Zentralafrika: Die Menschen haben Angst

Kardinal FiloniIn der Republik Zentralafrika verschärft sich der Konflikt zwischen Regierung und Rebellen; für Freitag wird dazu eine von Frankreich geforderte Erklärung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen erwartet. Die Erklärung soll die Friedensverhandlungen zwischen den Rebellen der Gruppe Seleka und dem Präsidenten Bozizé unterstützen. Für den kommenden Dienstag ist ein Treffen im Nachbarstaat Gabon vorgesehen. Schätzungen der Vereinten Nationen sprechen von weit über 300.000 Personen, die von der Gewalt der vergangenen Wochen betroffen seien, tausende befänden sich auf der Flucht in Richtung Kamerun und die Demokratische Republik Kongo. Pater Stefano Molon ist Karmelitenpater und seit 25 Jahren im Land. Er befürchtet, dass es zu einem Versorgungskollaps kommen könnte, wenn die Situation nicht schnell gelöst werden würde:

„Da sind die Rebellen, die an die Macht wollen. Das ist offensichtlich. Die alten Missionare erinnern sich noch daran, was vor 10 Jahren passiert ist, als das Land von der Krise gebeutelt wurde, die schließlich den aktuellen Präsidenten an die Macht gebracht hat. Das Land ist in einen Abgrund der Armut gestürzt. Es ist eine Krisensituation! Entweder gehen die Rebellen, oder sie schließen Frieden, oder sie erringen die Macht. Wir sind in Wartestellung. Es gab eine Übereinkunft zwischen den Rebellen, der Opposition und der Regierung. Es scheint, dass der Präsident diese nicht respektiert hat. Meiner Ansicht nach hätten die Rebellen ins offizielle Militär integriert werden müssen, oder ein Gehalt erhalten müssen; stattdessen sind sie weiterhin Rebellen geblieben.“

Die Spannung im Land sei hoch, doch die Rebellen hätten angeboten, zu Friedensgesprächen bereit zu sein. Allerdings wisse man nicht, so Pater Molon, wie verlässlich derartige Informationen tatsächlich seien. Denn oft handele es sich dabei um Machtmanöver. Die Lage in der Hauptstadt verschlechtere sich unterdessen.

„Als ich heute aus Kamerun zurückgekommen bin, habe ich keinen einzigen Lastwagen gesehen, der in Richtung Hauptstadt unterwegs war. Zentralafrika hängt vollständig vom Ausland ab, es wird fast nichts hier produziert. Deshalb kommt fast alles aus Douala, vom Hafen, aus Kamerun. Die Straße wird gerade fertig gestellt, und wenn die Fertigstellung gestoppt würde – das heißt, wenn die Rebellen die Straße einnehmen würden, dann wäre das ganze Land lahm gelegt. Das heißt, auch die Lebensmittellieferungen und alles andere, das aus Kamerun kommt, würde ausfallen und die Stadt bliebe ohne Versorgung, wenn die Situation nicht gelöst wird. Das bedeutet, dass fast einer Million Menschen die Grundnahrungsmittel fehlen werden – die Preise gehen nach oben und die Leute geraten in die Krise und werden gewalttätig. In den vergangenen Tagen gab es Barrikaden, Reifen wurden verbrannt: Die Menschen haben Angst!“

Unterdessen hat auch die Kongregation für die Evangelisierung der Völker ihrer Sorge über die Zustände in Zentralafrika Ausdruck verliehen. Kardinal Angelo Filoni wandte sich mit einer Botschaft an die Bischöfe und Gläubigen der Zentralafrikanischen Republik. In dieser bringt der Präfekt die geistige Verbundenheit mit den zentralafrikanischen Bürgern zum Ausdruck und lädt sie dazu ein, die Hoffnung auf Frieden nicht aufzugeben. Gleichzeitig appelliert er an das Verantwortungsbewusstsein der beteiligten Parteien, durch Dialog den Kreislauf der Gewalt zu beenden, der nur zum Anwachsen der Not eines Volkes führe, das bereits zu lange darunter leide. (rv)

Kardinal Gracias: „Kirche kämpft für Gleichstellung der Frauen in Indien!“

Kardinal GraciasDie katholische Kirche in Indien steht den Frauen und deren Familienangehörigen nahe, die Opfer von Gewalt sind. Das sagt im Gespräch mit Radio Vatikan der Vorsitzende der indischen Bischofskonferenz, Kardinal Oswald Gracias. Der Erzbischof von Bombay fügte an, dass die jüngsten Fälle von Frauen, die an den Konsequenzen der Vergewaltigungen gestorben seien, unerhört und tragisch seien. Unterdessen ist unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen der Leichnam der von mehreren Männern brutal vergewaltigten indischen Studentin eingeäschert worden. Nun müsse die Gewalt gegen Frauen gestoppt werden, so Kardinal Gracias.

„Ich denke, dass nun der Augenblick für unsere Gesellschaft gekommen ist, um unsere Prinzipien neu zu überdenken. Wir haben den Sinn für Ethik, Moral sowie den Respekt vor der Würde des Menschen verloren. Das ist vielleicht auch der Moment, um uns Jesus zu nähern und so den Respekt gegenüber Frauen, aber ganz allgemein gegenüber den Menschen gemäß dem Evangelium wahrzunehmen. Wir müssen Christus ins Zentrum unseres Lebens stellen.“

Am 16. Dezember waren die junge Frau und ihr Freund nach einem Kinobesuch in einen Bus gestiegen, der von mehreren jungen Männern gestohlen worden war. Die Männer fielen in dem Bus mit abgedunkelten Scheiben über die 23-jährige Studentin her und vergewaltigten sie auf brutale Weise mehrfach. Auch ihr Freund wurde schwer verletzt. Der 13 Tage währende Überlebenskampf der jungen Frau hatte in Indien Wut und Schamgefühle ausgelöst. Kardinal Gracias:

„Ich selbst denke, dass Gesetze allein nicht reichen. Es nützt nichts, wenn wir nun neue Gesetze einführen. Vielmehr braucht es einen allgemein verbreiteten Sinn für den Respekt. Die indische Gesellschaft braucht endlich eine Anerkennung der Gleichstellung von Mann und Frau. Wir müssen auch darüber nachdenken, weshalb es zu solchen Vergewaltigungen gekommen ist. Die Kirche in Indien unternimmt sehr viel, um auf dieses Problem aufmerksam zu machen. Wir haben dazu bischöfliche Kommissionen geschaffen, die sich um die Verbesserung der Situation und Rechte der Frauen kümmern. In meiner Diözese haben wir Diskussionsforen gegründet, um das Problem anzusprechen und Lösungsvorschläge zu erarbeiten.“

Auch UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon drückte sein „tiefes Bedauern“ über den Tod der jungen Frau aus. Zugleich habe er das Verbrechen aufs Schärfste verurteilt, teilte ein Sprecher Bans mit. „Gewalt gegen Frauen darf nie hingenommen, nie entschuldigt, nie toleriert werden“, heißt es in der in der Nacht zum Sonntag in New York verbreiteten Erklärung. (rv)

Syrien: Weihnachten zwischen Bomben und Gewalt

SyrienFür die Christen in Syrien ist das Weihnachtsfest in diesem Jahr von Angst und Gewalt überschattet. Die im Land gebliebenen Ordensleute sind für die Menschen da so gut es eben geht: In vielen Landesteilen fehlt den Menschen das Lebensnotwendige, immer wieder kommt es zur Gewalt, die Zivilbevölkerung lebt in Angst und Schrecken. Erst in diesen Tagen noch gerieten zwei christliche Dörfer in der Provinz Hama in die Mangel der Konfliktparteien. Der Franziskanerpater Ibrahim Sabah berichtet im Interview mit Radio Vatikan über die aktuelle Lage:

„Es ist in diesem Augenblick nicht leicht, von weihnachtlicher Freude zu sprechen. Den Menschen fehlt es an Brot, sie leiden Hunger und haben kaum Strom – der fällt an einigen Orten für 18 Stunden am Tag aus. Es gibt viele Familien ohne eine einzige Gasflasche, die können nicht einmal kochen! Alle Christen, die das Land nicht verlassen haben und in ihren Häusern bleiben wollen, leiden in diesem Moment. Es ist schwer für sie auch wegen der Angst vor Bomben und Explosionen. Wir Franziskaner begehen Weihnachten, das Mysterium der Menschwerdung Gottes, indem wir das Leiden der Menschen teilen: Die Brüder tun alles, was in ihrer Macht steht, um den Familien zu helfen.“

Die Franziskaner in Syrien, die mit ihren Mitbrüdern in Jordanien, im Libanon und auf Zypern zur Kustodie des Heiligen Landes gehören, haben dem Land trotz des Krieges bislang nicht den Rücken gekehrt; ebenso viele Ordensschwestern wie etwa die Mutter Teresa-Schwestern. Aufgrund der unsicheren Lage sind die Weihnachtsfeierlichkeiten in diesem Jahr teilweise vorgezogen worden, berichtet Pater Ibrahim. So habe man tagsüber gefeiert, um bei Anbruch der Dunkelheit wieder zu Hause zu sein. Doch auch angesichts dieser Situation lassen sich Ordensleute und Kirchenvertreter nicht entmutigen. Oder sie zeigen es nicht – denn wer wenn nicht sie müssen den Christen in Syrien jetzt Hoffnung geben? Der Leiter der Caritas Syrien und chaldäische Bischof von Aleppo, Antoine Audo of Aleppo, lanciert im Interview mit uns einen Friedensappell für sein Land:

„Seit zwei Jahren herrscht in Syrien kein Frieden mehr. Doch wir Christen finden jedes Mal Frieden und Freude wieder, wenn wir uns bewundernd vor das Jesuskind begeben. Wir leiden mit den Armen und versuchen, ihnen zu dienen. Christus hält Ängste und Schatten von uns fern. Weihnachten – Zeit des Friedens und der Freude!“ (rv)

Sektenbeauftragter zu Weltuntergangsthese: „Wovor habt ihr Angst?“

Am 21. Dezember 2012 geht der Maya-Kalender in eine neue Phase über und einige Menschen glauben, dass dann die ganze Welt endet. Der Theologe und Experte für Sekten- und Weltanschauungsfragen im Erzbistum München und Freising, Axel Seegers, erklärte gegenüber Radio Vatikan, dass die Maya ein zyklisches Zeitverständnis hatten. So wie bei uns die Jahreszeiten einander abwechseln und sich jedes Jahr wiederholen, gelte das ähnlich für den Maya-Kalender. Es gibt also nichts zu befürchten. Trotzdem haben sich die Münchner vorbereitet:

„Wir werden am 21. Dezember die Telefone länger frei schalten und auch für Menschen, die Rat und Hilfe suchen, da sein und mit ihnen sprechen. Im Weiteren versuche ich dann herauszufinden, welches Welt- und Gottesbild dahinter steckt. Die Frage ist ja: ‚warum muss ich Angst haben vor dem eigenen Sterben, warum muss ich Angst haben vor einem Weltuntergang?’ Angst muss ich ja nur haben, wenn ich keine Zukunftsoptionen habe. Darüber nachzudenken, das ist der Weg, mit dem wir auf Menschen zugehen, die Angst und Sorge haben.“

Dieter Sträuli, Präsident des politisch und konfessionell unabhängigen Vereins „infoSekta“ in Zürich ist Experte für Esoterik und Parawissenschaften. Er sieht eine zunehmende Unsicherheit bei den Menschen, was Weltuntergangstheorien angeht:

„Die Naturwissenschaften haben keine Antwort auf die Frage ‚was wird kommen?’ Die Religionen haben da natürlich Antworten, aber offensichtlich haben die etwas an beruhigender Kraft verloren in der letzten Zeit. Auch die Religionen sind in großem Umbruch heutzutage. Da tritt, denke ich, die Esoterik in vielfältigen Ausformungen in die Lücke. Da gibt es viele selbsternannte Gurus, die ständig neue Prophezeihungen los lassen auf die Leute.“

Sowohl der Schweizer Experte Dieter Sträuli als auch der Sektenbeauftragte aus Deutschland, Axel Seegers, sehen zwar einen großen Medienrummel um einen möglichen Weltuntergang. Beide berichten jedoch von eher wenigen konkreten Anfragen besorgter Menschen bei ihnen. Im Zusammenhang mit der Adventszeit erinnerte Seegers zudem daran, dass Christen ja auf die Ankunft des Herrn warten, die am Ende der Zeit erfolgt. Das sei für Christen kein Horrorszenario, sondern das Reich Gottes. Christen müssten deshalb auch dann keine Angst haben, wenn irgendwann tatsächlich die Welt untergehen sollte. (rv)

Vatikan/Irak: Kardinal Leonardo Sandri setzt seine Solidaritäts-Reise fort

Kardinal SandriAn diesem Nachmittag besuchte der Präfekt der vatikanischen Ostkirchen-Kongregation das Priesterseminar von Erbil im weitgehend autonomen nordirakischen Kurdengebiet. Dabei rief er die Katholiken dazu auf, sich nicht in ihrem Ritus und ihrer jeweiligen Gruppe abzuschotten, sondern sich „stärker gegenüber der kulturellen Vielfalt eurer Kirchen zu öffnen“. Dazu gehöre auch das Lernen der „Sprache und der Kultur des anderen“. Am Sonntag hatte der Kardinal Kirkuk besucht. Während seiner Messe in der dortigen chaldäischen Kathedrale explodierten eine Autobombe und mehrere Sprengsätze an schiitischen Moscheen in der Nähe. Die Anschläge kosteten neun Menschen das Leben, über fünfzig wurden verletzt. (rv)

Drama in der Wüste: „Warum wissen das alle und keiner tut was?“

EritreaSie sind derzeit mindestens 750, die meisten kommen aus Eritrea. Eigentlich wollten sie sich in Richtung Israel durchschlagen, doch dann fielen sie in die Hände krimineller Beduinen. Die ketten ihre Opfer an, foltern sie, entnehmen ihnen Organe – ein Drama in der Sinai-Wüste, seit Jahren. Alganesh Fesseha leitet die NGO „Ghandi“, die versucht, Flüchtlinge freizubekommen.

„Das ist eine ganz vergessene Geschichte, und dieses Vergesssen ist gefährlich, denn die Leute sterben, ohne dass das irgendjemanden kümmert. Diese Eritreer kommen auf Arbeitssuche in den Sudan, dort werden sie – oft in einem der Flüchtlingslager von Shagarab bei Khartum – vom Beduinenstamm Rashaida gekidnappt und an ägyptische Beduinen verkauft, für etwa 3.000 Dollar. Die Ägpyter verkaufen sie für einen noch höheren Preis an andere Beduinen an der Grenze zu Israel weiter, und die halten sie dann als Geiseln und verlangen von ihnen bzw. ihren Angehörigen ein Lösegeld zwischen 30- und 50.000 Dollar. Wer das Geld nicht aufbringen kann, wird getötet. Aber auch, wer zahlt, wird gefoltert und womöglich getötet, die Leichen werden einfach auf die Straße geworfen. Ich bin gerade aus dem Sinai zurückgekommen und habe fünf Leichen dort auf der Straße gesehen.“

Von dem Lösegeld kaufen die Beduinen im Sinai nach Fessehas Informationen Waffen und Drogen. Sie frage sich, wie es nur möglich sei, „dass alle davon wissen und keiner etwas tut“? Die Qualen der Geiseln seien „unmenschlich“: Tausenden Frauen seien etwa die Brüste abgeschnitten worden, vielen Geiseln habe man die Beine amputiert.

„Die Gefangenen rufen uns an: Die Beduinen geben ihnen ein Handy, damit sie darüber Lösegeld erbitten. Die rufen mich an und beschreiben mir ihre Lage. Über Mittelsmänner konnten wir schon 150 von ihnen befreien; wir geben ihnen dann eine sogenannte „Yellow Card“ der UNO und bringen sie nach Kairo. Aber für die meisten Gefangenen können wir leider nichts tun. Dabei spielt sich da ein richtiggehendes Massaker von Unschuldigen ab. Am meisten geschockt hat mich die Tötung eines dreijährigen Kindes – ich habe es tot im Abfall gesehen. Das ist doch etwas Inakzeptables und Dramatisches! Welche Schuld hat denn ein dreijähriges Kind?“ (rv)

Papst feiert Messe am Stadtrand von Rom

Papst Benedikt XVI.Papst Benedikt hat an diesem Sonntagmorgen eine Pfarrei am östlichen Stadtrand von Rom besucht. In der Neubaukirche San Patrizio al Colle Prenestino feierte er die Messe. Es war der 14. Pfarreibesuch seit Beginn seiner Amtszeit als Papst 2005. In seiner Predigt empfahl Benedikt den Gläubigen, den Advent bewußt zu leben, um sich auf Weihnachten vorzubereiten. Das verlange „nichts Außergewöhnliches, sondern einfach, dass man sein Alltagsleben aufrichtig und gut lebt“. Gott sei „nicht weit entfernt, sondern ganz nah an uns allen“.

„Das Jahr des Glaubens, das wir derzeit erleben, könnte eine Gelegenheit werden, um die Erfahrung der Katechese noch weiter auszubauen. Es geht darum, dass wirklich das ganze Stadtviertel in die Lage versetzt wird, das Credo der Kirche kennenzulernen und zu vertiefen und dem Herrn als einem Lebenden zu begegnen. Die Jugendlichen könnten Protagonisten bei einer neuen Evangelisierung sein, wenn sie ihre frischen Energien, ihren Enthusiasmus, ihre Fähigkeiten in den Dienst Gottes und der anderen stellen.“

Das Ende der 60er Jahre gegründete Viertel Colle Prenestino gehört zu den jüngsten Stadtteilen Roms. Die katholische Pfarrgemeinde besteht seit 1977. Pfarrer Fabio Fasciani sagte bei der Vorstellung der Gemeinde vor dem Papst, bis heute fehlten wichtige Sozialstrukturen. Die katholische Pfarrei unterhalte den einzigen Sportplatz des Viertels und sei neben der Schule eine der wenigen Bezugsgrößen für die Bewohner. (rv)

Vatikan: Bischof Ma Daquin immer noch unter Hausarrest

„Bezüglich der Lage des Bischofs von Shanghai, Ma Daquin, hat der Heilige Stuhl auch keine anderen Informationen, als das, was aktuell von den Medien berichtet wird." Dies sagte Vatikansprecher Pater Federico Lombardi am Dienstag in einer Pressemeldung. Seit einigen Monaten steht Daquin nach Informationen der Nachrichtenagentur „Asianews" in China unter Hausarrest. Sichere Informationen zu seiner Lage gibt es nicht. Lombardi verwies in diesem Zusammenhang auf einen Artikel von Kardinal Filoni, der vor einiger Zeit in der Zeitschrift „Tripod" veröffentlicht wurde. Dort heißt es: „Die Situation in China bleibt weiterhin schlimm. Einige Bischöfe oder Geistliche werden isoliert oder ihrer persönlichen Freiheit beraubt – so wie es kürzlich dem Bischof von Shanghai, Ma Daquin, geschehen ist, weil er seine ganze Zeit der Seelsorge widmen wollte." Filoni wirft in dem Text außerdem die Frage auf: „Ist es angesichts von mangelnder Religionsfreiheit und starken Einschränkungen nicht Aufgabe der ganzen Kirche, den Glauben zu verteidigen und denen eine Stimme zu verleihen, die keine haben?" (rv)

Der Kardinal hält nichts vom Wörtchen „neutral“

Der Mailänder Kardinal Angelo Scola gilt als einer der scharfsinnigsten Denker in Italiens Kirche. Seine Predigt gegen einen in Religionsdingen angeblich „neutralen Staat" vor ein paar Tagen hat einige Beachtung gefunden. Scola hatte mit der Anti-Laizitäts-Predigt in Mailand die Feiern zu 1.700 Jahren Mailänder Edikt eröffnet; mit dem Text hatte Kaiser Konstantin den Christen Religionsfreiheit zugestanden. Radio-Vatikan fragte Kardinal Scola: Darf ein Staat in Religionsfragen neutral sein?

„Das Wort neutral ist in diesem Zusammenhang problematisch, weil eine Gesellschaft gar nicht neutral sein kann. Jeder tritt immer automatisch für eine bestimmte Sicht des Lebens ein. Auch wenn ich sage: ,Mir ist alles gleichgültig, ich bin Agnostiker‘, stehe ich damit auch für eine bestimmte Sicht des Lebens. Ich würde eher sagen, der Staat sollte ,akonfessionell‘ sein. Das heißt: Er darf selbst nicht für eine bestimmte Sicht des Lebens stehen, darf aber auch die religiöse bzw. ethische Präsenz, wo es sie im Leben der Gesellschaft gibt, nicht neutralisieren, sondern muss ihre Ausdrucksmöglichkeit fördern. Ich will nicht sagen, der Staat dürfe gar nichts tun, im Gegenteil: Ich sage, der Staat darf intervenieren, regulieren und lenken. Aber er darf dabei noch nicht einmal indirekt eine bestimmte Sicht des Lebens vor anderen bevorzugen: Er darf nur den Wettbewerb zwischen allen Kräften auf dem Platz fördern."

Wir fragten Kardinal Scola auch, ob aus seiner Sicht die Religionsfreiheit in Europa derzeit eingeschränkt oder bedroht ist. Seine Antwort:

„Man muss sehr klar zwei Dinge auseinanderhalten. Die seriösesten Berichte in diesem Bereich sprechen von Einschränkungen der Religionsfreiheit bzw. von Verfolgungen in etwa 123 Ländern weltweit. Doch der Fall Europas liegt etwas anders. Hier gibt es einige Signale, die es aus meiner Sicht nahelegen, an dem Thema noch energischer dranzubleiben als bisher. Das letzte Signal, das mich wirklich sprachlos gemacht hat, war die Initiative einer Vertreterin der französischen Regierung, welche ernstlich erwägt, alle leerstehenden Räumlichkeiten von religiösen Einrichtungen zu beschlagnahmen, um hier Obdachlose unterzubringen."

Es war die Pariser Wohnungsbauministerin Cécile Duflot, die letzte Woche im „Parisien" mit Zwangsmaßnahmen drohte, sollte die Kirche nicht von sich aus Schlaforte für Clochards angesichts der Kältewelle in Frankreich bereitstellen. Kardinal Scola dazu:

„Als ob die französische Kirche nicht schon längst unglaublich viel in diesem Bereich tun würde! Wenn die Kirche leerstehende Räumlichkeiten hat, dann doch sicher aus bestimmten Gründen und weil für diese Räume etwas vorgesehen ist; die stehen ja nicht zufällig leer. Also, da sehe ich die Gefahr von einschränkenden Gesetzen. Und dann heißt es ja auch, man wolle auf europäischer Ebene den sogenannten Gewissensvorbehalt abschaffen. Welche Opposition der Kirche das hervorrufen kann, haben wir in Amerika gesehen; dort wollten einige ausführende Bestimmungen der Gesundheitsreform Obamas alle katholischen Einrichtungen, auch Krankenhäuser und Schulen, verpflichten, ihre Angestellten auch in Bezug auf Verhütung und Abtreibung zu versichern. Das bedeutet, an eine Dimension der Gewissensfreiheit der Christen zu rühren!" (rv)

Kardinal von Sao Paolo: „Menschliche Werte gehen über Bord“

Mehr als zweihundert Mordopfer seit Oktober im Bundesstaat Sao Paolo: Das ist selbst für das an Gewalt gewöhnte Brasilien beunruhigend. Ende November trat wegen der Mordwelle der regionale Minister für öffentliche Sicherheit zurück. Eine kriminelle Gruppe scheint viele der Anschläge aus dem Gefängnis heraus zu koordinieren, viele der Opfer sind Polizisten, aber die meisten sind Passanten, die sozusagen zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Kardinal Odilo Scherer ist Erzbischof von Sao Paolo. Er sagte im Interview mit Radio Vatikan:

„Das ist ein ziemlich neues Phänomen. Zwar hatten wir immer schon Gewalt, aber dieses Jahr kommt dazu auch ein Kampf gegen die Polizei, und es ist herausgekommen, dass eine Gruppe Morde an Politikern geplant hat. Andererseits fällt der Einsatz der Polizei beim Kampf gegen die Gewalt zuweilen ebenfalls gewalttätig aus. Leider haben wir jetzt jeden Tag in den Zeitungen eine Statistik, wie viele Menschen am Tag zuvor umgebracht worden sind; der Durchschnitt liegt bei acht bis zehn Personen in der ganzen Sao-Paolo-Metropolenregion, in der mehr als zwanzig Millionen Menschen leben. Offensichtlich hat sich die organisierte Kriminalität in den letzten Jahren bestimmter Räume – geographisch gesprochen – und bestimmter Stadtviertel bemächtigen können, wo mittlerweile die Sicherheitskräfte nicht mehr hingehen können. Ihnen kommt die Korruption zugute und das Geld aus Drogengeschäften und Schmuggel."

Er könne nicht behaupten, dass die Regierung angesichts des Vordringens der organisierten Kriminalität untätig geblieben sei, so der aus einer deutschbrasilianischen Familie stammende Kardinal. Sie habe unter anderem auch bei der Polizei einige Umbesetzungen vorgenommen und Grenzkontrollen verstärkt.

„Aber auf der anderen Seite gibt es hier auch einen kulturellen Faktor, den man erkennen muss – und genau auf diesem Feld versuchen auch wir als Kirche unseren Beitrag zu leisten. Wir stehen hier vor einem ganz und gar nicht banalen Absturz im Wertesystem: Es geht um moralische, um Lebens-, um Personenwerte, um Menschenwürde, Ehrlichkeit… Mit der organisierten Kriminalität schreitet ja auch die Korruption in mehreren sozialen Schichten voran, und gleichzeitig erscheint vielen der Konsumismus das große Ziel, der einzige Bezugspunkt fürs Handeln zu sein. Hier gehen elementar menschliche Werte über Bord! Und auch das gibt der Gewalt einen Raum, den sie okkupieren kann. Wir brauchen also eine neue Erziehung, die aus den Menschen wirklich Personen macht und nicht Wirtschaftsobjekte, Produzenten oder Konsumenten."

Scherer träumt von einer „kulturellen Wende", einer „neuen Mentalität". Die Kirche stehe auf der Seite der Gewaltopfer und bemühe sich, an den Voraussetzungen für die Gewalt etwas zu ändern. Doch anders als manche Agenturmeldungen das in den letzten Wochen suggerierten, werde das kirchliche Bild in Sao Paolo nicht von abgesagten Gottesdiensten und verbarrikadierten Kirchentüren bestimmt: So weit gehe die Angst vor der Gewalt dann doch wieder nicht. Die Christen bereiteten sich auf Weihnachten vor, so der Kardinal, überall würden Novenen gebetet und Gottesdienste gefeiert.

„Zum Glück haben wir es dieses Jahr auch geschafft, den Behörden wieder etwas klarer zu machen, dass Weihnachten etwas mit Jesus zu tun hat! Denn vor einiger Zeit – und das hatte mich sehr getroffen – war auf Weihnachtsplakaten und –glückwünschen noch nicht einmal der Name Jesus erwähnt worden. Und manchmal wurde sogar das Wort ,Weihnachten‘ vermieden – unter dem Motto ,Frohes Fest‘ oder so. Dieses Jahr hingegen wird Jesus wieder erwähnt, und man sieht Krippen an öffentlichen Plätzen und spricht von ,Weihnachten‘. Da ist eine Wiederaneignung des christlichen Elements im Gang." (rv)