Papstbesuch in Portugal: 1. Tag
Man hat ein vielleicht zu großes Vertrauen in die kirchlichen Strukturen und Programme gelegt, in die Verteilung der Macht und der Aufgaben. So der Papst in der Predigt am Dienstagabend in Lissabon. Der Papst traf am Dienstag zu einem viertägigen Pastoralbesuch in Portugal ein. Höhepunkt ist dabei in den nächsten Tagen ein Besuch im Marienwallfahrtsort Fatima. Das katholische Kirchenoberhaupt äußerte sich bei seiner ersten großen Messe in Portugal besorgt über einen Rückgang an Glaubenssubstanz. Benedikt XVI. rief zu einer christlichen Erneuerung auf. Man sorge sich oft mühevoll um die sozialen, kulturellen und politischen Auswirkungen des Glaubens und setze dabei als selbstverständlich voraus, dass dieser Glauben auch vorhanden sei.
„Das entspricht aber leider immer weniger der Wirklichkeit“, sagte das Kirchenoberhaupt am Dienstagabend, 11.Mai, bei dem Gottesdienst auf dem zentralen Platz Terreiro do Paco von Lissabon.Beim Eintreffen zur Messe wurde Benedikt XVI. mit lebhaftem Jubel und Sprechchören empfangen. Mitglieder der religiösen Bruderschaft vom Allerheiligsten Sakrament in ihren traditionellen roten Übergewändern warfen Blütenblätter auf das Papamobil.
In der Predigt erinnerte Benedikt XVI. daran, dass von Portugal aus in der Vergangenheit Missionare in alle Welt gelangten und den christlichen Glauben verbreiteten. Heute lege man vielleicht zu großes Vertrauen in die kirchlichen Strukturen und Programme, in die Verteilung der Macht und der Aufgaben. Die Priorität müsse dagegen darin bestehen, dass alle christlichen Frauen und Männer die Ideale des Evangeliums in Welt, Familie, Kultur, Wirtschaft und Politik lebten, unterstrich das Kirchenoberhaupt.
Es komme darauf an, die Botschaft vom Tod und der Auferstehung Christi entschlossen zu verkündigen und zu leben. Sie stelle sicher, dass „keine gegnerische Macht je die Kirche zerstören können wird“.
„Cristo-Rei“ – Orientierung für jeden Gläubigen
Nach dem Gottesdienst erinnerte Benedikt XVI. in einer eigenen Botschaft an die Fertigstellung des Christkönigsdenkmals – ein Wahrzeichen Portugals – vor 50 Jahren auf dem anderen Ufer des Tejo. Die 28 Meter hohe Statue auf ihrem 75 Meter hohen Sockel, die mit ihrem ausgebreiteten Armen an die Christus-Figur von Rio de Janeiro erinnert, war nach einem Gelübde in Dankbarkeit dafür errichtet worden, dass Portugal vom Weltkrieg verschont wurde.
Die Figur verweise auf das Kreuz, an dem „Jesus den Frieden für die Welt errungen und sich als König und Knecht offenbart hat, da er der wahre Erlöser der Menschheit ist“, sagte der Papst. Er äußerte die Hoffnung, dass das Heiligtum immer mehr zu einem Ort der Besinnung werde, an dem „jeder Gläubige prüfen kann, wie die Merkmale des Reiches Christi sein Leben aus der Taufe prägen, um das Reich der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens durch das gesellschaftliche Engagement zugunsten der Armen und der Unterdrückten aufzubauen“.
Besuch beim Präsidenten
Am frühen Nachmittag hatte Benedikt XVI. dem Präsidenten von Portugal einen Höflichkeitsbesuch in dessen Amtssitz im Belem-Palast abgestattet. Bei der rund 20-minütigen Unterrechung mit Anibal Cavacao Silva ging es dem Vernehmen nach um Gesetzesprojekte, die die rechtliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren in Portugal der klassische Ehe und Familie gleichstellen wollen.
Besuch beim Bürgermeister
Vor der Messe machte Benedikt XVI. im Papamobil einen Abstecher zum historischen Rathaus. Dort übergab ihm der Bürgermeister Antonio Costa die Schlüssel der Stadt. Bei der Gelegenheit grüsste der Papst mehrere Hundert Kranke. Für sie waren vor dem Rathaus eigene Plätze vor einem Grossbildschirm reserviert.Freiwillige Ordnungskräfte der Pfadfinder und anderer Organisationen hatten seit dem Morgen (7.30 Uhr) den Terreiro do Paco gesichert und Besucher eingewiesen. Angestellte des öffentlichen Dienstes hatten den Nachmittag arbeitsfrei. Auch viele private Geschäfte blieben aus Anlass des Papstbesuchs geschlossen. Für Donnerstag sollte der Sonderurlaub öffentlicher Angestellter landesweit ausgedehnt werden.
Zur ersten Messe des Papstes in Portugal hatten sich Pilgergruppen aus zahlreichen Bistümern eingefunden. Auch viele geistliche Bewegungen zeigten mit Transparenten ihre Anwesenheit an. Die Kommandozentrale für die Sicherheit des Papstbesuchs in Lissabon ist auf einer Fregatte im Hafen stationiert. Dort werden die Einsätze der Luftüberwachung und der übrigen Streitkräfte koordiniert. Den Bereich hinter der am Wasser gelegenen Altarbühne sichern Hafenpolizei, Kampftaucher und Schnellboote. Für die Dauer des Aufenthalts des Papstes in der Stadt gilt ein Überflugverbot für alle nichtkommerziellen Maschinen. (rv)
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