Nahost/Vatikan: Papstbesuch in Zypern kann Katholiken psychologisch stärken

 

Die Gläubigen sollen für seine Reise nach Zypern beten. Darum bat Papst Benedikt XVI. an diesem Mittwoch nach der Generalaudienz. Die Katholiken im Nahen Osten erhoffen sich von der bevorstehenden Papstreise einen neuen Aufschwung für ihre Kirchen. Das Arbeitspapier für die Sonderbischofssynode zum Nahen Osten, das der Papst in Nikosia vorstellen wird, werde die orientalischen Kirchen ermutigen, zukünftig noch mehr mit einer Stimme zu sprechen. Das sagte Pater Bernt Besch vom Lateinischen Patriarchat in Jerusalem dem Münchner Kirchenradio.
Zwar gebe es bereits eine katholische Bischofskonferenz für Israel. Dieses Gremium könnte aber noch viel mehr als bisher als eine Stimme hörbar sein. Eine verstärkte Einigkeit – das könnte die Frucht der Synode sein, die im Oktober in Rom stattfinden wird. Mit Blick auf den Dialog mit dem Staat Israel und dem Islam sei zudem wichtig, dass auch die griechisch-orthodoxe Kirche zukünftig zu einer stärkeren Zusammenarbeit bereit sei, so Besch.
Christliche Friedenbotschaft
Der Papst wird bei seiner Zypernreise die christliche Friedensbotschaft als Lösungsansatz anbieten. Das sagte Vatikansprecher Federico Lombardi bei der Vorstellung der Papstreise vor Journalisten. Bei diesem Besuch gehe es auch um Ökumene, so der Vatikansprecher weiter:
„Patriarch Chrysostomos wird auf Zypern sehr respektiert. Kritische Töne aus orthodoxen Kreisen betreffend kann ich sagen, dass wir zuversichtlich sind. Man muss diesen Stimmen keine große Bedeutung beimessen. Die gesamte orthodoxe Kirche Zyperns hat einstimmig diese Reise gutgeheißen. Des Weiteren schließe ich nicht aus, dass der Papst auf Zypern auch eine muslimische Delegation treffen wird."
Höhepunkt der Visite sei die Überreichung des so genannten „Instrumentum laboris" für die Nahost-Synode im Herbst. Papst Benedikt XVI. wird am kommenden Sonntag das Arbeitspapier der Sonderversammlung der Bischofssynode für den Nahen Osten im Sportpalast Elefteria von Nikosia vorstellen. Die Texte werden in vier Sprachen verfasst und zwar Englisch, Französisch, Italienisch und Arabisch. Dann werden Vertreter aller katholischen Kirchen aus allen Ländern der Region das „Instrumentum laboris" aus der Hand des Papstes in Empfang nehmen.
Problem der Abwanderung
Ob die Synode den Wunsch der Christen nach einem ganz normalen Leben im Heiligen Land erfüllen kann, ist nach Ansicht von Pater Besch fraglich. Dies hänge davon ab, ob sich die politische Lage insgesamt normalisiere. Als dringendstes Problem, dass die Synode angehen müsse, nannte Besch die Abwanderung der Christen aus dem Nahen Osten. Um das zu verhindern, bräuchte man von der Weltkirche noch mehr Unterstützung beim Bau von Wohnungen für junge Familien und bei der Arbeitsbeschaffung. Durch die Synode könnten diese Maßnahmen weiter verstärkt und koordiniert werden. Für die Christen vor Ort müsse spürbar werden, dass die Synode etwas erbracht hat, forderte Besch.
Aufgrund der Brückenfunktion zum Nahen Osten wie auch zur östlichen Christenheit hat der Vatikan Zypern für den Synoden-Countdown ausgewählt. Die Synode will die Anliegen von katholischen Chaldäern, Syrern, Kopten oder Armeniern zu Aufgaben der Weltkirche machen. (rv)

Pax Christi: „Papstreise ist Friedenszeichen für Nahost“

Betroffen und schockiert haben Kirchenvertreter, Politiker und Hilfsorganisationen aus der ganzen Welt auf die israelische Attacke auf die Solidaritätsflotte vor der Küste Gazas reagiert. Bei der blutigen Auseinandersetzung auf hoher See zwischen israelischen Militärs und Teilen der Besatzung des Hilfskonvois wurden mutmaßlich über 10 Menschen getötet und bis zu 50 teilweise schwer verletzt. Die Ankunft der sechs Schiffe, beladen mit humanitären Gütern für die Menschen im abgeriegelten Gazastreifen, sei schon lange geplant gewesen. Darauf verweist der Vize-Präsident von Pax Christi Deutschland, Johannes Schnettler, im Gespräch mit Radio Vatikan.
„Insofern muss eine erfahrene Armee in der Lage sein, eine solche Flotte entsprechend einzuschätzen und deeskalierend zu agieren. Es stellt sich zum Beispiel die Frage, warum denn in der neutralen Zone schon angegriffen worden ist und die Schiffe nicht auf andere Weise gestoppt worden sind.“
Auf der Solidaritätsflotte befanden sich Vertreter ziviler Organisationen aus fast 40 Nationen; treibende Kraft der Aktion sei die US-amerikanische Organisation Freies Gaza. Die Menschenrechtsaktivisten hätten das israelische Militär provoziert und attackiert, hieß es zuletzt von israelischer Seite. Diesen Vorwurf gelte es jetzt sorgfältig zu prüfen, so Schnettler:
„Wenn es zu solchen Provokationen gekommen ist, müssen wir uns natürlich selbstkritisch auch fragen, ist das mit den Zielen einer gewaltfreien Aktion konsequent eingehalten. Andererseits ist natürlich auch vor dem Hintergrund des Einsatzes die Verhältnismäßigkeit des israelischen Einsatzes zu kritisieren.“
Mit der Solidaritätsflotte sollte nicht nur konkrete humanitäre Hilfe geleistet, sondern auch ein politisches Signal gegen die Blockade der Palästinensergebiete gesetzt werden. Dabei sei jedoch, unterstreicht der Vizedirektor von Pax Christi, im Vorfeld mehrfach die gewaltfreie Absicht der Aktion dargestellt worden. Der Vorfall dürfe jetzt nicht zu weiterer Gewalt in der Region führen, warnt Schnettler:
„Wir hoffen natürlich, dass diese Empörung jetzt nicht in exzessive Gewalt umschlägt, also die Empörung, die sich jetzt in Israels Nachbarländern breit macht. Wir müssen weiterhin an dem Ziel des Friedens im Nahen Osten bedingungslos festhalten. Es bedarf einer bedingungslosen Aufklärung des Vorfalls und dann muss man wirklich fragen nach der Verhältnismäßigkeit der Reaktion Israels.“
Nach dem Blutvergießen war international Kritik an Israel laut geworden. Darin sieht Schnettler auch eine Chance – der Vorfall sei ohne Zweifel eine „menschliche und politische Katastrophe“, so Schnettler wörtlich, aber vielleicht könne er auch einen Wechsel in Israels Gaza-Politik einleiten:
„Vielleicht haben wir hier einen Einstieg in die Lösung des Problems gefunden. Es muss jetzt gelingen, dass wir Israel nicht an den Pranger stellen als Buhmann, mit dem die Staatengemeinschaft nicht mehr zusammenarbeiten will, sondern die Öffentlichkeit, so wie sie jetzt reagiert, macht ja deutlich: Israel, denke über die Verhältnismäßigkeit deiner Mittel nach! Es geht den Aktivisten und uns als Pax Christi auch um die Sicherheit Israels in der Region, diese Sicherheit ist dem Land von der internationalen Staatengemeinschaft zugestanden, aber das bedingt natürlich auch, dass es Sicherheit und Freiheit geben muss für die Palästinenser in unmittelbarer Nachbarschaft zu Israel.“
Auch die Papstreise nach Zypern könne hier ein Zeichen der Hoffnung sein, und eine deutliche Botschaft an beide Konfliktparteien in der Region:
„Der Papst ist das moralische Gewissen der Weltgemeinschaft und er kann sowohl Israel als auch Palästina eine deutliche Botschaft schicken, dass es zum Frieden keine Alternative gibt. Das heißt Israel muss den Umgang mit den israelischen Gebieten neu überdenken und die palästinensische Bevölkerung muss sich darüber klar werden, dass sie in einem friedlichen Miteinander mit Israel wird leben müssen und jedwede Drohung auf den Staat Israel unterlassen muss. Wenn der Papst die Kraft hat diese Botschaft in beide Richtungen zu sprechen, dann ist Zypern dafür ein guter symbolischer Ort, weil von dort aus ja auch die Flotte gestartet ist, die die humanitäre Aktion zum Ziel bringen wollte.“ (rv)

Bartholomaios in Moskau: Die Orthodoxen rücken zusammen

Ein Quantensprung für die orthodoxen Kirchen: Konstantinopel und Moskau, also sozusagen das zweite und das dritte Rom, gehen aufeinander zu. Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel war in den letzten Tagen in Moskau. Das könnte der Anfang von umwälzenden Entwicklungen in den orthodoxen Kirchen sein. Eine Einschätzung von Thomas Bremer, Ökumene-Experte aus Münster im Gespräch mit Stefan Kempis.
„Die Beziehungen zwischen dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel und der russischen orthodoxen Kirche sind in den letzten Jahren einigermaßen belastet gewesen; das hängt zusammen mit strittigen Fragen um die Zuerkennung von Autokephalie, also von Selbständigkeit. Die kirchliche Situation in der Ukraine ist davon besonders betroffen und auch einige andere Fragen… Insofern ist es nach einem Treffen des Ökumenischen Patriarchen mit dem verstorbenen Patriarchen Alexei und einem ersten Besuch des neuen russischen Patriarchen Kyrill in Konstantinopel jetzt ein Zeichen für eine langsame Verbesserung der Beziehungen, dass Patriarch Bartholomaios Moskau und Russland besucht. Und es ist auch interessant, dass er relativ lange bleibt: Es ist ein Besuch von einer Woche gewesen."
Was steckt denn hinter dieser Verbesserung? Warum kommt die jetzt?
„Das ist natürlich von außen schwer zu sagen – aber es hängt wie oft in solchen Fällen sicher auch mit den konkreten Personen zusammen. Und vielleicht auch mit der Einsicht, dass die Kirche, die kanonisch an erster Stelle steht (nämlich die von Konstantinopel), und die Kirche, die mit Abstand die größte orthodoxe Kirche ist (nämlich die russische orthodoxe Kirche) nicht auf die Dauer in einem Spannungszustand sein können. Beide Seiten verstehen, dass sie die Beziehungen verbessern müssen."
Bedeutet denn das engere Zusammenrücken von Moskau und Konstantinopel jetzt auch etwas Gutes für den Dialog der orthodoxen mit der katholischen Kirche?
„Das würde ich nicht so direkt in Zusammenhang bringen. Die Orthodoxie bemüht sich trotz der Spannungen, die es in Ravenna gegeben hat, im Prinzip darum, immer gegenüber der katholischen Kirche (wie auch gegenüber anderen Kirchen) als die Orthodoxie und als die orthodoxe Kirche – also im Singular – aufzutreten. Die Spannungen, von denen ich gerade gesprochen habe und von denen man weiß, dass es sie gibt, sind innerorthodoxe Spannungen. Die katholische Kirche war bisher immer gut beraten (das hat sie ja zum Glück so gemacht), nicht zu versuchen, diese Spannungen irgendwie für eigene Zwecke auszunutzen. Kardinal Kasper hat zum Beispiel sehr deutlich erklärt, dass das Problem, das damals in Ravenna zwischen der russischen Delegation und der Delegation aus Konstantinopel aufgetreten ist, ein Problem sei, das die Orthodoxie in sich lösen muss – und nicht etwas, wozu die katholische Kirche etwas beitragen kann."
Letzte Frage: Ist jetzt der Weg frei für ein erstes orthodoxes Großkonzil (oder eine Großsynode) seit etwa tausend Jahren?
„Das so genannte Pan-orthodoxe Konzil wird seit ca. fünfzig Jahren vorbereitet. Nach einer langen Phase der Stagnation hat dieser Prozess in den letzten Jahren einen gewissen Fortschritt gemacht, und es ist sicher so: Wenn der Besuch erfolgreich verläuft und wenn man diese Dinge besprochen hat, dann ist das ein weiterer Schritt auf dem Weg zu dieser Pan-orthodoxen Synode, diesem Pan-orthodoxen Konzil." (rv)

Vatikan: Heiligsprechungen im Oktober

Papst Benedikt XVI. wird am 17. Oktober sechs herausragende Christen heilig sprechen; drei von ihnen sind Italiener. Das wurde an diesem Dienstag im Vatikan bekannt. Die Heiligen-Kongregation bestätigte auch, dass der Papst selbst am 19. September während seines Besuches in Großbritannien Kardinal John Henry Newman selig sprechen wird. Benedikt durchbricht damit die von ihm selbst aufgestellte Regel, selbst nur noch Heiligsprechungen vorzunehmen, sich bei Seligsprechungen hingegen von einem Kardinal vertreten zu lassen. Insgesamt hat der Vatikan, wie am Dienstag deutlich wurde, in diesem Jahr 16 Seligsprechungen auf seiner Liste – in der Regel werden sie vom Präfekten der Heiligenkongregation, Erzbischof Angelo Amato, in den jeweiligen Herkunftsländern der Seligen durchgeführt. Nur ausnahmsweise kommt ein neuer Seliger oder Heiliger nicht aus Italien oder Spanien. Herausragende Namen aus dem deutschen Sprachraum stehen nicht auf der Liste – und auch noch nicht der vor fünf Jahren verstorbene Papst Johannes Paul II. . Der wohl bekannteste neue Selige ist der polnische Priester Jerzy Popieluszko, der 1984 von der kommunistischen Geheimpolizei ermordet worden ist. Er wird am 6. Juni in Warschau in das Buch der Seligen eingetragen. Vier der 16 neuen Seligen des Jahres 2010 sind Laien. (rv)

D: Ein Präsident ohne Rolle

Völlig unerwartet ist heute Bundespräsident Horst Köhler von seinem Amt zurückgetreten. In einem Interview am 22. Mai anlässlich eines Truppenbesuches in Afghanistan hatte Köhler gesagt, dass es auch wirtschaftliche Interessen für solch einen Militäreinsatz gebe. Er sprach von freien Handelswegen und Außenhandelsinteressen. In seiner Rücktrittserklärung betonte er nun, dass daraus in der Berichterstattung die Unterstellung geworden sei, er unterstütze einen grundgesetzwidrigen Einsatz aus wirtschaftlichen Interessen. Dies zeige einen mangelnden Respekt vor dem Amt des Präsidenten.
Martina Fietz war lange beim Magazin Cicero parlamentarische Korrespondentin und arbeitet jetzt bei Focus-online. Wir haben Sie gefragt, ob Präsident Köhler Recht hatte. Wurde er völlig fehl interpretiert?
„Das Interview war sicherlich missverständlich und man hätte das mit der Erklärung, die er anschließend dazu abgegeben hat sicherlich bewenden lassen können. Aber es gehört nun einmal zum politischen Geschäft, dass diejenigen, die sich da als Opposition begreifen, natürlich so etwas begierig aufgreifen und dann auch kritisieren. Ich glaube aber, dass man als Staatsoberhaupt darüber hätte stehen können, wenn man sich seiner Sache grundsätzlich sicher gewesen wäre. Und ich glaube, da liegt das eigentliche Problem.“
Liegt Ihrer Einschätzung nach der Grund für den Rücktritt wirklich in dem Konflikt über seine Äußerungen zum Afghanistaneinsatz?
„Ich glaube, der Grund für den Rücktritt liegt in der geäußerten aber nicht so harsch geäußerten Kritik daran, dass der Präsident im Grunde genommen kein Thema für seine Amtszeit gefunden hat. Er ist angetreten mit der Ankündigung, er wolle ein unbequemer Präsident sein, und als es dann die große Koalition gab, ist Köhler mehr oder minder im Hintergrund verschwunden, und auch in der Finanzkrise, ist er nicht als derjenige aufgetreten, der der Bevölkerung Mutgemacht hätte oder sich als jemand dargestellt hätte, der darüber wacht, dass alles im Sinne des Volkes und ganz vernünftig läuft. Er hat einfach nicht zu seiner Rolle gefunden. Für meine Begriffe ist dieses Afghanistan-Interview jetzt eigentlich nur der Topfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.“
Ist sein Rücktritt ein Zeichen von politischer Kultur oder reagiert Köhler überempfindlich?
„Wenn es jetzt wirklich dabei bleibt, dass das der Grund für den Rücktritt ist, so wie sich die Lage jetzt im Moment darstellt, dann hätte ich es eigentlich besser gefunden und erwartet, dass das Staatsoberhaupt sich hinstellt und endlich einmal die Führungsrolle übernimmt und versucht, etwas mutiger voran zu gehen und nicht jetzt die Flinte ins Korn zu werfen.“ (rv)

Vatikan/Nahost: „Widersinniger Verlust von Menschenleben“

Von einem „widersinnigen Verlust von Menschenleben“ spricht der Vatikan im Zuge der jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten. Die Attacke habe im Heiligen Stuhl „schmerzhaftes Bedauern“ ausgelöst, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi am Mittag gegenüber Journalisten. Ein israelisches Elitekommando hatte am frühen Montagmorgen Schiffe einer „Solidaritätsflotte“ für den Gaza-Streifen attackiert. Bei der Militäraktion wurden ersten Berichten zu folge bis zu 16 Menschen getötet und bis zu 50 Menschen teilweise schwer verletzt. Nach dem Gaza-Krieg im Jahr 2009 hat Israel keine einzige Hilfsflotte mehr durch die Blockade gelassen. Das berichtet unsere Jerusalemkorrespondentin Gabi Fröhlich. Neben der angegriffenen Flotte seien zwar weitere Hilfsschiffe unterwegs, die attackierte Flotte sei aber die größte gewesen:
„Diese 700 Aktivisten waren wohl auch sehr entschieden, ihre Hilfsgüter durch die Blockade hindurch nach Gaza zu bringen – die Israelis wiederum waren sehr entschlossen, sie daran zu hindern. Und offenbar ist die Situation nach dem, was man bis zu diesem Zeitpunkt hört und auf Bildern sieht, schlicht und einfach eskaliert. Es hat wohl, auch das sagen die Bilder, ebenso Angriffe seitens der Aktivisten auf die eindringenden Soldaten gegeben. Und die Soldaten hatten möglicherweise die Order, darauf hart zu reagieren. De facto kam es zu diesem sehr bedauerlichen und schlimmen Blutvergießen.“
Der israelische Industrie- und Handelsminister Benjamin Ben-Eliezer bedauerte unterdessen gegenüber örtlichen Medien den blutigen Ausgang der Aktion. Die Soldaten hätten auf eine „enorme Provokation“ reagiert. Dem widersprach „Freies Gaza“-Sprecherin Audrey Bomse: Die Besatzung der unter türkischer Flagge fahrenden „Mavi Marmara“ habe der Übernahme durch das israelische Militär ausschließlich gewaltfreien, „passiven“ Widerstand entgegengesetzt, unterstrich sie in einer ersten Stellungnahme. Auf Seiten der Kirche herrsche große Bestürzung über die jüngste Eskalation, so Fröhlich im Gespräch mit uns:
„Weihbischof Shomali, der Kanzler des lateinischen Patriarchats von Jerusalem, hat gesagt, er sei sehr traurig und die Armee hätte unter allen Umständen versuchen müssen, das Blutvergießen zu verhindern. Zu konkreten Einzelheiten äußern sich die Kirchenführer nicht. Denn alles ist ja noch ein bisschen unklar. Vage ist, was genau passiert ist. Aber allgemein ist man der Ansicht, dass so etwas nicht hätte passieren dürfen.“
Altpatriarch Michel Sabbah äußerte die Meinung, dass bereits die Erstürmung der Flotte, die mit humanitären Gütern nach Gaza unterwegs war, ein Vergehen sei. Die Kirche, meint unsere Korrespondentin, sehe die Blockade als grundsätzliches Problem. Und daran hätten auch die Aktivisten erinnern wollen.
„Sabbah unterstreicht, man könne nicht 1,5 Millionen Menschen mit einer Kollektivstrafe belegen, weil man in einem Konflikt mit ihrer Regierung liegt. Und die Abriegelung, so sagt das der einstige Patriarch, beraubt die Menschen im Gaza-Streifen so grundlegender Rechte wie Freiheit, Möglichkeiten der Selbstversorgung, usw. Also geht es nicht so sehr darum, dass Menschen im Gaza-Streifen Hunger leiden und dass man ihnen überlebensnotwendige Hilfsgüter bringen müsste. Sondern es geht um eine Krise der Menschenwürde, um grassierende Arbeitslosigkeit. Darum, eingesperrt und einer fremden Willkür ausgeliefert zu sein. Also um ein Leben wie im Gefängnis, ohne persönliche Schuld, für die meisten der Menschen im Gaza-Streifen.“
Das prangerten die einheimischen Kirchenvertreter schon lange an, so Fröhlich, und auch der Solidaritätsflotte sei es darum gegangen, den Blick der Öffentlichkeit auf den Gaza-Streifen zu lenken – der nicht nur unter einheimischen palästinensischen Christen als großes Unrecht empfunden wird. Taten, die den Lippenbekenntnissen der internationalen Politik folgten, seien überfällig:
„Es ist immer wieder so, dass schlechte Neuigkeiten den Blick der Weltöffentlichkeit auf diese Region lenken. Und die Hoffnungen, dass sich die westliche Welt und das Ausland den Nahen Osten mehr zu Herzen nehmen als bisher, bestehen. Es bleibt also die Hoffnung, dass aus so negativen Nachrichten wie der heutigen doch noch etwas Positives entstehen kann.“ (rv)