Vor 67 Jahren: Bomben auf den Vatikan

Über die Rolle von Pius XII. im Zweiten Weltkrieg ist fast alles schon gesagt, vermutet und geschrieben worden. Aber dass über dem Vatikan im November 1943 Bomben abgeworfen wurden, weiß kaum jemand. Ein Journalist hat sich jetzt eingehend mit der Sache beschäftigt: Hier ist seine Geschichte.
 „Es fing alles damit an, dass ich an einem Verkaufsstand einen Briefumschlag mit etwa dreißig Fotos fand: Die waren am Tag nach den Bombenabwürfen gemacht worden, und der Fotograf hatte die Zeiten seiner Aufnahmen dazunotiert."
Sagt Augusto Ferrara, Autor des Buches „Bombe sul Vaticano", das an diesem Wochenende vorgestellt wurde. Am 5. November 1943, nachts um 20.10 Uhr, regneten fünf Bomben auf den kleinen Kirchenstaat herab:
„Eine explodierte nicht, die anderen vier richteten hinter Sankt Peter einige Schäden an. Zerbrochene Fenster in der Apsis, Löcher im Weg, der zur Bahnstation hinaufführt; an der Fassade der Bahnstation und sogar an der Seite des Gouverneurspalastes sind die Bombenschäden bis heute zu sehen."
Ferrara recherchierte, und daraus wurde ein Buch von 160 Seiten, das er auch dem Papst schon überreicht hat.
„Das erste, was er sagte, als er die Fotos sah: Wer steckte dahinter?"
Gute Frage – Ferrara hat eine Antwort darauf. Schon im Italien der vierziger Jahre gab es nämlich, wie heute auch, Mitschnitte von Telefongesprächen.
„Es gibt ein Telefonat von einem Priester aus Viterbo, da heißt es: Also, diesmal haben die Amerikaner aber wirklich übertrieben! Und die Antwort darauf lautet: Welche Amerikaner denn? Das Flugzeug ist in Viterbo gestartet, ich komme gerade von dort – es waren die Faschisten, die das getan haben!"
Fragt sich nur, warum. Aus Ferraras Sicht wollten die Faschisten Radio Vatikan treffen, das damals noch ganz in der Nähe der vatikanischen Bahnstation in der so genannten „Palazzina" in den Vatikanischen Gärten untergebracht war.
„Sie wollten Radio Vatikan dafür bestrafen, dass es Botschaften ausstrahlte, die an die Amerikaner gerichtet waren."
Die Belege dafür sind allerdings dürr. Das Geheimnis der Bomben auf den Vatikan in diesem Herbst vor 67 Jahren ist noch nicht gelöst. (rv)

Vatikan: Benedikt bedauert Regensburg

Papst Benedikt XVI. bedauert offenbar eine islamkritische Wendung in seiner Regensburger Rede vom September 2005. Das sagte der deutsche Journalist Peter Seewald, der Ende November ein Gesprächsbuch mit Papst Benedikt vorlegt, der italienischen Zeitung „Il Foglio". Der Papst habe ihm gesagt, dass die Rede „ein vor allem wissenschaftlicher Beitrag" hätte sein sollen; er habe zuwenig bedacht, dass er in Regensburg nicht als früherer Professor spreche, sondern auch als Papst. Benedikt ziehe die Äußerung, die in Teilen der islamischen Welt für Empörung sorge, zwar nicht zurück, hätte sie aber nicht in den Text aufgenommen, wenn er eine solchen Reaktion vorausgesehen hätte. Das Gesprächsbuch namens „Licht der Welt" wird am 23. November veröffentlicht; es fußt auf Gesprächen Seewalds mit Benedikt in der letzten Juliwoche 2010 in Castelgandolfo.
 Das italienische Nachrichtenmagazin „Panorama" erklärt an diesem Freitag, das Manuskript des Buches hätten in Rom außer dem Papst nur seine Übersetzerin und ein Kardinal gelesen; nicht einmal Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone kenne es. Sorgen in der Kurie, dass es zu „Polemiken" führen könnte, nennt „Panorama" „begründet": „Viele werden überrascht sein." Benedikt XVI. äußere sich freimütig zu Themen wie Pädophilie, Islam, verheiratete Priester, Scheidung, Verhütung oder Kirchenreform. (rv)

Vatikan: Beratungen aller Dikasterien-Chefs

Papst Benedikt XVI. schart an diesem Freitag die Leiter aller Vatikan-Ministerien um sich. Solche Vollversammlungen mit den Präsidenten von Kongregationen bzw. den Leitern Päpstlicher Räte sind im Vatikan eine Seltenheit; sie finden hinter verschlossenen Türen statt. Dem Vernehmen nach könnte es bei den Beratungen unter anderem um das Thema Neuevangelisierung gehen. Der Papst hat zu diesem Thema, einem der wichtigsten seines Pontifikates, einen eigenen Rat gegründet, der von Erzbischof Rino Fisichella geleitet wird. Mit der Neuevangelisierung beschäftigt sich auch die nächste große Bischofssynode im Jahr 2012. Für den Freitag nächster Woche hat Papst Benedikt ein außerordentliches Konsistorium der Kardinäle angesetzt – auch das eine Seltenheit. Als Themen dieser Beratungen mit Kardinälen nennt der Vatikan u.a. die Missbrauchsskandale und der Umgang mit Anglikanern, die zur katholischen Kirche übertreten wollen. (rv) 

Vatikan: Visitation in Irland beginnt

Der Heilige Stuhl beginnt mit der Apostolischen Visitation in der Kirche von Irland: Sie soll die Hintergründe der Missbrauchsskandale erhellen, die die irische Kirche schwer erschüttert haben. Der Vatikan hat jetzt einen Aktionsplan für die Visitation veröffentlicht. Danach sollen die vom Papst beauftragten Untersucher prüfen, ob die Anti-Missbrauchs-Normen wirklich effizient sind und ob in der irischen Kirche tatsächlich eine „Erneuerung" begonnen hat. Papst Benedikt hatte die Visitation am 19. März in einem Brief an die irischen Katholiken angekündigt. Im einzelnen ist eine Visitation in mehreren irischen Bistümern, in den Priesterseminaren und bei den Orden vorgesehen.
„Die Visitation ist keine Untersuchung über die Hintergründe einzelner Missbrauchsfälle und kein Prozess, um über Vergangenes zu richten", präzisiert der Vatikan. Die vom Vatikan beauftragten Kontrolleure wollten sich auch „nicht in die Aktivität der Justizbehörden oder der vom Parlament eingesetzten Untersuchungskommissionen einmischen". Es sei auch „nicht geplant, dass die Visitatoren Anzeigen über neue oder alte Missbrauchsfälle entgegennehmen": Solche Hinweise seien weiter an die Bistümer zu richten, und diese hätten dann „die Pflicht, sich den zivilen und kirchlichen Normen entsprechend an die zivilen bzw. kirchlichen Behörden zu wenden". Die Visitatoren seien aber „bereit, alle zu treffen, die von Missbrauch verwundet sind", vor allem Opfer und ihre Familienangehörigen. Post an die Visitatoren, die bei der Nuntiatur eingehe, werde absolut vertraulich behandelt.
Der Vatikan empfiehlt, „dass jedes Erzbistum eine Bußfeier oder eine ähnliche Feier in Anwesenheit des Visitators veranstaltet". Die Überprüfung der Orden, die in Irland viele Schul- und Bildungseinrichtungen leiten, soll mit einem ausführlichen Fragebogen beginnen; die Visitatoren wollen die Antworten der Orden auswerten und dann Empfehlungen an die päpstliche Ordenskongregation formulieren. Während der ersten Phase der Visitation, die bis Ostern 2011 dauern soll, wollen die Visitatoren keine Interviews geben; stattdessen sollen sie dem Vatikan bis zum Mai die Ergebnisse ihrer Recherchen vorstellen. Der Vatikan will dann schriftlich „die nächsten Schritte, die zu tun sind", festlegen. Beim Abschluss der Visitation will der Heilige Stuhl – so verspricht die Erklärung – eine „ausführliche Zusammenfassung der Ergebnisse" veröffentlichen.
(rv)

Papst: Auch Frauen als Lektoren zulassen

Benedikt XVI. plant anscheinend, auch Frauen grundsätzlich als Lektoren zuzulassen. Das hat der neue Präfekt der vatikanischen Bischofskongregation, Kardinal Marc Ouellet, jetzt bestätigt. Ouellet äußerte sich am Donnerstag am Rand der Vorstellung eines großen Vatikan-Dokuments zum Thema Bibel. In diesem postsynodalen Schreiben „Verbum Domini" schreibt der Papst wörtlich:
 „Bekanntlich wird das Evangelium vom Priester oder vom Diakon verkündet, die Erste und Zweite Lesung hingegen in der lateinischen Tradition vom damit beauftragten Lektor, einem Mann oder einer Frau."
„Der Papst greift damit indirekt Vorschlag 17 der Bischofssynode zur Bibel von 2008 auf", so Kardinal Ouellet. „Die Synodenväter fordern, dass das Amt des Lektors auch den Frauen geöffnet wird – das ist also gehört worden, und der Heilige Vater studiert diese Frage aufmerksam."
Bisher dürfen offiziell – auch wenn das in vielen Pfarreien im deutschen Sprachraum anders gehandhabt wird – nur Männer die Erste und Zweite Lesung im Wortgottesdienst vortragen. Dafür werden sie vom Ortsbischof in aller Form berufen. Dass nicht ausdrücklich berufene Männer oder Frauen den Lektorendienst ausüben, ist eigentlich nur für Ausnahmefälle vorgesehen. Dass der Papst auch Frauen als Lektoren zulassen möchte, könnte auch die Debatte um weibliche Diakone wieder beleben. Sie wird seit neuestem schon durch eine Änderung des Kirchenrechts durch Papst Benedikt genährt. Einen Schritt in Richtung Laienpredigt bedeutet die Neuerung, von der Kardinal Ouellet spricht, allerdings ganz und gar nicht. (rv)

Vatikan: Wichtiges Dokument zur Bibel veröffentlicht

Der Vatikan hat heute das Päpstliche Schreiben veröffentlicht, das Benedikt XVI. auf der Grundlage der Ergebnisse der Bischofssynode aus dem Jahr 2008 zum Thema Bibel verfasste. Das so genannte nachsynodale Schreiben ist 200 Seiten lang und trägt den Titel „Verbum Domini". In dem Schlüsseldokument fordert der Papst die Gläubigen auf, sich wieder auf die zentrale Rolle der Heilige Schrift für das kirchliche Leben zu besinnen. Über die Interpretation der Bibel heißt es darin:
 „Es ist ein grundlegendes Kriterium der Bibelhermeneutik, dass das Leben der Kirche der ursprüngliche Ort der Schriftauslegung ist. Dies verweist auf den kirchlichen Bezug nicht als äußeres Kriterium, dem die Exegeten sich beugen müssen, sondern es ist ein Erfordernis, das in der Schrift selbst und in der Weise, wie sie sich im Laufe der Zeit herausgebildet hat, liegt. Das richtige Verständnis des biblischen Textes ist nur dem zugänglich, der eine lebendige Beziehung zu dem hat, wovon der Text spricht.
Natürlich muß der Nutzen anerkannt werden, der dem Leben der Kirche aus der historischkritischen Exegese und den anderen Methoden der Textanalyse, die in jüngerer Zeit entwickelt wurden, erwachsen ist. Für die katholische Sichtweise der Heiligen Schrift ist die Berücksichtigung dieser Methoden unverzichtbar. Ein wichtiger Beitrag zur Wiedererlangung einer angemessenen Schrifthermeneutik ergibt sich aus dem erneuten Hören auf die Kirchenväter und ihren exegetischen Ansatz."
In dem nachsynodalen Schreiben betont der Papst im Hinblick auf die gemeinsame Geschichte die Bedeutung des Dialogs mit dem Judentum:
„Papst Johannes Paul II. hat zu den Juden gesagt: Ihr seid »unsere „bevorzugten Brüder". Natürlich bedeuten diese Worte keine Absage an den Bruch, von dem das Neue Testament in bezug auf die Institutionen des Alten Testaments spricht, und erst recht nicht an die Erfüllung der Schriften im Geheimnis Jesu Christi, der als Messias und Sohn Gottes erkannt wird. Dieser tiefe und radikale Unterschied beinhaltet jedoch keineswegs eine gegenseitige Feindschaft. Das Beispiel des hl. Paulus zeigt im Gegenteil, daß eine Haltung des Respekts, der Hochschätzung und der Liebe gegenüber dem jüdischen Volk … die einzige wirklich christliche Haltung in einer heilsgeschichtlichen Situation [ist], die in geheimnisvoller Weise Teil des ganz positiven Heilsplans Gottes ist. Wir nähren uns aus denselben spirituellen Wurzeln. Wir begegnen einander als Brüder – Brüder, die in gewissen Augenblicken ihrer Geschichte ein gespanntes Verhältnis zueinander hatten, sich aber jetzt fest entschlossen darum bemühen, Brücken beständiger Freundschaft zu bauen. Ich möchte noch einmal bekräftigen, wie wertvoll für die Kirche der Dialog mit den Juden ist."
Das Schreiben „Verbum Dei" demonstriert darüber hinaus, wie wichtig Benedikt der Dialog mit anderen Kirchen ist. Dabei warnt er jedoch vor Gesten der Einheit, die theologisch nicht untermauert sind:
„Mit Blick auf die Ökumene sind wir überzeugt, daß das gemeinsame Hören und Meditieren der Schrift uns eine reale, wenn auch noch nicht volle Gemeinschaft leben läßt. Es ist daher gut, unter Wahrung der geltenden Normen und der verschiedenen Traditionen die ökumenischen Wortgottesdienste zu vermehren. Diese liturgischen Feiern nutzen der Ökumene. Es muß jedoch darauf geachtet werden, daß sie den Gläubigen nicht als Ersatz für die Teilnahme an der Heiligen Messe angeboten werden."
Das Thema Dialog in der Kirche kann heute nicht mehr ohne einen Blick auf das Gespräch mit dem Islam gedacht werden. Das zeigen Passagen des Papstbriefs zur Bibelsynode, in denen er die Richtung für künftige Dialogbemühungen vorgibt:
„Wir anerkennen, dass in der Überlieferung des Islam viele biblische Gestalten, Symbole und Themen vorhanden sind. Ich wünsche, dass die vor vielen Jahren geknüpften vertrauensvollen Beziehungen zwischen Christen und Muslimen fortbestehen und sich in einem Geist des aufrichtigen und respektvollen Dialogs weiterentwickeln. Die Synode hat den Wunsch geäußert, dass in diesem Dialog die Achtung vor dem Leben als Grundwert, die unveräußerlichen Rechte des Mannes und der Frau und ihre gleiche Würde vertieft werden mögen. Unter Berücksichtigung der Unterscheidung zwischen sozio-politischer Ordnung und religiöser Ordnung müssen die Religionen ihren Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Ein Dialog der Religionen untereinander wäre nicht fruchtbar, wenn er nicht auch die wahre Achtung jedes Menschen einschließen würde, damit dieser seine Religion frei ausüben kann. Achtung und Dialog verlangen Gegenseitigkeit in allen
Bereichen, vor allem was die Grundfreiheiten, und ganz speziell die Religionsfreiheit, betrifft." (rv)