20. Tag des Dialogs zwischen Katholiken und Juden

LeuchterHeute vor 62 Jahren reiste Papst Paul VI. ins Heilige Land. Es war die erste Auslandsreise eines modernen Papstes und damit sollte eine neue Ära der Papstreisen beginnen. Johannes Paul II. sollte die ganze Welt bereisen, wie die nach ihm folgenden Päpste auch. Die Reise ins Geburtsland Jesu war kein Zufall: Paul VI. wollte in jenes Land reisen, das sein Amtsvorgänger Apostel Petrus 20 Jahrhunderte zuvor verlassen hatte. Am 17. Januar setzt der heutige Papst Franziskus ein weiteres wichtiges Zeichen für den interreligiösen Dialog: Er besucht erstmals die Synagoge von Rom. Am gleichen Tag findet der 20. Tag für die Vertiefung und Entwicklung des Dialogs zwischen Katholiken und Juden statt.

Anlässlich des Tages hat die italienische Bischofskonferenz gemeinsam mit der Versammlung der Rabbiner Italiens eine Erklärung veröffentlicht. Darin bedankten sich beide Seiten für die Zusammenarbeit der letzten Jahre und betonten, dass der Weg des Dialogs weiter fortgesetzt werde.

„Der Weg hält noch viele Möglichkeiten der Begegnung, des Austauschs und des Zusammenwachsens bereit: Dass wir den Anderen so gut wie möglich begreifen und wertschätzen“, heißt es in dem an diesem Montag veröffentlichten Schreiben. Die Reflexionen der vergangenen zehn Jahre drehten sich um die zehn Gebote. Am 20. Tag der Reflexionen sollen das 9. Und 10. Gebot reflektiert werden, womit sich der Dialog-Zyklus zunächst schließt: „Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen. Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgend etwas, das deinem Nächsten gehört.“

Durch ihren Glauben erkennten beide Religionsgemeinschaften das Gute in der Welt an und erlebten mit Angst die Ereignisse der Gegenwart, die geprägt seien von Leid und beunruhigenden Zukunftsperspektiven, heißt es in dem Schreiben weiter. Mit Sorge fasse man die Zeichen einer immer verirrteren Menschheit auf, die von vielen falschen Götzen getäuscht werde. Der Präsident der Rabbiner-Versammlung Italiens, Giuseppe Momigliano, der das Schreiben mit unterzeichnet hat, erklärt:

„Dieser Dialog ist nicht nur für die jüdisch-christlichen Beziehungen wichtig, sondern ist ein Gewissensaufruf an alle, eine Beziehung mit dem Ewigen aufzunehmen, ein Schlüssel für Antworten in einer dramatischen Zeit, in der moralische Themen eine wichtige Rolle spielen.“

Viele Menschen hätten Mühe, Projekte für die Zukunft zu entwickeln, Verantwortung zu übernehmen für die Schöpfung. „Wir fühlen die dringende Notwendigkeit, das Vertrauen zu bekräftigen, das durch unseren fruchtbaren Dialog entsteht, durch die Suche nach moralischen und spirituellen Werten.“ Dieser Weg sei eine konkrete Verwirklichung des „brüderlichen Dialogs“, von dem das Dekret Nostra Aetate sprach, das 1965 im Rahmen des Zweiten Vatikanischen Konzils veröffentlicht wurde.

Am 17. Januar wird Papst Franziskus zudem erstmals die Synagoge Roms besuchen. Rabbiner Momigliano:

„Wie bereits der Besuch von Johannes Paul II. in der Synagoge von Rom wird auch dieser Besuch eine wichtige Rolle spielen, um die Aufmerksamkeit auf die wichtigsten Themen des Dialogs zu richten.“ (rv)

Israel: „In Europa lieber Englisch sprechen“

Israel Keine Raketen mehr und Waffenruhe. So lauten die neuesten Nachrichten zum Gaza Konflikt. Israel und die Palästinenser haben sich Dienstag-Abend ein weiteres Mal auf eine Waffenruhe geeinigt und diesmal soll sie ohne Zeitbeschränkung halten. An diesem Dienstag gab es noch keine gemeldeten Zwischenfälle. Iris Lanciano, eine österreichische Journalistin, die in Tel-Aviv lebt, berichtet uns von der Situation vor Ort:

„Eine Umfrage hat gezeigt, dass 50 % der Israelis unzufrieden sind mit der israelischen Regierung. Und das macht natürlich Sorge. Die Menschen vertrauen Ministerpräsident Netanjahu nicht mehr und sie glauben auch nicht mehr an den Waffenstillstand. Man kann nur abwarten was die Zukunft bringt. Aber die Menschen, vor allem im Süden des Landes haben Angst, dass wieder Raketen fallen und wollen nicht zurück in ihre Häuser.“

In den 50 Tagen der Eskalation ist viel geschehen: Israelischen Angaben zufolge seien 5.230 Ziele bombardiert worden. Militante Palästinenser hätten rund 4.590 Raketen auf Israel abgefeuert und davon seien rund 3.660 eingeschlagen. Der Rest sei von dem Israelischen Abwehrsystem „Iron Dome“ abgefangen worden oder auf palästinensischen Boden gefallen. Bei der Offensive der israelischen Armee wurden 2.130 Palästinenser getötet, darunter nach Angaben der Vereinten Nationen fast 500 Kinder und mehr als 11.100 verletzt. Auf israelischer Seiten starben 64 Soldaten und sechs Zivilisten.
In Deutschland und Österreich sind die Schlagzeilen vor allem dem Jubel der Palästinenser gewidmet. Die ‚Zeit’ berichtet beispielsweise über „Jubel inmitten der Trümmer“, die Frankfurter Allgemeine Zeitung meldet „Freudenschüsse statt Raketen und Bombenhagel“, die Süddeutsche Zeitung schreibt auch Palästinenser in Gaza feiern Einigung als „Sieg“. Die Palästinenser werten demnach die Waffenruhe als Sieg gegen Israel und feiern auf den Straßen. Bilder zeigen Freude und Erleichterung im Gazastreifen und die Zerstörung. Wie wird das in Israel aufgenommen?

„Die Bilder aus Gaza sind natürlich nicht auch hier an uns nicht vorbeigegangen und es sit erschreckend zu sehen, wie Kinder mit Sprengstoffgürteln und Waffen abgelichtet werden und die Israelis machen sich Sorgen, dass es zu weiteren Anschlägen kommen kann.“

Durch den Gaza-Konflikt hörte man immer wieder von neuer antisemitischen Entfachung –auch in Deutschland, Italien und Österreich. Wie gehen die Jugendlichen, oder die jungen Erwachsenen mit diesen Informationen um. Wird es viel thematisiert? Auch in den israelischen Medien?

„Der Antisemitismus in Europa ist erschreckend. Viele Israelis überlegen sich nun zweimal, ob sie nun nach Europa reisen oder nicht. Diejenigen, die nach Europa reisen, haben Angst auf den Straßen hebräisch zu sprechen und sprechen lieber Englisch.“

Aus Ägypten hieß es jetzt, dass die Grenzübergänge von Israel zum Gazastreifen umgehend geöffnet werden, um humanitäre Hilfe durchzulassen. Für UN-Generalsekretär Ban Ki-moon gibt dies nun Hoffnung für eine politische Lösung des Konflikts. „Eine bessere Zukunft für Gaza und für Israel bedingt eine verlässliche Waffenruhe. Es liegt nun an beiden Seiten, dieser Verantwortung gerecht zu werden“, sagte Ban in New York. (rv)

Papst: Juden und Christen sollen gemeinsam handeln

LeuchterJuden und Christen können sich gemeinsam ganz konkret für eine bessere Welt stark machen. Denn neben Dialog geht es auch um gemeinsames Tun. Das hat Papst Franziskus an diesem Donnerstag vor Vertretern des Amerikanisch-Jüdischen Komitees (AJC) im Vatikan unterstrichen. Die 1906 gegründete US-Organisation verschreibt sich „dem Wohl und der Sicherheit der Juden in den USA, in Israel und der ganzen Welt“. Begegnungen der Päpste mit Vertretern des Komitees haben Tradition. Franziskus hob vor der Delegation hervor:

„Neben dem Dialog ist auch wichtig festzuhalten, wie Juden und Christen zusammen für den Aufbau einer gerechteren und geschwisterlicheren Welt wirken können. Und diesbezüglich möchte ich nachdrücklich an den gemeinsamen Dienst zugunsten der Armen, der Ausgegrenzten, der Leidenden erinnern. Dieser unser Einsatz ist in dem verankert, was die Schriften bezüglich des Schutzes des Armen, der Witwe, des Waisen, des Ausländers offenbaren. Es ist eine Aufgabe, die uns von Gott anvertraut ist, die seinen Willen und seine Gerechtigkeit wiederspiegelt, eine authentische religiöse Pflicht.“

Im kommenden Jahr begehen Christen und Juden das 50-Jahr-Jubiläum des Konzilsdokumentes „Nostra Aetate“. Das Dokument sei seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil „unabdingbarer Bezugspunkt“ im Verhältnis zwischen Christen und Juden, so Franziskus:

„Ausgehend von diesem Dokument hat sich mit erneuertem Eifer eine Reflektion über das spirituelle Erbe entwickelt, das uns vereint und das das Fundament unseres Dialoges ist. Dieses Fundament ist theologisch und nicht einfach Ausdruck unseres Wunsches nach gegenseitigem Respekt und Wertschätzung. Deshalb ist es wichtig, dass unser Dialog immer tief durch das Bewusstsein um unsere Beziehung zu Gott gekennzeichnet ist.“

Das AJC habe seinen Beitrag zur Konsolidierung des Verhältnisses zwischen Christen und Juden geleistet, lobte der Papst. Und er ermutigte die Vertreter des Amerikanisch-Jüdischen Komitees dazu, dieses Erbe auch den jungen Generationen zu vermitteln. So sei etwa ein wachsendes Interesse für das interreligiöse Verhältnis sowohl auf christlicher wie auch auf jüdischer Seite wünschenswert. Unter diesem Stern steht für Franziskus auch die Papstreise ins Heilige Land Ende Mai:

„In wenigen Monaten habe ich die Freude, nach Jerusalem zu kommen, wo wir laut den Psalmen alle geboren sind und wo alle Völker eines Tages zusammenkommen. Begleitet mich, so bitte ich euch, mit eurem Gebet, damit diese Pilgerreise Früchte der Einheit, Hoffnung und des Friedens bringe. Schalom!“ (rv)

P. Hofmann: Papst wird Dialog zwischen Juden und Christen auf eine fruchtbare Weise fortführen

LeuchterAn diesem Montag hat Papst Franziskus eine jüdische Delegation getroffen. Etwa 30 Mitglieder des International Jewish Committee on Interreligious Consultations waren im Vatikan zu Gast, um den neuen Papst kennen zu lernen und die jüdisch-katholische Zusammenarbeit innerhalb des neuen Pontifikates einzuläuten. Pater Norbert Hofmann ist innerhalb des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen für den Dialog mit dem Judentum zuständig, er begleitete die Delegation zu Papst Franziskus. Vor dem Treffen haben wir mit ihm gesprochen und ihn gebeten, uns zu erklären, was die Begegnung für den zukünftigen Dialog zwischen Judentum und Christentum bedeutet.

„Zunächst einmal empfängt Papst Franziskus zum ersten Mal während seines Pontifikates eine jüdische Delegation, von daher hat dieses Treffen eine besondere Bedeutung. Das International Jewish Comittee on Interreligious Consultations ist seit 1970 unser offizieller Partner, es ist eine Dachorganisation aus mehreren jüdischen Organisationen. Es ist ein Antrittsbesuch: Der Papst will die Leute kennen lernen, die Leute wollen den Papst kennen lernen, und natürlich wird es auch darum gehen, die Prämissen des jüdisch-katholischen Dialogs zu bestätigen. Das heißt, das Konzilsdokument Nostra Aetate, das den Dialog mit den Juden eröffnet hat, weiterhin als Kompass herauszustellen. Es geht auch um Kontinuität von Johannes Paul II., über Benedikt XVI. und jetzt auch Franziskus."

Pater Hofmann ist sich sicher, dass Papst Franziskus den Dialog zwischen Judentum und Christentum auf eine fruchtbare Weise fortführen wird. Die interreligiösen Beziehungen, die dem gegenseitigen Einvernehmen nach unter dem Pontifikat Benedikt XVI. große Fortschritte gemacht hatten, könnten unter Franziskus auch um eine persönliche Komponente bereichert werden:

„Es ist zu bemerken, dass Franziskus ein besonderes Augenmerk auf den Dialog mit den Juden gelegt hat. Bereits als Kardinal in Buenos Aires hat er sehr gute Beziehungen zu den Juden gepflegt. Er hat persönliche jüdische Freude, die er auch jetzt noch privat empfängt und mit ihnen isst. Es ist ganz sicher so, dass Franziskus den Dialog auch intensivieren möchte, und dazu ist es wichtig, dass er unsere Strukturen im Vatikan kennen lernt, wie wir den Dialog hier führen."

Im Vatikan wird in diesen Tagen bereits das nächste große jüdisch-katholische Dialogtreffen vorbereitet: es wird im kommenden Oktober in Madrid stattfinden und trägt den Titel „Herausforderungen an den Glauben in den zeitgenössischen Gesellschaften". (rv)

Papst grüßt Roms jüdische Gemeinde

LeuchterWie Benedikt XVI. im Jahr 2005 hat auch Papst Franziskus der jüdischen Gemeinde Roms zu Beginn seines Pontifikates seine Verbundenheit zugesichert. „Auf den Schutz des Allerhöchsten vertrauend, hoffe ich lebhaft, zu jenem Fortschritt beitragen zu können, den die Beziehungen zwischen Juden und Katholiken ausgehend vom Zweiten Vatikanischen Konzil erfahren haben, in einem Geist der erneuerten Zusammenarbeit und im Dienst einer Welt, die nach dem Willen des Schöpfers immer harmonischer sein kann.“ Das schreibt Franziskus in einem Brief an den römischen Oberrabbiner Riccardo Di Segni, den die jüdische Gemeinde am Donnerstag veröffentlichte. Das Schreiben ist auf den Tag der Papstwahl am Mittwoch datiert.

Di Segni äußerte sich erfreut über den päpstlichen Gruß. „Ich sehe, dass auf diese Weise die von Benedikt XVI. verfolgte Linie weitergeführt wird“, sagte er Journalisten. Besonders begrüßte er den Bezug auf das Zweite Vatikanum: „Das ist die Basis für alle Fortschritte, die die Kirche in den vergangenen vier Jahrzehnten gemacht hat.“ Die jüdische Gemeinschaft habe von dem neuen Papst „einen positiven Eindruck“. Der Oberrabbiner erinnerte daran, dass auch Benedikt XVI. sofort nach seiner Wahl einen Brief an die jüdische Gemeinde seiner Bischofsstadt gesandt habe. (rv)

Treffen mit Juden: Die Papstrede im Volltext

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich freue mich über diese Zusammenkunft mit Ihnen hier in Berlin. Ganz herzlich danke ich Präsident Dr. Dieter Graumann für die freundlichen Worte der Begrüßung. Sie machen mir deutlich, wie viel Vertrauen gewachsen ist zwischen dem jüdischen Volk und der katholischen Kirche, die einen nicht unwesentlichen Teil ihrer grundlegenden Traditionen gemeinsam haben. Zugleich ist uns allen klar, daß ein liebendes verstehendes Ineinander von Israel und Kirche im jeweiligen Respekt für das Sein des anderen immer noch weiter wachsen muß und tief in die Verkündigung des Glaubens einzubeziehen ist.
Bei meinem Besuch in der Kölner Synagoge vor sechs Jahren sprach Rabbiner Teitelbaum über die Erinnerung als eine der Säulen, die man braucht, um darauf eine friedliche Zukunft zu gründen. Und heute befinde ich mich an einem zentralen Ort der Erinnerung, der schrecklichen Erinnerung, daß von hier aus die Shoah, die Vernichtung der jüdischen Mitbürger in Europa geplant und organisiert wurde. In Deutschland lebten vor dem Naziterror ungefähr eine halbe Million Juden, die einen festen Bestandteil der deutschen Gesellschaft bildeten. Nach dem Zweiten Weltkrieg galt Deutschland als das „Land der Shoah", in dem man eigentlich nicht mehr leben konnte. Es gab zunächst kaum Anstrengungen, die alten jüdischen Gemeinden neu zu begründen, auch wenn von Osten her stetig jüdische Einzelpersonen und Familien einreisten. Viele von ihnen wollten auswandern und sich vor allem in den Vereinigten Staaten oder in Israel eine neue Existenz aufbauen.
An diesem Ort muß auch erinnert werden an die Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938. Nur wenige sahen die ganze Tragweite dieser menschenverachtenden Tat, wie der Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg, der von der Kanzel der Sankt-Hedwigs-Kathedrale den Gläubigen zurief: „Draußen brennt der Tempel – das ist auch ein Gotteshaus". Die nationalsozialistische Schreckensherrschaft gründete auf einem rassistischen Mythos, zu dem die Ablehnung des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs, des Gottes Jesu Christi und der an ihn glaubenden Menschen gehörte. Der „allmächtige" Adolf Hitler war ein heidnisches Idol, das Ersatz sein wollte für den biblischen Gott, den Schöpfer und Vater aller Menschen. Mit der Verweigerung der Achtung vor diesem einen Gott geht immer auch die Achtung vor der Würde des Menschen verloren. Wozu der Mensch, der Gott ablehnt, fähig ist, und welches Gesicht ein Volk im Nein zu diesem Gott haben kann, haben die schrecklichen Bilder aus den Konzentrationslagern bei Kriegsende gezeigt.
Angesichts dieser Erinnerung ist dankbar festzustellen, daß sich seit einigen Jahrzehnten eine neue Entwicklung zeigt, bei der man geradezu von einem Aufblühen jüdischen Lebens in Deutschland sprechen kann. Es ist hervorzuheben, daß sich die jüdische Gemeinschaft in dieser Zeit besonders um die Integration osteuropäischer Einwanderer verdient gemacht hat.
Anerkennend möchte ich auch auf den sich vertiefenden Dialog der katholischen Kirche mit dem Judentum hinweisen. Die Kirche empfindet eine große Nähe zum jüdischen Volk. Mit der Erklärung Nostra aetate des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde ein „unwiderruflicher Weg des Dialogs, der Brüderlichkeit und der Freundschaft" eingeschlagen (vgl. Rede in der Synagoge in Rom, 17. Januar 2010). Dies gilt für die katholische Kirche als ganze, in der der selige Papst Johannes Paul II. sich besonders intensiv für diesen neuen Weg eingesetzt hat. Es gilt selbstverständlich auch für die katholische Kirche in Deutschland, die sich ihrer besonderen Verantwortung in dieser Sache bewußt ist. In der Öffentlichkeit wird vor allem die „Woche der Brüderlichkeit" wahrgenommen, die von den lokalen Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit jedes Jahr in der ersten Märzwoche organisiert wird.
Von katholischer Seite gibt es zudem jährliche Treffen zwischen Bischöfen und Rabbinern sowie strukturierte Gespräche mit dem Zentralrat der Juden. Schon in den 70er Jahren trat das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) mit der Errichtung eines Gesprächskreises „Juden und Christen" hervor, der in fundierter Weise im Laufe der Jahre viele hilfreiche Verlautbarungen hervorgebracht hat. Nicht unerwähnt bleiben soll das historische Treffen im März 2006 für den jüdisch-christlichen Dialog unter Beteiligung von Kardinal Walter Kasper. Diese Zusammenkunft hat bis in jüngste Zeit reiche Früchte getragen.
Neben diesen lobenswerten konkreten Initiativen scheint mir, daß wir Christen uns auch immer mehr unserer inneren Verwandtschaft mit dem Judentum klar werden müssen. Für Christen kann es keinen Bruch im Heilsgeschehen geben. Das Heil kommt nun einmal von den Juden (vgl. Joh 4,22). Wo der Konflikt Jesu mit dem Judentum seiner Zeit in oberflächlicher Manier als eine Loslösung vom Alten Bund gesehen wird, wird er auf die Idee einer Befreiung hinauslaufen, die die Tora nur als sklavische Befolgung von Riten und äußeren Observanzen betrachtet. Tatsächlich hebt die Bergpredigt das mosaische Gesetz nicht auf, sondern enthüllt seine verborgenen Möglichkeiten und läßt neue Ansprüche hervortreten. Sie verweist uns auf den tiefsten Grund menschlichen Tuns, das Herz, wo der Mensch zwischen dem Reinen und dem Unreinen wählt, wo sich Glaube, Hoffnung und Liebe entfalten.
Die Hoffnungsbotschaft, die die Bücher der hebräischen Bibel und des christlichen Alten Testaments überliefern, ist von Juden und Christen in unterschiedlicher Weise angeeignet und weitergeführt worden. „Wir erkennen es nach Jahrhunderten des Gegeneinanders als unsere heutige Aufgabe, daß diese beiden Weisen der Schriftlektüre – die christliche und die jüdische – miteinander in Dialog treten müssen, um Gottes Willen und Wort recht zu verstehen" (Jesus von Nazareth. Zweiter Teil: Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung, S. 49) Dieser Dialog soll die gemeinsame Hoffnung auf Gott in einer zunehmend säkularen Gesellschaft stärken. Ohne diese Hoffnung verliert die Gesellschaft ihre Humanität.
Insgesamt dürfen wir feststellen, daß der Austausch der katholischen Kirche mit dem Judentum in Deutschland schon verheißungsvolle Früchte getragen hat. Beständige vertrauensvolle Beziehungen sind gewachsen. Juden und Christen haben gewiß eine gemeinsame Verantwortung für die Entwicklung der Gesellschaft, die immer auch eine religiöse Dimension hat. Mögen alle Beteiligten diesen Weg gemeinsam weitergehen. Dazu schenke der Einzige und Allmächtige, Ha Kadosch Baruch Hu, seinen Segen. (rv)

Vatikan: Dokumente zu Pius XII. unter Verschluss?

Der renommierte israelische Holocaustforscher Saul Friedländer hat der katholischen Kirche vorgeworfen, belastende Dokumente über Papst Pius II. zurückzuhalten. „Die Unterlagen für die Zeit des Krieges sind unter Verschluss, und ein Strom von Pseudohistorikern will diesen Papst unbedingt verteidigen", sagte Friedländer der in Berlin erscheinenden „Jüdischen Allgemeinen" vom Donnerstag. Der Historiker sprach von einem „religiöse Antijudaismus" Pius XII. Dieser zeige sich „in vielen seiner Zitate". Pius XII. war von 1939 bis 1958 Oberhaupt der katholischen Kirche. Um seine mögliche Seligsprechung wird seit Langem debattiert; erst diese Woche noch hatte die italienische Zeitung „Il Giornale" über eine Seligsprechung Johannes Pauls II. im Jahr 2011 spekuliert. (rv) 

Italien/Israel: P. Cubbe wird „Gerechter unter den Völkern“

Israel ehrt den italienischen Jesuitenpater Raffaele de Ghantuz Cubbe (1904-1983) posthum mit der Medaille „Gerechter unter den Völkern": An diesem Dienstag überreichte der israelische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Mordechay Lewy, in Rom dem Neffen des Jesuiten die Medaille. Pater Cubbe starb vor 27 Jahren. Mario Galgano war für uns bei der Verleihung der Auszeichnung, die an Menschen verliehen wird, die Juden vor Verfolgung retteten.
 P. Raffaele de Ghantuz Cubbe war in den 40er-Jahren Rektor einer Schule in Frascati in der Nähe Roms. Während des faschistischen Regimes rettete er mehrere jüdische Familien vor der antisemitischen Verfolgung. Doch auch Jahre danach erzählte er niemandem von seiner Tat. Sein Neffe Francesco de Ghantuz Cubbe erfuhr erst viele Jahre nach dem Tod seines Onkels davon.
„Wir erlebten unseren Onkel zu seinen Lebzeiten als eine fröhliche Person. Erst vor kurzem und nach dem Tod meines Onkels nahmen Überlebende mit mir Kontakt auf. Und so lernte ich eine neue Seite meines Onkels kennen. Ebenfalls erstaunlich ist für mich, dass ich noch nie etwas Negatives über ihn erfahren habe."
Eine Figur wie Pater Cubbe ist auch für den interreligiösen Dialog wichtig, sagt der Botschafter Israels beim Heiligen Stuhl, Mordechay Lewy.
„Jeder Einzelfall einer Rettung ist für uns bedeutend. Man muss ja bedenken, dass diese Retter selber unter großer Gefahr gelebt haben. Daher müssen solche Fälle besonders gewürdigt werden. Auch ist zu betonen, dass es unter den Priestern und Ordensleute sehr viele gegeben hat, die Juden gerettet haben. Das bedeutet aber nicht, dass sie alleine aktiv waren. Ich gehe davon aus, dass einige ihnen geholfen haben. Den menschlichen Instinkt soll man auch nicht schmälern. Deswegen sind wir froh, unsere Dankbarkeit zu zeigen."
Figuren wie P. Cubbe können auch die Beziehung zwischen dem Vatikan und Israel stärken, glaubt Botschafter Lewy.
„Ich bin sicher, dass diese Auszeichnung ein positiver Beitrag in dieser Richtung ist. Es gab sehr viele Missverständnisse. Vielleicht wird es noch einige davon geben, weil diese Zeit der Not und Unmenschlichkeit unter den Nazis – also die Shoah – sehr viele Unstimmigkeiten hervorgerufen hat, die nicht so leicht bereinigt werden können."
Es stecke sehr viel Aufarbeitung hinter der Ehrung P. Cubbes, fügt Botschafter Lewy an.
„Es hat mich sehr gefreut, dass der Prozess, der zu seiner Ehrung geführt hat, eine gemeinsame Handlung der Familien der Nachkommen des Jesuitenpaters und der Überlebenden ist. Dieser Zusammenschluss lässt mich für die Zukunft sehr hoffen."
Hintergrund
Seit 1963 ist eine öffentliche Kommission unter der Schirmherrschaft von Yad Vashem dafür zuständig, vorgeschlagene Personen nach bestimmten Kriterien zu prüfen und gegebenenfalls als „Gerechte aus den Völkern" anzuerkennen. Sie besteht aus in Israel bekannten Persönlichkeiten, die oft selbst Holocaustüberlebende sind und staatliche oder politische Ämter bekleiden oder bekleideten. Vorsitzender ist ein Richter am Obersten Gerichtshof Israels.
P. Rafaelle Ghantuz Cubbe war von 1942 bis 1947 Rektor bei der Schule Nobile Collegio di Mondragone bei Frascati. Danach ernannte ihn Papst Pius XII. zum Vizepräsidenten des Päpstlichen Hilfswerkes POA, die sich um die Überlebenden des Zweiten Weltkriegs kümmerten. Als Rektor der Schule in Frascati rettete P. Cubbe drei jüdische Kinder, ohne sie zum Katholizismus konvertieren zu wollen: Marco Pavoncello, Graziano und Mario Sonnino. (rv)

D: Erzbischof Zollitsch würdigt Zentralrat der Juden

Die deutschen Bischöfe haben den Zentralrat der Juden zu seinem 60. Gründungstag als „unverzichtbare Institution“ innerhalb der Gesellschaft gewürdigt. Er schätze den Zentralrat „als Partner des Dialogs und der öffentlichen Mahnung“, so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, in einem am Montag in Bonn veröffentlichten Brief an Zentralrats-Präsidentin Charlotte Knobloch. Er sei dankbar, dass die Beziehungen zwischen Bischofskonferenz und Zentralrat so gut seien, schreibt Zollitsch. Zugleich erteilte Zollitsch jeder Form von Judenfeindlichkeit eine klare Absage.
 Der am 19. Juli 1950 gegründete Zentralrat der Juden in Deutschland ist die Spitzenorganisation der jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik. Er vertritt heute nach eigenen Angaben etwa 105.000 Mitglieder in 108 Gemeinden. (rv)

Naher Osten: „Friedensgespräche noch von Misstrauen gezeichnet“

 

Frieden auf Distanz kann es nicht geben. Das hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angesichts der seit einer Woche wiederaufgenommenen Verhandlungen zwischen Palästina und Israel betont. Friedensakteur und Vermittler ist der US-Diplomat für den Mittleren Osten, George Mitchell. Mit seiner Hilfe soll die nunmehr seit 18 Monaten vorhaltende Pattsituation zwischen Israeli und Palästinensern überwunden werden – Begegnungen von Angesicht zu Angesicht sollen folgen. Der Kustos des Heiligen Landes, Pater Pierbattista Pizzaballa, dämpft jedoch allzu euphorische Hoffnungen und erklärt gegenüber Radio Vatikan:

„Um ehrlich zu sein, ist noch nicht von einem positiveren Klima die Rede. Das wäre auch noch völlig verfrüht. Schließlich kommen wir aus einer Phase ohne jegliche Verhandlungen, dafür aber voller gegenseitiger Verdächtigungen – wenigstens auf politischer Ebene. Und um das hinter uns zu lassen, braucht es mehr, als zögerliche Zusammenkünfte. Man wird abwarten müssen, ob die ersten Treffen das Eis zwischen den beiden Verhandlungspartnern brechen oder ob zum hundertsten Mal taktiert wird, ohne dass sich an der Situation etwas verändert. Die öffentliche Meinung dazu ist eher etwas unterkühlt. Und ähnlich bewerten das auch die Zeitungen."

Von „Gesprächen auf Umwegen" über den von Obama entsandten Diplomaten Mitchell ist die Rede. Zwischen den Stühlen sitze dieser, heißt es im Medienecho, weil sich Israeli und Palästinenser nicht gemeinsam an einen Tisch bringen ließen. Sind die Spannungen wirklich derart stark?

„Im Alltag spüren wir das nicht so deutlich. Zu lange schon ist die Situation unverändert. Hinsichtlich der Gespräche fehlt aber sicherlich das gegenseitige Vertrauen, das erstmal da sein müsste, um schließlich auch die öffentliche Wahrnehmung zu beeinflussen. So kann man nur hoffen, dass sich an die indirekten Gespräche eine direktere Phase von größerer Reichweite anschließen wird. Das bleibt aber abzuwarten. Die Fronten sind sehr stark verhärtet."

Die Hoffnung auf den Umbruch bleibe aber trotz aller Schwierigkeiten bestehen, so Pizzaballa:

„Wir müssen einfach das Beste hoffen, auf allen Ebenen auf einen Wandel hinarbeiten. Als Christen müssen wir dafür auch beten. Und Andere davon überzeugen, dass es so nicht weitergehen kann, dass wir nicht resignieren dürfen. Wir befinden uns auf dem Land der Propheten. Schon deshalb sind wir dazu aufgerufen, auch das zu sehen, was noch nicht da ist. Und dann sind wir als Kirche ja auch eine internationale Gemeinschaft. Und wir brauchen die Anteilnahme der internationalen Kräfte an unserer Situation vor Ort."

Deshalb wünscht sich der Kustos des Heiligen Landes auch mehr Aufmerksamkeit durch die internationale Presse:

„Denn die Medien nehmen großen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung. Frieden wird nicht von zwei Staatsoberhäuptern gemacht, die einen Vertrag unterschreiben: Der Friede ist vielmehr eine Frage von Mentalität und Denkart. Er ist wie ein Fluss, der nach und nach alle Gesellschaftsbereiche durchströmen muss. Deshalb kommt den Medien eine äußerst große Verantwortung zu. Leider folgen sie jedoch oft einer eigenen Logik und sind mehr an Sensationen als an der Friedensstiftung interessiert." (rv)