Das Brüsseler Berufungsgericht hat die Beschlagnahme von den Akten im Haus des Kardinals Daneels für ungültig erklärt. Damit werden die Akten nicht für die gerichtliche Untersuchung benutzt werden können. Der Erzbischof von Brüssel, André-Joseph Léonard, merkte dazu an, dass nach den irregulären Untersuchungen jetzt wieder andere Dinge im Vordergrund stünden: „Die Aufmerksamkeit soll jetzt auf die Opfer der sexuellen Missbräuche in Rahmen einer Pastoralbeziehung ausgerichtet werden", so der Bischof. Er wünscht sich aber auch, dass die Daneels-Affäre von den belgischen Autoritäten besser behandelt wird, da man eine solche Situation klären müsse. (rv)
Jahr: 2010
Vatikan/Italien: Attacke auf Ratzinger
Attacke auf Ratzinger – das ist der Titel eines Buches, das in diesen Wochen in Italien viel von sich reden macht. Wir haben einen der beiden Autoren, Paolo Rodari, der für Italiens rechtskonservative Intellektuellenpostille „Il Foglio" den Vatikan beobachtet, vors Mikrofon gebeten und fragen ihn zunächst, was die These seines Buches ist. Die Fragen stellte Gudrun Sailer.
„Unsere These ist, dass die fünf Jahre des Pontifikates von Benedikt XVI. charakterisiert waren von Attacken auf seine Person. Attacken, die unter diversen Vorwänden von Medien vorgebracht wurden, ohne dass man auf den Grund dessen gegangen wäre, was der Papst sagte oder tat. In diesen fünf Jahren ist der Papst sehr oft auf den Titelseiten gelandet, meist mit sensationsheischenden Schlagzeilen. Der Grund ist, dass seine Botschaften für den heutigen Menschen derart antikonformistisch und antimodern sind, dass das, was der Papst sagt, skandalös wirkt."
Um nur ein Beispiel zu nennen: Kondome ändern nichts am Problem HIV/Aids, sondern verschlimmern das Problem. Das Buch zeichnet chronologisch die „Medienskandale" des Pontifikates nach. Welche sind die Hauptstationen?
„Wir beginnen mit der ersten großen Medienkrise, der Rede Papst Benedikts an der Universität Regensburg, in der er jenes folgenschwere Zitat eines byzantinischen Kaisers verwendete, der den Islam als gewalttätig bezeichnete. Dann die afrikanische Reise mit der Aussage über Kondome, die die Präsidentschaftskanzleien der halben Welt zu Reaktionen veranlasste. Einige lokalere Skandale wie die Berufung des Weihbischofs von Linz, Wagner, der den Papst nach wenigen Tagen um eine Rücknahme seiner Ernennung bitten musste. Klarerweise das Motu Proprio Summorum Pontificum mit der breiten Wiederzulassung der alten Messe, sowie die Aufhebung der Exkommunikation der vier Traditionalistenbischöfe. Bis hin zu den letzten schweren Anschuldigungen, der Vatikan habe die Fälle sexuellen Missbrauchs durch pädophile Priester in der Ära Wojtyla verschleiert."
Der Papst ist auf gewisse Weise radikal in seiner Botschaft – deshalb kommt er schlecht an, so Ihre Hypothese. Dazu kommen interne Kommunikationspannen. Nun ist die Kirche die Verkünderin der Frohen Botschaft, sie hat 2000 Jahre Erfahrung mit Kommunikationsarbeit. Wie kommt es, dass ihr Kommunikationsfehler passieren?
„Eine gewisse vatikanische Ineffizienz ist auch der Struktur geschuldet, die unangemessen für die heutige Zeit ist. Paul VI. machte eine Kurienreform, in der er alles rund um das Staatssekretariat anordnete. Er schuf also die direkten Beziehungen ab, die es vorher zwischen den einzelnen Dikasterien, also Ministerien, und dem Papst gab. Bis heute geht alles wie durch einen Flaschenhals über das Staatssekretariat. Und das ist ein Problem. Denn die anderen Ministerien wissen nicht alles, ihre Chefs sehen den Papst seltener. An dieser Distanz leider auch, denke ich, der vatikanische Pressesaal, also jenes Organ, das die Medien informiert. Das ist aber nicht die Schuld des Pressesaales, sondern ein strukturelles Problem. Vielleicht wäre eine neuerliche Kurienreform hilfreich: Weniger Information von oben nach unten, mehr Information zwischen den einzelnen Ebenen."
Welche Vorschläge haben Sie aus Ihrer Sicht als Vatikan-Berichterstatter?
„Nun, die Schlussfolgerungen müssen andere ziehen. Aber ich meine, die großen professionellen Figuren der vatikanischen Pressearbeit, etwa P. Federico Lombardi, sollten einen direkteren Kontakt zu den entscheidenden Stellen haben. Ein Beispiel: Der Papst reist nach Afrika, und man möchte, dass in den Medien ankommt, was er zu sagen hat. Nämlich, dass man Aids nicht einfach mit Kondomen bekämpfen kann, sondern mit einer anderen Sexualerziehung, weil Kondome eine libertinäre Sexualität fördern, die wiederum zu mehr Ansteckungen führt. Dann müsste man diese Botschaft mit dem Papst absprechen, oder zumindest mit seinem direkten Umfeld. Auf diese Weise könnte die vatikanische Pressearbeit schon im Flugzeug wirken, und die Medien wären besser vorbereitet. Die Dinge könnten von vornherein besser erklärt werden, und viele Skandale kämen gar nicht erst auf."
Zeigt sich der Vatikan der Aufgabe, gut zu kommunizieren, heute eher gewachsen als vor fünf Jahren? Hat man im laufenden Pontifikat dazugelernt?
„Ich glaube ja. Regensburg war eine Erschütterung, aus medientechnischer Sicht. Man fiel aus allen Wolken, keiner hätte sich eine so starke Reaktion aus der muslimischen Welt erwartet, eine Reaktion auf einen kleinen Satz, denn mehr war es nicht. Ich beobachte aber seither ernsthafte Anstrengungen der vatikanischen Pressearbeit, besser vorzubauen. So arbeitet man jetzt mit einer skandinavischen Agentur zusammen, die Internet durchforstet und Presseschauen von online erschienenen Artikeln und Blogs zusammenstellt. Denn viele Kommunikationspannen sind entstanden, obwohl man im Internet zuvor schon entsprechende Infornationen hätte finden können. Internet nimmt oft vorweg, was später in die Zeitung und ins Fernsehen kommt. Beispiel: der Fall Williamson. Seine Negierung des Holocaust war schon lange vorher online nachzulesen. Über Internet-Lektüre kann der Vatikan also vorbeugen."
In der Tat hat ja auch Papst Benedikt in seinem Brief an die Bischöfe nach der Affäre Williamson angemahnt, man solle Internet mehr nutzen. Kann es sein, dass hier nicht nur ein strukturelles, sondern auch ein Generationenproblem besteht? Die junge Generation kommt ohne Internet nicht aus, während die ältere, die im Vatikan nun einmal stark vertreten ist, damit nichts anfangen kann …
„Das Problem reicht noch weiter: Ich weiß nicht, wie viele Büros im Vatikan überhaupt einen Internetanschluss haben. Nicht alle Kurienleute haben Zugang. Andererseits: Hätten alle Internet auf dem Computer, dann kämen vertrauliche Dokumente viel eher an die Öffentlichkeit."
Ein kurzer Ausblick auf die Weltkirche: Die Attacken auf Papst Benedikt kommen ausschließlich aus dem westlichen Teil der Welt. In Lateinamerika, Afrika und Asien, wo die Kirche wächst, wird dieser Papst sehr geschätzt. Welche Schlussfolgerung kann man daraus ziehen?
„Der Papst ist eine Ikone auf der ganzen Welt, um so mehr aber für den Westen, wo oft das Schicksal der Welt entschieden wird. Es mag stimmen, dass er auf den anderen Kontinenten eine bessere Presse hat. Es stimmt aber auch, dass er sich auseinandersetzen muss mit unserer westlichen Welt. Das ist unerlässlich. Johannes Paul II. gelang es noch, mit seinem speziellen Charisma ein Vakuum zu überdecken. Nach dieser Ära sind dann unter Benedikt manche Mängel ans Licht gekommen. Ich denke aber nicht, dass die Attacken gegen den Papst konzertierte Aktionen sind. Es sind tatsächlich seine unkonventionellen Botschaften, seine Worte, die viele verschrecken."
"Attacco a Ratzinger. Accuse e scandali, profezie e complotti contro Benedetto XVI." von Paolo Rodari und Andrea Tornielli ist im Verlag Piemme erschienen. (rv)
Vatikan/D: Bischof Hanke für Nahost-Synode berufen
Der Bischof von Eichstätt, Gregor Maria Hanke, wird an der Nahost-Synode offiziell teilnehmen. Dazu hat ihn Papst Benedikt XVI. berufen, um an die im Oktober tagende Sonderversammlung der Weltbischofssynode mitzuwirken. Die Bischofssynode vom 10. bis 24. Oktober in Rom befasst sich mit der Lage der Christen im Nahen Osten. Die von Papst Benedikt einberufene Versammlung steht unter dem Motto:„Die katholische Kirche im Nahen Osten: Gemeinschaft und Zeugnis“. Bischof Hanke hat auch 2008 an der 12. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode zum Thema „Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung in der Kirche“ teilgenommen. (rv)
Vatikan: „Schaltstellen besser schmieren“
Von der Regensburger Rede über die Affäre Williamson bis hin zur aktuellen Missbrauchskrise in der katholischen Kirche – leichte Kost war das fünfjährige Pontifikat von Papst Benedikt XVI. bisher nicht. Seit dem „Erdbeben" von Regensburg habe der Vatikan bis heute in Punkto Kommunikation jedoch dazugelernt. Das meint der Vatikanbeobachter Paolo Rodari. Der italienische Journalist und Autor sorgt derzeit mit dem Buch „Attacco a Ratzinger" – „Angriff auf Ratzinger" in Italien für Aufsehen; darin dokumentiert er Vorwürfe und Komplotte, die laut Medien rund um Papst Benedikt XVI. in den letzten fünf Jahren entstanden.
„Ich beobachte seither ernsthafte Anstrengungen der vatikanischen Pressearbeit, besser vorzubauen. So arbeitet man jetzt mit einer skandinavischen Agentur zusammen, die Internet durchforstet und Presseschauen von online erschienenen Artikeln und Blogs zusammenstellt. Denn viele Kommunikationspannen sind entstanden, obwohl sie zuvor schon im Internet waren. Internet nimmt oft vorweg, was später in die Zeitung und ins Fernsehen kommt. Beispiel: der Fall Williamson. Seine Negierung des Holocaust war schon lange vorher online nachzulesen. Über Internet-Lektüre kann der Vatikan also vorbeugen."
Hinzu komme, dass der Papst in seinen Botschaften radikal sei – gerade deshalb schlügen seine Aussagen in den Medien hohe Wellen, so eine weitere These des Autors.
„Der Papst ist eine Ikone auf der ganzen Welt, um so mehr aber für den Westen, wo oft das Schicksal der Welt entschieden wird. Es mag stimmen, dass er auf den anderen Kontinenten eine bessere Presse hat. Es stimmt aber auch, dass er sich auseinandersetzen muss mit unserer westlichen Welt. Das ist unerlässlich. Johannes Paul II. gelang es noch, mit seinem speziellen Charisma ein Vakuum zu überdecken. Nach dieser Ära sind dann unter Benedikt manche Mängel ans Licht gekommen. Ich denke aber nicht, dass die Attacken gegen den Papst konzertierte Aktionen sind. Es sind tatsächlich seine unkonventionellen Botschaften, seine Worte, die viele verschrecken."
Neben dem besseren Ausnutzen globaler Kommunikationskanäle wie zum Beispiel Internet rät Rodari dem Vatikan zudem, die eigenen Schaltstellen besser zu „ölen". Durch mehr Austausch und Abstimmung zwischen obersten Stellen und der vatikanischen Pressearbeit könnten Missverständnisse verhindert werden. (rv)
Vatikan/Großbritannien: Not only English
Teile der Papst-Gottesdienste in Großbritannien sollen auf Latein sein. Das kündigte Zeremonienmeister Guido Marini in einem Interview mit der schottischen Zeitung „The Herald" an. Der Papst werde die Präfation und die Hochgebete jeweils in Latein beten, um die Universalität sowie die Kontinuität des Glaubens zu betonen, wird Marini zitiert. Ein Sprecher der Erzdiözese Glasgow begrüßte diese Entscheidung. Dies könne auch ein neues Interesse an der traditionellen Kirchenmusik wecken, so der Sprecher. (rv)
Papst in Großbritannien: Ökumene-Chef gibt sich hoffnungsvoll
Bald ist es soweit und Benedikt XVI. wird erstmals als Papst britischen Boden berühren. Die Diskussionen rund um die Papstreise nach Großbritannien reißen nicht ab. Insbesondere die Beziehung zu den Anglikanern bleibt weiterhin ein heikles Thema. Doch der vatikanische Ökumene-Verantwortliche, der Schweizer Erzbischof Kurt Koch, ist zuversichtlich, dass Papst Benedikts Reise in dieser Hinsicht ein Erfolg wird. Er selber wird den Papst bei der Reise vom 16. bis 19. September begleiten.
„Ich gehe mit einer großen Hoffnung nach Großbritannien, wo gewisse Reserven gegenüber der katholischen Kirche und besonders gegen den Papst präsent sind. Ich hoffe aber, dass sie spüren können, wie Papst Benedikt XVI. ein sehr sensibler Christ ist, der ökumenisch offen ist und eine gute Botschaft bringen will. Er will vor allem eine Botschaft der Ermutigung bringen. Davon bin ich überzeugt, dass diese Reise Hoffnung geben wird, auch was die Zukunft der Ökumene betrifft."
Kritische Stimmen aus der anglikanischen Kirche sind besorgt über das vatikanische Dokument „Anglicanorum Coetibus". In diesem Dokument geht es die anglikanischen Gruppen, die zur katholischen Kirche wechseln wollen. Erzbischof Koch:
„Es hat immer Konversionen gegeben. Es gehört zum Einmaleins der Ökumene, dass man Gewissensentscheide der Einzelnen ernst nimmt. Wenn einer in einer Kirche groß geworden ist, aber in eine andere Kirche gehen möchte, so müssen wir das respektieren. Genauso wie wenn ein Katholik in eine protestantische Kirche geht, müssen wir das respektieren. Neu ist, dass Gemeinschaften und größere Gruppierungen und vielleicht sogar Bischöfe diesen Weg einschlagen können. Deshalb hat der Papst hierfür einen anderen Weg suchen müssen, als bei der Konversion von Einzelnen."
Ein Blick in die Schweizer Heimat: Am Mittwoch wurde in Solothurn der Nachfolger Kurt Kochs als Bischof von Basel gewählt. Ein Kommentar aus Rom:
„Die Wahl ist geschehen. Ich weiß aber nichts Genaueres. Gott sei Dank! Ich hoffe, dass es eine gute Zukunft geben wird und ich bin weiterhin sehr verbunden mit dem Bistums – das mir natürlich immer am Herzen liegt – dem neuen Bischof wünsche ich, Mut in der Zeit seiner Besinnung und nachher alles Gute und Gottes Segen für seine Arbeit. Ich freue mich, wenn ich weiß wer es sein wird." (rv)
D/Iran: Steinigung steht zur Debatte
Die angekündigte Hinrichtung der Iranerin Sakineh Mohammadi-Aschtiani hat eine internationale Protestwelle ausgelöst: Nachdem sich bereits der Vatikan gegen die Steinigung aussprach, hat nun auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso die Hinrichtung als eine „barbarisch Strafe" bezeichnet. Für die geplante Vollstreckung gebe es keine Worte, sagte Barroso am Dienstag im Europaparlament. Es habe nichts mit Religion zu tun, dieses Todesurteil abzulehnen.
Nicht seit heute kümmert sich hingegen die Kommission „Justitia et Pax" der Deutschen Bischofskonferenz um den Fall „Mohammadi-Aschtiani". Die Geschäftsführerin der Kommission, Gertrud Casel, sagt im Gespräch mit uns, dass sie sich bereits mehrmals an die iranischen Behörden gewendet habe.
„Im Moment besteht im Iran eine gute Gelegenheit, die Steinigung als Strafe abzuschaffen. Im Prozess der Neufassung des iranischen Strafrechts wird nämlich darüber diskutiert. Zurzeit liegt das dem Wächterrat zur Debatte vor. Da gibt es auch einige, die die Steinigung nicht mehr als Strafe in die Gesetzesbücher aufnehmen möchten. Daher ist es wichtig, dass sich viele auf den Iran hin äußern. Als deutsche Kommission Justitia et Pax haben wir bereits mehrfach in diesem Fall interveniert, zum einen an den Religionsführer, Ayatollah Khamenei, zum anderen an die oberste Justizautorität, Ayatollah Laredjani, dass also Sakineh Mohammadi-Aschtiani nicht durch Steinigung oder auf eine andere Weise hingerichtet wird."
Bisher gab es keine Antwort aus Teheran. Die Steinigung als Strafe sei aber nicht hinnehmbar, so Casel weiter.
„Wir sind der Auffassung, dass gerade die Steinigung – sozusagen die Verbindung von Folter und Todesstrafe – die Menschenwürde zutiefst verletzt. Es ist eine Strafe, die sich nicht mit den Menschenrechten verträgt. Wir wollen nicht hinnehmen, dass Staaten auf so grausame Weise vorgehen. Es sind ja vor allem Frauen, die davon betroffen sind und so unmenschlich bestraft werden."
Die Kirche setze sich weltweit für die Abschaffung der Todesstrafe, sagte die Geschäftsführerin von Justitia et Pax Deutschland, Gertrud Casel.
„Und in Übereinstimmung mit dem, was die kirchliche Sozialverkündigung sagt, füge ich hinzu: Die Todesstrafe ist eine unwürdige Strafe. Denn jeder Mensch als Ebenbild Gottes hat immer auch die Chance zur Umkehr und Bekehrung. Und dazu soll ihm auch als Mitglied der menschlichen Gemeinschaft die Vergebung zuteil werden können."
Seit 2006 droht der heute 43-jährigen Sakineh Mohammadi-Aschtiani wegen einer „unrechtmäßigen Beziehung" zu zwei Männern nach dem Tod ihres Ehemanns laut einer Gerichtsentscheidung die Steinigung. Das Todesurteil sollte im Juli vollstreckt werden und sorgte international für Empörung und Proteste. Die iranische Führung setzte die Vollstreckung vorerst aus. (rv)
Großbritannien: Weshalb trifft der Papst die Queen in Schottland?
Seit Monaten bereits sorgt die Papstreise auf die britische Insel für Diskussionen. Zuerst waren es einige Anwälte, die den Papst bei der Ankunft wegen dem Missbrauchskandal verhaften wollten, dann kritisierten einige Medien die Kosten der Reise. Nun fragen sich einige Beobachter, weshalb der Papst die Queen in Schottland und nicht in England treffen wird. Dazu hat der schottische Kardinal Keith O’Brien eine klare Antwort:
„Aus praktischen Gründen, denn Queen Elizabeth befindet sich in jenen Tagen in Schottland, wo sie ihren Urlaub verbringt. Das wäre wie wenn der Papst die Königin statt im Vatikan in Castelgandolfo empfangen würde. Und dann möchte ich auch betonen, dass der Papst nicht einzig England besuchen wird, es handelt sich vielmehr um eine Pastoralreise für ganz Großbritannien. Dazu zählt Schottland genauso wie England und Wales.“
Kopfzerbrechen bereitet dem Kardinal die derzeitige Berichterstattung auf der Insel. O’Brien warf am Wochenende der BBC vor, sie hätte in der Vergangenheit einen ständigen antichristlichen Kurs gefahren. Als Beleg verwies der Erzbischof von Edinburgh und Vorsitzende der Schottischen Bischofskonferenz auf eine detaillierte Untersuchung der BBC-Berichterstattung zu christlichen Themen im Allgemeinen und zur katholischen Kirche im Besonderen.
„Besorgt bin ich über eine TV-Dokumentation zum Thema sexueller Missbrauch durch Priester, die BBC2 am 15. September, dem Vorabend der Ankunft des Papstes, ausstrahlen will. Doch wir in Schottland möchten uns einzig auf diese Reise konzentrieren. Wir sind überglücklich, dass Papst Benedikt XVI. uns besuchen wird. Die Bürger von Edinburgh sind sehr stolz, dass bei ihnen auch der politische Teil der Reise stattfindet.“
Autor des BBC-Beitrags ist Mark Dowd, ein früherer Dominikanerpater, der homosexuell ist und dem Papst einen falschen Kurs im Umgang mit Homosexualität vorwirft. (rv)
Vatikan: Franzose wird neuer Dominikanermeister
Der 55-jährige Franzose Bruno Cadoré ist an die Spitze des Dominikanerordens gewählt worden. Er war bisher Provinzial in Frankreich. Der französische Ordensmann tritt die Nachfolge des Argentiniers Carlos Azpiroz Costa an, der nach neun Jahren als Generalmagister seiner Kongregation turnusgemäß aus dem Amt schied. Cadoré ist ausgewiesener Fachmann für bioethische Fragen. Bevor er 2001 zum Provinzial seines Ordens in Frankreich ernannt wurde, leitete er das Zentrum für Medizinethik am katholischen Institut in Lille. Der 1986 zum Priester geweihte Cadoré studierte Medizin und erwarb 1992 im Fach Moraltheologie einen Doktortitel. – Das Generalkapitel der Dominikaner tagt seit 31. August in Rom. Die rund 130 Teilnehmer beraten noch bis 21. September über zentrale Fragen des Ordenslebens. (rv)
Papst Benedikt ehrt Leo XIII. – „Phantasie der Nächstenliebe“
Papst Benedikt ehrt seinen Vorgänger Leo XIII.: Am Sonntag feierte er eine Messe in Carpineto Romano. In diesem Städtchen 80 km von der Hauptstadt entfernt wurde Leo XIII. vor zweihundert Jahren geboren. Vor mehreren tausend Gläubigen lobte Benedikt u.a. die berühmte Sozialenzyklika Leos, „Rerum Novarum" aus dem Jahr 1891. In einer Zeit starker anti-katholischer Strömungen habe der Papst es verstanden, die Christen zum Engagement in der Gesellschaft zu ermuntern.
Carpineto ist eine Messe wert – auch einige bekannte christdemokratische Politiker sind zur Feier mit Papst Benedikt gekommen, etwa Rocco Buttiglione und Pierferdinando Casini. Doch es ist der Bürgermeister namens Quirino Briganti, der als erster eindringlich die Aktualität von Leo XIII. aufzeigt:
„Auch unsere Epoche der weltweiten Abhängigkeiten und der medientechnischen Revolution stellt uns vor die Frage, wie sich eine gerechtere und solidarischere Welt aufbauen läßt. Wir wollen von jetzt an unsere Stadt in ein Labor für soziale Studien verwandeln; dabei soll es um die soziale Frage im Zusammenhang mit allen Widersprüchen unserer heutigen Gesellschaft gehen. Die ethischen Implikationen der Globalisierung, die Rolle des Staates in der Dialektik Kapital und Arbeit, die soziale und territoriale Dimension des wirtschaftlichen und produktiven Forschritts, die Wirtschaftsdemokratie – das sind die Herausforderungen der Zukunft."
„Glaube hängt nicht von Opportunismus ab"
Ähnlich hat das auch Papst Benedikt selbst in seiner eigenen Sozialenzyklika „Caritas in veritate" formuliert – die sich aber ansonsten mehr auf eine Enzyklika Pauls VI. als auf „Rerum novarum" beruft. Der Papst aus Deutschland würdigte vor seinen Zuhörern zunächst einmal den Glauben seines Vorgängers und seine Wertschätzung der Theologie des heiligen Thomas von Aquin: Glaube dürfe „nicht von Enthusiasmus oder von Opportunismus abhängen, sondern muss auf einer wohldurchdachten Entscheidung beruhen". Erst dann kam Benedikt auf die Sozialenzyklika Leos XIII. zu sprechen.
„Die Soziallehre Leos wurde berühmt und unüberbietbar durch Rerum novarum – doch gab es auch viele andere Wortmeldungen zur sozialen Frage aus seiner Feder, die einen organischen Corpus bilden, den ersten Kern der Soziallehre der Kirche."
Benedikt verwies als Beispiel auf eine Enzyklika Leos XIII. gegen die Sklaverei aus dem Jahr 1890. Zwar sei die Sklaverei jetzt abgeschafft, aber es gebe „immer noch Barrieren zu überwinden". Das Christentum trage „auf dem Weg der Zivilisation" viel zur Förderung des Menschen bei, und zwar „auch mit einem bestimmten Stil":
„Im Innern der historischen Realität stellen die Christen, ob sie nun als einzelne Bürger oder als Gruppe handeln, eine wohltuende und friedliche Kraft für einen tiefen Wandel dar, indem sie die inneren Möglichkeiten dieser Realität entwickeln. Die Soziallehre der Kirche setzt immer auf die Reifung der Gewissen als Voraussetzung für gültige und dauerhafte Veränderungen."
„Christen tragen zum Wandel der Gesellschaft bei"
Wie war denn, so fragte der Papst mit einem Seitenblick aufs Heute, der zeitgenössische Kontext, in den der spätere Papst Leo hineingeboren wurde?
„Europa litt noch unter den Nachwirkungen des großen napoleonischen Sturms; die Kirche und viele Elemente der christlichen Kultur wurden radikal in Frage gestellt; der Alltag war hart und schwierig. Gleichzeitig entwickelte sich die Industrie und mit ihr die Arbeiterbewegung, die sich auch politisch immer mehr organisierte. Die kirchliche Soziallehre wurde damals genährt durch viele lokale Erfahrungen…, viele Vor-Ort-Initiativen von Christen: Dutzende und Aberdutzende von Seligen und Heiligen suchten in dieser Zeit mit der Phantasie der Nächstenliebe Wege, um die Botschaft des Evangeliums im Innern der neuen sozialen Realitäten umzusetzen."
Das alles habe den Boden für „Rerum novarum" vorbereitet, so Papst Benedikt. Sein Vorgänger habe früh verstanden, „dass sich die soziale Frage positiv und effizient behandeln läßt, indem man Dialog und Vermittlung fördert":
„In einer Epoche des erbitterten Antiklerikalismus und heftiger Demonstrationen gegen den Papst verstande es Leo XIII., die Katholiken zu einer konstruktiven Teilhabe an der Gesellschaft anzuleiten und sie darin zu unterstützen. Diese Teilhabe war reich an Inhalten, klar in den Prinzipien und gleichzeitig offen nach außen. Gleich nach „Rerum novarum" gab es in Italien und in anderen Ländern eine richtiggehende Explosion von Initiativen: Verbände, ländliche oder Handwerks-Sparkassen, Zeitungen… So konnte ein alter, aber weiser und weitblickender Papst eine verjüngte Kirche ins zwanzigste Jahrhundert führen. Seine Lehre zeugt von der Fähigkeit der Kirche, ohne Komplexe die großen Fragen unserer Zeit anzugehen."
Fast das erste Städtchen mit Straßenlaternen…
Der aus einer Adelsfamilie stammende Gioacchino Pecci wurde am 20. Februar 1878 in Carpineto geboren; im März 1810 wählten ihn die Kardinäle zum Papst. Sein Pontifikat ist eines der längsten der Geschichte; der Verfasser lateinischer Gedichte ist der erste Papst, von dem wir Filmaufnahmen besitzen. In seinem Geburtsort richtete Leo XIII. u.a. einen Kindergarten, eine Schule und ein Altersheim ein; außerdem sorgte er für ein Aquädukt und öffentliche Straßenbeleuchtung… wodurch Carpineto einer der ersten Orte Italiens mit Straßenlaternen wurde. Mit Benedikt XVI. besucht zum dritten Mal ein Papst das Städtchen im Latium. Bei der Messe trug Benedikt XVI. ein Brustkreuz seines Vorgängers und benutzte einen Kelch, den Leo XIII. der Diözese Anagni geschenkt hatte. Der Besuch in Carpineto Romano war die 20. inneritalienische Reise von Benedikt XVI. und zugleich mit zweieinhalb Stunden eine der kürzesten.
„Wenn es um den Aufbau einer neuen Welt geht, haben wir Christen gar keine speziellen Werkzeuge", meint der Bischof von Anagni, Lorenzo Loppa. „Wir haben lediglich radikale Prinzipien und müssen daran arbeiten, dass die immer konkreter werden. Das war zu Leos XIII. Zeiten so, und das gilt auch heute! An Leo XIII. überrascht es, wie er klare Prinzipien und klare Sprache mit einem milden und verständnisvollen Blick auf die Moderne verbindet. Das ist fundamental für unsere Möglichkeit, ins Gespräch mit der Welt zu treten." (rv)