Soziale Medien, Weltjugendtag und der „twitterbare“ Papst: Die digitale Neuevangelisierung

cna_WJT2016KRAKAU/ROM – Während sich tausende junger Christen darauf vorbereiten, den Weltjugendtag im Juli in Krakau zu besuchen, arbeiten die Organisatoren primär mit den sozialen, nicht traditionellen, Medien als Plattform für ihre Botschaft und die eines „leicht teilbaren“ Papst Franziskus.

„Franziskus ist ein digitaler Papst, denn er ist physisch. Er hat eine Körperlichkeit, eine Physikalität die sich sehr gut in seiner Körperhaltung ausdrückt, seinen Gesten und Gesichtsausdrücken“, sagte Pater Antonio Spadaro SJ gegenüber CNA.

Die Worte des Papstes würden sichtbar ausgedrückt durch sein Handeln, sagte der Priester, und die „Physikalität“ des Papstes erscheine in den digitalen Medien „fast mit, würde ich sagen, Wirkmächtigkeit“.

Papst Franziskus „spricht nicht in komplizierten Reden“, sondern schlichten Sätzen, „und die sind sehr leicht zu tweeten und teilen. Es ist eine Botschaft, die in den Netzwerken sehr leicht zirkuliert“.

Pater Spadaro, Chefredakteur der Jesuiten-Zeitschrift „La Civilità Cattolica, ist einer von 70 Journalisten, die den Heiligen Vater auf seiner Reise nach Krakau direkt begleiten werden.

Für den erfahrenen Papstreisenden war die Wichtigkeit sozialer Medien bereits 2011 beim Weltjugendtag in Madrid sichtbar. Diese Dimension des Treffens heuer „wird ein wichtiges Moment sein, das es zu reflektieren gilt“, meint der Journalist und Jesuit.

Jamie Lynn Black, eine junge Amerikanerin, die im Internationalen Medienteam für den Krakauer WJT arbeitet, betonte gegenüber CNA, dass die sozialen Medien „eines der wichtigsten Mittel sind, um die Botschaft des Weltjugendtages zum kommunizieren.“

Das Team von Freiwilligen, die von Krakau aus gemeinsam mit Unterstützern in aller Welt zusammenarbeiten, kommuniziert selber in 20 Sprachen.

Gustavo Huguenin koordiniert die sozialen Medien für den WJT. Er sagte gegenüber CNA mit Blick auf das heranrückende Großereignis, dass „wir unsere Arbeit intensivieren müssen, um Pilger zu informieren, Katholiken anzusprechen, und neue Follower anzuziehen, welche dann dieses tolle Erlebnis entdecken“.

Das Social Media Team konzentriert sich auf elf Plattformen: Facebook, Twitter, Periscope, Youtube, Flickr, Instagram, Snapchat, Tumblr, Foursquare, Pinterest, und Soundcloud.

Klar: Nicht alle Medien werden in allen Ländern so genutzt wie etwa Facebook. Das Team setzt verschieden Plattformen gezielt ein – und das nicht nur in Polnisch, Deutsch oder Englisch, sondern unter anderem in den Sprachen Arabisch, Filipino, Japanisch, Kroatisch, Maltesisch, Rumänisch, Russisch, Slowakisch, Slowenisch, Tschechisch, Ungarisch und Vietnamesisch.

Für Jaime Black, die aus Philadelphia kommt, war die Begegnung mit dem heiligen Papst Johannes Paul II. im Jahr 2002 im kanadischen Toronto prägend. Die Erfahrung übte einen starken Einfluss auf ihren Glauben aus.

13 Jahre später war sie im Begriff, ihre fortgeschrittenen Studien in Kommunikationswissenschaft an der päpstlichen Universität vom Heiligen Kreuz abzuschließen – und bekam den Auftrag, die internationale Medienarbeit für das Weltfamilientreffen in Philadelphia zu koordinieren. Die Erfahrung wiederum ermöglichte ihr, im Team für Krakau zu landen.

„Rund 2.5 Millionen Pilger“ könnten im Juli nach Krakau kommen, schätzt Jamie Lynne Black; und für jugendliche Teilnehmer werden die sozialen Medien das Mittel und Zweck sein, um mit anderen Bilder, Videos und Erinnerungen zu sammeln und mit Freunden und Familien zu teilen.

Mehr noch: Für alle, die nicht selber teilnehmen können, seien die sozialen Medien „der perfekte Weg, sich nicht nur darüber zu informieren, was los ist – sondern auch, Teil des Dialogs und der Erfahrung zu sein.“

„Wir hoffen aber auch, dass uns die sozialen Medien dabei helfen werden, die Botschaft des Weltjugendtags und von Papst Franziskus, die Botschaft der Barmherzigkeit, an alle weiter zu geben, die sonst vielleicht gar nichts über diese Veranstaltung gewußt hätten.“

Gustavo Huguenin erklärt, dass das internationale Medienteam auch einen Blick auf die Botschaften haben wird, die Papst Franziskus über die sozialen Medien teilen läßt, um zu unterstützen, wie der Heilige Vater selber mit „den jungen Mennschen in der digitalen Welt spricht“. Huguenin empfiehlt, den offiziellen Hashtag #krakow2016 im Auge zu behalten: „Wir werden alle Nachrichten über den WJT weitergeben und Inhalte kreieren, der davon inspiriert ist.“

Als Mittel der Neuevangelisierung, so Pater Spadaro, seien die sozialen Medien nicht nur Werkzeuge der Evangelisierung. Vielmehr schaffen die Netzwerke ihre eigene digitale Umwelt, so der Jesuit. „Das Netz ist kein Instrument als Mittel zum Zweck, sondern eine Lebensumwelt, in der die eigenen Reflektionen, Aufnahmen aus dem eigenen Leben, Dialog mit anderen Menschen, geteilt werden“, sagte er. Dies könne für gute wie schlechte Zwecke genutzt werden.

„Deshalb müssen wir die Mentalität ablegen, die sozialen Netzwerke zu nutzen und anfangen, die digitale Umwelt evangelisierend zu leben…ich glaube dass die Kirche berufen ist, dort zu sein, wo die Menschen sind: Heutzutage sind die Menschen in den sozialen Medien, und daher ist die Kirche aufgerufen, in den sozialen Medien zu sein – und nicht sie zu nutzen.“ (CNA Deutsch)

Papst wird zwei Tage in Schweden bleiben

SchwedenPapst Franziskus weitet seine Reise nach Schweden vom kommenden Herbst aus. Ursprünglich wollte er nur einen Tag – 31. Oktober – bleiben und in Lund zusammen mit dem Lutherischen Weltbund an den Beginn der Reformation vor 500 Jahren erinnern. Doch jetzt ist auch eine Begegnung mit den Katholiken und eine Messe zum Hochfest Allerheiligen am Tag darauf, dem 1. November, geplant. Das teilte der Vatikan an diesem Mittwoch mit.

Ein Vorab-Programm der Reise, das noch keinen offiziellen Charakter hat, spricht von einem doppelten Reformationsgedenken in Lund am 31. Oktober. Am Vormittag finde ein Gebetstreffen in der Kathedrale von Lund statt; am Nachmittag hingegen werde eine Veranstaltung in einem Stadion von Malmö an „das gemeinsame Zeugnis und den gemeinsamen Dienst von Lutheranern und Katholiken in der Welt“ erinnern. Der Ort, an dem Papst Franziskus tags darauf Katholiken trifft, ist noch nicht bekannt.

Am gemeinsamen Reformationsgedenken mit dem Papst in Lund wird der Präsident des Lutherischen Weltbundes, Bischof Munib Younan, teilnehmen. (rv)

„Ich kann sagen, Ja“: Papst Franziskus über Kommunion für geschiedene Wiederverheiratete

cna_Fliegende_PressekonferenzEigentliches Problem seien aber Familien in der Krise – Medien hätten sich zu sehr auf Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten fixiert – Die sinkende Geburtenrate in Europa ist „zum Weinen“ – Fragen auch zu muslimischer Migration und Bernie Sanders.

ROM – Papst Franziskus hat bestätigt, dass er in seinem Lehrschreiben Amoris Laetitia („die Freude der Liebe“) eine Kommunion für geschiedene Wiederverheiratete zulässt.

Der Heilige Vater beantwortete auf dem Rückflug von Lesbos nach Rom auch kritische Fragen über seinen Umgang mit dem Thema der Masseneinwanderung nach Europa und die Schwierigkeiten der Integration von Muslimen.

Zentrales Thema freilich war die Frage, ob er mit seinem Lehrschreiben Amoris Laetitia eine Zulassung geschiedener Wiederverheirateter zur Kommunion ermögliche.

Ich kann sagen, Ja.“ — So die Antwort des Papstes an einen Journalisten des „Wall Street Journal“. Dieser hatte ihn mit Verweis auf „die vielen Diskussionen“ und zum Teil widersprüchlichen Interpretationen des Schreibens gefragt, ob es denn, so wörtlich, nun „neue, konkrete Möglichkeiten gibt, die es vor der Veröffentlichung nicht gab“.

Im gleichen Atemzug zu seinem „Ja“ fügte der Papst hinzu: „Doch dies wäre eine Antwort, die zu klein ist.“ Die Antwort sei in der Vorstellung von Amoris Laetitia durch Kardinal Christoph Schönborn zu finden, so der Papst weiter.

Der Wiener Kardinal hatte am 8. April auf Einladung von Franziskus im Vatikan das Lehrschreiben vorgestellt. Dabei hatte der Erzbischof von Wien inhaltlich unter anderem gesagt, Amoris Laetita müsse aus der Perspektive der Armen gelesen werden.

Frage nach Fußnote 351

Diese Aussage des Papstes warf weitere Fragen auf. Ein Journalist wollte wissen, was viele der Kritiker von Amoris Laetitia fragen: Warum Franziskus überhaupt eine so wichtige Frage in einer Fußnote beantworte. Tatsächlich ist die Möglichkeit einer Zulassung von geschiedenen Wiederverheirateten in Fußnote 351 des achten Kapitels des 190 Seiten umfassenden Lehrschreibens zu finden. „Haben Sie nicht den Widerstand vorhergesehen oder wollten Sie damit sagen, dass dieser Punkt nicht so wichtig sei?“, fragte der Journalist von „Le Figaro“ wörtlich.

Franziskus antwortete, die Medien hätten sich auf diese Frage der geschiedenen Wiederverheirateten zu sehr fixiert. „Das hat mich traurig gemacht„, so der Papst.

Krise von Ehe und Familie das eigentliche Problem

Das eigentliche Problem seien Familien in der Krise: „Versteht ihr nicht, dass die Familie weltweit in der Krise steckt? Realisieren wir nicht, dass die sinkende Geburtenrate in Europa zum Weinen ist? Und die Familie ist die Basis der Gesellschaft“, betonte Franziskus. „Dies sind die großen Probleme. Ich kann mich nicht an die Fußnote erinnern, aber bestimmt, wenn es etwas Generelles ist in einer Fußnote, dann weil ich darüber gesprochen habe, ich glaube, in Evangelii Gaudium“. Damit beendete der Papst die Pressekonferenz, die insgesamt 25 Minuten gedauert hatte.

Fragen zu muslimischer Migration und Integration

Weitere Fragen der Journalisten drehten sich um seine spektakuläre Geste, drei syrische Familien von Lesbos nach Rom mitzunehmen. Die Aktion hatte für Begeisterung, aber auch Kritik gesorgt. „Sie sprechen viel über das Willkommen heißen, aber vielleicht sprechen Sie zu wenig über Integration“, sagte eine Journalistin von „Il Messaggero“. Sie sagte wörtlich: „In Anbetracht dessen, was gerade in Europa passiert, wo es eine große Welle von Einwanderern gibt, wo wir sehen, wie sich in Städten Ghettos bilden…In all diesem zeigt sich, dass muslimische Einwanderer die größten Schwierigkeiten haben, sich mit unseren Werten, den Werten des Westens, zu integrieren. Wäre es das nicht nützlicher, christliche Einwanderer zu bevorzugen? Und warum haben Sie drei ausschließlich muslimische Familien mitgenommen?“Der Papst antwortete, er habe „keine religiöse Entscheidung zwischen Christen und Muslimen“ gefällt. „Diese drei Familien hatten die richtigen Papiere“. Es habe auch zwei christliche Familien gegeben, die aber nicht die richtigen Paper hatten, so Franziskus. „Dies ist kein Privileg. Alle 12 sind Kinder Gottes. Es ist ein Privileg, ein Kind Gottes zu sein“, so Franziskus wörtlich.

„Was die Frage der Integration betrifft: Sie haben ein Wort verwendet, dass in der heutigen Kultur vergessen scheint, aber das weiter existiert: Die Ghettos. Und manche der Terroristen sind Kinder und Enkel der Menschen, die in Europa geboren sind, und was ist geschehen? Es gab keine Politik der Integration“, antwortete der Papst.

Die Integration sei auch Thema von Amoris Laetitia, betonte er, und zwar im Sinne, dass die Integration von Familien in der heutigen Gesellschaft eine pastorale Herausforderung sei. Franziskus weiter: „Mit der Integration wird Europas Kultur bereichert. Ich glaube, wir brauchen eine Erziehung, eine Lektion, über eine Kultur der Integration“.

Was er bei seinem Besuch in Lesbos gesehen habe, habe ihn fast zum Weinen gebracht, sagte Franziskus: Er zeigte den Journalisten Bilder, die ihm Kinder geschenkt hatten. Auf einem war eine weinende Sonne zu sehen, die über eine Darstellung von Flüchtlingen in einem sinkenden Boot gemalt war. Vor diesem Hintergrund erinnerte er an Mutter Teresas Aussage, dass ein Tropfen, der ins Meer falle, das Meer verändere. So sei auch seine Reise nach Lesbos und die Mitnahme der 12 Flüchtlinge zu verstehen.

Begrüßung mit Bernie Sanders

Eine amerikanische Journalistin fragte Franziskus über sein Treffen mit Bernie Sanders, dass in den USA großes Aufsehen erregt hatte. Dieses stelle keine Einmischung in die Politik dar, sagte dazu Franziskus. Es sei nur eine Geste der Höflichkeit gewesen. Der Papst hatte Sanders zu einer Konferenz in den Vatikan eingeladen. (CNA Deutsch)

Turkson: Suche nach langfristigen, nicht kurzfristigen Lösungen

Kardinal TurksonWenn Papst Franziskus nach Lesbos reist, ist das eine starke Geste, die an das Gewissen der Europäer und der internationalen Gemeinschaft rühren will. Das sagt Kardinal Peter Turkson, Präsident des päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, im Interview mit Radio Vatikan zur anstehenden Lesbos-Reise von Papst Franziskus.

Papst Franziskus wolle mit diesem Besuch nochmals gegen die von ihm oft angeprangerte Gleichgültigkeit der Menschen angehen. Doch Turkson meint auch, dass man nach den Ursachen dieser Gleichgültigkeit fragen müsse. „Griechenland kann sicher nicht gleichgültig sein, schließlich ist es das Land, wo die Leute jetzt sind. Aber die Maßnahmen, die von Europa umgesetzt werden… der Türkei eine riesige Summe an Geld zu geben, damit sie den Fluss an Migranten aufhält – ich weiß nicht – welchem Interesse dienen sie? Vielleicht wird es in Europa nun ein wenig ruhiger, aber wie lange wird diese Ruhe andauern? Denn wenn die Menschen auf dem Seeweg scheitern, werden sie andere Wege finden. Um eine langfristige Lösung zu finden, müssen wir alles tun, dass der Frieden in diesen Gebieten wiederhergestellt wird.“ Für Turkson sei der sogenannte IS nur scheinbar mächtig- doch vielmehr seien es das Geld und die Waffen, die ihm nach wie vor zugespielt würden, die ihn unterstützten. Dieser Fluss müsse zuallererst unterbrochen werden.

Während der Papst auf Lesbos ist, werden ihn die Kameras dieser Welt begleiten. Doch das Ziel sollte nicht nur sein, dass die leidenden Menschen von den Kameras eingefangen werden, sondern dass diese Bilder uns auch darüber nachdenken lassen, wie man diese Situation beenden und eine Lösung des Problems finden könne, betont Turkson.

Dieser Besuch erinnere Turkson an die erste Reise von Papst Franziskus, die ihn auf die Insel Lampedusa geführt habe. Auch diesmal sei es eine Insel, auf der Menschen, die zur Flucht gezwungen sind, stranden. „Deswegen wird dieser Besuch ein neuer Versuch sein, auf die globale Abschottung vor der Situation dieser Menschen sowie zugleich auf ihre Ursachen hinzuweisen und an die Welt und das globale Bewusstsein zu appellieren, hier etwas zu tun, um diese Situation zu verhindern. Es ist eine Situation der Gewalt, in diesem Fall durch den IS, aber zuvor auch schon durch den Krieg in Syrien. Es ist aber notwendig, dass Frieden herrscht. Doch dieser Frieden darf nicht nur eine Frucht der Diplomatie sein, sondern sollte auch weitgehend auf der Freundschaft, Liebe und Brüderlichkeit beruhen, die man diesen Menschen gegenüber zeigen kann.“ (rv)

„Ihr seid nicht vergessen“: Was von der Mexiko-Reise des Papstes bleibt

Franziskus in Mexiko

Eine sehr persönliche Einschätzung eines US-amerikanischen Bischofs „mit mexikanischem Herzen“ zur Papst-Reise, dem Völkermord an Christen durch den Islamischen Staat sowie die Schließung von Guantánamo Bay.

Für den Bischof der US-amerikanischen Diözese Las Cruces, Oscar Cantú, hatte Papst Franziskus eine einfache Botschaft:  „Ihr seid nicht vergessen.“ Doch gegenüber CNA setzte er die Reise und das Verhältnis der USA zu Mexico nicht nur in einen sehr persönlichen Rahmen; er brachte den Papst-Besuch auch in Zusammenhang von Fragen, die aktuell auf den Nägeln brennen: Eine mögliche Anerkennung des Völkermords an Christen durch Islamisten im Nahen Osten durch die USA sowie die Schließung des Gefangenenlagers von Guantánamo Bay.

Ermutigung für Opfer von Gewalt

Bischof Cantú, Vorsitzender des Komitees für Internationale Gerechtigkeit und Frieden der US-amerikanischen Bischofskonferenz, sagte, der Besuch des Papstes habe Mexiko gezeigt,  „dass sich der Heilige Vater um euch kümmert, und dass Gott sogar in schwierigen Momenten, sogar im Dunkel des Lebens, bei uns ist.“

Er war einer von zwei US-amerikanischen Bischöfen, die jeden Tag an den Messfeiern Papst Franziskus‘ auf seiner Mexiko-Reise vom 12. bis zum 18. Februar Teil nahmen.

Der Bischof, dessen Diözese im US-Bundesstaat New Mexico liegt, sprach während eines Besuchs in Rom mit CNA. Er sagte, der Papst habe den Mexikanern seine Anwesenheit als Hirte gezeigt und im Geiste der Heiligen Jungfrau von Guadalupe gehandelt.

Besonders beeindruckte ihn, wie der Papst auf die Ureinwohner Mexikos zuging; der römische Pontifex hatte ihnen gesagt, sie sollten in die Entscheidungsprozesse der Gesellschaft mit einbezogen und ihre Würde gehoben werden.

“Migranten ein menschliches Gesicht geben”

Bischof Cantú bemerkte auch die Ermutigung des Papstes, die er an Opfer von Gewalt richtete. Der römische Pontifex sagte den jungen Menschen auch, sie hätten etwas für das Gute in der Gesellschaft und in Mexiko beizutragen.

„Als Christen sind wir Menschen der Hoffnung“, sagte Bischof Cantú.

Am 17. Februar besuchte der Papst die US-amerikanisch-mexikanische Grenze bei der nordmexikanischen Stadt Ciudad Juarez. Er winkte den Menschen auf der anderen Seite des Grenzzauns zu, die in der westtexanischen Stadt El Paso standen.

„Ich denke, er wollte den Migranten ein menschliches Gesicht geben“, betonte Bischof Cantú.  „Sie sind Menschen. Jawohl, Menschen. Die meisten unter ihnen verfolgen sehr sehr gute Absichten und sind gute Menschen.“

Diese Migranten versuchen, der Gewalt,  „vernichtender Armut“ und einer schlecht funktionierenden Wirtschaft zu entkommen, fuhr der Bischof fort. Er ermutigte die Menschen, die Hauptursachen der Auswanderung zu betrachten: die Wirtschafts- und Handelspolitik und fehlende Investitionen in die Infrastruktur.

„Ich glaube, dass dies sinnvolle Lösungen darstellen, die mit dem Evangelium in Einklang stehen“, sagte Bischof Cantú.

Recht darauf, Grenzen zu schützen

Der Bischof fuhr außerdem fort, der Papst habe strenge Worte an die mexikanische Regierung über ihre Verantwortung für die Sorge um das Wohlergehen Mexikos gerichtet. Der Papst sprach auch über Mexikos Verantwortung, um eine Wirtschaft sicherzustellen, die Arbeitsplätze schafft, so dass die Menschen ihre Familien ernähren können und nicht auswandern müssen.

Die Kirche glaube nicht an offene Grenzen und glaube an das Recht eines Landes, seine Grenzen zu schützen, so Bischof Cantú. Die Kirche ermutige außerdem Länder zur Zusammenarbeit mit ihren Nachbarn.

Migration auch Teil der eigenen Biographie

Die Einwanderung hat im leben des Bischof selbst eine bedeutende Rolle gespielt. Sein Vater kam Mitte der 1950-er Jahre auf der Suche nach Arbeit aus Mexiko in die USA.

„Er wuchs auf einer Farm auf und sah in der Landwirtschaft im Norden Mexikos keine Zukunft. Er ging mit einem seiner Brüder und seinem Cousin nach Chicago. Sie schlugen sich mit Gelegenheitsarbeiten durch und verdienten so ihren Lebensunterhalt“, sagte der Bischof.

Der Vater des Bischofs lernte dessen Mutter während eines Sommers kennen, als er auf Besuch nach Mexiko zurückkehrte.  „Im darauffolgenden Sommer heiratete er sie und brachte sie nach Chicago“, sagte er, und sie wurden US-amerikanische Staatsbürger.

„Irgendwie waren ihre Herzen immer in Mexiko“, überlegte Bischof Cantú.  „Ich liebe Mexiko. Ich betrachte mich im Herzen als Mexikaner. Aber ich liebe auch Amerika. Hier wurde ich geboren.“

„Es besteht keine Gegensätzlichkeit darin, ein mexikanischer Amerikaner zu sein. Wir lieben beide Länder, weil wir Teile von uns in beiden Ländern haben.“

Er sagte, es sei für Einwanderer viel schwieriger geworden, die US-amerikanische Staatsbürgerschaft zu erwerben.

„Ich denke, dass es einige Vernünftige Wege gibt, die Einwanderungsgesetze unseres Landes an die heutige Zeit anzupassen“, sagte er.  „Ein Punkt, bei dem alle einer Meinung sind, ist, dass die Einwanderungsgesetze in unserem Land nicht mehr aktuell sind. Ich denke, wir sind klug und intelligent genug, um dies zu ändern. Es bedarf nur etwas politischen Willens und etwas Mute.“

Genozid an Christen im Nahen Osten

Bischof Cantú ist einer der Unterzeichner einer an US-Außenminister John Kerry gerichteten Petition über die Situation von Christen im Irak und in Syrien. Diese Petition bittet die US-Regierung darum, die durch den selbst-ernannten Islamischen Staat (IS) gegen Christen und andere religiöse Minderheiten verübten Gräueltaten als Völkermord anzuerkennen.

Der Bischof betonte, die Petition sei wichtig, um zu zeigen, dass die Welt die Situation beobachte, und um dazu beizutragen, dass der Islamische Staat nicht ungestraft davonkomme.

„Dass sie Christen aus dem einfachen Grund, dass sie Christen sind, umgebracht haben. Ich denke, es ich wichtig, dies als das was es ist zu benennen.“

Ringen um die Schließung von Guantánamo

Bischof Cantú sprach auch über die Bemühungen der Administration des US-Präsidenten Obama, das US-amerikanische Gefangenenlager an der Bucht von Guantánamo auf Kuba zu schließen. Er merkte an,  „die US-amerikanische Bischofskonferenz hat seit langer Zeit die Schließung Guantánamos unterstützt.“ (CNA Deutsch)

Mexiko: „Auftragsmörder“ und „Drogen“, die Reizwörter im Titel

MexikoMexikos Zeitungen titeln am Mittwoch alle zum Treffen des Papstes mit den Jugendlichen. Mit den Reizwörtern, die sie in der Ansprache von Franziskus hörten: „Jesus würde euch nie dazu einladen, Auftragsmörder zu werden“ und „Drogen sind nicht der Weg“. Unsere Kollegin Gudrun Sailer mit der aktuellen Presseschau aus Mexiko.

Drogen, Gewalt, organisierte Kriminalität, das sind dauernpräsente Themen in Mexikos Medien. Erst recht, wenn die moralische Welt-Autorität, der Papst, ins Land kommt und seinen Finger in diese tiefe Wunde legt. Das Treffen mit den Jugendlichen nimmt daher in allen Zeitungen breiten Raum ein, auch in Reforma, der größten Tageszeitung im Land.

Im Blattinneren heißt es, die sechs Jesuiten, die den Papst in der Nuntiatur trafen, hätten ihrem Mitbruder einen Brief der Angehörigen der 43 verschwundenen Studenten von Iguala überreicht, Franziskus habe diesen Brief gelesen und sei erschüttert gewesen. Ob die Angehörigen dieser Studenten den Papst treffen können oder nicht, ist in Mexiko ein vielbesprochenes Thema. Sie erhielten Karten in den vordersten Reihen der Papstmesse in Ciudad Juarez. Vatikansprecher Lombardi hat mehrmals betont, er wundere sich über den öffentlichen Druck in dieser Frage: In Mexiko gebe es nicht 43 Desaparecidos, sondern nach offiziellen Zahlen 27.000, und der Papst trage sie alle im Herzen. Eine ganze Seite in „reforma“ gilt der Messe mit den Priestern und Ordensleuten. Einer der wenigen kritischen Kommentare gilt den „ignorierten Opfern“, jenen des Missbrauchs durch Priester. „Es ist schade, dass der Papst in seinem Mexiko-Besucht nichts über die pädophilen Priester und ihre Opfer gesagt hat.“ Mehrere dieser Fälle haben das Vertrauen der Bevölkerung, besonders der gebildeten Schichten, in die mexikanische Ortskirche schwer erschüttert.

Mit dem Konterfei des Papstes wird in den Zeitungen auch viel Werbung gemacht. Nicht nur für Radio- und Fernsehübertragungen, die in Mexiko flächendeckend gesendet werden, sondern auch für Apotheken, Versicherungen und Lotterien. (rv)

Mexiko: „Franziskus schont sich nicht, er verschenkt sich“

Papst FranziskusEin Blick zurück auf den gestrigen Tag der Papstreise nach Mexiko mit unserer Kollegin Gudrun Sailer. Morelia liegt im Bundestaat Michoacan. Das ist das Epizentrum der organisierten Kriminalität in Mexiko. Kam es überraschend, wie deutlich der Papst dort die organisierte Kriminalität thematisiert und kritisiert hat?

„Für jemanden, der Franziskus kennt, war es wenig überraschend. Den Priestern und Ordensleuten hat er eingeschärft, sie dürfen sich nicht abfinden mit dieser monströsen Gewalt, dem Morden und Entführen, sie dürfen sich nicht dem Trösten der Opfer begnügen, sondern müssen gegen die Ursachen angehen. Nicht immer haben die Kirchenleute in Mexiko den Mut gehabt, das alles offensiv anzusprechen, der Papst hat es ihnen gestern vorgemacht. Noch deutlicher war er gegenüber den Jugendlichen. Jesus würde euch nie dazu auffordern, Auftragsmörder zu sein. Es ist Lüge, wenn sie euch sagen, nur die Droge verschafft euch einen Lebensunterhalt. Lasst euch nicht versklaven, lasst die Hand von Jesus nie los. Franziskus ist eigens nach Michoacan gereist, um diese Botschaft abzusetzen.“

Der Papst ist 79 Jahre alt – und absolviert ein mehr als anstrengendes Programm. Wie geht es ihm dabei?

„Bei Messen wirkt er stellenweise so müde, dass man meint, gleich nickt er weg. Aber man sieht ihn richtig aufleuchten, wenn Begegnung und Berührung da ist. Ich habe mit wachsendem Staunen verfolgt, wie es ist, wenn der Papst am Abend in die Nuntiatur zurückkommt, wo er übernachtet. Da haben sich jeden Abend mehr Menschen eingefunden, Hunderte zuletzt, das hat sich herumgesprochen. Behinderte Kinder, alte Leute im Rollstuhl, Gezeichnete aller Art. Wie er diese Leute anfasst und sie ihn, wie er sie segnet, wie er mit ihnen betet. Das ist, warum er reist. Er schont sich nicht, er verschenkt sich."

Abschließende Frage: Was bleibt von der Papstreise – welche Spuren wird seine Reise in Mexiko hinterlassen? Kann man das jetzt schon sagen?

„So etwas ist immer ganz schwer zu sagen. Was haben die bisher sechs Papstreisen nach Mexiko gebracht? Stünde Mexiko heute schlechter da ohne diese fünf Besuche von Johannes Paul und dem einen von Benedikt XVI? Mit Sicherheit hat Franziskus die Herzen unendlich vieler Menschen berührt, Gerechtigkeit für Indigenen angemahnt und die zum Himmel schreiende Gewalt in diesem doch so katholischen Land beklagt und die Mexikaner gebeten, die Hand von Jesus niemals loszulassen. Umsetzen müssen sie es aber selber.“ (rv)

Ciudad Juarez: Besuch an der Grenze schlechthin

Gudrun SailerFünfte und letzte Station der Papstreise: Ciudad Juarez. Eine Stadt an der Grenze, mehr noch: am Grenzzaun zu den USA. Ein Kristallisationspunkt vieler Probleme Mexikos, von Migration zu Gewalt. Ist Ciudad Juarez der geheime Mittelpunkt der Reise? Das wollte unsere Korrespondentin Gudrun Sailer von Prälat Bernd Klaschka wissen, dem Direktor des bischöflichen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, der selbst 15 Jahre seines Lebens als Priester in Mexiko zugebracht hat.

Klaschka: „Ich persönlich meine, es gibt zwei Mittelpunkte dieser Reise: Chiapas innerkirchlich und Ciudad Juarez sozial und gesellschaftlich. Migration ist eine Herausforderung nicht nur für Lateinamerika, sondern eine globale Herausforderung. Insofern ist das ein zentraler Ort, zu dem die Menschen sich aufgemacht haben, um bessere Lebensperspektiven in den USA zu finden. Ciudad Juarez ist der Übergang zwischen der nördlichen und der südlichen Halbkugel der Welt. Es sind kulturelle und wirtschaftliche Unterschiede, das Nord-Süd-Gefälle, das an dieser Grenzziehung stark sichtbar wird, und deshalb wollte Franziskus dorthin gehen, um auf die Situation der Gewalt hinzuweisen. Denn in den vergangenen Jahrzehnten gab es viele gewalttätige Auseinandersetzungen, insbesondere auch gegenüber Frauen: es sind hunderte Frauen in Ciudad Juarez ermordet worden, Menschen beseitigt worden und verschwunden, die sich dem Drogenhandel widersetzt haben. Dass der Papst an die Grenze geht, zeigt auch den Weg an die Grenze, und nicht in das Zentrum der Macht. Dort sind viele Migranten und die sind froh, wenn sie wenigstens an diesen Grenzzaun gekommen sind und irgendwann die Möglichkeit finden, den Zaun zu überwinden, ihn löchrig zu machen, um auf die andere Seite der Erdhalbkugel zu kommen.“

RV: Gibt es noch eine über diese inneramerikanische Grenze hinausweisende Botschaft, die der Papst mit seinem Besuch dort übermitteln will?

Klaschka: „Ich habe ein Bild aus Ciudad Juarez im Kopf, zwei Priester, einer auf der Seite der USA und einer auf der Seite Mexikos, feiern gemeinsam die Eucharistie und haben ein Brett durch den Grenzzaun geschoben. Unser Glaube ist grenzübergreifend, das will der Papst verdeutlichen, er ist nicht national beschränkt, sondern unser Glaube und unsere Botschaft ist global. Und das möchte er deutlich machen. Daher hat er auch eine globale Verantwortung und eine Verantwortung für die Migranten, die an diesem Ort und über diesen Ort hinaus an der Grenze entlang versuchen, die Grenze zu überwinden. Mit ihnen solidarisch zu sein, sowohl was ihre Situation in Ciudad Juarez betrifft als auch ihre Lage in den Herkunftsländern. Zum Beispiel waren an dieser Grenze Menschen aus Honduras, San Salvador, Guatemala, um sie zu überwinden. Es ist ein lateinamerikanisches Problem. Insofern ist die Reise von Papst Franziskus nach Ciudad Juarez ein ganz wichtiges Zeichen: wir sind eine Kirche, die mit den Migranten auch unterwegs ist. Und wir haben auch in unserer Spiritualität das Unterwegssein stark verinnerlicht. Insofern wird dieses Zeichen auch verstanden von den Migranten selbst: der Papst ist bei uns, wir sind nicht allein.“

RV: Franziskus wird dort auch ein Gefängnis besuchen. Erst vor wenigen Tagen ist in einem anderen mexikanischen Gefängnis eine Revolte ausgebrochen, danach Feuer, es gab Dutzende Tote. Ist die Lage in mexikanischen Gefängnissen wirklich so dramatisch, wie es dieses Schlaglicht erscheinen lässt?

Klaschka: „Viele Menschen in den Gefängnissen sind dort, ohne verurteilt zu sein, und sie kommen nur heraus, wenn sie eine entsprechende Menge Geld an die Instanzen zahlen. Damit will der Papst auf eine besondere Situation von Menschen hinweisen, die gefangen sind – sowohl im System, und er will auch auf die Straflosigkeit und Gesetzlosigkeit in vielen Staaten Lateinamerikas hinweisen. Hier in Mexiko ist Straflosigkeit ein großes Problem. Ich kann einen Menschen ermorden, und es passiert nichts. Diese Botschaft richtet sich nach meiner Auffassung an die Verantwortlichen im Justizwesen eines Staates, die Menschen im Gefängnis nicht zu vergessen und sie gerecht zu behandeln. Ich kenne die Lage z.B. im größten Männergefängnis von Lima in Chile, das ist gebaut für 3000 Personen, dort leben ungefähr 9.000, auf einer Basketballfläche müssen 300 Menschen leben in Drei-Stock-Betten. Da ist man wirklich am Rand. Und wenn der Papst am Rand von Mexiko nochmal den Rand besucht, will er damit sagen: schaut auf die Ränder, damit das Zentrum saniert wird.“

RV: Sehen Sie die Kirche in Mexiko im Sinn von Papst Franziskus engagiert genug im Aufzeigen von Missständen? Was tut Mexikos Kirche gegen Menschenhandel und für die Opfer und für Migranten? Könnte sie mehr tun?

Klaschka: „Wenn ich zurückblicke auf die vergangenen Jahre, möchte ich festhalten, dass ich den Wunsch habe, die Kirche hätte mehr getan in Bezug auf die Lage der Armen, von Recht. Sie hat in Einzelfällen sehr viel geholfen, aber strukturmäßig, beim Anwaltsein der Armen und der Inhaftierten, hätte ich mir gewünscht, sie hätte mehr getan. Ich stelle aber fest, dass es im Augenblick unter den Priestern, Ordensleuten und Bischöfen Personen gibt, die stärker dafür eintreten. In der Vergangenheit gab es Initiativen wie Menschenrechtsbüros von Seiten der Katholischen Kirche in Chiapas, die dafür eingetreten sind, aber ich hätte mir gewünscht, dass sie stärker vonseiten der Hierarchie unterstützt worden wären. Sie haben oft allein gekämpft, haben damit aber auch ein Beispiel gegeben, sich nicht entmutigen zu lassen."

RV: Was tut Franziskus in einer solchen Lage?

Klaschka: „Die Probleme sind auch so hautnah, dass wir als Kirche nicht darüber hinweggehen können. Und Papst Franziskus ist jemand, der uns sehr mitbrüderlich darauf hinweist, wo der Ort der Kirche ist; und da ist noch Umkehr notwendig, wie wir sie im Augenblick ja auch in der Fastenzeit predigen. Kirche fordert nicht nur die persönliche Umkehr, sondern wir als Kirche müssen auch umkehren, hin zur Peripherie und den Armen. Das ist eine ständige Herausforderung.“(rv)

 

 

Angelusgebet: Mexiko zu einem Land der Chancen machen

Papstreise Mexiko 2016„An diesem Festtag, an diesem Tag können wir all das Gute feiern, das der Herr uns getan hat.“ Mit diesen Worten begann Papst Franziskus zum Abschluss der Messfeier in Ecatepec das Angelusgebet. Er wolle danken für den langen Weg, den viele hätten zurück legen müssen, wörtlich und metaphorisch verstanden. Der Papst griff eine Ansprache Papst Paul VI. an Mexiko auf: Ein Christ dürfe nicht unterlassen, seine Solidarität zu beweisen, so Paul VI. 1970. Diese Worte seines von ihm sehr geschätzten Vorgängers erweiterte Papst Franziskus: „Ich möchte euch heute auffordern, an vorderster Front zu stehen, Vorreiter zu sein in allen Initiativen, die dazu beitragen, dieses gesegnete mexikanische Land zu einem Land der Chancen zu machen, wo es nicht nötig ist auszuwandern, um träumen zu können; wo es nicht nötig ist ausgebeutet zu werden, um arbeiten zu können; wo es nicht nötig ist, die Verzweiflung und die Armut vieler zum Opportunismus einiger weniger zu machen. Ein Land, das nicht Männer und Frauen, Jugendliche und Kinder beweinen muss, die zugrunde gerichtet in den Händen der Händler des Todes enden.“

Er wünsche sich ein Land, das Gemeinschaft bezeuge, die Gerechtigkeit und die Liebe zu den Armen, schloss der Papst seine Gedanken, „damit die Freude aus dem Evangelium bis an die Grenzen der Erde gelange und keiner Peripherie sein Licht vorenthalten werde“. (rv)

Mexiko: „Der Papst ist in seinem Element“

Gudrun SailerUnsere Kollegin Gudrun Sailer ist in Mexiko und beobachtet Papst Franziskus auf Schritt und Tritt. Wir wollten von ihr wissen: Wie schlägt sich der Papst?

„Franziskus ist in seinem Element, und das Land ist es auch im Moment des Papstbesuchs. Dabei spart der Papst nicht an klaren Worten, wie er es auch angekündigt hatte. Das ist keine Kuschelkirche, die sich mit den Gegebenheiten arrangiert, die der Papst da mit seinen Worten und Gesten fördern würde. Die Rede an den mexikanischen Episkopat war sehr deutlich: Setzt nicht auf die ‚Pferde und Streitwagen‘ der heutigen Pharaonen, sagte er den Bischöfen, das heißt: haltet euch nicht an die Machthaber, sondern an die Armen; er bat sie auch, transparent zu sein, die Missstände im Land wie Drogenkriminalität und Gewalt mutig, offen und konkret zu benennen und den Migranten zu helfen, denn Mexiko ist ein gewaltiges Durchzugsland der inneramerikanischen Migration, und nicht immer haben Priester, Bischöfe, Laien, Ordensleute für diese Ärmsten der Armen alles getan, was sie tun könnten. Manche Bischöfe haben diese Ansprache denn auch nicht sehr goutiert, war zu erfahren, was wohl zugleich heißt, der Papst hat ins Schwarze getroffen.“

Wie lief es für den Papst bei der Jungfrau von Guadalupe?

„Die „Morenita“ ist das religiöse Wahrzeichen nicht nur Mexikos, sondern ganz Lateinamerikas. Deshalb hat diese Papstreise mit dem Besuch an diesem größten katholischen Wallfahrtsort der Welt eigentlich erst richtig begonnen. Franziskus wirkte recht müde dort, aber es war ihm auch anzusehen, dass es für ihn persönlich ein großer Moment seines Pontifikates ist, allein für fast eine halbe Stunde vor diesem Gnadenbild beten und Kraft schöpfen zu können. Mit der Marienerscheinung von Guadalupe hat ja gewissermaßen das Christentum in Lateinamerika begonnen, dem Kontinent, der heute mit Abstand die meisten Christen aufweist. Und die Muttergottes von Guadalupe steht für das Zugehen auf die Indigenen und die Armen und Bedrängten. Seine Botschaft an die Gläubigen Mexikos von diesem nationalen Heiligtum aus hat der Papst genau kalibriert. Das war sehr schön: Wie klein und ungenügend und ungebildet auch immer ihr euch fühlen mögt, ihr seid gerufen, heute ein neues Heiligtum zu bauen, ein Heiligtum des Lebens, von dem niemand ausgeschlossen ist.“

Warum sollte der Papst unbedingt eine Messe im unbekannten Ecatepec feiern?

„Das ist einer der ärmsten Stadtteile im Riesen-Ballungsraum von Mexiko-Stadt und eine der größten Gemeinden in ganz Mexiko. Als der Papst da durchfuhr auf den frisch nachgezeichneten Straßen, im Papamobil, konnte man das nicht sehen, aber dort herrscht wirkliche Armut, einige Gegenden in Ecatepec haben nicht einmal Fließwasser. Wer immer kann, geht weg von da. Es ist kein Zufall, dass der Papst gerade dort die Mexikaner dazu aufgerufen hat, ein Mexiko zu errichten, aus dem keiner mehr aus Not und Verzweiflung weggehen muss. Wo keiner mehr ausgebeutet wird, wo keiner mehr Kinder beweinen muss, die im Drogenkrieg gestorben sind.“

Der Papst kann in Mexiko seine Muttersprache Spanisch sprechen. Merkt man das?

„Erstaunlicherweise ist er bisher – bis einschließlich dem Besuch im Kinderkrankenhaus – so gut wie gar nicht von den vorbereiteten Texten abgewichen. Das überrascht uns hier alle ein wenig. Vielleicht hängt es mit der Müdigkeit zusammen, die dem Papst momenteweise anzusehen ist. Aber man sieht dennoch, dass er in seinem Element ist. Jede Müdigkeit ist wie weggewischt, wenn er normale Leute sieht. Vor der Nuntiatur sind jedesmal Dutzende, wenn nicht hunderte Menschen, die auf ihn warten, das hat sich herumgesprochen, es kommen jedesmal mehr. Menschen mit Behinderung sind immer in der ersten Reihe, und die herzt und umarmt er mit Inbrunst und spricht mit ihnen. Da merkt man: Ja, das ist Spanisch zu Spanisch, Herz zu Herz.“ (rv)