Große Irritationen vor kulturgeschichtlichem Hintergrund: Jordanien fordert aktuell die berühmten Qumran-Schriften von Israel zurück – und hofft dabei auf die Unterstützung der UNESCO, der Kulturabteilung der Vereinten Nationen. Laut Agenturberichten soll die jordanische Antikenbehörde versucht haben, über die Vermittlung der UNESCO einige Rollen zu erhalten, die Israel für eine Ausstellung in das kanadische Toronto geschickt hatte. Über die verzwickte Rechtslage um die Textdokumente, deren Fundgeschichte in die Gründungszeit des Staates Israel fällt, hat Radio Vatikan mit dem Qumran-Experten Armin Lange, Professor am Institut für Judaistik der Universität Wien, gesprochen:
„Nach dem Zweiten Weltkrieg war das damalige Palästina noch kurze Zeit britisches Protektorat. Das wurde dann aufgeteilt. Ein Teil ging an jüdische Einwanderer. Und ein anderer Teil ging an arabische Bevölkerungsschichten. Nun kommt hinzu, dass nicht nur die ersten Qumran-Texte in dieser Situation, sondern von Beduinen gefunden wurden, die sie dann verkauft haben. Die damalige jordanische Regierung hat dann um internationale finanzielle Unterstützung gebeten. Die Texte sind also nicht mit jordanischem Geld angekauft worden, sondern mit Geld von verschiedenen internationalen Institutionen wie Museen, Universitäten, aber auch Geld, wie beispielsweise des Bundeslandes Baden-Württemberg in Deutschland. Das heißt, Jordanien hat sich mehr als vierzig Jahre lang kaum um diese Sache gekümmert. Und nun fällt ihnen aus heiterem Himmel ein, dass sie die Schriftstücke zurückhaben wollen, die nicht mit jordanischem Geld angeschafft wurden. Das scheint mir etwas merkwürdig."
Nach dem Sieben-Tage Krieg von 1967 hätte schließlich der Teil Jerusalems auf israelischer Seite gelegen, in dem das Rockefeller-Museum stand – welches den Großteil der Qumran-Rollen beherbergte. Jahrzehntelang hätten weder Jordanien noch Israel Einfluss auf die Aufarbeitung und Veröffentlichung der Qumran-Texte genommen, erklärt der Wiener Fachmann. Über die aktuellen Forderungen jordanischer und auch palästinensischer Behörden mutmaßt Lange:
„Ich kann hier nur vermuten, dass man Israel und dem Judentum weltweit wehtun möchte. Denn es ist deutlich, dass die Texte ein Kernstück jüdischen Kulturerbes darstellen. Auf jordanischer Seite könnten da auch finanzielle Interessen mitschwingen. Eventuell hat man den touristischen Wert der Rollen erkannt. Ich persönlich kenne keinen Muslim, der in den Qumran-Texten sein eigenes kulturelles Erbe wiederfindet. Und ich habe auch noch keine Publikation gelesen, die sagt, hier hat der Islam seine Wurzeln. Der Islam hat vom Judentum gelernt, Mohammed selbst war viel mit Juden in Kontakt. Aber wenn Jordanien hier davon spricht, dass es um sein eigenes kulturelles Erbe geht, finde ich das merkwürdig, während die Texte ganz selbstverständlich Teil der jüdischen Kultur und der jüdischen Identität sind."
Lange warnt zugleich auch in der aktuellen Diskussion davor, unsachlich zu argumentieren. In der Vergangenheit hätten US-amerikanische und deutsche Medien bereits viel zu „sensationsheischend" über die Qumran-Texte berichtet. Der Sachexperte spricht sich dafür aus, die wissenschaftliche Bedeutung der Schriftstücke wieder mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken:
„Es handelt sich um einen jüdischen Schriftfund. Also um Handschriften, die vor mehr als zweitausend Jahren von Juden produziert worden sind. Ein Großteil der seriösen Forscher dieser Schriftfunde hält diese Funde für einen Teil einer Bibliothek einer religiösen Gemeinschaft, die in Qumran zu Hause gewesen ist. Was die Funde wissenschaftlich so bedeutsam macht, ist, dass sie in einer Zeit verfasst und kopiert wurden, als das Judentum jene Ideen ausgeformt hat, die sich nachher im rabbinischen Judentum und frühen Christentum realisiert haben. Das heißt, die Texte markieren so eine Art Weggabelung in das heutige Judentum und heutige Christentum hinein und sind daher von enormer Bedeutung für die christlich-jüdische Verständigung und das christlich-jüdische Gespräch." (rv)
Tag: 21. Januar 2010
Vatikan: Papst ernennt neue Untersekretärin für „Iustitia et Pax“
Dr. Flaminia Giovanelli ist von Papst Benedikt XVI. zur neuen Untersekretärin des Päpstlichen Rates „Gerechtigkeit und Frieden“ (Justicia et Pax) ernannt worden. Giovanelli arbeitete in diesem Rat bereits als Referentin für Entwicklungshilfe und internationale Zusammenarbeit. Sie folgt auf ihrem neuen Posten Frank Dewane, der seit 1974 in der Institution tätig war. Giovanelli ist die dritte Frau in einem Leitungsgremium der römischen Kurie. Bereits in den 1970er Jahren hatte die Australierin Rosemary Goldie im Päpstlichen Rat für die Laien in gleicher Position gearbeitet und derzeit bekleidet die Ordensschwester Enrica Rosanna den Posten einer Untersekretärin in der Ordenskongregation des Vatikan. Giovanelli ist am 24. Mai 1948 in Rom geboren. Sie machte ihr Abitur an der „Ecole Europeenne“ in Brüssel und studierte dann Politikwissenschaften in Rom. Anschließend erwarb sie noch Abschlüsse in Bibliothekswissenschaften an der Vatikanischen Bibliothek und in Religionswissenschaften an der Päpstlichen Universität „Gregoriana“. (vh)