Papst im Slum: Kritik an „Wohlstandswelt“

Franzsikus200Einen Slum mitten im Herzen der Millionenstadt Nairobi hat Papst Franziskus am Freitag besucht. Am Morgen seines dritten und letzten Reisetags in Kenia fuhr er im offenen Papamobil durch die Barackenstadt, in der mehr als 100.000 Menschen aus vielen Regionen Kenias und aus dem afrikanischen Ausland wohnen. Der Slum heißt Kangemi, er hat sich zwischen Wohnvierteln gebildet; kurz vor dem Papstbesuch installierte die Stadtverwaltung endlich Straßenbeleuchtung, ein erster greifbarer Erfolg der Visite.

Franziskus grüßte viele Einwohner und auch seine Mitbrüder aus dem Jesuitenorden, die in dem Slum die Pfarrei St. Joseph leiten; angeschlossen sind eine Krankenstation, ein Zentrum für Mütter in Schwierigkeiten und eine Ausbildungsstation für technische Berufe. Schon bei seiner Visite in Lateinamerika im Sommer diesen Jahres hatte der Papst, der Favelas aus seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires gut kennt, ein vergleichbares Elendsviertel besucht.

In seiner Ansprache versicherte der Papst den Bewohnern der Hütten und Baracken von Kangemi, er wisse genau „um die Schwierigkeiten, die ihr Tag für Tag durchmacht“, und um „die Ungerechtigkeiten, die ihr erleidet“. Ihre Freuden und Ängste seien ihm „nicht gleichgültig“. Genauso würdigte er aber auch, was er „die Weisheit der Armenviertel“ nannte: „eine Weisheit, die aus dem zähen Widerstand des Echten hervorsprießt, aus den Werten des Evangeliums, welche die durch den zügellosen Konsum eingeschlummerte Wohlstandswelt zu vergessen haben scheint“.

Wörtlich sagte Franziskus: „Ihr seid fähig, Bande der Zugehörigkeit und des Zusammenlebens zu knüpfen, die das Gedränge in eine Gemeinschaftserfahrung verwandeln, wo die Wände des Ichs durchbrochen und die Schranken des Egoismus überwunden werden.“ Die „Kultur der Armenviertel“ leiste mit „dieser besonderen Weisheit“ einen wichtigen „Beitrag für die Zeit, in der wir leben“. Als Beispiel für diese „andere Art von Kultur“ mit ihren „Werten, die nicht an der Börse gehandelt werden“, nannte er das Sprichwort: „Wo zehn essen, da essen auch zwölf!“

„Gott hat die Erde dem ganzen Menschengeschlecht geschenkt“

Beredt rügte der Papst dann die „abscheuliche Ungerechtigkeit der städtischen Ausgrenzung“: „Es sind die Wunden, die Minderheiten verursachen, welche Macht und Reichtum konzentrieren und egoistisch verschwenden, während wachsende Mehrheiten sich in verwahrloste, verseuchte, ausgesonderte Randzonen flüchten müssen! Das verschärft sich, wenn wir die ungerechte Verteilung des Bodens sehen…, die in vielen Fällen dazu führt, dass ganze Familien überhöhte Mieten zahlen für Behausungen in ungeeignetem baulichen Zustand. Ich weiß auch um das schwerwiegende Problem des Hamsterkaufs von Ländereien durch gesichtslose „private Entwickler“, die sogar versuchen, sich den Pausenhof der Schulen ihrer Kinder anzueignen.“ Das alles passiere, „weil man vergisst, dass Gott die Erde dem ganzen Menschengeschlecht geschenkt hat“, so Franziskus mit einem Zitat des hl. Johannes Paul II.

„In diesem Sinn stellt der mangelnde Zugang zu Infrastrukturen und den wichtigsten Serviceleistungen ein schwerwiegendes Problem dar. Ich meine damit Toiletten, Abwasserkanäle, Abflüsse, Müllabfuhr, Elektrizität, Wege, aber auch Schulen, Krankenhäuser, Erholungs- und Sportzentren und Kunstwerkstätten.“ Vor allem der Zugang zu Trinkwasser sei eigentlich ein fundamentales Menschenrecht, das keinem verweigert werden dürfe, fuhr der Papst fort. „Diese Welt lädt eine schwere soziale Schuld gegenüber den Armen auf sich, die keinen Zugang zum Trinkwasser haben, denn das bedeutet, ihnen das Recht auf Leben zu verweigern, das in ihrer unveräußerlichen Würde verankert ist. Einer Familie unter irgendeinem bürokratischen Vorwand das Wasser zu verweigern, ist eine große Ungerechtigkeit, vor allem, wenn aus dieser Not ein Nutzen gezogen wird.“

Noch schlimmer werde das Gewebe aus „Gleichgültigkeit und Feindseligkeit, unter dem die Armenviertel leiden“, durch Gewalt und organisierte Kriminalität. All diese „Wirklichkeiten“ seien „keine zufällige Kombination von Einzelproblemen“, diagnostizierte der Papst. „Sie sind vielmehr die Folge neuer Formen von Kolonialismus… Tatsächlich fehlt es nicht an Druck, damit (die armen Länder) politische Maßnahmen der Aussonderung ergreifen wie die zur Geburtenbeschränkung – eine Art Wegwerfpolitik.“

Der Papst warb für eine Trendwende: „Weder Ausmerzung, noch Paternalismus, noch Gleichgültigkeit, noch bloße Zügelung. Wir brauchen Städte, die integriert und für alle da sind.“ Alle Menschen hätten das Recht auf Land, Wohnung und Arbeit: „Das ist keine Philanthropie, es ist eine Verpflichtung aller!“
„Ich möchte alle Christen, besonders die Hirten, aufrufen, den missionarischen Schwung zu erneuern, gegenüber so vielen Ungerechtigkeiten die Initiative zu ergreifen, in die Probleme der Nächsten einzugreifen, sie in ihrem Ringen zu begleiten, die Früchte ihrer Gemeinschaftsarbeit zu schützen und gemeinsam jeden kleinen und großen Sieg zu feiern. Ich weiß, dass sie schon viel tun, aber ich bitte sie, sich daran zu erinnern, dass es nicht eine zusätzliche Aufgabe, sondern jedes Mal die wichtigste Aufgabe ist, denn die Armen sind die ersten Adressaten des Evangeliums.“ Letzteres war übrigens ein Zitat aus einer Rede von Benedikt XVI. an brasilianische Bischöfe.

Nach seinem Besuch in Kangemi fuhr der Papst weiter zu einem Treffen mit Jugendlichen im Kasarani-Stadion von Nairobi. Daran soll sich dann ein Treffen mit den Bischöfen des Landes anschließen. Am Nachmittag steht der Weiterflug in das Nachbarland Uganda auf dem Programm, zweite Station auf der Afrikareise des Papstes. (rv)

Papst in Nairobi: „Dialog ist kein Luxus!“

KeniaPapst Franziskus hat in Kenias Hauptstadt Nairobi die Religionen aufgerufen, gemeinsam gegen Extremismus und Terror vorzugehen. Bei einem Treffen mit Kirchen- und Religionsvertretern sagte er am Donnerstagmorgen, „allzu häufig“ würden junge Leute „im Namen der Religion zu Extremisten gemacht, um Zwietracht und Angst zu säen und um das Gefüge unserer Gesellschaften zu zerstören“.

Wörtlich sagte Franziskus: „Wie wichtig ist es, dass wir als Propheten des Friedens, als Friedenstifter erkannt werden, welche die anderen einladen, in Frieden, Eintracht und gegenseitiger Achtung zu leben! Möge der Allmächtige die Herzen derer anrühren, die diese Gewalt verüben, und unseren Familien und Gemeinschaften seinen Frieden gewähren!“

Ausdrücklich verurteilte der Papst die Terroranschläge, die Kenia in den letzten Jahren erlebt hat, darunter den blutigen Angriff von Shabab-Milizen aus Somalia auf das Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi vom September 2013. Gott sei „ein Gott des Friedens“, so Franziskus. Umso wichtiger sei „das Zusammenwirken der religiösen Leader und ihrer Gemeinschaften“ für das „Gemeinwohl“. „Die Welt erwartet zu Recht, dass in der Bewältigung der vielen Probleme, die die Menschheitsfamilie bewegen, die Gläubigen mit den Menschen guten Willens zusammenarbeiten.“

„Der ökumenische und interreligiöse Dialog ist kein Luxus“, betonte der Papst. „Er ist nicht etwas Zusätzliches oder Optionales, sondern er ist wesentlich, etwas, das unsere durch Konflikte und Spaltungen verletzte Welt immer dringender braucht.“ (rv)

Heiliges Jahr: „Vorpremiere“ in Afrika

Zentralafrikanische RepublikDas Heilige Jahr der Barmherzigkeit startet in Zentralafrika etwas früher als im Rest der Weltkirche – das hat sich beim Angelusgebet des Papstes an diesem Sonntag herausgestellt. Franziskus sprach mit einiger Sorge über die jüngsten Gewaltausbrüche in der Zentralafrikanischen Republik; er machte deutlich, dass er an seiner Visite in der Hauptstadt Bangui Ende November festhalten will. Und dann sagte er überraschend:

„Ich will die betende Nähe der ganzen Kirche zu dieser so leidgeprüften, gequälten Nation zeigen und alle Zentralafrikaner dazu aufrufen, immer mehr Zeugen der Barmherzigkeit und der Versöhnung zu sein. Darum plane ich, am Sonntag, 29. November, die Heilige Pforte der Kathedrale von Bangui zu öffnen – während der Apostolischen Reise, die ich hoffe, durchführen zu können.“

Offiziell startet das von Franziskus ausgerufene Heilige Jahr der Barmherzigkeit erst am 8. Dezember in Rom; der Papst wird dazu feierlich die Heilige Pforte des Petersdoms öffnen. Eine afrikanische „Vorpremiere“ zum Heiligen Jahr ist ein absolutes Novum in der Kirchengeschichte. Franziskus will während seiner ersten großen Afrikareise außer der Zentralafrikanischen Republik auch Kenia und Uganda besuchen. (rv)

Papst vor dem Kongress: Die Krisen und die Lösungen

USAEin historischer Moment in der Geschichte der Päpste: Als erster Papst sprach Franziskus, nach einem privaten Treffen mit dem Sprecher des Repräsentantenhauses John Boehner, an diesem Donnerstagnachmittag (deutscher Zeit) vor dem US-Kongress. In einer langen englischsprachigen Rede wandte er sich an die vielen Abgeordneten und sprach von der Flüchtlingskrise, der Todesstrafe, dem Dialog mit Kuba und Iran bis hin zum Fundamentalismus. Vier Persönlichkeiten der amerikanischen Geschichte können in ihrer Vorbildfunktion die Lösung einiger Krisen sein: Abraham Lincoln, Martin Luther King, Dorothy Day und Thomas Merton.

Zu allererst wandte er sich an die Abgeordneten als „Repräsentanten“ des amerikanischen Volkes. An die „Söhne und Töchter“ dieses großen Kontinents, denn auch er sei ein Sohn dieses großen Kontinents. Die Arbeit der Politiker im Kongress verglich er mit der Gestalt von Mose, der einerseits Gesetzgeber des Volkes Israel war und andererseits die Gestalt sei, die direkt zu Gott führe und damit zur „transzendenten Würde des Menschen.“ Franziskus verwies auf die kulturellen Reserven des Landes – die als Vorbilder für eine Kultur dienen können: Persönlichkeiten, die auf unterschiedliche Art und Weise die Kultur und Geisteshaltung prägten und die auch jetzt an Aktualität aufweisen würden.

„Eine Nation kann als bedeutend angesehen werden, wenn sie wie Abraham Lincoln die Freiheit verteidigt; wenn sie eine Kultur pflegt, welche die Menschen befähigt, vom vollen Recht für alle ihre Brüder und Schwestern zu „träumen“, wie Martin Luther King es ersehnte; wenn sie so nach Gerechtigkeit strebt und sich um die Sache der Unterdrückten bemüht, wie Dorothy Day es tat in ihrer unermüdlichen Arbeit, der Frucht eines Glaubens, der zum Dialog wird und Frieden sät im kontemplativen Stil Thomas Mertons.“

Abraham Lincoln und die Wege der Freiheit

Franziskus sprach zuerst über Präsident Abraham Lincoln; nannte ihn „den Hüter der Freiheit“, der sich unermüdlich dafür einsetzte, dass die „Nation der Freiheit“ geboren werde. Dieses Jahr feiere man den hundertfünfzigsten Jahrestag seiner Ermordung . Der Weg zu einer Zukunft der Freiheit, sei ein Weg der Zusammenarbeit und der Solidarität. Heute sei die Welt geprägt von Hass, Gewalt, Terror – oft auch im Namen „von Gott, einer Ideologie oder eines Wirtschaftssystems“ ausgeübt.

Das Problem sei jedoch die Polarisierung und die Schwarz-Weiß-Malerei. Gewalt sei keine passende Antwort: „Wir wissen, dass wir in dem Bestreben, uns von dem äußeren Feind zu befreien, in die Versuchung geraten können, den inneren Feind zu nähren. Den Hass von Tyrannen und Mördern nachzuahmen ist der beste Weg, um ihren Platz einzunehmen. Das ist etwas, das Sie als Volk zurückweisen.“

Die passende Antwort sei, die der „Hoffnung, Heilung, des Friedens und der Gerechtigkeit.“ Nur mit Intelligenz und Mut und mit dem richtigen Sinn für das Gemeinwohl, sei es möglich eine Lösung zu finden. „Wenn die Politik wirklich im Dienst des Menschen stehen soll, folgt daraus, dass sie nicht Sklave von Wirtschaft und Finanzwesen sein kann. Die Politik ist hingegen ein Ausdruck unserer dringenden Notwendigkeit, in Einheit zusammenzuleben, um gemeinsam das bestmögliche Gemeinwohl zu schaffen: das einer Gemeinschaft, die Einzelinteressen zurückstellt, um in Gerechtigkeit und Frieden ihre Güter, ihre Interessen und ihr gesellschaftliches Leben zu teilen.“

Martin Luther King und das Gehör des Glaubens

Viele verschiedene Religionsgemeinschaften sind in der USA beheimatet. Sie haben Amerika zu dem gemacht, was es heute sei. So beschreibt Franziskus die Rolle der Religionen im „Land der Freiheit“. Daher müsse auch in Zukunft dem Glauben Gehör geschenkt werden, denn dieser versuche das Beste jedes Menschen und jeder Gesellschaft hervorzubringen. Hier erwähnte der Papst den US-amerikanischen Baptistenpastor und Bürgerrechtler Martin Luther King, der für seinen Traum der vollen bürgerlichen und politischen Rechten für Afro-Amerikaner verwirklichte. „Ein Traum, der immer noch in unseren Herzen nachklingt. Ich freue mich, dass Amerika weiterhin für viele ein Land der „Träume“ ist. Träume, die zum Handeln führen, zur Beteiligung, zum Engagement. Träume, die das Tiefste und Wahrste im Leben eines Volkes erwecken.“

Das „Land der Träume“ habe viele Menschen in den letzten Jahrhunderten angelockt, auch sie wollen ihren Traum leben. Papst Franziskus spricht von der derzeitigen Flüchtlingskrise. Er betonte, dass Fremdenhass nur ein Hass gegen sich selbst sei, denn die meisten Bürger der Vereinigten Staaten stammten selbst von Einwanderern ab. Hier spricht er konkret auch die Mitglieder des Repräsentantenhauses an. Genau aus diesem Grund müsse die USA die Rechte der Flüchtlinge wahren, betonte Franziskus. Er spricht nicht nur von der europäischen Flüchtlingssituation, sondern geht auch auf die Lage an der Grenze zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten ein.

„Unsere Welt steht vor einer Flüchtlingskrise, die ein seit dem Zweiten Weltkrieg unerreichtes Ausmaß angenommen hat. Das stellt uns vor große Herausforderungen und schwere Entscheidungen. Auch in diesem Kontinent ziehen Tausende von Menschen nordwärts auf der Suche nach einem besseren Leben für sich und ihre Lieben, auf der Suche nach größeren Möglichkeiten. Ist es nicht das, was wir für unsere eigenen Kinder wünschen?“

Die goldene Regel: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen“ (Mt 7,12) sei gültig nicht nur auf Bezug der flüchtenden Menschen, sondern auf alles und jeden und betreffe unserer Verantwortung für „jedes Leben in jedem Stadium“. Mit dieser Überleitung betonte der Papst auch sein Engagement und seinen Wunsch nach der weltweiten Abschaffung der Todesstrafe.

Dorothy Day und der Kampf gegen Armut und Hunger

Dorothy Day, eine US-amerikanische Sozialaktivistin und Journalistin, welche die katholische Sozialbewegung Catholic Worker Movement gegründet hatte, sei für den Papst ein wichtiges Symbol für das soziale Engagement im Dienste der Unterdrückten. Auch heute, in Zeiten der Krise, sollten sich Politiker und Amerikaner dieser Initiative annehmen und gegen Armut und Hunger der Welt kämpfen. „Es versteht sich von selbst, dass ein Teil dieser großen Bemühung darin besteht, Wohlstand zu schaffen und zu verteilen. Die rechte Nutzung der natürlichen Ressourcen, die angemessene Anwendung der Technologie und der Einsatz des Unternehmergeistes sind wesentliche Elemente einer Wirtschaft, die bestrebt ist, modern, solidarisch und nachhaltig zu sein.“

In seinem päpstlichen Schreiben „Laudato Si“, ginge der Papst genau auf diese Themen ein – auf eine „Kultur der Achtsamkeit“, die darauf pocht die Ressourcen mit Behutsamkeit zu nutzen, die Umwelt zu schützen und die Armut zu bekämpfen. Nachhaltigkeit sei also das oberste Ziel. Er sei überzeugt, dass Amerikas hervorragende Wirtschaft- und Forschungsinstitute in den kommenden Jahren einen entscheidenden Beitrag liefern können.

Thomas Merton und die Pflicht zum Dialog

Ein weiteres Beispiel als amerikanische Leitfigur nannte der Papst den Zisterziensermönch Thomas Merton. Er sei eine „bleibende Quelle spiritueller Inspiration und eine Leitfigur für viele Menschen. Er sei ein „Mann des Dialogs, ein Förderer des Friedens zwischen Völkern und Religionen“ gewesen. Auch der Papst sehe sich in dieser Funktion, betonte er und daher sei auch sein Engagement im Bereich des Dialogs in den letzten Monate so groß gewesen. Ohne es wörtlich zu nennen, ging er hier auf sein Engagement und die Annäherung von Kuba und USA ein. Denn es gehe um die „Überwindung historischer Unstimmigkeiten beizutragen, die mit schmerzlichen Geschehnissen aus der Vergangenheit verbunden waren“. Hier deutet er auch die Verhandlungen mit dem Iran an.

„Es ist meine Pflicht, Brücken zu bauen und allen Menschen zu helfen, auf jede mögliche Weise dasselbe zu tun. Wenn Länder, die miteinander im Konflikt standen, den Weg des Dialogs einschlagen – eines Dialogs, der aus sehr legitimen Gründen unterbrochen sein mag –, öffnen sich neue Möglichkeiten für alle.“ Schließlich betonte Papst auch noch dass der Waffenhandel enden müsse. Das Geld, das aus diesem Business komme sei in „unschuldiges Blut“ getränkt und er wiederholte die Wichtigkeit der vier Persönlichkeiten der amerikanischen Geschichte.

Als letzten Punkt erwähnte der Papst seinen Besuch in Philadelphia, wo er den Weltfamilientag besuchen wird und die Bedeutung der Familie, bevor er die berühmten Worte sprach: „God bless America.“ Im Anschluss an seine Rede trat er auf den Balkon des Kapitols und grüßte die tausenden Zuschauer, die die die Rede von draußen verfolgt hatten.

Spontane Segnung des amerikanischen Volkes

Nach dem historischen Ereignis sprach der Papst noch, vom Balkon des US-Kongress aus, zu den zahlreichen Menschen, die sich am Kapitol versammelt hatten. In seiner Muttersprache segnete er alle Menschen von Amerika – vor allem die Kinder und die Familien. Er bat die vielen Menschen darum für ihn zu beten und die jenige, die nicht glauben oder für ihn beten können, sollen „Glückwünsche" an ihn richten.

Gleich darauf traf Papst Franziskus mit Obdachlosen im Caritas-Zentrum der Pfarrei St. Patrick zusammen, bevor er von Washington aus weiter nach New York reiste. Dort konzelebriert er eine Vesper mit dem Klerus in der St. Patricks Kathedarale. (rv)

Papst an US-Bischöfe: Vorsicht vor Spaltungen

Logo_USA_2015Papst Franziskus hat die Dynamik der katholischen Kirche in den USA gelobt. In einer langen Grundsatzansprache in der Kathedrale von Washington erinnerte er die US-Bischöfe am Mittwochvormittag (Ortszeit) daran, dass der Einsatz für die Umwelt und für Einwanderer ebenso zu den Kernaufgaben der Kirche gehöre wie etwa das Engagement gegen Abtreibung oder „die Verkündigung des Evangeliums der Familie“.

Man dürfe diesen Fragen nicht ausweichen noch zu ihnen schweigen, denn da gehe es immer um Gottes Schöpfungsplan, dessen „Verwalter“ und nicht etwa „Herren“ wir seien. Deutlich wurde das Bemühen des Papstes, Polarisierungen zu vermeiden; deutlich mahnte er die Bischöfe, keine kriegerische Sprache zu führen. Es gebe schon genug Spaltungen in der Welt: Die Kirche dürfe sich nicht auseinanderdividieren lassen, dürfe nicht in kleine Grüppchen zerfallen.

Franziskus unterstrich die vielfältige, auch finanzielle Hilfe, die die US-Kirche in vielen Teilen der Weltkirche leiste, und ihren von der US-Gesellschaft oft unterschätzten Beitrag im Schul- und Gesundheitswesen. Er stellte sich ausdrücklich hinter den Kampf „für die Sache des Lebens und der Familie“; das sei im übrigen auch eines der Hauptmotive seiner Reise. Der Papst ging aber auch ausdrücklich auf den Missbrauchsskandal ein, der die US-Kirche ebenso gebeutelt hat wie die Kirchen in Europa: Er wisse um die „Wunde der letzten Jahre“ und ermuntere, alles für eine Heilung der Opfer zu tun – und dafür, dass sich solche „Verbrechen“ niemals wiederholten.

Als Amerikaner wie sie und als langjähriger Erzbischof von Buenos Aires bringe er viel Verständnis für ihre Situation auf, betonte Franziskus. Er bat sie, keine „komplexen Lehren“ zu predigen, sondern Christus freudig zu verkünden; und nicht „sich selbst zu weiden“, sondern „die Familie Gottes“. Die Kirche dürfe nicht ständig um sich selbst kreisen, sondern den Horizont auf Gott hin offenhalten. „Kultur der Begegnung“ und Dialog seien keine „Strategie“, sondern entsprechen nach Auffassung des Papstes der „Methode“ Jesu.

Die USA hätten angesichts ihrer riesigen „materiellen und geistlichen Ressourcen“ weiterhin wichtige „moralische Verantwortungen“ der Welt gegenüber. Das Feuer dieses „Leuchtturms“ dürfe nicht erlöschen, es gehe um „die Zukunft von Freiheit und Würde unserer Gesellschaften“. Eindringlich bat Franziskus auch um stärkeren Einsatz für Einwanderer aus Lateinamerika; er tue das auch „in eigener Sache“, so der Sohn italienischer Einwanderer nach Argentinien. Vielleicht sei es für US-Bistümer nicht immer leicht, mit dem Ansturm und der Integration von ‚Hispanics’ klarzukommen, doch diese könnten „Amerika und seine Kirche bereichern“, wie das schon bei früheren Einwanderungs-Wellen der Fall gewesen sei.

Zu Beginn seiner Rede grüßte der Papst die jüdischen Gläubigen zum Neujahrsfest Jom Kippur. Von den US-Bischöfen erhielt er ein Gemälde und eine Geldspende für seinen Einsatz für Bedürftige. (rv)

Papstbesuch bei den Castros

Papstreise KubaPapst Franziskus hat an diesem Sonntag Fidel Castro einen Besuch abgestattet.Das bestätigte Vatikanspecher Pater Federico Lombardi nach dem Treffen. Die beiden hätten sich in Anwesenheit einiger Familienmitglieder Castros über eine halbe Stunde lang unterhalten Franziskus wiederholt damit einen Besuch, den bei seiner Reise 2012 Papst Benedikt XVI. gemacht hatte. Castro war Revolutionsführer und bis 2008 Vorgänger seines Bruders Raúl als Präsident des Landes. Der 89-jährige habe dem Papst einen Interviewband geschenkt, den er gemeinsam mit einem brasilianischen Theologen vor Jahren geschrieben habe, berichtete Lombardi.

Nach der Mittagspause machte Papst Franziskus dann seinen offiziellen Besuch bei Kubas Staatspräsident Raúl Castro. Die Delegationen wurden einander vorgestellt, danach unterhielten sich Castro und der Papst, die sich schon früher einmal im Vatikan sowie bei der Ankunft des Papstes in Havanna begegnet sind. Ansprachen wurden nicht gehalten. Der Papst schenkte Castro ein Mosaik der Virgen del Cobre, während dieser dem Gast aus Rom ein großes Kruzifix aus Bootsrudern übergab.

Zur gleichen Zeit unterhielten sich auch die offiziellen Delegationen, auf vatikanischer Seite geführt von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, miteinander. (rv)

Kardinal Ortega: Dialog-Modell für die Welt

Kardinal Robles OrtegaDas Aufweichen des US-Embargos gegen Kuba zwei Tage vor der Papstreise ist ein außerordentliches Zeichen. So bewertet der Erzbischof von Havanna, Kardinal Jaime Ortega, die Entscheidung Präsident Barack Obamas, Reise- und Geldverkehr zwischen den beiden Nachbarländern in gewissem Maß zu erlauben. „Angekündigt hat er es ja schon bei der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen, es fehlte aber bislang noch an den konkreten Entscheidungen.“ Die seien aber wichtig dafür, dass das Versprochene auch wirklich Realität werde. Kardinal Ortega äußerte sich in einem ausführlichen Interview mit Radio Vatikan kurz vor Ankunft von Papst Franziskus in seinem Bistum. Er glaube, damit sende Obama ein Signal, so Ortega, dass er die Absichten von Papst Franziskus verstanden habe. „Es stimmt, der Papst war kein Vermittler, er hat auch selber gesagt, dass er kein Vermittler gewesen sei, er war aber vielleicht etwas Wichtigeres als ein Vermittler, er war ein Initiator.“ Die Fähigkeit des Papstes, die Herzen der Menschen zu bewegen, sei außergewöhnlich.

So sei auch die Videobotschaft des Papstes von diesem Donnerstag mit „stillem Respekt“ im Land entgegen genommen worden, es sei deutlich geworden, dass hier der Hirte der universalen Kirche spreche und zwar über Liebe, Vergebung und Glauben. Man habe sich daran gewöhnt, dass der Papst empfangen werde wie ein Staatschef und wie der „Heilige Vater“, „aber dieser Papst hat mit der Sprache eines Priesters gesprochen, der mit Menschen spricht, um mit ihnen über das zu sprechen, was das Wichtigste ist.“ Man spreche über den Papst oft als über jemanden, der Einfluss habe in der Welt und dessen Botschaften gewichtig seien. „Das alles ist wahr“, sagt der Kardinal. „Seine moralische Autorität ist außergewöhnlich. Aber der Papst kommt, um unseren Glauben zu stärken an die Liebe Jesu, er kommt als Missionar der Barmherzigkeit, und diese Barmherzigkeit besteht darin, den Nächsten in dessen Realität zu begegnen.“

Volksglauben: Eine lebendige Kirche

Kardinal Ortega wehrt sich gegen die Aussage, die Kirche in Kuba sei eine Minderheit, das stimme nicht. Auch wenn die aktiven Katholiken nicht viele seien, man lasse weiter Taufen, die Menschen kennen Vater Unser und Ave Maria und es gebe einen weit verbreiteten Volksglauben, den man nicht vernachlässigen dürfe. Die soziologische Sicht Westeuropas, Messbesucher zu zählen, komme nicht weit beim Verstehen des Glaubens auf der Insel. Viel Messbesuch gebe es auch in Europa nicht, „in Lateinamerika ist das viel weniger, in Kuba noch viel weniger. Das heißt aber nicht, dass die Leute nicht für Verstorbene beten, Heiligenfeste feiern, in die Kirche kommen oder Wallfahrten zu den verschiedenen Heiligtümern machen. Es gibt eine Religiosität, die vielleicht nicht aufgeklärt ist oder ausgebildet, sie braucht Verkündigung. Aber es ist diese Religiosität, weswegen die Kirche lebendig ist.“ Papst Franziskus kenne diesen Volksglauben und wisse um die Wichtigkeit für das Leben der Kirche. Er kenne die Probleme des Synkretismus, der leider auch immer dabei sei. Deswegen habe er eine Videobotschaft gehabt, welche die Menschen anspreche.

Dialog ist der neue Name für Liebe

Kardinal Ortega empfängt mit Papst Franziskus bereits seinen dritten Papst, seit 1991 ist er Erzbischof von Havanna. Trotzdem sei es ein vierter Papst, welcher der Kirche Kubas quasi ihr Motto gegeben habe, Paul VI. „Er hat gesagt, dass der Dialog der neue Name für die Liebe sei, damit hat er uns einen unvergesslichen Satz hinterlassen. Auch Johannes Paul II. war ein Mann des Dialogs, er ist um die Welt gereist und hat die Kirche der Welt geöffnet. Sein Satz an uns, Kuba möge sich der Welt öffnen und die Welt Kuba, war ein Aufruf an uns zum Dialog.“

Als sich die beiden Präsidenten Kubas und der Vereinigten Staaten vor zehn Monaten die Hände schüttelten, hätten beide Papst Franziskus angesprochen, „er steht am Beginn dieses Dialogs. Papst Franziskus hat dabei eine wichtige und entscheidende Rolle gespielt.“ Das sei in den Augen der meisten Menschen auf Kuba der Neuanfang der Prophezeiung Papst Johannes Pauls II. gewesen. Papst Benedikt hingegen habe eher einen theologischen Weg genommen, um über den Dialog mit der Welt zu sprechen. „Er hat uns damit ein theologisches Monument hinterlassen, das in der Zukunft wichtig sein wird, wenn auch nicht so beliebt wie die Sätze von Johannes Paul II. und Paul VI. Seine Gedanken haben auch tiefen Einfluss auf Papst Franziskus. Er hat aber eine andere Persönlichkeit, er ist Lateinamerikaner, jemand, der unsere Sprache spricht, hier wird er einfach verstanden und das weiß er. Er setzt fort, was die Päpste vor ihm begonnen haben, aber in einem neuen Stil.“

Erst Kuba und dann die Welt

Aber das Ganze geht nicht nur Kuba an. Eindrücklich erinnere er sich an die Rede von Papst Franziskus an das diplomatische Corps im Vatikan. Dort habe er Kuba und die USA zu ihren sich wandelnden Beziehungen beglückwünscht. „Er sagte damals auch, dass er das als Modell für die Welt vorstellen wolle. Deswegen ist diese Reise nicht nur für Kuba und die USA, nicht nur für Lateinamerika. Wir haben das auch bei den Atom-Verhandlungen mit dem Iran gesehen: auch das hat funktioniert. Der US-Außenminister John Kerry hat mir das direkt gesagt, als er praktisch aus Wien von diesen Verhandlungen zu uns kam: Der Papst hat auch da seinen Einfluss gehabt. Der Papst kann noch viel in diesem Sinn in der Welt bewirken und die Welt hat noch viel Kapazität für mehr Menschlichkeit. Diese Reise wird das alles fördern.“

Aus Kuba Pater Bernd Hagenkord (rv)

Vor der Reise: Videobotschaft des Papstes an Kuba

Papstreise KubaMit einer geistlichen Botschaft wandte sich Papst Franziskus über das kubanische Fernsehen am Donnerstagabend Ortszeit an die Gläubigen in dem Land, das er ab diesem Samstag besuchen wird. Er habe eine einfache, aber wichtige und notwendige Botschaft, so der Papst. In dem kurzen Video spricht er vom Zeugnis, das die Christen durch ihre Treue und durch ihre gegenseitige Unterstützung abgäben. Er komme in wenigen Tagen, um diesen gemeinsamen Glauben und diese Hoffnung zu teilen.

Dann spricht der Papst von Jesus, der besser als wir selber wisse, was wir bräuchten, und er spricht vom Gebet, das den Kontakt zu Jesus ermögliche. In der Botschaft wird der religiöse Hintergrund der Reise deutlich, der in der Berichterstattung zur politischen Entspannung zwischen den USA und Kuba etwas zu kurz gekommen ist. Zu all dem verliert der Papst kein Wort, er spricht über das Vergeben, das Lieben, das Begleiten aus dem Geiste Jesu. Er wolle ein „Missionar der Barmherzigkeit“ sein, schließt der Papst seine Botschaft, „Missionar der Zärtlichkeit Gottes“, aber er wolle gleichzeitig auch alle dazu anregen, selber zu solchen Missionaren der unendlichen Liebe Gottes zu werden, so dass die ganze Welt erfahre, dass Gott immer vergebe.

Damit gibt Papst Franziskus seinem in zwei Tagen beginnenden Besuch seine eigene, religiöse Färbung.

Aus Kuba Pater Bernd Hagenkord. (rv)

Papstbesuch in Kuba: Hoffnung auf weitere Öffnung

KubaKuba hofft auf mehr Offenheit und auf wirtschaftliche Hilfen, auch im Blick auf den Besuch von Papst Franziskus. Das sagt Yosvany Carvajal, Pfarrer der Kathedrale von Havanna und Leiter des Kulturzentrums Felix Varela. Papst Franziskus wird in genau einer Woche, am 19. September, zu seiner zweiten Reise nach Amerika aufbrechen, auf dem Programm stehen nach Kuba außerdem die Vereinigten Staaten. „Kuba erwartet seinen dritten Papst, um uns im Glauben zu stärken. Ganz Kuba erwartet einen Papst, der selber Lateinamerikaner ist, der unsere Sprache spricht, der an der Seite der Armen und Kleinen ist. Diese Kirche, die selber arm und klein ist, empfängt Papst Franziskus in großer Dankbarkeit.“

Engagiert sei die Kirche weit über die eigenen Glaubensgrenzen hinaus, im sozialen Bereich setze man sich im Land für die Menschenwürde ein und das treffe auf die Anliegen, für die ja auch Papst Franziskus stehe, so Carvajal. „Die Kirche in Kuba ist im Dialog mit der Welt“, fasst er diese Haltung zusammen, und man sehe ja auch an der Entwicklung der Beziehungen zwischen Kuba und den USA, wie wichtig Dialog sei. Nicht zuletzt habe auch die Kirche und habe der Papst seine Rolle bei dieser Entwicklung gespielt. „Deswegen wartet nicht nur die katholische Kirche auf Papst Franziskus, sondern das gesamte kubanische Volk, das sich für die Gesten der Nähe und den Einsatz bedanken möchte, den der Papst in der Versöhnung der Menschen und der Nation gezeigt hat.“

Es gebe viel Hoffnung im Land, gerade auch was die Beziehungen zu den USA beträfen. „Die Kubaner wünschen sich, dass sich die Tore noch weiter öffnen. Wir leben dieses neue Kapitel unserer Geschichte hoffnungsvoll. Es gibt Öffnung und Dialog mit einem alten Feind der Regierung, aber nicht des Volkes. Das Volk hat immer in Verbindung mit den Vereinigten Staaten gestanden, auch nach der Revolution, als so viele dorthin gegangen sind. Vor allem die Familienbeziehungen waren also immer sehr stark.“ Carvajal hat die Hoffnung, dass sich für diese Familien jetzt viel verbessern wird. Er wünscht sich auch Investitionen in die Wirtschaft der Insel, Kuba brauche Hilfe. (rv)

Papst Franziskus reist Ende November nach Afrika

KeniaPapst Franziskus reist vom 25. bis 30. November nach Afrika. Das hat der Vatikan am Donnerstag nun auch offiziell bestätigt. Die Bischofskonferenzen der besuchten Länder hatten die Termine bereits bekannt gegeben. Nach Auskunft des Vatikan besucht der Papst vom 25. bis 27. November Kenia, vom 27. bis 29. November Uganda und vom 29. bis 30. November die Zentralafrikanische Republik. Das Programm der Reise wird demnächst bekanntgegeben, wie der Vatikan mitteilte. (rv)