Seit fast 75 Jahren stehen der Vatikan und Kuba diplomatisch in Kontakt: Die ununterbrochenen diplomatischen Beziehungen werden auch in einem Monat offiziell gefeiert. Doch schon jetzt konnte Kardinal Jaime Ortega Alamino von Havanna einen wichtigen Schritt tun: Er traf sich, begleitet von einigen weiteren Bischöfen, mit Präsident Raul Castro. Dabei ging es vor allem um die Frage der politischen Gefangenen, auf deren Freilassung die Kirche drängt.
„Das kommunistische Regime auf Kuba hat die katholische Kirche erstmals seit einem halben Jahrhundert als Gesprächspartner anerkannt." Auf diese Formel bringt es der regierungsnahe Sender Radio Martì aus Havanna. Es sei in den vier Stunden Gespräch fast nur um die Frage der politischen Gefangenen gegangen; eigene Sorgen der Kirche um ihren Platz in der Gesellschaft hätten „keine Rolle gespielt".
„Das Treffen hat zunächst einmal den Wert, dass die Kirche als Vermittlerin anerkannt wird", sagt Kardinal Ortega auf einer Pressekonferenz. „Das bedeutet auch eine Anerkennung für die Rolle der Kirche, dass sie sich um eine Überwindung tiefer Gräben bemüht."
Dass die Gräben tief sind, ist keine Übertreibung. Der Dissident Guillermo Farinas ist im Hungerstreik – er will die Freilassung von fast dreißig kranken politischen Gefangenen erreichen. Orlando Zapata, ein solcher Häftling, ist Ende Februar im Gefängnis gestorben. Ortega hat Farinas gebeten, seinen Hungerstreik abzubrechen – ohne Erfolg. Der Oppositionelle dankte dem Kardinal für seinen Einsatz, äußerte sich aber schockiert, dass Ortega zwar für einen kranken Fidel Castro die Messe gefeiert habe, nicht aber für den in Haft gestorbenen Dissidenten Zapata.
„Die Kirche will eine Erleichterung der Lage der Gefangenen erreichen", sagt der Kardinal nach dem Gespräch mit Raul Castro: „Wir denken etwa an die Freilassung von einigen von ihnen, und darüber sprechen wir direkt."
1998 hatte der damalige Präsident Fidel Castro 300 Häftlinge amnestiert – kurz nachdem Papst Johannes Paul II. die Insel besucht hatte. In der zweiten Junihälfte wird nun der vatikanische „Außenminister", Erzbischof Dominique Mamberti, auf Kuba erwartet.
„Ich glaube, der Dialog, der am Mittwoch begonnen hat, ist nötig und überfällig. Es war ein sehr positiver Dialog – mein Eindruck ist, dass er einen Prozess eröffnet hat!"
Auch die Parteizeitung „Granma" spricht an diesem Donnerstag von einer „positiven Entwicklung in den Kirche-Staat-Beziehungen"; manche Kubaner, etwa im US-Exil, sind allerdings skeptisch, sprechen von einem „Manöver" des Regimes, das durchaus folgenlos bleiben könnte.
„Man muss jetzt abwarten und sehen, was in den nächsten Tagen oder auch Wochen passiert", sagt Radio Vatikans Lateinamerika-Experte Luis Badilla. „Wir dürfen nicht vergessen, ein Gefangener ist weiter im Hungerstreik und schwebt in Lebensgefahr. Auch wenn wir keine genauen Informationen haben, glaube ich, dass die Kirche in der Lage sein könnte, einen Weg zu finden, der aus dieser Situation herausführt. Es geht um die Freiheit für die politischen Häftlinge – es sind heute etwa 200 bis 240 Menschen."
Kardinal Ortega hatte im April das Regime deutlich wie selten zuvor kritisiert: Kuba sei in einer „sehr schwierigen Lage", und das Ausbleiben wirtschaftlicher Reformen und Freiheiten „führt zu Ungeduld und Unbehagen im Volk". Deutlich hatte der Erzbischof von Havanna die Aufnahme direkter Gespräche des Regimes mit den USA gewünscht. Kurz nach seiner Wortmeldung machte er es den so genannten „Damas de Blanco", den Familienangehörigen von politischen Gefangenen, möglich, nach der Sonntagsmesse als stille Demonstration durch die Hauptstadt zu marschieren.
„Das Problem von Kubas Gesellschaft ist vor allem, dass es keine Kommunikation gibt zwischen den einzelnen sozialen Bereichen – innerhalb der Gesellschaft, im Volk, mit den Behörden", so Badilla. „Das ist offensichtlich die Hauptsorge des Kardinals: Wie bekommt man sie alle miteinander ins Gespräch? So, dass jeder dem anderen sagt, was er denkt, wie er die Zukunft des Landes sieht. Ortega weiß: Man riskiert, erst dann zu Lösungen zu kommen, wenn sie eigentlich schon längst zu spät sind und nicht mehr greifen können."
Fernsehbilder zeigen Castro in Uniform, der in einem sehr einfachen Raum mit Kardinal Castro und dem Erzbischof von Santiago, Dionisio Garcia, an einem Holztisch sitzt. Neben ihm die Leiterin des staatlichen Religionsbüros. Castro blickt etwas besorgt, Ortega – in Schwarz – zeigt ein breites Lächeln. In einem knappen Monat landet der vatikanische Mann fürs Äußere in Havanna; dann werden wir wohl den nächsten Akt erleben. Hoffentlich ist es dann für den Dissidenten im Hungerstreik, Guillermo Farinas, nicht zu spät… (rv)
Tag: 22. Mai 2010
USA: Bischöfe verlassen Menschenrechtskonferenz
Die katholische Kirche in den USA zieht sich aus der Konferenz für Bürger- und Menschenrechte (LCCR) zurück. Das hat an diesem Freitag der Vatikan bekannt gegeben. Anlass für die Entscheidung sei die Unterstützung der neuen Richterin für den Supreme Court durch die Konferenz. Dies sei eine weitere Position der LCCR gewesen, die den Prinzipien der amerikanischen Bischöfe widerspreche. Elena Kagan, die sich für eine Legalisierung von Abtreibungen ausspricht, war von US-Präsident Barack Obama am 10. Mai 2010 als Nachfolgerin von Richter John Paul Stevens für den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten nominiert worden. „Angesichts der jüngsten Vorkommnisse ist es offensichtlich geworden, dass eine weitere Mitgliedschaft der US-Bischofskonferenz (USCCB) aufgrund der vergrößerten Agenda der LCCR nicht möglich ist“, erklärte der Bischof von Rockville Centre, William Murphy. Der LCCR habe als Verteidiger der traditionellen bürgerlichen Rechte Positionen entwickelt, die nicht mit den Prinzipien der US-amerikanischen Bischofskonferenz übereinstimmten. Der Bischof bedauerte die Entscheidung, versprach aber, dass sich die USCCB weiterhin für Menschenrechte, gegen Rassismus und für den Schutz des menschlichen Lebens und dessen Würde einsetzen werde. (rv)