Erst an diesem Sonntag hatte Papst Benedikt XVI. bei seinem Angelusgebet zu mehr Solidarität mit Migranten und Staatenlosen aufgerufen. An diesem Montag nun trat der Heilige Stuhl der Internationalen Migrationsorganisation in Genf bei: ein Zeichen, wie wichtig man das Thema im Vatikan nimmt, schließlich ist der Heilige Stuhl nur in sehr wenigen internationalen Organisationen ein Vollmitglied, statt sich mit dem Beobachter-Status zu begnügen. Ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls bei den UNO-Einrichtungen in Genf – so heißt der offizielle Titel – ist der italienische Erzbischof Silvano Tomasi. Er erklärt uns:
„Wir sehen im Moment weltweit einen steten Strom von Migranten und Flüchtlingen; da ist es wichtig, Präsenz zu zeigen und an den Anstrengungen der Staatengemeinschaft teilzunehmen. Der Heilige Stuhl will etwas Spezifisches einbringen: die ethische Stimme. Da gibt es zum Beispiel so viele Menschen, die sterben bei dem Versuch, ihr Land zu verlassen: aus Nordafrika Richtung Europa, aus Afrika über das Rote Meer Richtung Jemen… Es ist also wichtig, dass der Heilige Stuhl bei dieser Organisation Vollmitglied wird: Er weist darauf hin, dass das Phänomen Migration auch in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht unbeachtet bleiben darf und dass es weiter anwachsen wird. "
All zu stark ist dieses Anwachsen derzeit allerdings nicht: Nach den neuesten Zahlen der Weltmigrantenorganisation, kurz IMO, liegt die Zahl der Migranten weltweit stabil bei 214 Millionen. Das sind nur wenig mehr als vor fünf Jahren, aber immerhin drei Prozent der Weltbevölkerung. Dass der Heilige Stuhl sich diesmal für eine Vollmitgliedschaft entschieden hat, liegt daran, dass er einer so heiklen menschenrechtlichen Frage eine stärker vernehmbare Stimme haben will als sonst.
„In Sachen Migration geht es weniger um Politik als um die Notwendigkeit, die menschlichen Bedürfnisse dieser Menschen unterwegs in verschiedenen Teilen der Welt zu erfüllen. Als Kirche haben wir ja auch ein weites Netz von katholischen Verbänden, und die Kirche steht ja längst in der ersten Reihe beim Dienst an Migranten. Da ist eine stärkere Zusammenarbeit mit den Strukturen der internationalen Gemeinschaft ein logischer operativer Schritt, um noch effizienter zu helfen."
„Extrem tendenziös, polarisierend und negativ": So sieht aus der Sicht der Weltmigrantenorganisation die Debatte über Flüchtlinge und Asylbewerber in den meisten Industrienationen aus. Vor allem werde der Bevölkerung immer wieder fälschlich suggeriert, dass die Zahl der Migranten steige und steige. Beispiel Italien: Da liegt der Prozentanteil der Einwanderer an der Gesamtbevölkerung bei sieben Prozent. Gefühlt macht er allerdings stolze 25 Prozent aus, wie Meinungsumfragen ergeben.
„Wir wollen vor allem eine ethische Lesart des Migranten-Phänomens in die Debatte einspeisen: Da geht es um den Schutz des Menschen und seiner Würde. Zweitens wollen wir operativ eine engere Zusammenarbeit der katholischen Verbände erreichen, die Migranten helfen. Und drittens wollen wir eine Art Gewissen sein und in den einzelnen Ländern auf ein demokratisches Umfeld hinwirken, in dem alle, die das brauchen, soziale Hilfen bekommen."
Und zwar ganz ungeachtet der Frage, woher die Migranten kommen oder zu welcher Religion sie sich bekennen. In den Medien wird immer wieder darüber spekuliert, dass der so genannte Arabische Frühling einen Massenansturm von Flüchtlingen auf Europa auslösen könnte. Davon ist bisher allerdings, wie die Weltmigrantenorganisation am Montag betonte, weit und breit nichts zu sehen: Die Einwandererzahlen nach Europa seien konstant geblieben, und nur ein verschwindend geringer Prozentsatz von Menschen entscheide sich für die Überfahrt per Boot Richtung EU. Überhaupt: In vielen westlichen Ländern ist von 2008 auf 2009 die Zahl der Neu-Einwanderer gesunken. In Großbritannien etwa von 505.000 auf 470.000, in Spanien von 700.000 auf 469.000. Erzbischof Tomasi:
„Die katholischen Verbände helfen allen Migranten, egal, was sie glauben, welche Hautfarbe sie haben oder wie ihr legaler Status ist. Was zählt, ist die menschliche Person und ihre Würde. Beides wird oft beschädigt, wenn jemand von einem Land zum nächsten zieht, auf der Suche nach Arbeit und Überleben." (rv)
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