„In Richtung einer neuen Etappe des ökumenischen Dialogs": Zu diesem Thema tagt der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen vom 15. bis 19. November, wie der Vatikan an diesem Dienstag bekannt gab. Der vor 50 Jahren von Johannes XXIII. gegründete Rat wird in seiner Vollversammlung über die orientalischen Kirchen, die Ukraine, die Ökumene in Afrika sowie über das ökumenische Engagement im Mittleren Osten und die Beziehungen zum Judentum sprechen. Der Präsident des Rates, Erzbischof Kurt Koch, hat zu einer öffentlichen Zeremonie zur Feier des 50-jährigen Bestehens am 17. November auch den anglikanischen Erzbischof Rowan Williams und den Metropolit von Pergamon, Jean Zizioulas eingeladen. Auch der ehemalige Präsident des Rates, Kardinal Walter Kasper, wird bei der Feier dabei sein. (rv)
Monat: November 2010
Lombardi: Konsistorium wird ein Tag der Kollegialität
Wenn am 20. November Papst Benedikt XVI. neue Kardinäle kreiert, hat er den ersten Teil des Konsistoriums bereits hinter sich. Als Vorgesetzter des Kardinalskollegiums hat er bereits zum Freitag davor alle Kardinäle eingeladen, an einem ordentlichen, d.h. nicht öffentlichen, Konsistorium teilzunehmen. Das bestätigte Papstsprecher Pater Federico Lombardi gegenüber Radio Vatikan:
„Es ist ein Treffen der Reflexion und des Gebetes zu aktuellen Themen und Themen von allgemeinem Interesse. An diesem Tag, wie es ihn auch schon beim Konsistorium 2007 gegeben hat, wird der Papst teilnehmen, sehr aufmerksam zuhören, sowohl den vorbereiteten Beiträgen als auch dem, was die anwesenden Kardinäle zu sagen haben oder als Erklärung erfragen. Wir können annehmen, dass etwa 150 Kardinäle teilnehmen werden, um eine ungefähre Zahl zu nennen."
Neu an dem Treffen ist, dass es auch ein gemeinsames Mittagessen geben wird, bei dem informell und kollegial gesprochen werden könne. Der Papst lege viel Wert auf Kollegialität, so Lombardi, und das Konsistorium solle Ausdruck dieser Wertschätzung sein.
Es werde – wie auch schon verschiedentlich vermeldet – um die Missbrauchsfälle gehen, aber auch um Liturgie. Daneben werden zwei Dokumente besprochen werden, die für viel Wirbel gesorgt hatten: Dominus Iesus und das Dokument, dass Anglikanern den Übertritt in die katholische Kirche ermöglicht.
„Es geht um Kommunikation, Information, um Klärungen und um Reflexion einiger Fragen, aber sicherlich wird das Treffen keine besonders weiterentwickelte Vertiefung sein können. Am Ende des Tages wird der Pressesaal des Heiligen Stuhles eine zusammenfassende Stellungnahme abgeben, aber es wird sicherlich kein Dokument sein, das die ganze Diskussion aufgreift." (rv)
Italien: Bischofskonferenz sieht Qualitätsverlust in der Politik
Die italienische Politik läuft Gefahr, einen „Qualitätsverlust" zu erleiden und das Vertrauen der Bevölkerung zu verlieren – das sagte der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco, am Montagabend bei der 62. Vollversammlung der italienischen Bischöfe in Assisi. Bagnasco rief außerdem die katholischen Laien zu mehr politischem Engagement auf. Katholiken sollten ihre Wertvorstellungen in der politischen Praxis verwirklichen, sagte der Kardinal. Er sprach sich außerdem für die Einheit Italiens aus: Das Land müsse sich als ganzes in Europa verankern. In einer Grußbotschaft an die Bischöfe sprach Papst Benedikt XVI. über Franziskus, den Heiligen des Tagungsortes Assisi, sowie über das Thema Bildung, das die Bischöfe als Priorität für das nächste Jahrzehnt gewählt haben. (rv)
Großbritannien: Anglikanische Bischöfe wollen übertreten
Fünf Bischöfe der anglikanischen Kirche wollen tatsächlich zur katholischen Kirche übertreten. Das bestätigte jetzt die katholische Bischofskonferenz von England und Wales. Genau ein Jahr nach einer entsprechenden Entscheidung des Papstes setzen die Bischöfe Andrew Burnham, Keith Newton, John Broadhurst, Edwin Barnes und David Silk darauf, dass die katholische Kirche eigene Strukturen für frühere Anglikaner einrichten will. Diese erlauben es ihnen, auch innerhalb der katholischen Kirche bisherige Traditionen zu behalten. Die katholischen Bischöfe wollen nächste Woche über die Schaffung eigener Strukturen für übergetretene Anglikaner beraten; auch Vatikansprecher Federico Lombardi bestätigte von Rom aus entsprechende Überlegungen. Drei der fünf übertrittswilligen Bischöfe leiten anglikanische Bistümer; zwei von ihnen, nämlich Burnham und Newton, sind so genannte „fliegende Bischöfe", die sich um Pfarreien kümmern, welche keine Priesterinnen anerkennen. Zwei weitere der übertrittswilligen Bischöfe sind bereits emeritiert. (rv)
Vatikan: Kolloquium in Teheran
Spitzenvertreter des Vatikans und des schiitischen Islam treffen sich ab Dienstag in der iranischen Hauptstadt Teheran. Das dreitägige interreligiöse Kolloquium will sich mit dem Thema „Religion und Gesellschaft" aus islamischer wie aus christlicher Sicht beschäftigen. Veranstalter sind der Päpstliche Dialograt unter Kardinal Jean-Louis Tauran und ein Teheraner „Zentrum für interreligiösen Dialog", der von der „Islamischen Kultur- und Beziehungs-Organisation" abhängt. Es ist die siebte Konferenz ihrer Art. Außer Kardinal Tauran reist aus Rom der Sekretär des Dialogrates, Bischof Pier Ligi Celata, an. Die iranischen Katholiken werden durch den chaldäischen Teheraner Erzbischof Ramzi Garmou sowie durch den lateinischen Generalvikar von Isfahan, Francesco Pirisi, vertreten. Die Teilnehmer der Konferenz planen einen Besuch der Stadt Qom, dem Zentrum schiitischer Gelehrsamkeit. (rv)
P. Lombardi – ein Resümee der Papstreise
In dem einst so katholischen Spanien weht der Kirche der Wind zum Teil heftig ins Gesicht. Benedikt XVI. ist sich auf dieser Reise gleichwohl wieder treu geblieben und hat das getan, was er immer tut: Zeugnis geben und den Glauben stärken. Ein Resümee von P. Federico Lombardi SJ, Leiter des vatikanischen Pressesaals und Direktor von Radio Vatikan.
„Ich glaube, es war eine kurze, aber sehr dichte Reise. Der Papst hat wichtige Botschaften vermittelt. Zuallererst die Priorität ‚Gott’! Gott ist wirklich die erste Priorität dieses Pontifikats. Der Pilger, der nach Santiago wallfahrtet, will Gott begegnen. Europa darf Gott nicht vergessen. Benedikt XVI. hat den Appell Johannes Pauls II. aufgegriffen: 'Europa, du darfst deine christlichen Wurzeln nicht vergessen, du darfst Gott nicht vergessen!'
In Barcelona hat er dann die wirklich außerordentliche Feier zur Weihe der Kirche 'Sagrada Familia' geleitet, die die große Tradition der mittelalterlichen Kathedralen aufgreift, in denen wirklich Wahrheit und Schönheit zusammenkommen, wo die Kunst dem Glauben hilft sich auszudrücken. Wo die Kunst der glaubenden Gemeinschaft hilft, ihre Beziehung zu Gott auszudrücken und die Eucharistie zu feiern. Ich denke, es war für den Papst, der ein großer Theologe und auch ein großer Liturgiker ist, eine große Freude, dieser Feier vorzustehen. Auch die Anwesenheit des Königspaars Spaniens hat der Feier einen besonderen Glanz verliehen, und die ganze christliche Tradition und Kultur Spaniens ist lebendig geworden.
Der Papst hat auch viel von der Familie gesprochen. Die Familie war im Zentrum der Predigt, weil die Kirche der „Sagrada Familia" geweiht ist; aber auch weil die Familie ein Zentrum der Botschaft Papst Benedikts XVI. darstellt. Denn sie ist nach Meinung des Papstes von entscheidender Bedeutung für eine gesunde Gesellschaft, für die Annahme des Lebens und das Wachstum der Person.
Am Ende haben wir auch den Besuch des Sozialzentrums erlebt. Hier sehen wir die Botschaft der Liebe, der Caritas. Es gibt kein christliches Leben ohne praktizierte Liebe. Das hat eine herausragende Bedeutung bei jeder Papstreise, und das sollte auch bei diesem Mal so sein.
In diesem Sinne waren es zwar nur zwei Tage. Aber es sind gleichwohl eine Menge von zentralen Botschaften dieses Pontifikats für die Kirche in dieser Welt präsent gewesen." (rv)
Papst in Barcelona: „Gaudi war Fackel des Glaubens“
Der Papst ist an seinem zweiten spanischen Reisetag in Barcelona angekommen. Auf dem Programm stand die Weihe der weltberühmten Sagrada Familia. An der Kirche des Architekten Antonio Gaudi (1852-1926) wird bereits seit 128 Jahren gebaut; Teile von ihr sind UNESCO-Weltkulturerbe.
Die Predigt nutzte der Papst für einen Appell zum Schutz von Ehe und Familie. Außerdem forderte er für Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Mutterschaft.
Für den Nachmittag steht der Besuch einer kirchlichen Sozialstation auf dem Papstprogramm. Am Abend beendet das Kirchenoberhaupt – nach einem kurzen Treffen mit Premierminister Joseluis Zapatero – seine 18. Auslandsreise, seine zweite nach Spanien, und kehrt nach Rom zurück. Am Samstag hatte Benedikt XVI. den nordspanischen Wallfahrtsort Santiago de Compostela besucht und dabei an die christlichen Wurzeln Europas erinnert.
Unser Korrespondent in Spanien, Mario Galgano, berichtet uns über den Weihegottesdienst in Barcelona.
Mit Vatikan-Flaggen, Gesängen und Sprechchören haben Tausende Spanier Papst Benedikt XVI. auf seinem Weg zur Sagrada Familia in Barcelona empfangen. An der Messe zur Kirchenweihe nahmen als Ehrengäste neben König Juan Carlos I. und Königin Sofia unter anderen der sozialistische Präsident Kataloniens, Jose Montilla, Parlamentspräsident Jose Bono sowie der Bürgermeister von Barcelona, Jordi Hereu, teil.
Vor der Weihe überreichte der derzeitige Chefarchitekt der „Sagrada Familia", Jordi Bonet, symbolisch dem Papst die Schlüssel der Kirche. Zuvor erläuterte Bonet dem Papst die einzigartige Struktur und Geometrie des Baues sowie die Idee des Gründungsarchitekten Antoni Gaudi (1852-1926), durch „Kunst den Glauben zu vertiefen". An dem Wahrzeichen Barcelonas, dem Gaudi mehr als sein halbes Leben gewidmet hat, wird bereits seit 128 Jahren gebaut. Voraussichtlich wird die Kirche nicht vor 2026, dem 100. Todestag Gaudis, fertiggestellt sein.
In seiner Predigt bedankte sich der Papst bei den katalanischen Gastgebern.
„Und wir denken vor allem an jenen Mann, der die Seele und der Urheber dieses Projekts war: Antoni Gaudí, ein genialer Architekt und konsequenter Christ, dessen Fackel des Glaubens bis zum Ende seines Lebens brannte, das er in Würde und völliger Schlichtheit führte. Dieses Ereignis ist in gewisser Weise auch der Höhepunkt und das Ergebnis einer Geschichte der katalonischen Region, die vor allem seit Ende des 19. Jahrhunderts eine Vielzahl von Heiligen und Ordensgründern, Märtyrern und christlichen Schriftstellern hervorbrachte: Geschichte der Heiligkeit, des künstlerischen und dichterischen Schaffens, das aus dem Glauben heraus entstanden ist und das wir heute in dieser Eucharistie zusammenfassen und Gott zum Opfer darbringen."
Er sei auch froh darüber, dass dieser Sakralbau von Anfang an eng mit der Gestalt seines bürgerlichen Namenspatrons Josef verbunden sei, sagte Josef Ratzinger, jetzt Benedikt XVI.
„Besonders bewegt hat mich die Sicherheit, mit der Gaudí angesichts der zahllosen Schwierigkeiten, die er bewältigen musste, voll Vertrauen auf die göttliche Vorsehung ausrief: „Der heilige Josef wird die Kirche vollenden."
Die Weihe einer solchen Kirche sei ein sichtbares Zeichen des unsichtbaren Gottes, fügte der Papst an. Der katalanische Architekt sei vor allem von der Natur und der Heiligen Schrift inspiriert gewesen.
„Und er verwirklichte das, was heute zu den wichtigsten Aufgaben gehört: die Überwindung der Spaltung zwischen menschlichem und christlichem Bewusstsein, zwischen der Existenz in dieser zeitlichen Welt und der Öffnung zum ewigen Leben, zwischen der Schönheit der Dinge und Gott als der Schönheit selbst. Antoni Gaudí verwirklichte all dies nicht mit Worten, sondern mit Steinen, Linien, Oberflächen und Spitzen. In Wirklichkeit ist die Schönheit das große Bedürfnis des Menschen; sie ist die Wurzel, die den Stamm unseres Friedens und die Früchte unserer Hoffnung hervorbringt. Die Schönheit ist auch Offenbarerin Gottes, denn das schöne Werk ist wie er reine Unentgeltlichkeit, es lädt zur Freiheit ein und entreißt den Menschen dem Egoismus."
Die Kirche habe die große Aufgabe, allen zu zeigen, dass Gott ein Gott des Friedens sei und nicht der Gewalt, der Freiheit und nicht des Zwangs, der Eintracht und nicht der Zwietracht.
„In diesem Sinne glaube ich, dass die Weihe dieser Kirche der „Sagrada Familia" in einer Zeit, in der der Mensch sich anmaßt, sein Leben hinter Gottes Rücken aufzubauen, so als hätte er ihm nichts mehr zu sagen, ein sehr bedeutsames Ereignis ist. Gaudí zeigt uns durch sein Werk, dass Gott der wahre Maßstab des Menschen ist, dass das Geheimnis der wahren Originalität, wie er sagte, darin besteht, zum Ursprung zurückzukehren, der Gott ist. Indem er selbst in dieser Weise seinen Geist für Gott öffnete, konnte er in dieser Stadt einen Raum der Schönheit, des Glaubens und der Hoffnung schaffen, der den Menschen zur Begegnung mit jenem führt, der die Wahrheit und die Schönheit selbst ist." Benedikt XVI. sprach in der Sagrada Familia aber auch einige Anliegen deutlich an, die schon an seinem ersten Reiseziel am Samstag, Santiago de Compostela, angeklungen waren: Die Worte über den Schutz von Ehe und Familie sowie des Lebens werden in den spanischen Medien wohl besonders beachtet werden.
„Die Lebensumstände haben sich zutiefst gewandelt, und gleichzeitig gab es enorme Fortschritte im technischen, sozialen und kulturellen Bereich. Wir können uns mit diesen Fortschritten nicht begnügen. Mit ihnen müssen immer auch sittliche Fortschritte einhergehen, wie die Beachtung, der Schutz und die Unterstützung der Familie, denn die großherzige und unauflösbare Liebe zwischen einem Mann und einer Frau ist der fruchtbare Rahmen und die Grundlage des menschlichen Lebens bei seinem Entstehen, seiner Geburt, seinem Wachstum und seinem natürlichen Ende. Nur dort, wo Liebe und Treue vorhanden sind, entsteht die wahre Freiheit und dauert sie fort. Daher fordert die Kirche angemessene wirtschaftliche und soziale Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, daß die Frau zu Hause und am Arbeitsplatz ihre volle Verwirklichung finden kann; daß der Mann und die Frau, die den Ehebund schließen und eine Familie gründen, vom Staat wirklich unterstützt werden; daß das Leben der Kinder vom Augenblick ihrer Empfängnis an als heilig und unantastbar verteidigt wird; daß die Geburten auf rechtlicher, sozialer und legislativer Ebene Anerkennung, Wertschätzung und Unterstützung erhalten. Daher widersetzt sich die Kirche jeglicher Form der Ablehnung des menschlichen Lebens und hält das aufrecht, was die natürliche Ordnung im Bereich der Familie als Institution fördert."
In der Umgebung der Kirche wurden rund 36.000 Stühle und 31 große Übertragungsleinwände aufgebaut, die die Messe und Weihe der Sagrada Familia, des Wahrzeichens von Barcelona, live übertrugen. Das staatliche katalanische Fernsehen TV3 setzte bei seiner Live-Übertragung sechzig Kameras ein. Der Papstbesuch wurde weltweit von rund 150 Millionen Fernsehzuschauern verfolgt. Der letzte Besuch eines Papstes in der katalanischen Mittelmeermetropole liegt bereits 28 Jahre zurück: Papst Johannes Paul II. kam 1982 nach Barcelona. (rv)
Stichwort: Vom „Campo Stella“ zur Kathedrale
Campo Stellae, Sternenfeld – so der malerische lateinische Name des Ortes, an dem der Apostel Jakobus begraben liegt. Ein Hirte fand die Grabstätte Anfang des 9. Jahrhunderts, eine Sternschnuppenerscheinung wies ihm den Weg. Nachdem Jakobus sieben Jahre lang versucht hatte, die Galicier zum Christentum zu bekehren, fand er im Jahr 44 auf Befehl Agrippas in Palästina den Tod, der Leichnam wurde danach zurück nach Galicien überführt. Wo früher freies Feld war, erhebt sich heute die mächtige Kathedrale von Santiago de Compostela. Auch heute leuchten über dem imposanten Bauwerk die Sterne, nur der einsame Hirte hat mehr Gesellschaft: Im Heiligen Jahr 2010 erlebte Santiago, das seit 1985 zum Weltkulturerbe zählt, mit über 257.000 Pilgern einen echten Besucherrekord.
Die Kathedrale von Compostela, päpstlich als Grabeskirche des Apostels Jakobus anerkannt und seit dem Mittelalter Zielpunkt von Pilgern aus aller Welt, erreicht man vom Obradoiro-Platz aus über eine doppelte Treppe. Herzstück der Kirche ist der prächtige Hauptaltar über dem Grab des Apostels Jakobus. Den Altar schmückt ein vergoldeter Baldachin, darunter liegt die Gruft des Jakosbus mit einem silbernen Schrein, der die Reliquien enthält. Unter anderem wird hier ein auf das Jahr 874 datiertes goldenes Kruzifix aufbewahrt, das einen Splitter des Kreuzes Christi beinhalten soll.
Ein weiteres Zentrum der Kirche ist natürlich das Standbild des Apostels im Mittelgiebel der Kathedrale, als Pilger dargestellt und begleitet von seinen Schülern Atanasius und Theodor. Um Sündenablass zu erhalten, umarmen die Pilger die Statue von hinten, sie erreichen sie über eine kleine Treppe, die zu einem Raum hinter der Figur führt. Viel Zeit bleibt beim großen Pilgerandrang im Heiligen Jahr 2010 für die Umarmung des Apostels leider nicht – aber zum Glück ist ja in diesem Jahr noch die „Pforte der Vergebung" geöffnet, die die Pilger durchschreiten und die der spirituellen Erneuerung zusätzlich symbolisches Gewicht verleiht. Das Heilige Jahr wird übrigens immer dann begangen, wenn der Festtag des Heiligen Jakobus, der 25. Juli, auf einen Sonntag fällt. Das ist erst in elf Jahren wieder der Fall.
Zur feierlichen Stimmung in der Kathedrale trägt neben der Messe unter anderem das 50 Kilogramm schwere Weihrauchfass – „Botafumeiro" – bei, das bei besonderen Anlässen am langen Seil durch das Querschiff geschwungen wird. Sechs Männern und 30 Meter Seil sind notwendig, um den Weihrauch – wenn auch nicht bis zu den Sternen, so doch bis unter die Decke – zu schwingen. Auch bei Benedikts Besuch fehlt dieser Programmpunkt nicht. Überhaupt hat Santiago de Compostela wohl schon lange nicht mehr einen solchen Höhepunkt erlebt.
Der erste Papst, der Santiago de Compostela anlässlich eines Heiligen Jahres besuchte, war Papst Johannes Paul II. In seiner Predigt betonte Benedikts Vorgänger die Vorbildwirkung eines apostolischen Lebens in Nachfolge und Demut. Das christliche Europa müsse sich auf seine Wurzeln besinnen, die Völker der dritten Welt um Vergebung bitten und ein Leuchtturm in der Welt sein, so der damalige Papst. (rv)
Der Papst bei der Ankunft im Wortlaut
Hier lesen Sie die Ansprache des Papstes bei der Begrüßungszeremonie beim Flughafen von Santiago de Compostela. (rv)
Königliche Hoheiten,sehr geehrte Vertreter der nationalen, regionalen und lokalen Behörden,
Herr Erzbischof von Santiago de Compostela,
Herr Kardinal, Präsident der spanischen Bischofskonferenz,
meine Herren Kardinäle und Mitbrüder im Bischofsamt,
liebe Brüder und Schwestern,
meine lieben Freunde!
Vielen Dank, Königliche Hoheit, für die ehrerbietigen Worte, die Sie in Ihrer aller Namen an mich gerichtet haben und die die innige Zuneigung widerspiegeln, die die Menschen dieses edlen Landes für den Nachfolger Petri hegen.
Herzlich grüße ich die hier Anwesenden wie auch alle, die über die Medien mit uns verbunden sind, und ich danke auch allen, die auf verschiedenen kirchlichen und öffentlichen Ebenen großzügig dazu beigetragen haben, daß diese kurze, aber intensive Reise nach Santiago de Compostela und Barcelona reiche Frucht bringen wird.
Im tiefsten Inneren seines Seins ist der Mensch immer auf dem Weg, ist er auf der Suche nach der Wahrheit. Die Kirche nimmt an diesem tiefen Streben des menschlichen Seins teil. Sie macht sich selbst auf den Weg und begleitet den Menschen, der sich nach der Fülle seines Seins sehnt. Zugleich legt die Kirche einen eigenen inneren Weg zurück, der sie durch den Glauben, die Hoffnung und die Liebe dazu führt, Lichtschein Christi für die Welt zu werden. Das ist ihre Sendung, und das ist ihr Weg: inmitten der Menschen immer mehr Gegenwart Christi zu sein, „den Gott für uns zur Weisheit gemacht hat, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung" (1 Kor 1,30). Darum habe auch ich mich auf den Weg gemacht, um meine Brüder im Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32).
Ich komme als Pilger in diesem Heiligen Jahr von Compostela, und bringe im Herzen die gleiche Liebe mit, die den heiligen Apostel Paulus antrieb, seine Reisen zu unternehmen, wobei er den Wunsch hatte, auch Spanien zu erreichen (vgl. Röm 15,22-29). Ich möchte mich in die große Schar der Männer und Frauen einreihen, die im Lauf der Jahrhunderte von allen Winkeln der Iberischen Halbinsel, von Europa und selbst aus der ganzen Welt nach Compostela gekommen sind, um vor den heiligen Jakobus hinzutreten und sich vom Zeugnis seines Glaubens umformen zu lassen. Mit ihren Spuren und voller Hoffnung schufen sie einen Weg der Kultur, des Gebets, der Barmherzigkeit und der Umkehr, der in Kirchen und Hospitälern, in Herbergen, Brücken und Klöstern Gestalt angenommen hat. Auf diese Weise haben Spanien und Europa ein geistiges Gesicht entfaltet, das auf unauflösliche Weise vom Evangelium gekennzeichnet ist.
Gerade als Bote und Zeuge des Evangeliums werde ich auch nach Barcelona gehen, um den Glauben seiner gastfreundlichen und tatkräftigen Bewohner zu stärken. Ein Glaube, der schon in der Frühzeit des Christentums gesät worden ist und der unter dem Klima zahlloser Beispiele von Heiligen keimte und wuchs und zur Gründung sehr vieler Wohlfahrts-, Kultur- und Bildungseinrichtungen führte. Dieser Glaube inspirierte den genialen Architekten Antoni Gaudí, dort, mit dem Eifer und der Mitarbeit vieler Helfer, jenes Wunderwerk in Angriff zu nehmen, welches die Kirche der „Sacrada Familia" darstellt. Ich werde die Freude haben, diese Kirche zu weihen, in der sich die ganze Größe des menschlichen Geistes, der sich Gott öffnet, widerspiegelt.
Ich empfinde eine tiefe Freude, erneut hier in Spanien zu sein, das der Welt eine Vielzahl großer Heiliger geschenkt hat, Ordensgründer und Schriftsteller, wie Ignatius von Loyola, Theresia von Jesus, Johannes vom Kreuz und Franz Xaver und viele andere mehr. Spanien hat im 20. Jahrhundert neue Einrichtungen, Gruppen und Gemeinschaften christlichen Lebens und des Apostolats hervorgebracht. In den vergangenen Jahrzehnten schreitet es nun in Eintracht und Gemeinsamkeit, in Freiheit und Frieden voran und blickt zuversichtlich und verantwortungsvoll in die Zukunft. Von seinem reichen Erbe an menschlichen und geistlichen Werten angespornt, sucht es auch inmitten der Schwierigkeiten weiterzukommen und seine Solidarität der internationalen Gemeinschaft anzubieten.
Diese Beiträge und Initiativen Ihrer langen Geschichte wie auch der Gegenwart, gemeinsam mit der Bedeutung dieser beiden Orte Ihres schönen Landes, die ich bei dieser Gelegenheit besuchen werde, geben mir den Anstoß, meine Gedanken auf alle Völker Spaniens und Europas auszuweiten. Wie der Diener Gottes Papst Johannes Paul II. von Compostela aus den Alten Kontinent ermahnte, seinen christlichen Wurzeln neue Kraft zu geben, so will auch ich Spanien und Europa auffordern, ihre Gegenwart aufzubauen und ihre Zukunft zu planen auf der Grundlage der echten Wahrheit des Menschen, der Freiheit, die diese Wahrheit respektiert und sie nie verletzt, wie auch der Gerechtigkeit für alle, angefangen bei den Ärmsten und den Einsamen. Ein Spanien und ein Europa, die sich nicht nur um die materiellen Bedürfnisse der Menschen Sorgen machen, sondern auch um die moralischen und sozialen Werte sowie um die spirituellen und religiösen Anliegen kümmern, weil all diese echte Ansprüche des einen und alleinigen Menschen sind und man nur so in wirksamer, umfassender und fruchtbarer Weise für sein Wohl wirkt.
Liebe Freunde, nochmals bekunde ich Ihnen meinen Dank für Ihren herzlichen Empfang und Ihre Anwesenheit an diesem Flughafen. Erneut bringe ich den geliebten Söhnen und Töchtern Galiziens, Kataloniens und allen anderen Völkern Spaniens meine Zuneigung und Nähe zum Ausdruck. Ich empfehle meinen Aufenthalt bei Ihnen der Fürsprache des heiligen Apostels Jakobus an und bitte Gott, daß er Ihnen allen seinen Segen schenke. Vielen Dank. (rv)
Der Papst in der Kathedrale von Santiago im Wortlaut
Papstbesuch in Spanien. 1. Tag
Der Papst hat die Kathedrale von Santiago de Compostela besucht. Lesen Sie hier die Ansprache auf Deutsch. (rv)
Hochwürdigste Herren Kardinäle,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt,
geschätzte Vertreter des öffentlichen Lebens,
liebe Priester, Seminaristen, Ordensmänner und Ordensfrauen,
liebe Brüder und Schwestern,
liebe Freunde!
Ich danke dem Herrn Erzbischof Julián Barrio Barrio von Santiago de Compostela für die freundlichen Worte, die er soeben an mich gerichtet hat, die ich gerne erwidere. So grüße ich euch alle herzlich in Christus und danke euch für euer Kommen an diesen so bedeutsamen Ort.
Pilgern heißt nicht einfach irgendeinen Ort aufsuchen, um seine Naturschönheiten, Kunstschätze oder seine Geschichte zu bewundern. Pilgern bedeutet vielmehr, aus uns herauszutreten, um Gott dort zu begegnen, wo er sich offenbart hat, wo sich die göttliche Gnade mit besonderem Glanz gezeigt hat und unter den Gläubigen überaus große Früchte der Bekehrung und Heiligkeit hervorgebracht hat. Christen pilgerten zunächst zu den Orten, die mit dem Leiden, dem Tod und der Auferstehung des Herrn verbunden sind, in das Heilige Land. Dann nach Rom, der Stadt des Martyriums der Apostel Petrus und Paulus, und ebenso nach Compostela, das als ein mit dem Andenken des heiligen Jakobus verbundener Ort viele Pilger aus aller Welt aufgenommen hat, die Sehnsucht danach hatten, ihren Geist mit dem Zeugnis des Glaubens und der Liebe des Apostels zu stärken.
In diesem Heiligen Jahr von Compostela wollte auch ich als Nachfolger des heiligen Petrus zum Haus des „Señor Santiago", des heiligen Jakobus, pilgern, das sich anschickt, sein 800jähriges Weihejubiläum zu feiern. Ich komme, um euren Glauben zu stärken, eure Hoffnung zu beleben und eure Sorgen, Mühen und Anstrengungen für das Evangelium der Fürbitte des Apostels anzuvertrauen. Als ich sein heiliges Bild umarmte, habe ich im Gebet auch alle Söhne und Töchter der Kirche mitgenommen. Die Kirche hat ja ihren Ursprung im Geheimnis der Gemeinschaft, die Gott ist. Durch den Glauben sind wir hineingeführt in das Geheimnis der Liebe, das die Heiligste Dreifaltigkeit ist. Wir werden in gewisser Weise von Gott umarmt und umgewandelt von seiner Liebe. Die Kirche ist diese Umarmung Gottes, in der die Gläubigen auch lernen, die eigenen Brüder zu umarmen, indem sie in ihnen Abbild und Ähnlichkeit Gottes entdecken, die die tiefste Wahrheit ihres Seins begründen und Ursprung der wahren Freiheit sind.
Zwischen Wahrheit und Freiheit gibt es einen engen und notwendigen Zusammenhang. Das aufrichtige Suchen und Streben nach der Wahrheit ist die Bedingung für eine authentische Freiheit. Man kann nicht das eine ohne das andere leben. Die Kirche, die bemüht ist, der menschlichen Person und ihrer Würde mit allen ihren Kräften zu dienen, steht im Dienst beider, der Wahrheit und der Freiheit. Die Kirche kann auf beide nicht verzichten, weil hier das Sein des Menschen auf dem Spiel steht und weil die Liebe zum Menschen, „der auf Erden das einzige Geschöpf ist, das Gott um seiner selbst willen gewollt hat" (Gaudium et spes, 24), sie bewegt. Ohne solches Streben nach Wahrheit, nach Gerechtigkeit und nach Freiheit würde der Mensch sich selbst verlieren.
Erlaubt mir, hier in Compostela, dem geistlichen Herzen Galiciens und zugleich Lehrstätte einer Universalität ohne Grenzen, alle Gläubigen dieser geschätzten Erzdiözese und alle Gläubigen der Kirche in Spanien aufzufordern, im Licht der Wahrheit Christi zu leben, den Glauben mit Freude, Konsequenz und Schlichtheit zu Hause, bei der Arbeit und bei den staatsbürgerlichen Aufgaben zu bekennen.
Die Freude, sich als geliebte Kinder Gottes zu erkennen, führe euch auch zu einer immer tieferen Liebe zur Kirche, indem ihr sie in ihrer Aufgabe unterstützt, Christus zu allen Menschen zu bringen. Betet zum Herrn der Ernte, daß sich viele junge Menschen dieser Sendung im Amt des Priesters und im gottgeweihten Leben übereignen: Heute, wie immer, lohnt es sich, das ganze Leben der Aufgabe zu widmen, die Neuheit des Evangeliums zu verkünden.
Ich will nicht schließen, ohne vorher allen spanischen Katholiken meine Segenswünsche und meinen Dank für die Großzügigkeit bekundet zu haben, mit der sie zahlreiche Einrichtungen der Caritas und der humanitären Hilfe unterstützen. Werdet nicht müde, diese Werke aufrecht zu erhalten, die der ganzen Gesellschaft zugute kommen und deren Wirksamkeit sich besonders in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise sowie bei den großen Naturkatastrophen, von denen verschiedene Länder heimgesucht wurden, gezeigt hat.Mit diesen Gedanken bitte ich den Allerhöchsten, daß er allen den Mut gebe, den der heilige Jakobus hatte, um den auferstandenen Christus zu bezeugen. Bleibt ebenso treu auf den Wegen der Heiligkeit. Gebt euch für die Ehre Gottes und das Wohl der am meisten verlassenen Brüder hin. Vielen Dank. (rv)