Papst Benedikt XVI. hat zum Abschluss seiner zweitägigen Maltareise mehr internationale Hilfe für Immigranten und Bootsflüchtlinge gefordert. Trotz aller Schwierigkeiten sollte die Inselrepublik mit Unterstützung anderer Staaten und internationaler Organisationen den Ankommenden Hilfe leisten und für die Achtung ihre Rechte eintreten, sagte das Kirchenoberhaupt bei der Abschiedszeremonie auf dem Flughafen. Die Migrationsfrage könne unmöglich von einem Erstankunftsland allein gelöst werden. Aufgrund seiner christlichen Wurzeln und seiner guten Tradition mit der Aufnahme von Fremden sollte Malta aber dazu einen Beitrag leisten. Bei der Zeremonie, die sich wegen der vorausgegangenen Jugendveranstaltung erheblich verspätet hatte, appellierte Benedikt XVI. nochmals an die Malteser, ihre christliche Identität zu wahren und für christliche Werte in der Gesellschaft einzutreten. (rv)
Tag: 19. April 2010
Papstkenner: Rückblick auf fünf Jahre „Pontifikat Benedikt“
An diesem Montag feiert die Weltkirche den fünften Jahrestag des Pontifikats von Benedikt XVI. Roman Angulanza, pensionierter Direktor des katholischen Bildungswerkes in Salzburg, kennt den Papst über ein halbes Jahrhundert. Er gehört zum Schülerkreis von Joseph Ratzinger, der die jährlichen Treffen mit seinen früheren Studenten auch als Papst in Castel Gandolfo weiterführt. Schritte auf dem Weg der Ökumene, wichtige Papstreisen oder Benedikts Umgang mit heiklen Themen wie Missbrauch und Piusbrüdern – im Interview mit Radio Vatikan lässt Angulanza fünf bewegte Jahre „Pontifikat Benedikt“ Revue passieren. Lesen Sie hier den zweiten Teil zum Thema.
So wie Benedikt XVI. bei der ersten Bischofssynode nach seiner Wahl zum Papst neue Kommunikationsregeln propagierte, so schlug er auch im interreligiösen Dialog einen neuen Ton an. Im Gedächtnis blieb vor allem die Regensburger Rede vom 12. September 2006. Diese warf nicht nur in der muslimischen Gemeinschaft Fragen auf. Benedikts provokantes Zitat zum Verhältnis von Religion und Gewalt im Islam hat den Dialog mit den Muslimen jedoch gerade erst in Gang gebracht, so Angulanza.
„Es haben sich ja unmittelbar nach der Rede 138 hochrangige Vertreter des Islams gemeldet. Sie haben einen sehr respektvollen Brief an den Papst gerichtet. Damit hat dann ein fruchtbarer Dialog begonnen. Ein Jahr später waren diese hochrangigen Gelehrten dann bei uns im Schülerkreis und führten einen sehr höflichen Dialog ohne Feindseligkeiten mit ihm. Da wurden vor allem die Gemeinsamkeiten der beiden Religionen herausgearbeitet. Daraufhin ist es zur Gründung eines katholisch-muslimischen Forums gekommen und das hat wiederum bewirkt, dass in einzelnen muslimischen Staaten dann auch erlaubt worden ist, Kirchen zu bauen.“
Dialog mit dem Islam „auf hohem Niveau“
An das Verbindende der beiden Religionen erinnerte der Papst auch im Rahmen seiner Heilig-Land-Reise im Mai 2009. In einer Ansprache vor Moslems und Diplomaten im jordanischen Amman warnte er vor Religionsmissbrauch und rief zum Schutz religiöser Minderheiten auf. Dabei wählte Benedikt XVI. einen respektvollen Ton, knüpfte selbst an jenen Dialog an, der seit der Regensburger Rede begonnen hatte. Das habe wohl auch mit Benedikts guter Kenntnis des Islams zu tun. Angulanza:
„Beim ersten Treffen im Schülerkreis, nachdem er Papst geworden war, hatten wir das Thema Islam. Das haben wir breit abgehandelt, mit hervorragenden Fachleuten zum Thema. Dort hat sich gezeigt, dass er selbst sehr viel weiß und sehr gut Bescheid weiß. Es hat ja auch die türkischen Medien sehr beeindruckt, als er in der Blauen Moschee still gebetet hat, das war sehr eindrucksvoll. Gerade die muslimischen Intellektuellen sehen, dass der Papst dem Islam mit großer Hochachtung begegnet.“
Das Aufheben der Exkommunikation von vier traditionalistischen Piusbischöfen im Januar 2009, darunter auch die des Holocaust-Leugners Richard Williamson, sorgte vor allem in Deutschland für Unmut. Diese Geste setzte – wie auch das Vorantreiben der Seligsprechung von Papst Pius XII. – den Beziehungen zum Judentum einen Stich. Auch deshalb wurde Benedikts Heilig-Land-Reise im Mai 2009 von der jüdischen Weltgemeinschaft mit Argusaugen beobachtet: Was würde er zum Holocaust sagen?
„Er hat deutlich unterschieden: Am Flughafen hat er erst einmal ganz deutlich die Fakten benannt. Er hat das in aller Schärfe getan und das Verbrechen angeprangert, das Ausmaß, dass es sich nie mehr wiederholen darf, dass die hässliche Fratze des Antisemitismus – immer noch existierend in der Welt – weiterhin bekämpft werden muss. Das hat er sehr deutlich gesagt. Aber dann hat man auf Schritt und Tritt immer nur beobachtet: Sagt er noch etwas, sagt er noch etwas? In Yad Vashem war es für ihn eine Stunde der Besinnung, da ging es um andere Dinge, als immer dasselbe zu wiederholen. Ich glaube, man nimmt einfach nicht ernst, was er gesagt hat und erwartet sich immer Wiederholungen.“
Es war keine „volle Rehabilitierung“
Mit seinem Besuch in der römischen Synagoge im Januar 2010 konsolidierte der Papst die katholisch-jüdischen Beziehungen, dennoch war bei der Visite das Unbehagen über die geplante Seligsprechung von Pius XII. und die ausgestreckte Papsthand zu den Piusbrüdern spürbar. In der Debatte um die Traditionalisten habe der Vatikan Kommunikationsfehler begangen, räumt Papstkenner Angulanza ein. So sei die Rücknahme der Exkommunikation in der Öffentlichkeit als „volle Rehabilitierung“ verstanden worden.
„Das ist ja überall falsch interpretiert worden: Rücknahme der Exkommunikation heißt ja, dass sie beichten gehen können und die Krankenölungen empfangen und solche Dinge. Das hat man so interpretiert, dass es eine volle Rehabilitation o.ä. sei. Es ist also ganz falsch vermittelt worden, Kommunikationskanäle sind nicht genutzt worden, man hätte zum Beispiel eine Pressekonferenz machen müssen und dann als Journalist die Frage stellen können: Was bedeutet das überhaupt?“
Das Bemühen um Einheit mit dem „rechten Rand“ der Kirche habe sich nicht erst bei Benedikt gezeigt, stellt Papstkenner Angulanza weiter fest. Die Aufhebung der Exkommunikation der vier Lefebvre-Bischöfe sei schon lange geplant gewesen.
„Es gab ja schon einen einstimmigen Beschluss unter Johannes Paul II., dass die Exkommunikation auf Bitten der Pius-Brüder aufgehoben wird. Dieser Beschluss bestand bereits, nur ist es aufgrund der Krankheit von Johannes Paul II. nicht mehr dazu gekommen. In jüngerer Zeit haben dann wieder zwei Gremien einen Beschluss gefasst und sind an Papst Benedikt selbst herangetreten.“ (rv)
Vatikan feiert fünf Jahre Benedikt
Papst Benedikt XVI. begeht an diesem Montag den fünften Jahrestag seiner Wahl. Den Jahrestag, der im Vatikan als Feiertag gilt und für die Angestellten dienstfrei ist, verbringt der 83-Jährige ohne protokollarische Termine. Um die Mittagszeit gibt Kardinaldekan Angelo Sodano mit den in Rom anwesenden Kardinälen ein Essen zu Ehren des Papstes. Es handele sich nicht um eine Dienstbesprechung oder Krisensitzung sondern um ein Festtreffen, hebt man im Vatikan hervor. Ort des gemeinsamen Essens ist die Sala Ducale, einer der Prunkräume des Apostolischen Palastes. Geladen und zugesagt haben dem Vernehmen nach zwischen 40 und 50 Personen. Die mit aufwendigen Fresken ausgestaltete Sala Ducale, die zwischen der Sixtinischen Kapelle und der Cappella Paolina liegt, gibt unter anderen den Rahmen für die jährlichen Neujahrsempfänge des Papstes für das beim Heiligen Stuhl akkreditierte Diplomatische Corps. – Am 19. April 2005 wählten die zum Konklave versammelten Kardinäle im vierten Wahlgang den damaligen Präfekten der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, zum Kirchenoberhaupt. (rv)
Papst trifft Missbrauchsopfer auf Malta
Papst Benedikt XVI. ist am Sonntagmittag in Malta mit einer kleinen Gruppe von Missbrauchsopfern zusammengetroffen. Das teilte der Vatikan anschließend mit. Die Begegnung fand nach Abschluss der großen Messe in der Apostolischen Nuntiatur von Valletta statt, wo der Papst sich während seines zweitägigen Besuchs in Malta aufhält. Das katholische Kirchenoberhaupt sei tief bewegt gewesen von den Schilderungen der Teilnehmer und habe seine Scham und sein Leid über den Schmerz der Opfer und ihrer Familien bekundet, heißt es in der Vatikan-Erklärung. Er habe mit den Opfern gemeinsam gebetet und ihnen versichert, dass die Kirche jetzt und in Zukunft alles in ihrer Macht stehende tun werde, um die Anschuldigungen aufzuklären, die für den Missbrauch Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um junge Menschen in Zukunft zu schützen. „Im Geist des jüngsten Briefes an die Katholiken von Irland hat der Papst gebetet, dass alle Opfer des Missbrauchs Heilung und Versöhnung erfahren und fähig werden, mit neuer Hoffung in die Zukunft zu gehen“, heißt es in der Vatikanmitteilung. (rv)
„Nicht triumphalistisch, sondern mutig“ – Ein eine Bilanz der Papstreise nach Malta
Malta kann weder als Hauptschauplatz der Weltpolitik gelten, noch spielt es kirchlich eine übergeordnete Rolle. Und doch: Die Papstreise zum kleinen südeuropäischen Inselstaat hat einen sehr starken Eindruck hinterlassen – besonders auch wegen der Papstbegegnung mit Missbrauchsopfern, aber nicht nur. Hören Sie aus Malta das Fazit unseres Korrespondenten Stefan Kempis zur Papstreise:
Etwas mehr als 24 Stunden hat Benedikt XVI. an diesem Wochenende auf der Insel Malta verbracht – Besuch bei einer selbstbewussten Ortskirche, deren tiefer Glauben und Feierfreude bestechen. Stefan Kempis mit einer Bilanz der 14. Auslandsreise unseres Papstes.
Was hat der Papst getan auf Malta? Er hat mit den Maltesern gefeiert und sie im Glauben gestärkt. Hört sich an wie ein Gemeinplatz – ist aber keiner: „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe“, das ist der Auftrag Jesu an Petrus, wie wir gerade an diesem Sonntag im Johannesevangelium gelesen haben. Genau das hat Petrusnachfolger Benedikt auf Malta getan – und er konnte dabei auf einem bemerkenswerten Fundament an Glaubensstärke bei den Einwohnern aufbauen, wie es anderswo in Europa längst zerbröselt ist.
Oft sind bei Reisen dieses Papstes seine Predigten und Ansprachen bemerkenswert – aber diesmal scheint mir das (von seiner ersten auf dem Flughafen abgesehen) nicht so zu sein. Stattdessen war es eine Geste Benedikts, die berührte: sein Treffen mit Missbrauchsopfern. Er hat da den schwierigeren Teil erwählt: Statt eine flammende Rede gegen Missbrauch zu halten, hat er die Anklagen und erschütternden Berichte der Opfer aus-gehalten. Er soll sogar geweint haben vor Scham über die Verbrechen vieler Priester. Ohne diese Begegnung abseits der Teleobjektive wäre das Reiseprogramm Benedikts womöglich peinlich und triumphalistisch erschienen. Aber der Steuermann des Schiffleins Petri ist eben nicht nur im Katamaran an La Vallettas malerischen Mauern entlang gefahren – er hat auch im Stillen bei seinem Treffen mit Missbrauchsopfern Mut bewiesen.
Die eindrucksvollen Reden dieser Reise kamen diesmal nicht so sehr vom Papst – jedenfalls nach meinem Eindruck – als vielmehr von den Maltesern selbst: Beeindruckender Klartext. „Es ist ein Krieg im Gang zwischen Laizismus und Christentum“, sagt Präsident Abela. – „Wir können nicht einfach mit dem Kirchenmodell so weitermachen, wie wir es seit Jahrzehnten gewohnt waren“, sagt Erzbischof Cremona, und: „Wir müssen zurück zu einer Kirche, die demütig genug ist, ihr Versagen und ihre Sünden einzugestehen, aber stark genug, um auf den Heiligen Geist zu setzen.“ – „Die Kirche gibt denen, die an ihrem Rand stehen, das Gefühl, nicht dazuzugehören; wir wünschen uns mehr Verständnis, weniger strenge Urteile“, sagt ein Jugendlicher zum Papst. – „Wir leben wie zwischen zwei Wirklichkeiten eingequetscht“, sagt ihm ein junges Paar: „Wir können doch unsere Kinder nicht einfach zu Gottvertrauen erziehen, wenn die in eine Welt des Konkurrenzkampfs hineinwachsen!“ – „Man nimmt uns oft nicht ernst, man sieht uns als eine negative Kraft“, meint ein Priesteramtskandidat, und weiter: „Wir müssen doch zugeben, dass die Kirche durch Episoden gegangen ist, die man heute kaum noch erklären oder rechtfertigen kann… Und zitternd“ – das ist ein bemerkenswerter Satz aus dem Mund eines Seminaristen – „bitten wir Gott um Vergebung unserer Sünden, und dass er uns von Gefahren fernhält, denn wir wollen anderen keinen Schaden zufügen!“
Also, diesmal war es mindestens ebenso Malta, das zum Papst sprach, wie umgekehrt Benedikt, der zu den Maltesern sprach. Fazit: Man kann nach dieser Reise nicht mehr sagen, der Papst lebe in einem Elfenbeinturm und kriege die Probleme in Kirche und Welt nicht so richtig mit. Die Malteser haben Klartext geredet und dem Papst das gesagt, was viele Katholiken denken. Das Beeindruckende war: Sie haben das mit einer ungebrochenen Glaubensfreude verbunden. Eine bemerkenswerte, sehr souveräne Kombination.
Was hat der Papst getan auf Malta? Er hat die Menschen hier im Glauben gestärkt – aber vor allem hat er sehr genau hingehört. (rv)