Die Gruppen, die Missbrauchsopfer in Irland vertreten, sind gespalten in ihren Reaktionen auf den Hirtenbrief von Papst Benedikt. Die Gruppe „One in Four“ warf dem Papst vor, die Rolle des Vatikans im Umgang mit Missbrauchsskandalen nicht genauer untersucht zu haben. Er spreche „nur von den Fehlern der irischen Kirche“, so eine Sprecherin der Gruppe. Außerdem gebe es keine wirkliche Entschuldigung des Papstes für das systematische Vertuschen von Missbrauchsfällen durch die Kirche – das sei „extrem schmerzlich“. Benedikt hätte jetzt die Bischöfe dazu drängen sollen, alle Infos über pädophile Priester zu veröffentlichen, meint der Vertreter einer Internetbewegung namens „BishopAccountability“, zu deutsch ungefähr: Die Bischöfe sind verantwortlich.
Das „Dublin Rape Crisis Center“ und die Bewegung „Irish Survivors of Child Abuse“, kurz SOCA, hingegen haben den Brief begrüßt: Er sei „ohne Zweideutigkeit und macht deutlich, dass die irische Kirche über Jahrzehnte hinweg schwer gegen die Jugend gesündigt hat“. Es sei wichtig, dass Benedikt die Täter auffordere, sich der Justiz zu stellen, so SOCA. Der Brief sei „ein erster Schritt auf dem Weg zur Heilung bei vielen, die ihr Vertrauen in die Kirche verloren haben.“ Die Entschuldigung Benedikts sei „tief bewegend und auch lange erwartet“.
In den USA, die vor etwa zehn Jahren ebenfalls von heftigen kirchlichen Missbrauchs-Skandalen erschüttert wurden, zeigt sich der Verband „SNAP“ unzufrieden: Das Kürzel steht für „Organisation zur Verteidigung der Opfer von pädophilen Priestern“, und dem Verband gehören 9.000 Mitglieder an. Benedikt habe doch gar keine konkreten Strafen für Täter, Entschädigungen für Opfer oder Präventionsmassnahmen genannt. Wörtlich heißt es in einer Erklärung von SNAP: „Der Papst schickt schöne Worte, aber man erwartete Taten von ihm. Er läßt weiter Risiken zu, dabei brauchte man eigentlich Prävention. Er verteidigt das Verheimlichen, dabei brauchen wir jetzt Wahrheit. Und der Papst ignoriert das Leiden und die Agonie – dabei geht es jetzt um eine wirkliche Heilung, nicht um Worte.“
Die Reformgruppe „Voice of the Faithful“, zu deutsch „Stimme der Gläubigen“, kritisiert, der Papstbrief erwecke den Eindruck, dass Missbrauch ein irisches Problem sei. Dabe gehe es in Wirklichkeit um ein „katholisches Problem“, so der Leiter der Gruppe. (rv)
Tag: 21. März 2010
Starkes Medienecho auf Papstbrief
Der Papstbrief an die irische Kirche zum Thema sexueller Missbrauch hat an diesem Wochenende weltweit für ein starkes Medienecho gesorgt. Fast alle großen Zeitungen stellten in ihren Onlineauftritten die Papst-Meldung ganz nach oben. „Dem Papst tun die irischen Missbrauchsfälle leid“, titelt etwa die Internetseite der britischen „Times“; „Der Papst ist ehrlich bestürzt über den Skandal“, formuliert der „Irish Independent“ aus Dublin. „Der Papst bittet um Entschuldigung für die Missbrauchs-Fälle in Irlands Kirche“, steht fast wortgleich auf den Homepages der Fernsehriesen CNN und BBC. Einige britische Zeitungen haben eine ziemlich kritisch gefärbte Berichterstattung: „Der Papstbrief enttäuscht die Opfer“, urteilt etwa „The Guardian“. Auf der Homepage von „Le Monde“ aus Paris hingegen taucht die Nachricht aus dem Vatikan als die Nummer sechs auf, während „Le Figaro“ – ebenfalls aus Paris – mit ihr aufmacht und titelt, der Hirtenbrief Benedikts sei „ein beispielloser Schritt“.
Die spanische Tageszeitung „El Pais“ zeigt an diesem Sonntag einen gequälten Papstsprecher Lombardi auf ihrer Titelseite; ein Artikel im Innenteil gibt an, Ratzinger sei einst wegen seiner klaren Worte gegen den „Schmutz“ in der Kirche ins Papstamt gewählt worden, habe sich dort aber auch in fünf Jahren noch nicht gegen die herrschende innerkirchliche „Korruption“ durchsetzen können. Die italienische Tageszeitung „La Repubblica“ hatte schon am Samstagmorgen – unter Bruch des päpstlichen Embargos – aus dem Hirtenbrief zitiert; sie interviewt in der Sonntagsausgabe den Schweizer Kardinal Georges Cottier, der mit den Worten zitiert wird: „Benedikt wendet sich wie ein Vater an alle Christen… Sein geistliches Niveau und der barmherzige Ton haben mich überrascht.“
„Der Papst bietet eine Entschuldigung, aber keine Sanktionen“, schreibt die „New York Times“ auf ihrer Internetseite. Die „Washington Post“ bringt Benedikts Hirtenbrief online als Nummer fünf. Einige Stunden lang ist der Brief aus Rom auch die Startmeldung auf der Homepage des arabischen Fernsehsenders Al-Dschasira: „Der Papst bedauert zutiefst die Missbräuche in Irland“. (rv)
KATH.NET: Unterschriftenaktion – Ja! zur Kirche –
Das österreichische Nachrichtenmagazin KATH.NET führt eine Unterschriftenaktion (Ja! zur Kirche) gegen die Pauschalangriffe auf die Röm.-Kath. Kirche und den Papst durch. VH unterstützt diese Aktion und bietet einen LINK zur Aktion.
Hier der Wortlaut der Unterschriftenaktion:
Heiliger Vater Benedikt XVI!
Wir – die Unterzeichner – wehren uns gegen die Pauschalangriffe auf die römisch-katholische Kirche durch einige Medien und Interessensgruppen im Zusammenhang mit der berechtigten und wichtigen Aufklärung rund um sexuellen Kindesmissbrauch, der von Mitgliedern der Kirche verursacht wurde.
Wir möchten Ihnen, Eure Heiligkeit, unsere Verbundenheit und Solidarität ausdrücken. Wir bekennen uns uneingeschränkt zur einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche und möchten mit unserer Unterschrift bezeugen, dass wir die Kirche trotz aller menschlichen Schwächen uneingeschränkt lieben und wir die kirchliche Lehre als große Bereicherung für unser Leben sehen.
Wir sind Menschen guten Willens, engagierte katholische Frauen und Männer, Laien, Ordensleute und Priester. Durch unsere Unterschrift erklären wir ausdrücklich unsere Solidarität mit Eurer Heiligkeit und versprechen, dass wir gerade in dieser schweren Zeit für Sie beten werden.
Mitmachen
Erklären auch Sie mit Ihrer Unterschrift Ihre Solidarität mit der Kirche. Die bis Ende Mai 2010 eingetragenen Unterschriften werden voraussichtlich im Juni Papst Benedikt persönlich überreicht. Bitte verbreiten Sie das Anliegen bei Freunden, Bekannten, in Pfarreien und in den Gemeinschaften. Sie können Ihre Unterschrift online abgeben oder die Unterschriften(listen) auch an kath.net, Postfach 18, A-4015 Linz bis spätestens 28. Mai 2010 auf dem Postweg schicken! Die Daten werden nicht an Dritte weitergegeben. (kath.net)
> > > Zur Unterschriftenaktion < < <
(vh)
DBK Zollitsch: „Klare Weisungen für die gesamte Kirche“
Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz von Erzbischof Robert Zollitsch:
„Papst Benedikt XVI. wendet sich durch seinen Hirtenbrief mit eindringlichen Worten an die Katholiken in Irland. Was er ihnen sagt, hat Geltung für die ganze Kirche und ist eindeutig eine Botschaft auch an uns in Deutschland. Ohne Wenn und Aber verurteilt der Papst die schrecklichen Verbrechen, die an jungen Menschen begangen wurden, als Mitglieder der Kirche, besonders Priester und Ordensleute, sie sexuell missbrauchten. Seine schonungslose Analyse zeigt, dass sich der Heilige Vater dem Problem sexuellen Missbrauchs mit Ernst und mit großer Sorge stellt. Dabei beklagt er, dass häufig auf die ‚ausreichende menschliche, moralische, intellektuelle und geistliche Ausbildung in Seminarien’ viel zu wenig Wert gelegt wurde. Vorrang hat für den Papst die Perspektive der Opfer. Deshalb kritisiert er den zum Teil übermäßigen Täterschutz, den die Kirche häufig praktiziert habe. Wieder und wieder drängt er darauf, dass die Vorgaben der Justiz und des staatlichen Rechts einzuhalten seien. Vor allem aber müsse es, soweit das möglich ist, Heilung für die Opfer geben. Es sind ergreifende Worte, die Papst Benedikt XVI. findet, wenn er sich an die Opfer wendet und sie um Vergebung bittet: ‚Im Namen der Kirche drücke ich offen die Schande und die Reue aus, die wir alle fühlen.’
Besonders bewegen mich die deutlichen Worte des Papstes an die Priester und Ordensleute, die sich versündigt haben. Sie haben das Vertrauen junger Menschen aufs Schlimmste verletzt und müssen sich vor Gott und den Gerichten verantworten. Auch die Kritik des Papstes an den kirchlichen Autoritäten lässt keine Fragen offen. Wenn die bittere Wahrheit offen ausgesprochen wird, wirkt dies schmerzlich, aber auch befreiend. Ich bin für diese Worte dankbar. Wir wissen, dass auch bei uns in Deutschland Fehler gemacht wurden. Wir deutschen Bischöfe haben solche Fehler bei unserer Frühjahrsvollversammlung in Freiburg deutlich erkannt und eingestanden. Wir dürfen Fehler nicht wiederholen und brauchen auch in Deutschland eine lückenlose Aufklärung und uneingeschränkte Transparenz. Daran arbeiten wir in allen Bistümern. Deshalb verstehe ich die Mahnung des Papstes an die Bischöfe in Irland zugleich auch als Mahnung an uns. Der Skandal sexuellen Missbrauchs ist kein bloß irisches Problem, er ist ein Skandal der Kirche an vielen Orten und er ist der Skandal der Kirche in Deutschland.
Der Brief des Papstes ist auch ein geistliches Dokument, das geistige und moralische Entwicklungen begreifen und aus dem Glauben deuten will. Der Papst ist geprägt von der Hoffnung, dass Gottes Liebe im Leben von Opfern und Tätern neue Anfänge möglich macht. Der Glaube motiviert vor allem dazu, die Wunden zu heilen, soweit dies menschlich möglich ist. Mit herzlichen Worten wendet sich der Papst an die junge Generation Irlands und bittet sie eindringlich, trotz aller tragischen Erfahrungen nicht an der Kirche zu verzweifeln, sondern an ihrer Erneuerung mitzuwirken. Dazu trägt auch eine große Geste des Papstes bei: Er fügt seinem Brief ein Gebet der Hoffnung auf einen neuen Anfang bei, das er der Kirche in Irland widmet. Ich bitte die Gläubigen in Deutschland, sich dieses Gebet als Gebet auch für unser Land anzueignen. Wir gehen den Weg der Aufklärung und Aufarbeitung, den Weg des aufmerksamen Hinschauens und der Prävention. Es ist ein langer Weg, der Zeit braucht und Mühe kostet, den wir in Manchem noch lernen müssen, aber wir werden keine Zeit verstreichen lassen. Der Heilige Vater ruft auch uns zu, dass wir diesen Weg der Heilung, Erneuerung und Wiedergutmachung ohne Angst und gläubigen Mutes gehen sollen.“ (Deutsche Bischofskonferenz)
Was ist ein Hirtenbrief?
Bei einem Hirtenbrief handelt es sich um Rundschreiben von Bischöfen an die Gläubigen. Die Verfassung eines Hirtenbriefes ist also kein Vorrecht des Papstes. Mit dem neuen Hirtenbrief nimmt Papst Benedikt XVI. zu den Missbrauchsfällen in Irland Stellung. Das Schreiben geht somit in erster Linie an die irischen Bischöfe, die es in ihren Gemeinden verlesen. Hirtenbriefe befassen sich in der Regel mit Glaubensfragen, aber auch mit gesellschaftlichen Fragen der Zeit. Regelmäßig werden sie zur Fastenzeit veröffentlicht. In den deutschen Bistümern nehmen Bischöfe nach Angaben der Bischofskonferenz seit Mitte des 18. Jahrhundert in Form von Hirtenbriefen Stellung. Erste Vorläufer waren demnach die Apostelbriefe. Unmittelbar gehen die Hirtenbriefe auf den Mailänder Kardinal Karl Borromäus (1538-1584) zurück. Der Papst selbst schreibt Schätzungen zufolge pro Jahre etwa zehn Hirtenbriefe. Sie sind nicht zu verwechseln mit den Enzykliken. Dabei handelt es sich um päpstliche Lehrschreiben, in denen das Kirchenoberhaupt sich in verbindlicher Weise zu grundlegenden Fragen äußert. Papst Benedikt XVI. veröffentlichte seit 2005 bislang drei Enzykliken, zuletzt im Juli 209 eine Sozialenzyklika. Sein Vorgänger Johannes Paul II. veröffentlichte in den 26 Jahren seines Pontifikats 14 Enzykliken. (rv)