Der öffentlich ausgetragene Konflikt um die Amtsenthebung des Großkanzlers des Malteserordens dauert mittlerweile seit Anfang Dezember an. Es geht um Gehorsam und Absetzung, um Souveränität und Ordensleben und im das komplexe Verhältnis zwischen Vatikan und Maltesern: Wer hat das Recht, wen abzusetzen, welche Gründe braucht es dafür und was hat eigentlich der Papst zu sagen? Wir wollten es etwas genauer wissen und haben mit dem Kirchenrechtler Pater Ulrich Rhode über die rechtlichen Dimensionen und Begriffe, die in dem öffentlich ausgetragenen Zwist immer wieder fallen, gesprochen. Rhode ist seit 2014 ordentlicher Professor für Kirchenrecht an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Sein Spezialgebiet ist Staatskirchenrecht.
Man müsse die verschiedenen Ebenen der Ordensmitgliedschaft bei den Maltesern bedenken, sagt Rhode: „Die Mitglieder des Erstens Standes, also die Ordensleute, sind durch ihr Gehorsamsgelübde nicht nur ihren Ordensoberen, sondern auch dem Papst zu Gehorsam verpflichtet. Das gilt auch für den Großmeister, der ja die Absetzung des Großkanzlers vorgenommen hat und der selbst dem Ersten Stand angehört“. Die Gehorsamspflicht gegenüber dem Papst sei keine Besonderheit des Malteserordens, sondern gelte nach dem Kirchenrecht für alle Ordensleute. „Bei den Mitgliedern des zweiten Standes verpflichtet das Gehorsamsversprechen nur gegenüber den Oberen im Malteserorden, nicht gegenüber dem Papst.“ Trotzdem seien aber auch die Mitglieder des Zweiten, also mit Gelübden, als auch die des Dritten Standes, also ohne Gelübde, wie alle Katholiken dem Papst gegenüber zum Gehorsam verpflichtet. „Das gilt sowohl dann, wenn der Papst die kirchliche Lehre vorträgt, als auch dann, wenn er rechtliche Anordnungen trifft,“ so Rhode
Gehorsam gilt für alle Katholiken
In diesem ersten Stand gebe es weltweit etwa 50 Mitglieder, einige als Priester, die meisten seien Brüder ohne Priesterweihe. Der zweiten Stand umfasse Männer und Frauen, die keine Ordensleute sind, die aber ein Gehorsamsversprechen abgelegt hätten. Im dritten Stand sind weitere Mitglieder, die sich für den Orden einsetzen, ohne Gelübde oder ein Gehorsamsversprechen abgelegt zu haben, erklärt Rhode. Wie die Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung ausgeübt wird, beschreiben die Statuten des Ordens. „Dazu gehören natürlich auch Vorschriften über die Bestellung der Amtsträger und auch über ihre Abberufung.“ Zur Regelung der Rechtsfragen habe der Orden eine eigene Gerichtsbarkeit, die in Rom ansässig sei, in zwei Instanzen.
Sowohl Kirche als auch souverän
Da der Malteserorden sowohl als katholisch als auch als Völkerrechtssubjekt anerkannt ist, existiere seine Beziehung zum Heiligen Stuhl einerseits in der kirchlichen Rechtsordnung und andererseits im internationalen Recht. „In der kirchlichen Rechtsordnung ist der Malteserorden als katholisch anerkannt, schon seit dem 12. Jahrhundert, und deswegen untersteht er wie überhaupt alle anerkannten katholischen Gemeinschaften und Organisationen natürlich dem Papst und damit auch dem Heiligen Stuhl. Das gilt nicht nur für den Ersten Stand, also für die Ordensleute mit Gelübden, sondern auch für den Orden als ganzen mit allen Ständen und Mitgliedern.“
Einerseits Gehorsam, andererseits keine Vollmacht
Auf der anderen Seite gebe es eine Botschaft beim Heiligen Stuhl, wie sie auch andere Völkerrechtssubjekte haben. Auf der Seite des internationalen Rechts, also in Bezug auf die Beziehung des Ordens zu anderen Staaten, habe der Papst natürlich keine Vollmachten, so Rhode. Hierauf beruft sich Ordensmeister Matthew Festing, indem er die vom Papst eingesetzte Kommission zur Untersuchung der Leitungsfragen im Orden ablehnt.
Andererseits müsse laut dem Kirchenrecht und den Statuten des Ordens der Papst über die Wahl eines neuen Großmeisters informiert werden, bevor dieser dann sein Amt antritt. „Zum anderen kann der Papst aber auch jenseits der Statuten eingreifen, ebenso wie bei allen katholischen Ordensgemeinschaften oder Organisationen. In dieser Hinsicht unterliegt der Papst keinen anderen Grenzen als denen der Glaubens- und Morallehre.“
Warum eigentlich ein eigenes Völkerrechts-Subjekt?
Manch einem mag sich die Frage stellen, aus welchem Grund eine überschaubare Organisation ohne Territorium wie die Malteser eigentlich ein Völkerrechtssubjekt darstellen. Rhode klärt uns auf: „Das liegt zum einen an historischen Gründen, weil der Malteserorden früher ein Staatsgebiet beherrschte, nämlich zunächst die Insel Rhodos und später die Insel Malta; und zum anderen liegt es an dem humanitären Engagement des Malteserordens. Heute ist die Stellung eines Völkerrechtssubjekts für den Malteserorden vor allem ein Vorteil bei humanitären Einsätzen. Er ist souverän in dem Sinne, das er in der Rechtsordnung des Völkerrechts niemandem untergeordnet ist, auch nicht dem Papst.“
Hintergrund
Der Begriff ‚Völkerrecht‘ meint die Rechtsordnung, in der sich vor allem Staaten gegenüberstehen, zum Beispiel wenn sie diplomatische Beziehungen unterhalten oder Verträge schließen. ‚Völkerrechtssubjekte‘ sind diejenigen, die im Völkerrecht Rechte und Pflichten haben. Also vor allem Staaten, aber auch einige andere, wie der Heilige Stuhl, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, und eben auch der Malteserorden. (rv)
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