das bedeutet, denken und aktiv werden für die Gemeinschaft und einstehen für die Prioritäten des Lebens, anstatt all das tun, was nur die Inbesitznahme von Gütern ist", so der Papst damals. Und weiter: „Solidarität bedeutet auch, dafür zu kämpfen, dass es keine Ungleichheiten und Armut oder Arbeitslosigkeit und Enteignungen gibt. Solidarität ist auch der Kampf um soziale Rechte und um die Rechte von Arbeitern.“ Es gehe bei diesen Volksbewegungen darum, die „Demokratien zu revitalisieren", so der Papst.

Das Thema jetzt beim Treffen in Bolivien sei dasselbe wir beim Treffen im Vatikan, betonte Kardinal Turkson im Interview mit Radio Vatikan. „Er kritisiert oft die Wirtschaft, die nicht richtig funktioniert, oder das internationale Finanzsystem. Das Thema des Ausschlusses von Menschen, um das es dabei geht, erinnert uns daran, dass, wenn es gelänge, all die Ausgeschlossenen ins Boot zu holen, die Welt viel besser wäre.“ Von den sieben Milliarden Menschen auf der Welt werden drei Milliarden in den „informellen Sektor“ sortiert, rechnet Kardinal Turkson vor. Sie seien weder ins Wirtschaftssystem noch in die Gesellschaft eingegliedert, zahlten auch keine Steuern. „Es gibt einen großen Teil der menschlichen Aktivität, der nicht anerkannt wird“, so Turkson. „Hierum geht es bei diesen Treffen, sie sollen Protagonisten, Verantwortliche für ihre eigene Zukunft werden.“

Das Treffen in Bolivien sei deswegen etwas Besonderes, weil der Präsident des Landes, Evo Morales, selber aus der Bewegung hervor gegangen sei. Man fühle sich also zu Hause, so Turkson. Morales hatte auch am ersten Treffen 2014 im Vatikan teilgenommen. (rv)

Vatikan/Rom: Bischof Laffitte wird Prälat des Souveränen Malteserordens

Souveräne MalteserordenDer Sekretär des Päpstlichen Rates für die Familie, Bischof Jean Laffitte, wurde durch Papst Franziskus zum Prälaten des Souveränen Malteserordens ernannt. Der Vatikan sowie Radio Vatikan gaben seine Ernennung am Samstag bekannt. Im Rahmen der Kurienreform soll der Päpstliche Familienrat umstrukturiert werden und in einer veränderten Organisationseinheit aufgehen. (rv/vh)

Grundlagentext der Synode auf Deutsch veröffentlicht

Bischofssynode 2015Jetzt auch auf Deutsch: Das Grundlagenpapier für die kommende vatikanische Bischofssynode zur Ehe- und Familienpastoral gibt es jetzt auch in einer offiziellen deutschen Übersetzung. Sie wurde auf der Webseite des Generalsekretariats der Bischofssynode veröffentlicht. Das sogenannte „Instrumentum laboris“, das am 23. Juni bereits in anderen Sprachen publiziert wurde, bildet die Grundlage für die Debatten der Ordentlichen Bischofssynode vom 4. bis 25. Oktober. Der Titel lautet „Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“.

In weiten Teilen deckt sich das Papier mit dem Abschlussdokument der vorigen Synode vom Oktober 2014 (das der Papst zugleich zum vorbereitenden Dokument der Synode von 2015 erklärte). Dabei wurden auch Abschnitte wieder aufgenommen, die im Oktober 2014 bei Abstimmungen keine absolute Mehrheit der Synodenväter auf sich vereinigen konnten. Außerdem flossen in das nun vorliegende Grundlagenpapier die Antworten auf den vatikanischen Fragebogen aus der gesamten Weltkirche ein. (rv)

Erzbischof Koch: „Pallium verdeutlicht Sorge des Hirten für alle“

Erzbischof Heiner Koch„Tief berührt“ zeigte sich der designierte Berliner Erzbischof Heiner Koch über die Feier zur Palliumsübergabe im Petersdom an diesem Montag. Das Pallium, die weiße Wollstola der Erzbischöfe, erinnert an das Teilen der Hirtensorge mit dem Bischof von Rom und an den Guten Hirten, der jedem verirrten Lamm nachgeht und es auf den Schultern trägt. Diese Symbolik sei für ihn in der Zeremonie neu deutlich geworden, sagte Erzbischof Koch im Gespräch mit Radio Vatikan.

„Das ist ja das Wesentliche, und ich bin kein Konzernchef oder Hauptabteilungsleiter einer Organisation, sondern ich komme da als Seelsorger und Hirte hin. Das ist ein geistliches Amt. Und ich frage mich, wie ich die Menschen in Vorpommern, Brandenburg und Berlin mit dieser Botschaft von einem guten, barmherzigen Gott, der sie trägt, der ihnen nachgeht, erreichen kann. Ich habe in Dresden gewohnt, 80 Prozent der Menschen dort kennen diesen Glauben kaum und sind im Herzen nicht davon berührt, das seit Generationen; ich habe mich in Dresden nie verstanden als Bischof nur für die Katholiken, sondern ich habe gesagt, ich bin Bischof für diese Menschen, die Getauften und Ungetauften, Suchenden, Fragenden, Gleichgültigen, Ablehnenden, aggressiv Ablehnenden, und das war ein langer spannender Prozess, der jetzt in Berlin neu beginnen muss. Und das kam alles in dem Moment hoch: das Bild des Palliums, der Hirtensorge, die wir ja mit dem Heiligen Vater teilen, also es war unheimlich dicht und präsent für mich.“

Im Anschluss an die Messe kam es noch zu einer kurzen Begegnung der neuen Erzbischöfe mit Papst Franziskus, der ihm, wie Koch erzählt, „noch mal persönlich alles Gute und Gottes Segen für Berlin gewünscht und gesagt hat, ich wünsche Ihnen viel Kraft für dies große Aufgabe“. Franziskus überreichte jedem Erzbischof sein Pallium in einer Schachtel, die allerdings an den jeweiligen Nuntius adressiert ist. Dieser wird in einer eigenen Zeremonie das Pallium den Erzbischof in seiner Diözese auflegen. Papst Franziskus hatte die Änderung bei der Palliumsübergabe zu Beginn des Jahres verfügt. Koch wird im September in sein Amt als Erzbischof von Berlin eingeführt. (rv)

Kardinal Vegliò: Migranten sind Menschen, keine Paket

Kardinal Antonio Maria VeglioDie Aufteilung der Bootsflüchtlinge per Quote zeigt, dass Europa gegenüber den Migranten nicht gleichgültig ist. Davon ist der für Migrationsfragen zuständige Kurienkardinal Antonio Maria Vegliò überzeugt. Im Gespräch mit Radio Vatikan äußerte der Präsident des Päpstlichen Migrantenrates aber auch deutliche Kritik: Es sei „unglaublich“, wie die Politiker in der Europäischen Union mit dem Thema umgingen. „Es ist klar, dass die genannten Zahlen, die die entsprechenden Ländern bereit wären, aufzunehmen, lächerlich sind, wenn man sie mit den realen Zahlen der Flüchtlinge vergleicht. Deshalb sind die bisherigen Beschlüsse aus unserer Sicht ungenügend.“

Die politische Diskussion in Brüssel dürfe sich nicht auf Zahlen beschränken, fuhr Vegliò fort. Es gehe um die Würde von „konkreten Menschen“.

„Wir müssen in Europa unsere Egoismen überwinden. Der Andere wird uns immer irgendwie stören, weil er da ist und ein bisschen von unserem Reichtum nimmt. Egoismus gehört leider zur menschlichen Natur. Doch wir müssen ihn überwinden und vor allem eines beachten: Flüchtlinge sind Menschen und keine Zahlen oder Pakete!“

Wer dem Flüchtlingsproblem begegnen wolle, müsse allerdings nicht nur das Thema Migration anpacken, sondern auch etwas gegen die derzeit 52 Kriege unternehmen, die es weltweit gibt. Denn überall, wo Konflikte und Gewalt herrschten, gebe es Menschen, die bereit sind, zu fliehen, erinnert Vegliò. (rv)

Kasper: „Höhere Gerechtigkeit“ für Wiederverheiratete

Kardinal Walter Kasper„Die Frage der Zulassung der wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramenten ist kein neues und kein nur deutsches Problem.“ Das schreibt Kardinal Walter Kasper in einem Aufsatz, den die Zeitschrift „Stimmen der Zeit“ an diesem Donnerstag veröffentlicht hat. Der frühere Leiter des vatikanischen Ökumenerates widerspricht dem Eindruck, dass diese Frage der Wiederverheirateten im Mosaik der kirchlichen Ehe- und Familienpastoral nur ein ganz kleines Steinchen wäre.

„Die Diskussion um diese Frage wird international seit Jahrzehnten geführt“, schreibt Kasper: Auch Johannes Paul II. habe schon „von einer schwierigen und kaum lösbaren Frage“ gesprochen. Das „Problem so vieler Gläubigen“ brenne „vielen Seelsorgern und Beichtvätern, Theologen und Bischöfen auf der Seele“. Kasper wörtlich: „Es war darum zu erwarten, dass die Frage im Vorfeld und während der Außerordentlichen Bischofssynode 2014 neu aufgeflammt ist und kontrovers diskutiert wurde“. Die bevorstehende Ordentliche Bischofssynode vom Herbst 2015 solle diese Frage nun „abschließend beraten und sie dem Papst zur Entscheidung vorlegen“, so Kasper.

„Schmerzlicher, aber heilsamer Prozess der Klärung“

Was den kirchlichen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen betrifft, geht Kardinal Kasper zunächst auf die geistliche Kommunion ein, die ihnen – anders als die Kommunion von Brot und Wein – auch nach heutigem Kirchenrecht erlaubt bleibt. Doch Kasper gibt zu bedenken, dass die geistliche Kommunion „keine alternative Form zur sakramentalen Kommunion“ sei, „sondern wesentlich auf die sakramentale Kommunion bezogen“. Das mache „die Anwendung auf die Situation der wiederverheiratet Geschiedenen problematisch“ und führe letztlich „in eine theologische Sackgasse“. Ähnlich skeptisch äußert er sich über Anleihen aus der Praxis der orthodoxen Kirchen.

Stattdessen wirbt er „für eine Erneuerung der via paenitentialis“ der alten Kirche. „Gemeint ist nicht die Ableistung von Bußauflagen, sondern der schmerzliche, aber heilsame Prozess der Klärung und der Neuausrichtung nach der Katastrophe einer Scheidung, der in einem geduldig hinhörenden und klärenden Gesprächsprozess von einem erfahrenen Beichtvater begleitet wird“, so Kasper. Dieser Prozess solle „bei dem Betroffenen zu einem ehrlichen Urteil über seine persönliche Situation führen, in dem auch der Beichtvater zu einem geistlichen Urteil kommt, um von der Vollmacht zu binden und zu lösen in einer der jeweiligen Situation angemessenen Weise Gebrauch machen zu können“. Das geschehe „in schwerwiegenden Fragen nach alter kirchlicher Praxis unter der Autorität des Bischofs“. Der Kardinal betont, bei dieser Binde-und-Löse-Vollmacht gehe es keineswegs um eine „billige Pseudogerechtigkeit“ oder eine „Außerkraftsetzung des Rechts“, „sondern um die höhere Gerechtigkeit“.

Natürlich bedeute sein Vorschlag auch keineswegs „eine Vergebung ohne Umkehr“, beteuert Kardinal Kasper: „Das wäre in der Tat theologischer Unsinn.“ Der oder die Beichtende müsse „Reue und den Willen“ zeigen, „in der neuen Situation nach besten Kräften gemäß dem Evangelium zu leben“. Kasper fährt fort: „Gerechtfertigt wird in der Lossprechung nicht die Sünde, sondern der umkehrwillige Sünder. Die sakramentale Kommunion, zu der die Lossprechung wieder berechtigt, soll dem Menschen in einer schwierigen Situation die Kraft geben, um auf dem neuen Weg durchzuhalten. Gerade Christen in schwierigen Situationen sind auf diese Kraftquelle angewiesen“. Eine solche „Erneuerung der kirchlichen Bußpraxis“ könnte nach Kaspers Dafürhalten „über den Bereich der wiederverheiratet Geschiedenen hinaus Signalwirkung haben für die notwendige Erneuerung der in der gegenwärtigen Kirche in beklagenswerter Weise so darniederliegenden kirchlichen Bußpraxis“.

Unauflöslichkeit „nicht fundamentalistisch auslegen“

Der emeritierte deutsche Kurienkardinal hatte im Frühjahr 2014 den synodalen Prozess zur Neuordnung der Ehe- und Familienseelsorge auf die Bitte von Papst Franziskus hin mit einem Grundlagen-Vortrag eröffnet. In diesem Text mit dem Titel „Das Evangelium von der Familie“ wurde die Frage des kirchlichen Umgangs mit wiederverheirateten Geschiedenen bereits angesprochen. Vorschläge Kaspers stießen bei einem Teil der Synodenväter im Oktober 2014 auf deutlichen Widerspruch.

In dem an diesem Donnerstag erschienenen Aufsatz nun betont der Kardinal mit Blick auf die Ehe: „Grundlegend ist das Wort Jesu, dass der Mensch nicht trennen darf, was Gott verbunden hat.“ Das sei schon zur Zeit Jesu selbst „anstößig“ gewesen. „So wenig wie damals dürfen wir heute das Wort Jesu durch Anpassung an die Situation entschärfen.“ Allerdings dürfe es auch „nicht fundamentalistisch ausgelegt werden“. Kasper schreibt wörtlich: „Es gilt seine Grenze wie die Weite auszuloten, es im Ganzen der Botschaft Jesu zu verstehen und ihm treu zu bleiben, ohne es zu überdehnen.“ Schon in der Urkirche habe es daher durchaus eine „flexible pastorale Praxis mancher Ortsgemeinden“ gegeben.

Der Bund kann auch scheitern

Das Zweite Vatikanische Konzil habe die Ehe unter Berufung auf den Epheserbrief „als sakramentales Abbild des Bundesverhältnisses von Christus und der Kirche gedeutet“. Das sei „eine großartige und überzeugende Konzeption“, urteilt Kasper. „Sie darf jedoch nicht zu einer lebensfremden Idealisierung führen.“ Die christliche Ehe sei „ein großes Geheimnis in Bezug auf Christus und die Kirche“, könne dieses Geheimnis aber „im Leben nie ganz, sondern immer nur gebrochen verwirklichen“. Das könne bis zum Scheitern der Ehe gehen; Scheitern gehöre übrigens „auch zur biblischen Theologie des Bundes“, wie etwa im Buch Hosea deutlich werde. „Eine realistische Theologie der Ehe muss dieses Scheitern ebenso wie die Möglichkeit der Vergebung bedenken“, so Kasper. Auch im menschlichen Scheitern bleibe „die Verheißung der Treue und des Erbarmens Gottes bestehen“.

„In diesem Sinn wird die Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe neu aktuell“, fährt der Kardinal fort: „Sie ist kein bloßes Ideal. Gottes Ja-Wort bleibt bestehen, auch wenn das menschliche Ja-Wort schwach oder gar gebrochen wird… Das von Gott selbst geknüpfte Eheband zerbricht nicht, auch wenn die menschliche Liebe schwächer wird oder gar ganz erlischt.“ Auf Gottes Barmherzigkeit sei „Verlass, wenn nur wir uns auf sie verlassen“. (rv)

Ehe, Familie – was für ein (sprachliches) Durcheinander

Kardinal ErdöEiner der Herren, die an diesem Dienstag das Vorbereitungsdokument für die Synode vorstellten, war der ungarische Kardinal Peter Erdö, Generalrelator der zurückliegenden Bischofssynode. Er nahm vor den Journalisten das sprachliche Durcheinander aufs Korn, das in westlichen Gesellschaften gemeinhin beim Thema Ehe und Familie herrscht. Erstes Beispiel: Trennung und Scheidung. „Von Trennung spricht man eher in Ländern, wo die Scheidung erst vor relativ kurzer Zeit in das bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen wurde. Woanders denkt man gar nicht mehr an Trennung, sondern schreitet bei einer Ehekrise sofort zur Scheidung. Man redet ja viel über die Würde der einzelnen Menschen, aber die Übersetzung dieser Wahrheit in eine Behördensprache führt manchmal zu widersprüchlichen Situationen.“

Zweites Beispiel: die wachsende Unklarheit des Ehebegriffs in Zeiten des Kampfrufes „Ehe für alle“. „Da zeigen sich Tendenzen, die den Begriff von Ehe, Familie und Elternschaft erweitern möchten. Dabei entleeren sie diese Begriffe aber ihres Sinns. Diese Verwirrung ist nicht hilfreich, um den spezifischen Charakter solcher sozialer Beziehungen zu definieren… Wie Papst Franziskus einmal gesagt hat: ‚Das Entfernen der Unterscheidung ist das Problem, nicht die Lösung!’“

Kardinal Erdö ging auch auf die komplizierten Fragen der kirchlichen Annullierung von Ehen ein. Es gebe einen wachsenden Konsens, dass Annullierungen schneller zu erreichen sein müssten. „Oft hat man von der Bedeutung des persönlichen Glaubens der zwei Ehepartner für die Gültigkeit ihrer kirchlichen Ehe gesprochen. In den Antworten (aus den Bistümern) zu diesem Punkt zeigt sich aber eine große Bandbreite von Ansätzen. Lehramt und kirchliche Gesetzgebung betonen, dass es unter Getauften keine gültige Ehe geben kann, die nicht gleichzeitig Sakrament ist: Trennt man eine gültige Ehe zweier Christen also vom sakramentalen Charakter der Ehe, dann wirft das große Schwierigkeiten in der Theorie auf. Denn dass eine Ehe ein Sakrament ist, ist ja nicht die Konsequenz aus dem ausdrücklich erklärten Willen der beiden Partner, sondern ergibt sich schon daraus, dass die beiden im Moment der Eheschließung nach dem Willen des Schöpfers Christus und die Kirche repräsentieren.“ (rv)