Mehr als 45 Millionen Großbritannien sind an diesem Donnerstag zu den Urnen gerufen, um ein neues Parlament zu wählen. Welches Ergebnis es um 21 Uhr bei Schließung der Wahllokale geben wird, ist derzeit noch schwer vorherzusagen ; erstmals seit 1974 scheint es möglich, dass keine Partei eine absolute Mehrheit bekommt und dass eine Koalition nötig wird. Religion spielt in Wahlkämpfen auf der Insel – anders als etwa in den USA – so gut wie keine Rolle. „Wir machen nicht Gott" – dieses Diktum des Politikers und „Spin-Doktors" Alastair Campbell gilt weiterhin im Geburtsland der anglikanischen Kirche. Allerdings hat der Senkrechtstarter Nick Clegg, Parteichef der Liberalen, in den letzten Wochen immer wieder betont, er setze sich für christliche Werte ein… obwohl er Atheist sei. Es sei seine katholische – übrigens aus Spanien stammende – Frau, die u.a. dafür sorge, dass seine Kinder katholisch erzogen würden. Und der frühere Premier Tony Blair hat nach seinem Rückzug aus der Downing Street viel Interesse geweckt, als er von der anglikanischen zur katholischen Kirche übertrat. „Aber immer, wenn ich Interviews zum Thema Religion gegeben habe", so meinte Blair einmal, „bekam ich hinterher Riesen-Schwierigkeiten." Labour-Ministerpräsident Gordon Brown ist Sohn eines protestantischen schottischen Geistlichen und versteht sich gut mit dem Papst, etwa wenn es um Dritte-Welt-Fragen geht; er hat im Wahlkampf manchmal von seinem inneren „moralischen Kompass" gesprochen. Aber ob ihm das helfen wird, im Amt zu bleiben? Browns konservativer Herausforderer David Cameron sagt, der Glaube habe ihm geholfen, als letztes Jahr sein sechsjähriger Sohn starb, doch ansonsten sei er „ein eher durchschnittlicher Anglikaner mit einem wechselhaften Glauben". Wer auch immer in diesen Stunden das Rennen macht, ob Brown, Cameron oder Clegg – er wird im Herbst den Papst auf britischem Boden begrüßen können. (rv)
Tag: 7. Mai 2010
D: Erschütterungen und Kritik der Menschen ernst nehmen
Der Anlass waren die Austrittszahlen des Bistums Rottenburg Stuttgart für Februar und März dieses Jahres: 3.500 Menschen wollen nicht mehr Christen sein, eine erheblich höhere Zahl als im letzten Jahr. Bischof Gebhard Fürst wollte das nicht einfach so stehen lassen, sondern wissen, woran das liegt, wo die einzelnen Motivationen liegen:
„Jetzt habe ich alle angeschrieben, mit persönlichem Namen und persönlicher Adresse, also keine anonyme Postwurfsendung oder so etwas, sondern ich habe alle angeschrieben und sie eingeladen, zu einem Gespräch mit dem Bischof – eines im Mai, ein Termin im Juni und im Juli, auch an verschiedenen Orten unserer Diözese – um einfach zu hören, was sie auf dem Herzen haben, was sie bewegt hat, der Kirche den Rücken zu kehren; um ihnen auch zu signalisieren, dass ich das sehr Ernst nehme. Es ist sicher auch über die Personen, die ich eingeladen habe, hinaus ein Zeichen, dass ich mit dieser Vertrauenskrise irgendwie umgehen möchte.“
Umgehen, das heißt für Bischof Fürst aber nicht das Setzen auf schnelle Lösungen, um möglichst viele Menschen von ihrem Entschluss abzubringen. Es geht um die Rückgewinnung des Vertrauens Schritt für Schritt. Deswegen ist sein Gesprächsangebot auch keine Webeveranstaltung, auch wenn er die in der Krise weniger sichtbaren guten Seiten der Kirche aufzeigen möchte. Aber:
„Das ist nicht der Hauptgrund, natürlich nicht. Ich möchte aber andererseits doch auch sagen, wenn es bezogen wäre auf den sexuellen Missbrauch, oder auf die Krise mit den Piusbrüdern und so weiter, dass dies nicht die einzigen Facetten der katholischen Kirche sind. Wir dürfen auch nicht alles Gute, das in der Kirche auch geschieht von Menschen, die Christus nachfolgen in Berufen, im Ehrenamt, in ihrer Gläubigkeit vor Ort, nicht alles auffressen lassen. Aber das ist nicht der Hauptteil dieser Gespräche, sondern das erste heißt zuhören, zuhören, zuhören und Ernst nehmen.“
Hier sieht Bischof Fürst auch eine der Hauptverantwortungen der Bischöfe, in der Krise zu handeln, gemeinsam mit dem Volk Gottes, aber trotzdem in einer besonderen Leitungsverantwortung:
„Wir haben eine Verantwortung, aus der wir uns nicht herausnehmen dürfen und da meine ich, dass wir als Bischöfe die Menschen in ihren Erschütterungen und in ihrer Kirchenkritik auch wirklich ernst nehmen und nicht gleich alles besser wissen.“ (rv)
Vatikan: Ernennungen hier, Ernennungen da
Papst Benedikt hat an diesem Donnerstag einige wichtige Personalentscheidungen getroffen. So machte er den Generalsekretär der „Scalabriniani"-Missionare, Pater Gabriele Ferdinando Bentoglio, zum Untersekretär des päpstlichen Migrantenrates. Der Migrantenrat setzt sich gemäß vatikanischen Statuten ein für Flüchtlinge, Asylsuchende, Migranten, Nomaden sowie für alle, die zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen wurden oder die eine solche gar nicht haben. Zudem fördert er die Seelsorge unter Seeleuten sowie auf Flughäfen.
Vor allem aber nahm der Papst zwei Rücktritte von Bischöfen aus Irland an; beide erfolgten aus Altersgründen. Für das Bistum Clogher ernannte Benedikt auch gleich einen neuen Bischof namens Liam MacDaid. In Irland sind in den letzten Monaten angesichts der schweren Missbrauchs-Skandale mehrere Oberhirten zurückgetreten. Auch Bischof Joseph Duffy von Clogher, der jetzt aus Altersgründen zurücktrat, war in letzter Zeit vorgeworfen worden, er habe einen kirchlichen Missbrauchsfall vertuscht. Der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, Kardinal William Joseph Levada, betonte kürzlich in einem Fernsehinterview, bisher seien alle Rücktritte von Bischöfen wegen Missbrauchsfällen „freiwillig" erfolgt. (rv)