„Da wird ein Fehler in der Prozedur dazu genutzt, den Vatikan anzugreifen": So reagiert der Präsident der Vatikanbank IOR auf Berichte über Ermittlungen der römischen Staatsanwaltschaft. 23 Millionen Euro auf zwei Konten des IOR beim „Credito Artigiano" sollen zur Geldwäsche gedient haben, so der Verdacht der Ermittler. Ein Verdacht, den IOR-Präsident Ettore Gotti Tedeschi scharf zurückweist: „Die Operation ist mehr als klar, da ist nichts Verstecktes und nichts zu verbergen".
Es sei der „komplizierteste Tag" seines Lebens gewesen, so Gotti Tedeschi nach zwölf Stunden der Prüfung von Unterlagen, die die Aufmerksamkeit der Staatsanwaltschaft geweckt hatten. Doch aus seiner Sicht sei an den Transaktionen rein gar nichts zu beanstanden. Der „einzige Irrtum" sei „vielleicht" gewesen, sie mit Hilfe einer Bank durchzuführen, die die genaue Umsetzung der italienischen Anti-Geldwäsche-Normen „noch nicht definiert hat". Er fühle sich „zutiefst gedemütigt" und verstehe einfach nicht, warum die Ermittlungen ausgerechnet jetzt starteten, wo die Vatikanbank doch gerade eine „lange und akkurate" Operation Transparenz durchgeführt habe. Dem „Corriere della Sera" vertraute der Papstbanker an, er denke über einen Rücktritt nach. Dabei hatte sich am Dienstag das vatikanische Staatssekretariat mehr als deutlich für ihn in die Bresche geworfen: In einer Erklärung drückte es ihm und dem IOR-Generaldirektor vollstes Vertrauen aus – und zeigte sich „perplex und erstaunt" über die Initiative der „Procura di Roma". Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone traf sich selbst mit Gotti Tedeschi, um ihm Rückendeckung zu geben. Nach zahlreichen Skandalen rund um die Vatikanbank seit Ende der siebziger Jahre hatte Benedikt XVI. Gotti Tedechi vor genau einem Jahr an die IOR-Spitze berufen – um „aufzuräumen", wie Zeitungen meinten. Der fünffache Familienvater ist Opus-Dei-Mitglied und ein enger Freund des italienischen Finanzministers Giulio Tremonti; „Geld und Himmel" heißt sein neuestes Buch, dessen Vorwort von Kardinal Bertone am Dienstag veröffentlicht wurde. (rv)
Jahr: 2010
Benedikt XVI.: Über Rolle des Papstamtes nachdenken
In Wien tagt seit Montag die Dialogkommission von Katholiken und Orthodoxen. Es ist bereits die 12. Vollversammlung, für die Erzbischof Kurt Koch vom päpstichen Einheitsrat und sein Vorgänger Kardinal Walter Kasper den Vatikan vertreten. Bei der Generalaudienz an diesem Mittwoch richtete Papst Benedikt XVI. einen Appell an die Versammlung:
„Das Thema der Unterredungen ist die Rolle des Bischofs von Rom in der Gemeinschaft der universalen Kirche, besonders im ersten Jahrtausend. Der Gehorsam dem Willen unseres Herrn Jesus Christus gegenüber und die Erwägungen der großen Herausforderungen, die sich dem Christentum heute stellen, zwingen uns dazu, uns ernsthaft mit der Wiederherstellung der vollen Einheit zwischen den Kirchen zu befassen. Ich bitte alle, für die Arbeiten der Kommission und für eine Weiterentwicklung und die Konsolidierung des Friedens und der Einheit unter den Getauften zu beten, damit wir der Welt immer authentischer das Zeugnis des Evangeliums geben können".
(rv)
Vatikan/UNO: „Moralische Standards für Millenniumsziele“
Um die weltweite Armut zu bekämpfen, braucht es Regierungen und Bürger, die sich an denselben moralischen Werten orientieren. Das sagte Kardinal Peter Turkson, Präsident des päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, am Montag vor der UNO in New York. Diese moralischen Werte bestünden darin, einander zu respektieren und bei Notsituation zu unterstützen. Fast auf den Tag genau zehn Jahre nach der Verabschiedung der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen begann in New York die Bilanz-Konferenz. Kardinal Turkson vertritt dabei den Heiligen Stuhl. In seiner Rede im Glaspalast, wo 2008 auch Papst Benedikt XVI. gesprochen hatte, sagte der aus Ghana stammende Kurienkardinal:
„Der Heilige Vater will mit allen Männern und Frauen auf der Welt für eine bessere und gerechtere Welt zusammenarbeiten. Das ist auch ein Zeichen der universellen Botschaft der katholischen Kirche. Diese Zusammenarbeit soll reiche wie auch unterentwickelte Staaten betreffen und Christen wie auch Nicht-Christen ansprechen. Papst Benedikt XVI. hat mich als Sohn Afrikas und der Kirche dazu beauftragt, mich mit den Themen der Gerechtigkeit und des Friedens unter den Völkern auseinanderzusetzen. Damit weist der Papst auf die Bedeutung der afrikanische Kultur als Teil der christlichen Kultur hin; eine afrikanische Kultur, die grundlegende menschliche Werte vertritt."
Doch die Millenniumsziele beträfen nicht nur Afrika, so Turkson weiter. Es gehe vielmehr darum, die Staaten und Völkern besser und stärker miteinander zu verbinden.
„Männer und Frauen, die es geschafft haben, Partnerschaften und Verbindungen zwischen dem Norden und dem Süden der Welt herzustellen, haben bewiesen, dass die Zusammenarbeit gute Früchte für das Gemeinwohl tragen kann. Ein solcher Dienst ist ein Gewinn für die gesamte Menschheit. Es gibt so viele Beispiele in Afrika und anderen armen Weltgegenden, die uns zeigen, dass ein positiver Wechsel möglich ist. Es ist grundlegend, dass diese Zusammenarbeit auf lokaler Ebene und gleichzeitig mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft gefördert wird. Denn nur dort, wo die lokale Gemeinschaft zusammen mit der internationalen Hilfe am selben Strick ziehen, kann es Fortschritte geben."
Turkson rief die Regierungsvertreter beim Gipfel auf, „keine Angst vor den Armen zu haben". Er spreche nicht nur als Kirchenvertreter, sondern auch „als Afrikaner und als ein Mann, der aus einer armen Familie stammt", sagte der aus Ghana stammende Kurienchef. Turkson wandte sich beim Millenniumsgipfel in New York gegen Geburtenbeschränkung als Mittel der Armutsbekämpfung gewandt.
„Die Millenniumsziele zur globalen Reduzierung der Armut dürfen nicht dafür herhalten, die Armen zu eliminieren. Eines der Hindernisse für die Entwicklung ist das unverantwortliche Handeln eines großen Teils der Finanzmanager sowie nationale und unternehmerische Interessen. Es ist kurzsichtig, durch die Einführung egoistischer Lebensstile mit wirtschaftlichen Mitteln die Zahl der Armen reduzieren zu wollen."
Hintergrund
Rund 140 Staats- und Regierungschefs beraten bei dem Gipfel bis Mittwoch darüber, wie die acht Millenniumsziele umgesetzt werden können. Ziel Nummer eins ist die Halbierung der Zahl der Hungernden im Vergleich zu 1990. Auf die Ziele hatten sich die Staaten vor zehn Jahren geeinigt. (rv)
Vatikan weist Vorwürfe gegen IOR-Chef zurück
Der Vatikan zeigt sich überrascht über die Ermittlung der römischen Staatsanwaltschaft gegen den Präsidenten der Vatikanbank IOR, Ettore Gotti Tedeschi. Das schreibt das vatikanische Presseamt in einer Note an diesem Dienstag. Der Heilige Stuhl unterstütze jegliche Maßnahmen gegen Geldwäscherei, fügt die Note an. Weiter wird betont, dass es sich um Geldtransfers handelt, die nicht mit italienischen Banken zu tun haben. Der Vatikan habe weiterhin Vertrauen gegenüber dem Präsidenten und Generaldirektor der Vatikanbank. Wie italienische Medien berichteten, wurden mehrere Millionen Euro auf einem Konto des IOR bei der römischen Niederlassung der Bank Credito Artigiano beschlagnahmt. Tedeschi und einem weiteren führenden Mitarbeiter des Geldinstitutes werde vorgeworfen, gegen die Vorschriften zur Vorbeugung von Geldwäsche verstoßen zu haben, so die Medien am Dienstag. (rv)
Bertone: Fall des Kirchenstaates bedeutete Freiheit für Papst
Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone hat am Montag in Rom an der Gedenkfeier zur Einigung Italiens vor 140 Jahren teilgenommen. Es war das erste Mal, dass der Vatikan einen Vertreter zu der Zeremonie für die Gefallenen im Kampf um den Kirchenstaat entsandte.
An der Veranstaltung vor der Bresche an der Porta Pia am 20. September nahmen auch Staatspräsident Giorgio Napolitano und Roms Bürgermeister Gianni Alemanno teil. Die Gedenkfeier stehe für die wiedererlangte Freiheit des Papstes und der Kirche sowie die wiedergefundene Eintracht zwischen ziviler und kirchlicher Gemeinschaft, sagte Bertone. Es sei eine unbestreitbare Tatsache, dass Rom Hauptstadt Italiens und zugleich Sitz des Nachfolgers Petri sei. Rund ein Dutzend Anhänger der Radikalen Partei Italiens demonstrierte am Rande der Veranstaltung gegen die Teilnahme des Kardinalstaatssekretärs.
Die Einnahme Roms durch die Truppen des Königreiches Italien am 20. September 1870 bedeutete das Ende des Kirchenstaates und bildete den Abschluss der Einigung Italiens. König Vittorio Emanuele II. (1861-1878) machte Rom daraufhin zur Hauptstadt des 1861 gegründeten Königreichs Italiens.
Die Bresche an der Porta Pia hatten die italienischen Truppen während ihres Angriffs auf den Kirchenstaat geschossen. Die Lücke in der Stadtmauer befindet sich neben dem nach seinem Erbauer Papst Pius IV. (1559-1564) benannten Stadttor im Nordosten der Stadt. Während des Angriffs auf Rom fielen insgesamt 49 italienische und 19 päpstliche Soldaten. (rv)
GB: Papst verläßt Großbritannien – Verabschiedung in Birmingham
„Vier unglaublich bewegende Tage für unser Land": So beschreibt der neue britische Premierminister, der Konservative David Cameron, die Papstvisite in Großbritannien. Am Sonntag Abend meint er bei der Verabschiedung Benedikts in Birmingham, der Staatsbesuch sei „wahrhaft historisch gewesen":
„Sie haben zu einer Nation mit sechs Millionen Katholiken gesprochen, aber Ihnen haben auch mehr als sechzig Millionen Staatsbürger überhaupt und weitere Millionen von Menschen anderswo in der Welt zugehört. Sie hatten eine Botschaft nicht nur für die katholische Kirche, sondern für jeden von uns – egal, ob gläubig oder nicht."
Der Papst habe „wirklich die ganze Gesellschaft herausgefordert, mal einen Moment innezuhalten und nachzudenken" – und er denke, so der Politiker, das könne „nur eine gute Sache sein". Großbritannien wolle seine Zusammenarbeit mit dem Heiligen Stuhl in internationalen Schlüsselfragen verstärken: Cameron nannte Klimawandel, Weltfrieden, Entwicklung und Religionsgespräch. Was die Millenniumsziele betreffe, auf die Benedikt die Briten angesprochen hatte, meinte der „Prime Minister": „Diese Nation wird ihre Hilfsversprechen halten, und wir werden auch andere Länder dazu anhalten, das ebenfalls zu tun."
Papst Benedikt fand in seiner letzten Rede auf britischem Boden noch ein freundliches Wort für die multikulturelle Gesellschaft, die er bei seiner Ankunft am Donnerstag noch vorsichtig als „interessantes Unternehmen" qualifiziert hatte.
„Die große Vielfalt des modernen Großbritanniens ist eine Herausforderung für die Regierung und für das Volk, aber sie bietet auch eine gute Möglichkeit für einen weiteren interkulturellen und
interreligiösen Dialog zur Bereicherung der ganzen Gemeinschaft."
Er sei dankbar für die Gelegenheiten dieser Tage, mit Politikern und Vertretern der Zivilgesellschaft Großbritanniens zusammenzukommen. „Ich hoffe aufrichtig, daß diese Gelegenheiten dazu beitragen, die ausgezeichneten Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Vereinigten Königreich weiter zu festigen und zu vertiefen, besonders in der Zusammenarbeit für internationale Entwicklung, in der Sorge für die Umwelt und beim Aufbau einer bürgerlichen Gesellschaft mit einem erneuerten Sinn für gemeinsame Werte und Zielsetzungen." (rv)
GB: „Briten dürsten nach dem Evangelium“
Papstreise nach GB: 4. Tag
Papst Benedikt hat an den Briten eine „tiefe Sehnsucht“ nach der Frohen Botschaft Jesu Christi wahrgenommen. Das vertraute er den Bischöfen von England, Wales und Schottland an, als er sie kurz vor seiner Rückreise nach Rom in Birmingham traf. Bei dieser Gelegenheit mahnte er die Oberhirten dazu, das Evangelium ungekürzt zu verkünden, „einschließlich jener Elemente, die die verbreiteten Überzeugungen der heutigen Kultur herausfordern“. Sie sollten sich nicht scheuen, zu diesem Zweck die Dienste des kürzlich von ihm gegründeten päpstlichen Rates für die Neuevangelisierung in Anspruch zu nehmen, so der Papst an die britischen Bischöfe.
Noch einmal kam Benedikt auf den „schändlichen Missbrauch Jugendlicher durch katholische Priester“ zu sprechen. Die Bischöfe hätten „eine Lektion gelernt“, so der Papst; er würdigte die öffentliche Missbilligung dieser Verbrechen durch die Oberhirten. Ihr „wachsendes Verständnis über das Ausmaß des Missbrauchs Jugendlicher in der Gesellschaft, über die verheerenden Folgen der Taten und über die Notwendigkeit, den Opfern angemessene Unterstützung zu bieten“ sollten die Bischöfe dazu anregen, die hier gemachten Erfahrungen mit der breiteren Gesellschaft zu teilen.
Schließlich ermutigte Benedikt die katholischen Oberhirten dazu, übertretende Anglikaner bereitwillig in der Kirche aufzunehmen. Die zu diesem Zweck verfasste apostolische Konstitution „Anglicanorum coetibus“ helfe, den Blick auf das letzte Ziel jeder ökumenischen Aktivität zu lenken, nämlich die Wiederherstellung der vollen kirchlichen Einheit. Diese ermögliche einen „Austausch von Gaben des jeweiligen spirituellen Erbes“, was eine Bereicherung für alle sei. (rv)
GB: Papst spricht Newman selig und gedenkt des II. Weltkriegs
Papstreise nach GB: 4. Tag
Bei einer Heiligen Messe in Birmingham hat Papst Benedikt XVI. den britischen Kardinal John Henry Newman selig gesprochen. Newman (1801-1890) war ein anglikanischer Theologe, der 1845 zur katholischen Kirche übertrat. Papst Leo XIII. erhob ihn in den Kardinalsstand. Benedikt würdigte den neuen Seligen bei dem Gottesdienst als großen Intellektuellen und Seelsorger. Mit seinen „heroischen Tugenden eines heiligen Engländers" stehe er in einer Reihe mit prägenden Heiligen und Gelehrten aus der Geschichte des Landes.
60.000 Menschen hatten sich zu dem Gottesdienst unter freiem Himmel in einem Park versammelt. Trotz des nasskalten Wetters hatten viele Pilger dort bereits die Nacht verbracht. Zu Beginn der Feier klarte aber der Himmel auf.
Mit bewegenden Worten gedachte der Papst abermals des Zweiten Weltkriegs, bei dem auch viele Briten ums Leben gekommen waren, um sich, so Benedikt, den „Kräften jener üblen Ideologie zu widersetzen"
„Meine Gedanken gehen besonders zum nahe gelegenen Coventry, das im November 1940 ein so schweres Bombardement erlitt und einen enormen Verlust an Menschenleben zu beklagen hatte. Siebzig Jahre danach erinnern wir uns beschämt und entsetzt an den furchtbaren Preis von Tod und Zerstörung, den der Krieg fordert, und wir erneuern unseren Entschluss, für Frieden und Versöhnung zu arbeiten, wo immer die Gefahr eines Krieges sich bedrohlich abzeichnet."
In der Predigt unterstrich der Papst vor allem das spirituelle Profil des neuen Seligen, das bis heute eine Faszination auf die Menschen ausübe.
„Newman lebte diese zutiefst menschliche Sicht des priesterlichen Dienstes in seiner treuen Fürsorge für die Menschen von Birmingham während der Jahre, die er in dem von ihm gegründeten Oratorium verbrachte, indem er die Kranken und die Armen besuchte, die Hinterbliebenen tröstete und sich um die Gefangenen kümmerte."
Außerdem habe Newman einen bleibenden Beitrag für die Pädagogik geleistet, die bis heute die katholischen Schulen präge. Newman sei ein Gegner eines rein zweckorientierten Bildungsansatzes gewesen und habe ein pädagogisches Umfeld gefordert, „in dem intellektuelle Übung, moralische Disziplin und religiöses Engagement miteinander verbunden sein sollten". Das fördere ein recht verstandenes Laienapostolat.
„Welches Ziel könnten Religionslehrer sich setzen, das besser wäre als der berühmte Appell des seligen John Henry für einen intelligenten, gut unterrichteten Laien: „Ich wünsche mir Laien, nicht arrogant, nicht vorlaut, nicht streitsüchtig, sondern Menschen, die ihre Religion kennen, die sich auf sie einlassen, die ihren eigenen Standpunkt kennen, die wissen, woran sie festhalten und was sie unterlassen, die ihr Glaubensbekenntnis so gut kennen, dass sie darüber Rechenschaft ablegen können, die über so viel geschichtliches Wissen verfügen, dass sie ihre Religion zu verteidigen wissen."
Beim abschließenden Angelusgebet betonte der Papst die marianische Frömmigkeit Newmans, der in vielfältigster Weise sein Priestertum „im Geist kindlicher Ergebenheit zur Muttergottes" gelebt habe. Außerdem wandte er sich mit einem Gruß an die Katholiken im südspanischen Sevilla, wo am Tag zuvor die Ordensfrau Mutter Maria de la Purisima de la Cruz seliggesprochen worden war.
Bei der Eucharistiefeier verwendete Benedikt einen Kelch aus dem Besitz Newmans. Als Gedenktag ist der 9. Oktober festgesetzt worden. Es ist der Tag, an dem Newman zum Katholizismus konvertierte.
Im Anschluss an den Gottesdienst besucht der Papst das Wohnhaus Newmans. Am Nachmittag steht ein Treffen mit den katholischen Bischöfen von England, Wales und Schottland auf dem Programm. Am Sonntagabend fliegt Benedikt XVI. nach Rom zurück. (rv)
Papst trifft Oberhaupt der Anglikaner: „Gemeinsame Herausforderungen“
Papst Benedikt XVI. hat am Freitag in London mit dem anglikanischen Primas Rowan Williams gesprochen. Im Lambeth Palace, dem Dienstsitz des Erzbischofs von Canterbury, bekräftigten beide Kirchenführer ihren Willen zu Fortschritten in der Ökumene. Nur indirekt kamen Auffassungsunterschiede zwischen den beiden Kirchen zur Sprache; „diese Probleme sind allen hier bekannt", sagte Papst Benedikt in seiner Ansprache, ohne direkt auf die Zulassung von Frauen und bekennenden Homosexuellen zum Bischofsamt einzugehen. Das Dilemma der Ökumene sei, dass die Kirche „eine inklusive Berufung" habe, „jedoch nicht auf Kosten der christlichen Wahrheit", so der Papst.
Auch Williams äußerte die Einschätzung, die Hindernisse auf dem Weg zur Kircheneinheit seien „nicht schnell zu überwinden". Aber nichts hindere Christen beider Konfessionen, durch gemeinsame Gottesdienste und engere Freundschaft einander im Glauben zu stärken. Ziel sei weder eine strategische Zusammenarbeit zur politischen Einflussnahme noch eine „Dominanz des christlichen Glaubens im öffentlichen Raum", so der Erzbischof von Canterbury. Mit Blick auf die Gefahr einer zunehmenden Säkularisierung betonte Williams, es sei wichtig, „Trends in der Gesellschaft entgegenzutreten, die Religion als eine Beleidigung des Intellekts" verstünden.
Neuerlich kam Benedikt auf die multikulturellen Gegebenheiten seines Gastlandes zu sprechen. Diese schaffen nach Ansicht des Papstes neue interreligiöse Herausforderungen. Gerade in einer zersplitterten Welt wie dieser sollten Gläubige verschiedener Religionen Wege suchen, um gemeinsam den universalen Ruf zur Heiligkeit zu bezeugen. Dies könne nicht nur im Persönlichen, sondern auch im gesellschaftlichen Bereich positive Früchte tragen, so der Papst. (rv)
GB-Papst: „Religion korrigiert Vernunft“
Papstreise nach GB : 3. Tag
Eine Demokratie, deren Werte ausschließlich auf gesellschaftlichem Konsens beruhen, macht sich angreifbar. Darauf hat Papst Benedikt XVI. in einer intellektuell dichten Rede in der Londoner Westminster Hall hingewiesen. Die Rolle der Religion in der politischen Debatte bestehe aber nicht darin, moralische Normen für rechtes Handeln zu liefern, betonte der Papst am Freitagabend vor führenden Vertretern der britischen Politik, Wirtschaft und Kultur. Moralische Normen seien auch Nichtgläubigen aufgrund der Vernunft ohne weiteres zugänglich, so Benedikt. Vielmehr müsse die Religion in der gesellschaftlichen Debatte über Werte eine „korrigierende Rolle“ gegenüber der Vernunft einnehmen. Nicht alle begrüßten dieses Wirken der Religion als Korrektiv, auch weil „entstellte Formen der Religion wie Sektierertum und Fundamentalismus“ am Werk seien.
Als Beispiel für seine Ausführungen über Staat und Religion nannte der Papst die globale Finanzkrise. Sie habe gezeigt, dass „pragmatische Kurzzeitlösungen für komplexe soziale und ethische Probleme unbrauchbar“ seien. Millionen von Menschen in anderen Erdteilen litten heute darunter, dass die Weltwirtschaft ohne verlässliche ethische Grundlagen handelte. Benedikt lobte die aktuelle Regierung Großbritanniens für ihren Entschluss, 0,7 Prozent des nationalen Einkommens für Entwicklungshilfe auszugeben. Allerdings erwähnte er im selben Absatz seiner Rede auch „die enormen Mittel, die Regierungen zur Rettung von Finanzinstitutionen aufbringen konnten“. Großbritannien bildet mit seiner Kapitale London den Nabel der europäischen Finanzwelt.
Außerdem wandte sich Benedikt XVI. gegen eine staatlich beförderte Zurückdrängung der Religion in die Privatsphäre. Selbst in Ländern, die großen Wert auf Toleranz legen“ – so wie Großbritannien – werde das Christentum an den Rand gedrängt. Es gebe „besorgniserregende Zeichen“ für eine Missachtung der Gewissens- und Religionsfreiheit. Kritisch verwies er etwa auf eine Behinderung öffentlicher religiöser Feiern wie Weihnachten. Sie stünden unter der „fragwürdigen Annahme, dass solche Bräuche Angehörige anderer Religionen oder Nichtgläubige auf irgendeine Weise verletzen könnten“.
Zugleich hob Benedikt XVI. die Gemeinsamkeiten zwischen der pluralistischen Demokratie Großbritanniens und der katholischen Soziallehre hervor. Letztere verwende zwar andere Begriffe, habe aber vom Ansatz her viele Gemeinsamkeiten mit der angelsächsischen Demokratie.
Im Publikum saßen mehrere frühere Premierminister: Tony Blair und Gordon Brown für Labour, Margaret Thatcher und John Major für die Konservativen. Der derzeitige Premierminister David Cameron konnte wegen der Beisetzung seines Vaters nicht teilnehmen. Er traf den Papst an diesem Samstag.
Während der Papst in Westminster Hall zu Fragen des Glaubens in der Zivilgesellschaft sprach, demonstrierten draußen vor der Tür Opfer sexuellen Missbrauchs, Atheisten und weitere Gegner des Papstbesuchs. Ein Sprecher der laizistischen Vereinigung „Protest the Pope“ sagte der BBC: „Es hätte nie einen Staatsbesuch geben sollen.“ Immer noch gebe es Streit darüber, ob der Vatikan ein Staat sei. In erster Linie handele es sich um einen geistlichen Besuch und um die Seligsprechung von Kardinal John Henry Newman. (rv)