Fünf Bischöfe stellen am Freitag im Vatikan ihre Überlegungen zur Zukunft der „Legionäre Christi" vor. Das bestätigte der Vatikan an diesem Mittwoch. Die Bischöfe waren vom Papst mit einer Apostolischen Visitation der Gemeinschaft beauftragt worden. Grund waren schwere Vorwürfe gegen den inzwischen verstorbenen Gründer der „Legionäre", den Mexikaner Macial Maciel Delgado; dieser soll ein Doppelleben geführt sowie Kinder und Seminaristen sexuell missbraucht haben. Nach den Beratungen vom Freitag will der Vatikan ein Statement veröffentlichen; mit einer schnellen Entscheidung über die Zukunft der Gemeinschaft ist aber nicht zu rechnen. Erst wird der Papst über die Berichte der fünf Bischöfe nachdenken. – Derweil ist ein Dokument der vatikanischen Glaubenskongregation von 2007 bekannt geworden. In dem Schreiben teilt die Behörde der Kongregation für Heiligsprechungen mit, dass Papst Johannes Paul II. offenbar nicht umfassend über die Vorwürfe gegen Macial Maciel informiert gewesen sei. Es habe jedoch einige an den Papst gerichtete Briefe mit Anschuldigungen gegen den mexikanischen Ordensgründer gegeben. Ob diese das Kirchenoberhaupt erreichten, geht aus dem Schreiben der Glaubenskongregation nicht hervor. (rv)
Tag: 28. April 2010
Kardinal Levada: „Höheren Maßstab an uns selbst anlegen“
Der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation verteidigt den Umgang der Kirche mit Missbrauchsfällen. In einem Interview mit dem US-Fernsehen meinte Kardinal William Joseph Levada, es würde ihn nicht überraschen, wenn noch mehr Bischöfe weltweit wegen dieses Themas um ihren Rücktritt bäten. Bei der Auswahl von Bischöfen gebe es jetzt angesichts der Krise zwar „keinen neuen Standard, aber der bisherige wird vielleicht noch rigoroser angewandt als in der Vergangenheit."
„Es ist eine große Krise: Niemand sollte versuchen, sie herunterzureden. Sie ist meiner Ansicht nach besonders schwer, weil Priester eigentlich gute Hirten sein sollten – und sie werden zum genauen Gegenteil, wenn sie Kinder missbrauchen und ihre Unschuld verletzen. Der Ausbruch dieser Krise hat die meisten von uns wohl überrascht; ein Bischof sagte mir: Das ist eigentlich nicht der Verein, dem ich beigetreten bin… Doch der Papst scheint mir der richtige Mann, um die Kirche in diesem Moment zu führen."
Der Amerikaner Levada kann sich noch gut an die Missbrauchsskandale in der US-Kirche zu Beginn des Jahrhunderts erinnern. Trotzdem ist die jetzige Krise für ihn kein déja-vu.
„Bei der derzeitigen medialen Spannung spielen zwei Elemente eine Rolle: Zum einen die Lage in Irland, wo der Bericht über das Erzbistum Dublin über Irland hinaus viel Entsetzen ausgelöst hat. Und zweitens will ich doch offen sagen: Es gibt zwar keine Verschwörung der Medien oder etwas in der Art, aber ich denke doch, dass die US-Medien sich zu sehr auf den Versuch eingelassen haben, den Papst irgendwie in die Sache hineinzuziehen, sogar in Gerichtsprozesse… Das ist zwar zum Scheitern verurteilt, aber es hat doch einen Teil der Medienberichterstattung bestimmt… Die Medien wollen natürlich eine gute Story – aber ich glaube, nach vernünftigen Maßstäben haben sie nicht unbedingt ein ausgeglichenes Bild gezeichnet, ein Bild mit Kontext."
Der Kardinal, der nur sehr selten Interviews gibt, nennt auch ein Beispiel, was für ihn zu einem „Bild mit Kontext" gehört:
„Ich habe in den Berichten nicht viel davon wiedergefunden, was die US-Kirche getan hat. Die Bischöfe haben 2002 – durchaus unter Druck der Medien, das ist richtig – sehr konkret gehandelt. Wenn Sie die Erziehungsprogramme für Eltern, für Kinder sehen, die ausgearbeitet wurden – auch für alle Kirchenmitarbeiter, für Priester und Lehrer –, das ist eine wirkliche Erfolgsstory! Das kann ein Modell sein für öffentliche Schulen oder Pfadfinder, auch wenn die in Sachen Missbrauch bei weitem nicht so unter Medienbeobachtung stehen wie die Kirche – das ist sicher ein Aspekt."
Dass die Medien die Kirche so genau beobachten, kann Levada aber irgendwie auch verstehen.
„Wir sollten einen höheren Maßstab an uns selbst anlegen. Ich glaube, die Gründe für die Missbrauchsfälle gehen zurück auf Änderungen in der Gesellschaft, auf die die Kirche und Priester nicht vorbereitet waren. Etwa: Wie kann man in Zeiten der sexuellen Revolution zölibatär leben? Das ist einer der Gründe, würde ich sagen."
Frage an Kardinal Levada: Hat die Kirche in der Vergangenheit Missbrauchsfälle vertuscht?
„Ich glaube, da darf man einen Aspekt nicht vergessen, der die Kirche betrifft, aber auch die ganze Gesellschaft: dass das nämlich ein Lernprozess war. Und dieser Prozess ist auch noch nicht zu Ende! Ich wurde 1993 zum Bischof ernannt; in dieser Zeit hatte ich noch nie auch nur von einem Fall gehört, in dem ein Priester ein Kind missbraucht hätte. Dabei fand das hinter verschlossenen Türen längst statt, wie wir heute wissen – keiner meldete das. Wir haben viel Zeit gebraucht, zu verstehen, wie man damit umzugehen hat. Und Zeit, zu verstehen, wieviel Schaden durch diese Taten den Opfern, den Kindern, angetan wird… Wenn man zum ersten Mal von so einem Fall hört, dann denkt man: Das ist ein Einzelfall, dann realisiert man nicht, dass da alle sechs Monate neue Fälle gemeldet werden. Das mussten wir erst lernen, und auch, wie man damit effektiver umgeht."
Zu den Angriffen auf Papst Benedikt für den Umgang mit Missbrauchsfällen hat sich Levada vor einem Monat schon ausführlich geäußert – schließlich war der jetzige Papst an der Spitze der Glaubenskongregation sein Vorgänger.
„Diese Kritik war im wesentlichen unfair; die Fälle lagen alle Jahrzehnte zurück, es ging nicht um aktuelle Fälle… ich glaube nicht, dass der Papst in diesen Fällen zu Recht kritisiert werden kann."
Italienische Medien spekulieren in den letzten Tagen über ein öffentliches Mea Culpa des Papstes – etwa zum Abschluss des Priesterjahres im Juni. Levada dazu:
„Ich bin kein guter Prophet – er ist der Papst, ich leite diese Behörde. Ich sage ihm, was ich mache, aber er sagt mir nicht, was er plant. Wir müssen abwarten, was er tun wird… aber ich wäre nicht überrascht." (rv)
Spanien: Migration als menschliche und nicht soziologische Herausfoderung
Bischöfe aus ganz Europa beraten ab heute über Migration und Mobilität in Europa. „Europa der Menschen in Bewegung. Ängste überwinden, Perspektiven aufzeigen" – mit diesem Motto ist das Treffen im spanischen Malaga überschrieben. Die Bischöfe und Fachleute wollen darüber beraten, was genau Menschen zur Migration bewegt und welche Konsequenzen sich aus diesen Migrationsströmen für die Kirche ergeben. Der Generalsekretär des Rates der europäischen Bischofskonferenzen Duarte da Cunha erklärte in einem Interview mit Radio Vatikan die die Perspektive, unter der das Problem diskutiert würde:
„Wir wollen über Menschen sprechen, über Migranten als Menschen, mit Würde und nicht nur von einem soziologischen Blickpunkt aus. Wie leben Migranten genau in ihren Gemeinschaften, Familien, in der Gesellschaft. Ist ihre Lebenssituation nach der Migration besser, das wollen wir uns angucken. Also, wir gucken uns den Menschen an, die menschliche Person."
Schätzungen nach gibt es weltweit rund 200 Millionen Migranten. Das Problem der Migration ist eine weltweite Herausforderung, meint da Cunha. Daher ist es auch ein Thema für alle Staaten in Europa und nicht nur ein Problem der Mittelmeer-Anrainer:
„Was wir vor allem während der Vorbereitung des Gipfels gesehen haben, ist, dass Migranten heute über ganz Europa verteilt sind. Es ist also sehr wichtig, dass wir diesen Punkt ernst nehmen. Wir müssen deshalb die Europäer von West nach Ost, von arm nach reich, aller unterschiedlichen Kulturen zusammenbringen und zum Dialog aufrufen. Das ist natürlich nichts, was sofort passiert, aber es ist eine Aufgabe der Kirche, diese Dialogkultur zu fördern."
Sehr aktiv zeigt sich die Kirche vorallem in der Sozialarbeit, wenn es darum geht, etwa Flüchtlingen zu helfen oder arme Zuwanderer mit dem Nötigsten zu versorgen. Doch Kirche dürfe nicht nur eine soziale Mission betreiben, mahnt da Cunha:
„Wie können wir mit so vielen Veränderungen, sei es im Glauben oder wie Menschen heutzutage leben, wie können wir da das Evangelium verkünden und den Menschen Jesus nahe bringen. Das wird auch ein Teil unseres Kongresses sein. Wie kann die frohe Botschaft verkündet werden in einer Migrantenkultur, in diesem Europa, das sich stetig wandelt."
Viele Menschen seien heute durch die Arbeit zu Flexibilität aufgerufen, zu Umzügen auch über die Grenzen der Heimatländer hinweg. Für sie gibt es bereits viele Anlaufstellen, meint der Generalsekretär des Rates der europäischen Bischofskonferenzen. Diese bestehenden Angebote werden auch von den Kongressteilnehmern bis Samstag diskutiert. Ein weiterer Aspekt wird aber auch das Angebot der Kirche für ausländische Studenten sein.
„Auch für die Studenten, da ist ja auch so viel in Bewegung, innerhalb der EU. Da gucken wir, wie die Universitäten und Schulen die ausländischen Studenten aufnehmen. Aber wir fragen uns auch, wie die Kirche die jungen Menschen aufnehmen kann. Wie kann Sie Ihnen helfen, eine Identität zu finden und ihren Glauben zu leben." (rv)