Die Kirche muss an der Art und Weise feilen, wie sie die Frohe Botschaft verbreitet. Das denkt Erzbischof Gianfranco Ravasi, der Präsident des päpstlichen Kulturrates. „Kultur der Kommunikation und neue Sprachformen" ist deshalb das Thema der kommenden Vollversammlung des Kulturrates ab 10. November. Die Sprache der katholischen Kirche verweise mitunter nur auf sich selbst; sogar einfache Wörter aus dem kirchlichen Kontext hätten keine Referenz in der Außenwelt, sondern nur nach innen, sagte Ravasi im Gespräch mit uns.
„Oft hat die Sprache innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft quasi ihre Stimme verloren. Denken wir an die extrem anspruchsvolle Sprache der Theologie, die selbst bei einer katholische, gläubigen, praktizierenden Bevölkerung kein Gehör mehr findet. Die Leute hören am Sonntag eine schöne Predigt, aber die Sprache, mit der sie sie verarbeiten, ist die des Fernsehens und des Internet. Und andererseits braucht es auch Kräfte nach außen. Unsere Kommunikation muss selbstverständlich ihre Logik, ihre Kohärenz, ihr Vokabular haben. Aber gleichzeitig muss sie versuchen, ihre Botschaft mit neuen Sprachformen auf neue Horizonte hin auszulegen."
Aus Ravasis Sicht ist das ein drängendes Anliegen. Denn wo es keine Verständigung gibt, da kann eine Botschaft von vornherein nicht ankommen, so der zukünftige Kardinal:
„Wenn wir nicht das gemeinsame sprachliche Gewebe wiederfinden, die Vokabeln, die Grammatik, die Stilistik, mit denen wir den anderen begegnen und mit ihnen in Beziehung treten können, dann sind wir auch nicht dazu in der Lage, über Inhalte zu sprechen."
Ravasi hat deshalb zur Vollversammlung Kommunikations-Fachleute verschiedenster Disziplinen eingeladen: aus der Welt der Liturgie, der Kunst, des Films und der neuen Medien.
(rv)
Tag: 1. November 2010
P. Lombardi an demonstrierende Missbrauchsopfer
Wir dokumentieren im Wortlaut einen persönlichen Brief P. Federico Lombardi an Demonstranten, die Sonntag Abend zwischen Engelsburg und Petersplatz eine Kundgebung gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche veranstalteten.
Die Fenster meines Büros bei Radio Vatikan sind nur einige Meter entfernt, und deswegen schien es mir angemessen, Ihnen zuzuhören und Ihrem Treffen ein Zeichen der Aufmerksamkeit zu schenken.
Meine Teilnahme ist keine offizielle Teilnahme, aber wegen meiner Zugehörigkeit und meiner Identifikation mit der Katholischen Kirche und dem Heiligen Stuhl kann ich doch sagen, dass ich zu dem, wofür Sie hier demonstrieren, eine Anteilnahme ausdrücken darf, die viele hier teilen.
Darin fühle ich mich ermutigt von der Haltung des Papstes, wie er sie oftmals gezeigt hat: er hat den Opfern zugehört und seinen Willen bekundet, alles Notwendige zu tun, damit diese furchtbaren Verbrechen des sexuellen Missbrauchs nie wieder geschehen können.
Auch wenn ich nicht alle Ihre Aussagen und Positionen teile, so finde ich in ihnen doch viele Elemente, aus denen man ein Engagement entwickeln kann, das auf unsere Solidarität und Zustimmung stößt.
Es ist wahr, dass die Kirche sehr aufmerksam sein muss, so dass die Kinder und Jugendlichen, die ihren erzieherischen Aktivitäten anvertraut sind, in einer völlig sicheren Umgebung aufwachsen können.
Gestern Vormittag waren 100.000 junge Menschen an diesem Ort, um ihren Glauben und ihre Jugend zu feiern, und das ist nur ein kleiner Teil der Jugendlichen, die mit Vertrauen und mit Enthusiasmus am Leben der Kirche teilhaben. Wir müssen auf jeden Fall sicherstellen, dass sie gesund und gelassen heranwachsen können, mit jeder Art Schutz, der ihnen zusteht. Wir haben eine große Verantwortung, was die Zukunft der Jugend der Welt angeht.
Es ist wahr, dass die Verfahren zur Untersuchung und zum Eingreifen noch rascher und effektiver werden müssen, sei es die der Kirche oder die des Staates, und dass es eine gute Zusammenarbeit zwischen beiden geben muss, nach dem Gesetz und der Situation der einzelnen Länder.
Ich weiß, dass Sie denken, dass die Kirche mehr tun sollte, und schneller. Ich bin überzeugt – auch wenn man immer mehr hätte tun können – dass die Kirche viel getan hat und viel tut. Nicht nur der Papst in seinen Worten und seinem Beispiel, sondern auch viele Kirchengemeinschaften in der Welt haben viel getan und tun viel, indem sie den Opfern zuhören genauso wie in Maßnahmen zur Prävention und zur Ausbildung.
Ich persönlich bin mit vielen Menschen in Kontakt, die in verschiedenen Ländern in diesen Bereichen arbeiten, und ich bin überzeugt, dass sie viel tun. Natürlich, wir müssen weiterhin noch mehr tun. Und Ihr Aufschrei heute ist eine Ermutigung, mehr zu tun. Aber ein großer Teil der Kirche ist schon auf einem guten Weg. Der größte Teil dieser Verbrechen gehört vergangenen Zeiten an. Unsere Herausforderungen sind die die Realität von Heute und die von Morgen. Lassen Sie uns einander helfen, gemeinsam in die richtige Richtung zu gehen.
Aber das wichtigste, das ich Ihnen sagen wollte, ist das folgende, und ich sehe mich ermutigt Ihnen das zu sagen, weil ich glaube, dass auch Sie es so sehen. Die Wunde des sexuellen Missbrauchs, besonders von Minderjährigen, aber auch im Allgemeinen, ist eine der großen Wunden der heutigen Welt. Das schloss und schließt immer noch die katholische Kirche mit ein, aber wir wissen sehr wohl, dass das, was in der Kirche geschah, nur ein kleiner Teil dessen ist, was in der Welt geschah und immer noch geschieht. Die Kirche muss sich von diesem Übel befreien und ein gutes Beispiel geben für den Kampf gegen den Missbrauch in ihrer Mitte. Dann müssen wir aber alle gegen diese Plage vorgehen, von der wir wissen, wie ungeheuerlich sie ist. Diese Plage weitet sich umso leichter aus, je besser versteckt sie bleibt. Auch heute sind viele darüber erfreut, dass sich alle Aufmerksamkeit auf die Kirche richtet und nicht auf sie, denn das erlaubt ihnen, ungestört weiter zu machen.
Diesen Kampf müssen wir gemeinsam kämpfen, mit vereinten Kräften gegen die Verbreitung dieser Plage, die sich auf ganz neuen Wegen verbreitet, durch das Internet und andere neue Kommunikationsformen, durch die Krise der Familien, durch Sextourismus und Menschenhandel, die die Armut von Menschen vieler Kontinente ausnützt.
Was die Kirche – auch durch Sie und durch andere Gruppen – gelernt hat, muss zu aller Nutzen sein, genauso wie die Initiativen, die die Kirche zu ihrer Reinigung unternommen hat, um ein Vorbild an Sicherheit für die Jugend zu werden. Deswegen lade ich Sie ein, auf die Kirche als einen möglichen Verbündeten zu blicken, oder – wie ich es sagen würde – als Verbündeten, der schon heute aktiv ist bei der Verfolgung der besten Ziele Ihres Kampfes. (rv)