D: Ein Präsident ohne Rolle

Völlig unerwartet ist heute Bundespräsident Horst Köhler von seinem Amt zurückgetreten. In einem Interview am 22. Mai anlässlich eines Truppenbesuches in Afghanistan hatte Köhler gesagt, dass es auch wirtschaftliche Interessen für solch einen Militäreinsatz gebe. Er sprach von freien Handelswegen und Außenhandelsinteressen. In seiner Rücktrittserklärung betonte er nun, dass daraus in der Berichterstattung die Unterstellung geworden sei, er unterstütze einen grundgesetzwidrigen Einsatz aus wirtschaftlichen Interessen. Dies zeige einen mangelnden Respekt vor dem Amt des Präsidenten.
Martina Fietz war lange beim Magazin Cicero parlamentarische Korrespondentin und arbeitet jetzt bei Focus-online. Wir haben Sie gefragt, ob Präsident Köhler Recht hatte. Wurde er völlig fehl interpretiert?
„Das Interview war sicherlich missverständlich und man hätte das mit der Erklärung, die er anschließend dazu abgegeben hat sicherlich bewenden lassen können. Aber es gehört nun einmal zum politischen Geschäft, dass diejenigen, die sich da als Opposition begreifen, natürlich so etwas begierig aufgreifen und dann auch kritisieren. Ich glaube aber, dass man als Staatsoberhaupt darüber hätte stehen können, wenn man sich seiner Sache grundsätzlich sicher gewesen wäre. Und ich glaube, da liegt das eigentliche Problem.“
Liegt Ihrer Einschätzung nach der Grund für den Rücktritt wirklich in dem Konflikt über seine Äußerungen zum Afghanistaneinsatz?
„Ich glaube, der Grund für den Rücktritt liegt in der geäußerten aber nicht so harsch geäußerten Kritik daran, dass der Präsident im Grunde genommen kein Thema für seine Amtszeit gefunden hat. Er ist angetreten mit der Ankündigung, er wolle ein unbequemer Präsident sein, und als es dann die große Koalition gab, ist Köhler mehr oder minder im Hintergrund verschwunden, und auch in der Finanzkrise, ist er nicht als derjenige aufgetreten, der der Bevölkerung Mutgemacht hätte oder sich als jemand dargestellt hätte, der darüber wacht, dass alles im Sinne des Volkes und ganz vernünftig läuft. Er hat einfach nicht zu seiner Rolle gefunden. Für meine Begriffe ist dieses Afghanistan-Interview jetzt eigentlich nur der Topfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.“
Ist sein Rücktritt ein Zeichen von politischer Kultur oder reagiert Köhler überempfindlich?
„Wenn es jetzt wirklich dabei bleibt, dass das der Grund für den Rücktritt ist, so wie sich die Lage jetzt im Moment darstellt, dann hätte ich es eigentlich besser gefunden und erwartet, dass das Staatsoberhaupt sich hinstellt und endlich einmal die Führungsrolle übernimmt und versucht, etwas mutiger voran zu gehen und nicht jetzt die Flinte ins Korn zu werfen.“ (rv)

Vatikan/Nahost: „Widersinniger Verlust von Menschenleben“

Von einem „widersinnigen Verlust von Menschenleben“ spricht der Vatikan im Zuge der jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten. Die Attacke habe im Heiligen Stuhl „schmerzhaftes Bedauern“ ausgelöst, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi am Mittag gegenüber Journalisten. Ein israelisches Elitekommando hatte am frühen Montagmorgen Schiffe einer „Solidaritätsflotte“ für den Gaza-Streifen attackiert. Bei der Militäraktion wurden ersten Berichten zu folge bis zu 16 Menschen getötet und bis zu 50 Menschen teilweise schwer verletzt. Nach dem Gaza-Krieg im Jahr 2009 hat Israel keine einzige Hilfsflotte mehr durch die Blockade gelassen. Das berichtet unsere Jerusalemkorrespondentin Gabi Fröhlich. Neben der angegriffenen Flotte seien zwar weitere Hilfsschiffe unterwegs, die attackierte Flotte sei aber die größte gewesen:
„Diese 700 Aktivisten waren wohl auch sehr entschieden, ihre Hilfsgüter durch die Blockade hindurch nach Gaza zu bringen – die Israelis wiederum waren sehr entschlossen, sie daran zu hindern. Und offenbar ist die Situation nach dem, was man bis zu diesem Zeitpunkt hört und auf Bildern sieht, schlicht und einfach eskaliert. Es hat wohl, auch das sagen die Bilder, ebenso Angriffe seitens der Aktivisten auf die eindringenden Soldaten gegeben. Und die Soldaten hatten möglicherweise die Order, darauf hart zu reagieren. De facto kam es zu diesem sehr bedauerlichen und schlimmen Blutvergießen.“
Der israelische Industrie- und Handelsminister Benjamin Ben-Eliezer bedauerte unterdessen gegenüber örtlichen Medien den blutigen Ausgang der Aktion. Die Soldaten hätten auf eine „enorme Provokation“ reagiert. Dem widersprach „Freies Gaza“-Sprecherin Audrey Bomse: Die Besatzung der unter türkischer Flagge fahrenden „Mavi Marmara“ habe der Übernahme durch das israelische Militär ausschließlich gewaltfreien, „passiven“ Widerstand entgegengesetzt, unterstrich sie in einer ersten Stellungnahme. Auf Seiten der Kirche herrsche große Bestürzung über die jüngste Eskalation, so Fröhlich im Gespräch mit uns:
„Weihbischof Shomali, der Kanzler des lateinischen Patriarchats von Jerusalem, hat gesagt, er sei sehr traurig und die Armee hätte unter allen Umständen versuchen müssen, das Blutvergießen zu verhindern. Zu konkreten Einzelheiten äußern sich die Kirchenführer nicht. Denn alles ist ja noch ein bisschen unklar. Vage ist, was genau passiert ist. Aber allgemein ist man der Ansicht, dass so etwas nicht hätte passieren dürfen.“
Altpatriarch Michel Sabbah äußerte die Meinung, dass bereits die Erstürmung der Flotte, die mit humanitären Gütern nach Gaza unterwegs war, ein Vergehen sei. Die Kirche, meint unsere Korrespondentin, sehe die Blockade als grundsätzliches Problem. Und daran hätten auch die Aktivisten erinnern wollen.
„Sabbah unterstreicht, man könne nicht 1,5 Millionen Menschen mit einer Kollektivstrafe belegen, weil man in einem Konflikt mit ihrer Regierung liegt. Und die Abriegelung, so sagt das der einstige Patriarch, beraubt die Menschen im Gaza-Streifen so grundlegender Rechte wie Freiheit, Möglichkeiten der Selbstversorgung, usw. Also geht es nicht so sehr darum, dass Menschen im Gaza-Streifen Hunger leiden und dass man ihnen überlebensnotwendige Hilfsgüter bringen müsste. Sondern es geht um eine Krise der Menschenwürde, um grassierende Arbeitslosigkeit. Darum, eingesperrt und einer fremden Willkür ausgeliefert zu sein. Also um ein Leben wie im Gefängnis, ohne persönliche Schuld, für die meisten der Menschen im Gaza-Streifen.“
Das prangerten die einheimischen Kirchenvertreter schon lange an, so Fröhlich, und auch der Solidaritätsflotte sei es darum gegangen, den Blick der Öffentlichkeit auf den Gaza-Streifen zu lenken – der nicht nur unter einheimischen palästinensischen Christen als großes Unrecht empfunden wird. Taten, die den Lippenbekenntnissen der internationalen Politik folgten, seien überfällig:
„Es ist immer wieder so, dass schlechte Neuigkeiten den Blick der Weltöffentlichkeit auf diese Region lenken. Und die Hoffnungen, dass sich die westliche Welt und das Ausland den Nahen Osten mehr zu Herzen nehmen als bisher, bestehen. Es bleibt also die Hoffnung, dass aus so negativen Nachrichten wie der heutigen doch noch etwas Positives entstehen kann.“ (rv)

Kasper: „Unabhängig, aber kooperativ – so unser Ideal“

 

Die Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche in Russland ist vorbildlich. Das hat das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, Bartholomaios I., während seines zehntägigen Russland-Besuchs festgehalten. Die Visite endet an diesem Montag. Bei der Begegnung mit dem russischen Staatspräsidenten Dmitri Medwedew bezeichnete er es als „die beste Garantie für die Zukunft des Landes", wenn die russische Gesellschaft christlich geprägt sei. Dem stimmt auch der Vorsitzende des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen zu. Kurienkardinal Walter Kasper stellt dem Staat-Kirche-Verhältnis allerdings ein anderes Ideal gegenüber:
„Wir haben da unterschiedliche Traditionen in der westlichen lateinischen Kirche und den orthodoxen Kirchen insgesamt. Die orthodoxen Kirchen haben traditionell mehr dieses Bild der Harmonie und der sehr engen Zusammenarbeit von Staat und Kirche, während wir im Westen schon sehr lange die Unterscheidung zwischen staatlicher Gewalt und kirchlicher Autorität machen. Und ich denke, an dieser Stelle könnte die russisch-orthodoxe Kirche noch manches von uns lernen, ohne, dass sie ihre eigenen Traditionen aufgibt."
Und gänzlich spannungsfrei sei das Verhältnis der orthodoxen Kirche zur staatlichen Führung des postkommunistischen Landes schließlich auch in jüngster Vergangenheit nicht immer gewesen:
„Ratschläge von außen dazu zu geben, ist schwierig. Ich kann nur sagen, unser Ideal ist eine freie und unabhängige Kirche in einem freien Staat: Beide unabhängig, aber dann in harmonischer Zusammenarbeit miteinander. Und dieses Modell wird sich über kurz oder lang wohl auch in Russland durchsetzen." (rv)

Vatikan/Irland: Apostolische Visitation beginnt im Herbst

Der Vatikan plant apostolische Visitationen in einigen Bistümern, Orden und Ausbildungsstätten in Irland. In diesem Herbst werden die ersten Visitationen beginnen. Das teilte der Vatikan an diesem Montag mit. In seinem Hirtenbrief an die irischen Bischöfe vom März 2010 hatte Papst Benedikt XVI. diese Maßnahme bereits angekündigt. Mit den Visitationen soll untersucht werden, wie vor Ort mit Missbrauchsfällen umgegangen und wie Opfern geholfen wurde. Gleichzeitig sollen dabei die Richtlinien der Bischöfe überprüft und gegebenenfalls verbessert werden. Hierbei wird man sich vor allem auf vatikanische Vorgaben aus dem Jahr 2001 und auf bereits existierende irische Verfahren stützen. – Als Visitatoren ernannte der Papst unter anderem den emeritierten Erzbischof von Westminster, Kardinal Cormac Murphy-O’Connor, und den Erzbischof von Boston, Kardinal Sean Patrick O’Malley. Als erste stehen die vier Erzdiözesen Irlands – Armagh, Dublin, Cashel and Emly, sowie Tuam – auf dem Programm. Der Erzbischof von New York, Tomothy Dolan, wird sich als Visitator landesweit um die Priesterausbildung kümmern. Mit einer dritten Visitation werden die Ordensgemeinschaften unter die Lupe genommen. (rv)

Zypern: Vor der Papstreise nach Zypern

Wenige Tage vor Beginn des Papstbesuches auf Zypern kommen auf einmal Störsignale aus der orthodoxen Kirche auf der Insel. Der orthodoxe Bischof der zweitgrößten Stadt der Insel, Limassol, will Benedikt boykottieren: Wer immer in dogmatischen Fragen von der orthodoxen Lehre abweiche, der sei als Häretiker anzusehen, so Metropolit Georgios von Paphos. Heißt das, es stimmt etwas nicht in den Beziehungen zwischen Katholiken und Orthodoxen auf Zypern? 

Nein, im Gegenteil – die Kontakte und der Umgangston sind exzellent. Das sagt Pater David Jaeger von der Kustodie des Heiligen Landes, die auch für die katholische Kirche auf Zypern zuständig ist. 

„Die Beziehungen zwischen Katholiken und der orthodoxen Kirche auf Zypern sind gut – es gibt keine besonderen Spannungen, soweit das Gedächtnis zurückreicht. Was die Kirche im ganzen Nahen Osten betrifft, über Zypern hinaus, da war der Umgang zwischen dem niederen orthodoxen Klerus bzw. den orthodoxen Gläubigen und den Katholiken immer freundlich. Es hat im Nahen Osten nie diese Bitternis der gewollten Spaltung gegeben, die wir seit dem späten 15. Jahrhundert im europäischen Teil der Orthodoxie erlebt haben.“ 

Die Bitterkeit hatte viel damit zu tun, dass Orthodoxe dem Westen vorwarfen, er habe nicht genug getan, um den Fall von Konstantinopel-Byzanz zu verhindern. Dieser Fall ereignete sich nur wenige Jahre nach einer Beinahe-Wiederversöhnung mit Rom; er traf eine orthodoxe Kirche, die vom Bosporus aus viele Missionserfolge vorweisen konnte. Konstantinopel, das war der letzte Dominostein, der kippte; vorher waren schon die alten orthodoxen Patriarchate Alexandrien, Antiochien und Jerusalem unter islamische Herrschaft geraten. 

„Die Ostkirchen des Nahen Ostens haben sich zum Beispiell am Unionskonzil von Florenz 1439 beteiligt – sie haben die Union sogar unterschrieben. Sie haben die Union dann auch nie willentlich verlassen; stattdessen war es die veränderte Lage nach der türkischen Eroberung von Konstantinopel 1453, die zur Auflösung der Kirchenunion führte. Es gibt also im Nahen Osten da keine Überreste von Ressentiment gegenüber der katholischen Kirche –anders als das in Kleinasien oder in Griechenland gewesen sein mag, wenn man an die Geschehnisse in Konstantinopel 1204 dachte oder an das Versagen der Fürsten – nicht des Papstes! – im katholischen Europa, die dem belagerten Konstantinopel nicht zur Hilfe kamen.“ 

Die „Geschehnisse von 1204″ – das meint die Erstürmung und Plünderung von Konstantinopel durch katholische Ritter auf dem irregeleiteten Vierten Kreuzzug. Von dieser Schwächung hat sich die alte Kaiser- und Patriarchenstadt bis zu ihrer Eroberung durch die Türken nicht mehr richtig erholt. Doch wie Jaeger sagt: Orthodoxe in Nahost oder auf Zypern haben in dieser Hinsicht nie anti-katholische Ressentiments gehegt. 

„Also – die Beziehungen sind gut, und wir haben allen Grund zu denken, dass der Besuch des Heiligen Vaters auf Zypern sie vertiefen und stärken wird!“ 

Zumindest die Beziehungen zur orthoxen Kirchenspitze: Denn natürlich denkt Erzbischof Chrysostomos II. überhaupt nicht an einen Boykott der Visite. Er soll den „Abtrünnigen“ bereits aufgefordert haben, seine Haltung zu korrigieren, weil ihm sonst sogar der Ausschluss aus der Bischofssynode drohe. Die Gegner der Ökumene gelten auf Zypern als kleine, aber scharfe Minderheit. Vor allem Mönche vom griechischen Berg Athos führten zuletzt Proteste gegen eine katholisch-orthodoxe Annäherung an. Dort, auf dem Athos, erhielt auch der jetzige Bischof von Limassol seine Ausbildung… (rv)

USA: Die Bischöfe haben Bedenken gegen ein Gesetz, das Diskriminierung am Arbeitsplatz verhindern soll

Der Text des Gesetzesvorhabens, der seit Monaten im US-Kongress vorliegt, erwähnt auch Diskriminierung aus sexuellen Gründen. Doch die Bischöfe halten die Formulierung für missverständlich; in einem Brief an das Repräsentantenhaus fürchten sie, die Formulierung könne „die Religionsfreiheit der Kirche, ihren Glauben in der heutigen Gesellschaft zu leben, kompromittieren". So lasse sich der Text etwa instrumentalisieren, um die Ehe von zwei Partnern des gleichen Geschlechts zu legalisieren. Damit könne versucht werden, die kirchliche Sexuallehre als „Diskriminierung unter Strafe zu stellen". Die Bischöfe wörtlich: „Wir können einen Gesetzesvorschlag nicht billigen, der jedwedes sexuelle Verhalten außerhalb der Ehe unter Schutz stellt." (rv)

P. Jaeger: „Beziehungen zu Orthodoxen auf Zypern sind gut!“

 

Wenige Tage vor Beginn des Papstbesuches auf Zypern kommen auf einmal Störsignale aus der orthodoxen Kirche auf der Insel. Der orthodoxe Bischof der zweitgrößten Stadt der Insel, Limassol, will Benedikt boykottieren: Wer immer in dogmatischen Fragen von der orthodoxen Lehre abweiche, der sei als Häretiker anzusehen, so Metropolit Georgios von Paphos. Heißt das, es stimmt etwas nicht in den Beziehungen zwischen Katholiken und Orthodoxen auf Zypern?
Nein, im Gegenteil – die Kontakte und der Umgangston sind exzellent. Das sagt Pater David Jaeger von der Kustodie des Heiligen Landes, die auch für die katholische Kirche auf Zypern zuständig ist.
„Die Beziehungen zwischen Katholiken und der orthodoxen Kirche auf Zypern sind gut – es gibt keine besonderen Spannungen, soweit das Gedächtnis zurückreicht. Was die Kirche im ganzen Nahen Osten betrifft, über Zypern hinaus, da war der Umgang zwischen dem niederen orthodoxen Klerus bzw. den orthodoxen Gläubigen und den Katholiken immer freundlich. Es hat im Nahen Osten nie diese Bitternis der gewollten Spaltung gegeben, die wir seit dem späten 15. Jahrhundert im europäischen Teil der Orthodoxie erlebt haben."
Die Bitterkeit hatte viel damit zu tun, dass Orthodoxe dem Westen vorwarfen, er habe nicht genug getan, um den Fall von Konstantinopel-Byzanz zu verhindern. Dieser Fall ereignete sich nur wenige Jahre nach einer Beinahe-Wiederversöhnung mit Rom; er traf eine orthodoxe Kirche, die vom Bosporus aus viele Missionserfolge vorweisen konnte. Konstantinopel, das war der letzte Dominostein, der kippte; vorher waren schon die alten orthodoxen Patriarchate Alexandrien, Antiochien und Jerusalem unter islamische Herrschaft geraten.
„Die Ostkirchen des Nahen Ostens haben sich zum Beispiell am Unionskonzil von Florenz 1439 beteiligt – sie haben die Union sogar unterschrieben. Sie haben die Union dann auch nie willentlich verlassen; stattdessen war es die veränderte Lage nach der türkischen Eroberung von Konstantinopel 1453, die zur Auflösung der Kirchenunion führte. Es gibt also im Nahen Osten da keine Überreste von Ressentiment gegenüber der katholischen Kirche – anders als das in Kleinasien oder in Griechenland gewesen sein mag, wenn man an die Geschehnisse in Konstantinopel 1204 dachte oder an das Versagen der Fürsten – nicht des Papstes! – im katholischen Europa, die dem belagerten Konstantinopel nicht zur Hilfe kamen."
Die „Geschehnisse von 1204" – das meint die Erstürmung und Plünderung von Konstantinopel durch katholische Ritter auf dem irregeleiteten Vierten Kreuzzug. Von dieser Schwächung hat sich die alte Kaiser- und Patriarchenstadt bis zu ihrer Eroberung durch die Türken nicht mehr richtig erholt. Doch wie Jaeger sagt: Orthodoxe in Nahost oder auf Zypern haben in dieser Hinsicht nie anti-katholische Ressentiments gehegt.
„Also – die Beziehungen sind gut, und wir haben allen Grund zu denken, dass der Besuch des Heiligen Vaters auf Zypern sie vertiefen und stärken wird!"
Zumindest die Beziehungen zur orthoxen Kirchenspitze: Denn natürlich denkt Erzbischof Chrysostomos II. überhaupt nicht an einen Boykott der Visite. Er soll den „Abtrünnigen" bereits aufgefordert haben, seine Haltung zu korrigieren, weil ihm sonst sogar der Ausschluss aus der Bischofssynode drohe. Die Gegner der Ökumene gelten auf Zypern als kleine, aber scharfe Minderheit. Vor allem Mönche vom griechischen Berg Athos führten zuletzt Proteste gegen eine katholisch-orthodoxe Annäherung an. Dort, auf dem Athos, erhielt auch der jetzige Bischof von Limassol seine Ausbildung… (rv)

Kanada: Papst-Legat für Häuptlings-Tauf-Jubiläum

Papst Benedikt XVI. entsendet den kanadischen Kardinal Marc Ouellet (65), Erzbischof von Quebec, als Sondergesandten zu den 400-Jahrfeiern der Taufe des Großen Häuptlings Membertou (1510-1611) nach Neuschottland. Die Feierlichkeiten sollen am 1. August in Chapel Island in der Diözese Antigonish stattfinden, teilte der Vatikan am Samstag mit. Membertou vom Stamm der Mi'kmaq war der erste Häuptling der kanadischen Ureinwohner, der sich am 24. Juni 1610 zusammen mit seiner Familie von einem französischen Missionar taufen ließ. Er erhielt den Taufnamen Henri, nach dem damaligen französischen König Heinrich IV. (1553-1610). Vor seinem Tod ein Jahr später infolge einer Erkrankung an Ruhr, forderte der Häuptling seine Untertanen auf, eifrige Christen zu bleiben. (rv)

Vatikansprecher: Missbrauchskrise noch nicht überwunden

 

Die Missbrauchskrise in der katholischen Kirche ist nach den Worten von Vatikansprecher Federico Lombardi noch nicht überwunden. Es handele sich um lange Prozesse der Aussöhnung und des Dialogs, betont er in einem Beitrag für das Juni-Heft der italienischen Monatszeitschrift „Jesus", der vorab bekannt wurde. Die Beratungs- und Anlaufstellen für Missbrauchsfälle hätten ihre Arbeit intensiviert, es meldeten sich ständig Personen, schreibt der Jesuit in seinem Artikel. Zugleich äußert er die Hoffnung, dass die Krise auch einen positiven Effekt haben werde und – wie es Papst Benedikt XVI. stets fordere – zu einer tief greifenden Umkehr, zu Reue, Buße und Erneuerung der Kirche und der Gläubigen beitrage. Zudem müsse diese Krise dazu führen, dass sich derartige Vorfälle niemals wiederholten. (rv)

AI-Menschenrechtsbericht: Ein Meilenstein, viele Stolpersteine

Die Menschenrechte in der Welt – da gibt es einen Meilenstein, aber leider immer noch viele Stolpersteine. So lässt sich das Ergebnis des Jahresberichts 2010 von Amnesty International (AI) beschreiben, der am Donnerstag in Berlin veröffentlicht wurde. Die Weltwirtschaftskrise habe die Situation von Minderheiten in zahlreichen Ländern der Erde verschärft, hält die Menschenrechtsorganisation fest. Dabei habe die Angst vor dem Abschwung auch in vielen europäischen Ländern zu verstärkten rassistischen Tendenzen geführt. Fortschritte habe es dagegen auf internationaler Ebene bei der Ahndung von Menschenrechtsverletzungen gegeben. Die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Monika Lüke, sagte dem Kölner Domradio:
„Im Jahr 2009 gab es erstmals einen internationalen Haftbefehl gegen ein amtierendes Staatsoberhaupt, den sudanesischen Präsidenten Al-Bashir wegen Massakern und massiven Menschenrechtsverletzungen in Darfur. Und das ist doch ein erheblicher Fortschritt, dass ganz klar die Botschaft an Folterer und Regierungen, die Menschen einsperren, ausgeht: Ihr dürft das nicht, ihr werdet bestraft, ihr steht nicht über den Gesetzen.“
Auch in Lateinamerika habe es im letzten Jahr eine Reihe von Verurteilungen gegeben. So sei etwa der ehemalige Staatschef von Peru, Alberto Fujimori, wegen Folter während der Militärdiktatur verurteilt worden. Neben diesen positiven Ergebnissen gebe es aber noch so manchen „Stolperstein“, und zwar auch in Ländern wie Deutschland oder den USA. In der Bundesrepublik habe es zwar Fortschritte bei der Schulbildung für nicht Einwandererkinder ohne Papiere gegeben, so Lüke. Diese würden nicht mehr so leicht abgeschoben. Aber:
„Die deutschen Behörden scheinen immer noch nicht das Verbot ernst zu nehmen, dass in kein Land der Welt abgeschoben werden darf, in dem erniedrigende, unmenschliche Behandlung oder gar Folter droht. Wir haben da den Fall eines tunesischen Staatsangehörigen, der nach Tunesien abgeschoben werden sollte, nur aufgrund einer mündlichen Zusage des tunesischen Innenministers, dass ihm nichts passiere. Das wissen wir besser, und auch die Bundesregierung könnte es besser wissen, wenn sie unsere Berichte gelesen hätte. Hier brauchte es eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes in Düsseldorf, um die Abschiebung zu verhindern.“
Auch in den USA gebe es Verbesserungsbedarf, so Lüke weiter. Obwohl Präsident Barack Obama Menschenrechte wieder zum Maßstab der nationalen Politik erklärt habe, müsse auch der amerikanische Präsident noch einige bedenkliche Menschenrechtssituationen im eigenen Land lösen, so Lüke:

„Er hat das Lager in Guantanamo immer noch nicht geschlossen, obwohl das bis Januar geplant war. Und tatsächlich plant er jetzt, 50 der Männer, die dort in Guantanamo ohne Gerichtsverfahren sitzen, einfach in ein anderes Gefängnis zu bringen und dort weiter ohne Verfahren festzuhalten. Ein weiteres Manko: Die Geständnisse, die unter Folter erpresst wurden, dürfen immer noch in Gerichtsverfahren benutzt werden. Erst in der vergangenen Woche hat ein US-Berufungsgericht entschieden, dass Gefangene, die in US-Lagern in Bagram in Afghanistan festsitzen, keinen Zugang zu Gerichten in den Vereinigten Staaten haben.“

Weitere Ergebnisse des amnesty-Berichtes beziehen sich auf die Glaubensfreiheit. Die Ausübung des Glaubens bleibe für Angehörige aller Religionen immer noch mit erheblichen Risiken, Folter, Haft und sogar Tod verbunden, so die traurige Bilanz. Das gelte besonders für Staaten wie China und den Iran. In Europa hätten besonders islamische Gruppen in diesem Punkt Misstrauen auf sich gezogen – zum Teil unter Verletzung grundlegender Rechte, kritisiert AI. Weiter registriert die Menschenrechtsorganisation ein „Klima der Intoleranz“ in Europa, das zur menschenunwürdigen Behandlung von Migranten beigetragen habe. (rv)