Vatikan: Dialogkreis mit Atheisten und Ungläubigen eingerichtet

 

Es ist ein unerwarteter, aber sehr lebensnaher Vorstoß, von dem der Präsident des Päpstlichen Kulturrates, Erzbischof Gianfranco Ravasi, nun spricht: Katholische Christen sollen verstärkt mit Nichtglaubenden und Atheisten in Dialog treten, aber nicht irgendwie oder einfach so: Der Vatikan habe, im Dunstkreis des Kulturrats, bereits eine eigene Stiftung für das Gespräch mit den Atheisten und Nichtglaubenden ins Leben gerufen. Das berichtet der Erzbischof in der Mittwochausgabe der italienischen Tageszeitung „La Repubblica". Die Idee zur Einrichtung der Stiftung sei von Papst Benedikt selbst gekommen; ihr Name, „Vorhof der Heiden", knüpfe an die Tradition des antiken Tempels von Jerusalem an – auch dort habe es einen Ort der Begegnung gegeben zwischen gläubigen Juden, Andersgläubigen und Agnostikern, so Ravasi. Die Idee habe folglich schon eine erste Form angenommen, auch wenn organisatorische Details noch geklärt werden müssten. Eigene Statuten etwa besitze der Gesprächszirkel noch nicht. Ein erster Sitzungstermin ist allerdings schon fixiert: Am 24. und 25. März 2011 wird in Paris – der Symbolstadt der Laizität, wohlgemerkt – getagt, und zwar an der Sorbonne, der Unesco und der Französischen Akademie. Auf das Ergebnis darf man gespannt sein – betont der Erzbischof doch, dass auch über nicht-verhandelbare Positionen des Vatikans gesprochen werden könne, wie etwa zum Lebensschutz, zur strikten Ablehnung von Abtreibungen, zu Ehe und Homosexualität. Vorerst sollen sich die ganz unterschiedlich profilierten Dialogpartner allerdings zu ihren unterschiedlichen Standpunkten zum Glauben austauschen, so der Kulturratspräsident. Das allein dürfte schon genug Gesprächs-, wenn nicht Zündstoff, weit über die erste Sitzung des Gremiums hinaus liefern. (rv)

Missbrauchsbericht: Mindestens 205 Opfer

 

An diesem Donnerstagmittag hat die Missbrauchsbeauftragte Ursula Raue den mit großer Ungeduld erwarteten Abschlussbericht ihrer Untersuchungen vorgestellt. In München trat die im Februar vom Jesuitenorden eingesetzte Berliner Rechtsanwältin mit den Ergebnissen ihrer unabhängigen Untersuchung zum Missbrauch im Orden vor die Journalisten:
„Bis vorgestern haben sich bei mir 205 Leute gemeldet. Dabei kamen ganz unterschiedliche Vorwürfe zur Sprache. Von Aussagen wie „ich weiß, dass es anderen geschehen ist" bis hin zu „ich muss Ihnen jetzt einfach sagen, wie schlimm das für mich selber war", gibt es die ganze Bandbreite. Teilweise haben sich auch Geschwister von Opfern gemeldet, die sich selbst nicht gemeldet haben, und mitgeteilt, was sie wussten. Da war also alles drunter."
Verdächtigt werden 46 Patres, weltliche Lehrer und Erzieher des Ordens, gab die Missbrauchsbeauftragte an. Neben den Übergriffen an Jesuiten-Einrichtungen seien ihr fünfzig weitere, meist an katholischen Einrichtungen geschehene Übergriffe gemeldet worden, so Raue weiter. Als Orte des Missbrauchs nannte Raue neben dem Canisius-Kolleg in Berlin das Kolleg Sankt Blasien, das Aloisiuskolleg in Bad Godesberg, die Sankt-Ansgar-Schule in Hamburg, ein ehemaliges Kolleg im westfälischen Büren sowie Jugendeinrichtungen in Hannover und Göttingen. Wichtig sei nun vor allem, dass ihre Arbeit Konsequenzen hat, betonte Raue:
„Es müssen Supervisionen in die Schulen eingebaut werden, damit man sexuelle Übergriffe schneller als solche bemerkt. Es ist innerhalb des Ordens besser und offener mit Sexualität umzugehen. Es muss einfach eine gute und faire Kommunikation her. An der hat es, das hat meine Untersuchung an vielen Stellen ergeben, oft gehapert."
Bei vielen Opfern hätten die Übergriffe schlimme Auswirkungen auf ihren weiteren Lebensweg gehabt. „Diese Leute, die sich da gemeldet haben, sprechen fast durchgängig von gebrochenen Lebenswegen, von Angst und Depressionen, Problemen im sexuellen Bereich und zerstörten Ehen und Eheproblemen", so Raue wörtlich. Im Jesuitenorden seien viele Vorwürfe bekannt gewesen, ohne dass angemessen reagiert wurde. Die vergangenen Wochen hätten die Opfer erneut auf eine harte Geduldsprobe gestellt.
„Für die Opfer ist es so gewesen, dass sich die Zeit unendlich hingezogen hat. Das ist so: Wenn man etwas gesagt hat, was der Andere gehört haben soll, und dann kommt das nicht so schnell, dann zieht sich die Zeit ganz, ganz lange hin. Und dann wird man ungeduldig. Das habe ich durchaus verstanden."
Raue selbst war die Erleichterung darüber, dass sie nun die Untersuchungen und ihre heikle, aber überaus wichtige Aufgabe abgeschlossen hat, deutlich anzumerken.
„So schnell ist Zeit für mich selten vergangen. Es war wirklich viel zu tun: Ohne abendlichen Schluss und ohne Wochenenden. Meine Enkelkinder haben mich nur noch im Fernsehen gesehen." (rv)

Vatikan: Papst ermuntert zu positiver Sicht auf kirchliche Hierarchie

Papst Benedikt XVI. hat zu einer positiven Sicht auf die kirchliche Hierarchie aufgerufen und sich gegen eine voreingenommene Haltung gegenüber der Ausübung von Autorität gewandt. Es sei ein heute verbreitetes „Missverständnis", die Gliederung der Kirche in Gläubige, Priester und Bischöfe einseitig unter rechtlichen Gesichtspunkten als Unterordnung zu betrachten, hob der Papst an diesem Mittwochvormittag während der Generalaudienz hervor. Den Priestern kommen in der Kirche drei wesentliche Ämter oder Dienste zu: Lehren, Heiligen und Leiten, fügte Papst Benedikt XVI. an. Bei strahlender Sonne waren tausende Pilger und Besucher anwesend. Ihnen erklärte der Papst, welche Aufgaben Priester heutzutage hätten.

„Die ersten beiden habe ich bereits in zwei Katechesen der vergangenen Wochen behandelt, so dass ich heute von der priesterlichen Aufgabe des Leitens sprechen möchte. Jesus Christus ist dabei der Orientierungsmaßstab: Er ist das letzte Vorbild eines jeden Priesters, er ist der Gute Hirte, der Menschen in seine Nachfolge ruft und ihnen einen Teil seiner Herde anvertraut, damit sie für diese Anempfohlenen sorgen und sie mit der von Gott verliehenen Autorität leiten."

Wenn man heute das Wort „Autorität" höre, denke man leider auch an die Diktaturen des 20. Jahrhunderts, die in Ost und West von willkürlicher Macht und blindem oder erzwungenem Gehorsam geprägt waren, so der Papst weiter.

„Wenn hingegen die Priester im Namen Christi und der Kirche die Gläubigen leiten, so ist dies kein Herrschen, sondern ein Dienst, der die Freiheit und Würde der Menschen achtet und ihr wahres Heil sucht. Der Priester kann dieser Aufgabe nur gerecht werden, wenn er gelernt hat, sich in seinem eigenen Leben von Gott leiten zu lassen, wenn er als Hirte der Herde mit gutem Beispiel vorangeht, wenn er jeden Tag aus der innigen Beziehung zu Christus Kraft und Orientierung schöpft und wenn er fest davon überzeugt ist, dass es keinen schöneren und fruchtbareren Lebensinhalt gibt, als den Menschen das Evangelium zu verkünden, ihren Glauben zu stärken und sie zu Gott zu führen."

Ganz herzlich hieß der Papst die deutschsprachigen Pilger und Besucher willkommen.

„Besonders grüße ich heute die Priesterjubilare aus dem Erzbistum Paderborn in Begleitung von Weihbischof Matthias König sowie die Kirchenchöre aus dem Bistum Passau in Begleitung von Bischof Wilhelm Schraml. Euch alle bitte ich um euer Gebet für meinen Dienst als Nachfolger Petri sowie für alle Bischöfe und Priester, dass wir gute Hirten und Werkzeuge der Liebe Christi sind. Der Beistand des Heiligen Geistes begleite und führe euch auf all euren Wegen!" (rv)

Vatikan: „Interreligiöser Dialog ist ein Gebet“

Der interreligiöse Dialog wird oft falsch verstanden. So lautet das Fazit des französischen Kardinals Jean-Louis Tauran, Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog. Er sprach am Dienstagabend an der Päpstlichen Universität Gregoriana anlässlich der Konferenz „Identität und Religionen“. Dabei verwies er darauf, dass das Gespräch zwischen den Religionen von Vielen als eine Art „Psychologiespiel“ angesehen werde. Tauran hingegen erachtet diesen Dialog als einen Reichtum für die Menschheit.
„Der interreligiöse Dialog ist nach meiner persönlichen Erfahrung vielmehr als Gebet zu verstehen. Dieses Gespräch ist eine persönliche spirituelle Reise. Das merkt man vor allem dann, wenn man versucht, seinen Mitmenschen die eigene Spiritualität zu erklären. Da sieht man, wie schwer dies uns Christen mittlerweile fällt, unseren Glauben öffentlich zu bekunden. Wichtig ist dabei, dass man den eigenen Glauben gut kennt. Das ist die Basis eines jeden interreligiösen Dialogs.“
Die katholische Kirche kann vom interreligiösen Austausch viel weitergeben und gleichzeitig auch viel erhalten, fügt der Vatikanverantwortliche für den Dialog mit anderen Religionen an.
„Jede Religion hat eine Besonderheit. Der Islam zum Beispiel hat eine außergewöhnliche Beziehung zum Gebet. Man denke hierbei an ihre Treue zum täglichen Gebet. Wir Katholiken hingegen sind manchmal nicht in der Lage, in der Öffentlichkeit ein Kreuzzeichen zu machen.“
Die Konferenz an der Gregoriana wurde vom interdisziplinären Institut der Religionen und Kulturen organisiert. Leiter ist u.a. der deutsche Jesuitenpater Felix Körner. (rv)

Britische Geheim-Dossiers über Johannes Paul II. veröffentlicht

„Absender: Geoffrey A. Crossley, britischer Botschafter beim Heiligen Stuhl, Rom. An: David Goodall, Außen- und Commonwealth-Ministerium, London. 11. Oktober 1978. Betreff: Der nächste Papst. Geheimhaltungsstufe: Vertraulich. Aktenzeichen: FCO 33/3787. – Das neue Konklave beginnt am 14. Oktober. Meiner Meinung nach ist es denkbar, dass die Kardinäle diesmal einen jüngeren Kandidaten ins Auge fassen, der noch nicht 65 ist, ja noch nicht einmal sechzig… In Betracht kommen: (Kardinal) Wojtyla (aus Polen) – der allerdings nicht sehr bekannt ist. Und: die (Kardinäle) Willebrands (aus den Niederlanden) sowie Pironio (aus Argentinien).“
Wir schreiben das Jahr 1978 – das Jahr der drei Päpste, mitten im Kalten Krieg. Johannes Paul I. ist unvermittelt gestorben, in fünf Tagen wird sein Nachfolger auf der mittleren Loggia des Petersdomes stehen. Die Botschaft Ihrer Majestät beim Heiligen Stuhl hat ganze Arbeit geleistet: In ihren Analysen, wer denn der nächste Pontifex maximus sein könnte, taucht in einer Liste mit nur wenigen „papabili“ auch ein relativ unbekannter Kardinal aus Polen auf, Karol Wojtyla. An der Themse ist man vorbereitet, als am 16. Oktober 1978 Wojtyla aus dem Konklave als Papst hervorgeht, und stellt sich auf politische Umwälzungen ein.
Die Dokumente des britischen Außenministeriums, die diese Tage der Papstwahl behandeln, sind jetzt freigegeben worden – in den Archiven von Kew Gardens in London. (rv)