Übersicht: Reaktionen auf Anschlag von Ägypten

Politiker und Islam-Vertreter in der arabischen und islamischen Welt haben das Attentat von Alexandria einhellig und mit scharfen Worten verurteilt. Auch die Kommentare in ägyptischen Zeitungen äußern große Sorge. Die regierungsnahe „Ruz al Yusuf" vermutet, die Extremisten wollten das Land in einen Bürgerkrieg treiben. Die fundamentalistisch orientieren Muslimbrüder, die den Anschlag schon am Samstag klar verurteilt hatten, wollen nun für mehr Rechte für Kopten eintreten. Sie kündigten an, dass sie künftig wohl einen Kopten im Amt des Staatspräsidenten akzeptieren würden. Das ist bislang von der ägyptischen Verfassung nicht erlaubt.
US-Präsident Barack Obama hat den Anschlag als „barbarische Tat" gebrandmarkt. Nach der Analyse eines US-Korrespondenten fürchtet man im Weißen Haus, dass es zu weiteren Massakern an Christen im Nahen Osten kommen könnte – konkret an Christen in Nord- und Südsudan nach der Volksabstimmung über eine mögliche Unabhängigkeit des Südsudan. Das Referendum ist auf den 9. Januar angesetzt.
Die jüdische Gemeinde von Rom zeigt sich in einem Statement beunruhigt über „das Vorgehen gegen Christen in Ländern wie Sudan, Nigeria, Irak bis hin zu Gaza". Sie stellen sich hinter eine Initiative des römischen Bürgermeisters Gianni Alemanno. Dieser bietet die Schirmherrschaft der Stadt Rom für alle Initiativen an, die sich von Rom aus für Religionsfreiheit einsetzen. Italiens Außenminister Franco Frattini fordert von der EU, ihre Hilfen für Länder, die die Sicherheit von Christen nicht genügend gewährleisten, zurückzufahren.
Die deutsche Bundesregierung sprach von einem Akt der Brutalität. „Das zynische Vorgehen der Attentäter zeigt, wie notwendig es ist, entschlossen gegen Terrorismus und religiöse Intoleranz vorzugehen", betonte Außenminister Guido Westerwelle (FDP). Zugleich forderten Vertreter aus Politik und Kirche, christliche Minderheiten in islamischen Ländern besser zu schützen. CDU-Politiker riefen muslimische Würdenträger in aller Welt auf, sich von Gewalt gegen andere Religionen zu distanzieren. „Muslimische Autoritäten in Kairo und anderswo müssen eindeutig Stellung beziehen gegen jede Form von Gewalt im Namen ihrer Religion", sagte Bundesbildungsministerin Annette Schavan dem „Hamburger Abendblatt". Es könne keinen Frieden der Völker ohne einen Frieden der Religionen geben. Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder (CDU), beklagte gegenüber der Zeitung eine zunehmende Gewalt gegen Christen. Diese würden vor allem in Ländern verfolgt, „in denen Muslime die Mehrheit haben".
Der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, forderte die ägyptische Regierung auf, aktiv für die Religionsfreiheit Partei zu ergreifen und Anfeindungen religiöser Minderheiten im Namen des Islam zurückzuweisen. Das gelte für Christen ebenso wie für Bahai oder auch ehemalige Muslime.
Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn bekundete seine tiefe Betroffenheit über den Bombenanschlag. „Die katholische Kirche in Österreich ist solidarisch mit dem Schmerz und der Trauer der koptischen Kirche. Dies um so mehr, als es zwischen unseren Kirchen seit mehreren Jahrzehnten dank der Stiftung ‚Pro Oriente‘ eine tiefe innere Verbundenheit gibt", so der Kardinal wörtlich. Der Wiener Erzbischof betonte zugleich, dass ihn nicht nur der Schmerz über das Schicksal der neuen Märtyrer von Alexandrien bewege, er sei auch in tiefer Sorge über die Situation der Christen im ganzen nahöstlichen Raum. Christen dürften nicht als Bürger zweiter Klasse behandelt werden, so Kardinal Schönborn: „Niemand soll irgendwo als Bürger zweiter Klasse angesehen werden".
Auch der Weltrat der Kirchen verurteilt das Attentat von Alexandria. Sein Generalsekretär Olav Fykse Tveit fordert die ägyptische Regierung auf, für die Achtung der religiösen Rechte der Angehörigen aller Glaubensrichtungen zu sorgen. Der Leiter der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in Kairo, Pfarrer Joachim Schroedel, ruft zu stärkerer Solidarität der Kirchen in Europa mit den christlichen Gemeinden in Ägypten auf. So sollten auch deutsche Bischöfe nicht nur zu Christen in Israel oder Palästina reisen, sondern auch einmal Gemeinden in Ägypten besuchen, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur in Kairo. Bei einem solchen Besuch könnten die Bischöfe zudem in offiziellen Gesprächen die Problematik der christlichen Minderheit im Land thematisieren. Die ägyptische Regierung müsse mehr zu deren Schutz tun. Der Seelsorger berichtete, seit dem Anschlag hätten sich einige Muslime bei ihm gemeldet und ihre Betroffenheit und Trauer über die Tat bekundet. Die Mitglieder der deutschsprachigen Gemeinde seien nicht stärker verängstigt als bislang.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker fordert den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak auf, sich für ein Ende der Diskriminierung der Kopten im öffentlichen Leben einzusetzen. Mubarak könne so ein deutliches Zeichen gegen die zunehmende Gewalt setzen, unter der die religiöse Minderheit leidet. „Mit leeren Worten der Anteilnahme werden die Kopten sich nicht beruhigen lassen", meint ein Experte des von Göttingen aus operierenden Verbandes. „Nach Jahren staatlicher Schikanierung und stillschweigender Duldung von Übergriffen wollen die Christen nun endlich konkrete Taten zur Verbesserung ihrer schwierigen Lage in Ägypten sehen." So sollten nicht nur der Bau und die Modernisierung von Kirchen erleichtert werden, auch die Religionszugehörigkeit sollte nicht länger in amtlichen Papieren ausgewiesen werden. Außerdem sollten anti-christliche Kampagnen in Schulen sowie Medien unterbunden werden, und die Kopten müssten angemessen im Parlament vertreten sein.
Bislang ist die christliche Minderheit im Abgeordnetenhaus durch Vertreter repräsentiert, die von der Regierung handverlesen sind. Präsident Mubarak hatte nach den Wahlen vom Herbst 2010 sieben Kopten als Parlamentarier ausgewählt. Ihre Ernennung wurde jedoch von führenden Vertretern der Kopten kritisiert, da sie sich nicht engagiert für die Rechte der Minderheit einsetzten.
(rv)

Ägypten: Zahl der Todesopfer erhöht sich auf 22

In Alexandria hat sich die Zahl der Todesopfer nach dem Massaker vor einer koptischen Kirche auf 22 erhöht. Einer der mehreren Dutzend Verletzten starb am Sonntag, wie die Nachrichtenagentur ansa mitteilt. Die Polizei hat sieben Menschen inhaftiert, die verdächtigt werden, für den blutigen Anschlag in der Silvesternacht verantwortlich zu sein. Die Ermittlungen konzentrieren sich derzeit auf eine ägyptische Gruppe, die sich nach dem Vorbild des Terror-Netzwerks al-Quaida organisiert hat. Seit Jahren hatte es in Ägypten keinen islamistischen Anschlag mehr gegeben. Der Zorn vieler Kopten entlud sich derweil in Straßenschlachten und Demonstrationen. International wächst die Sorge um die Sicherheit von Christen in mehrheitlich islamischen Ländern, etwa in Ägyptens Nachbarland Sudan.
 „Wir hatten mit dergleichen gerechnet, weil es immer wieder Drohungen gegen die Christen in Ägypten gab", sagt der Bischof von Assiut in Ägypten, William Kirillos. „Vor allem während der Festtage stand ein Schlag dieser Art zu erwarten. Natürlich hat das bei unseren koptischen Brüdern zu einer heftigen Reaktion geführt: Sie wollen jetzt nicht mehr in voller Form ihr Weihnachtsfest feiern" – das orthodoxe und koptische Christen erst in ein paar Tagen begehen – „und sie wollen auch keine Vertreter der Behörden empfangen."
„Ich will im Namen aller Christen und aller Katholiken der koptischen Gemeinschaft Solidarität ausdrücken", sagt im Gespräch mit uns Erzbischof Michael Fitzgerald; der frühere Dialog-Verantwortliche des Vatikans und ausgewiesene Islam-Kenner ist heute Nuntius des Papstes in Kairo. „Wir haben unser Weihnachtsfest am 25. Dezember ohne Schwierigkeiten feiern können, aber die Orthodoxen bereiten sich jetzt natürlich mit großer Sorge auf ihr Weihnachten am 7. Januar vor. Wir sollten Vertrauen in die Sicherheit im Land haben, auch wenn es natürlich sehr schwer ist, solche Attentate zu verhindern."
Imam von al-Azhar kritisiert Vatikan
Christliche und auch islamische Demonstranten wollen während der orthodoxen Weihnachtsfeiern koptische Kirchen in Ägypten mit „menschlichen Schutzschilden" umgeben. Wie Nuntius Fitzgerald hatten auch Vatikansprecher Federico Lombardi und Papst Benedikt das Attentat von Alexandria heftig verurteilt; der Papst hatte nur wenige Stunden nach der Bluttat von Rom aus die internationale Gemeinschaft eindringlich zum Schutz verfolgter Gläubiger, vor allem verfolgter Christen, aufgerufen. Das verärgerte allerdings den Imam der Kairoer Universität al-Azhar, Ahmed al-Tayyeb, der sich die „nicht hinnehmbare Einmischung" verbat. Wörtlich meinte der Vertreter der wichtigsten Universität im sunnitischen Islam: „Ich bin nicht einverstanden mit dem Standpunkt des Papstes, und ich frage: Warum hat denn der Papst nicht auch zum Schutz von Moslems aufgerufen, als diese im Irak umgebracht wurden?" al-Tayyeb hat dem koptischen Oberhaupt, Papst Shenuda III., am Sonntag einen Solidaritätsbesuch abgestattet. Demonstranten versuchten vergeblich, den Wagen des Islamführers zu blockieren. Auch Nuntius Fitzgerald hat, wie am Montag bekannt wurde, dem koptischen Oberhaupt inzwischen kondoliert.
Vatikansprecher Lombardi – er leitet den Vatikanischen Pressesaal und Radio Vatikan – hat dem Imam widersprochen. Benedikt XVI. habe doch deutlich seine Sorge „über die Folgen der Gewalt für die ganze Bevölkerung geäußert", das gelte für Christen wie Moslems. Klar ist aber, dass die ägyptische Führung jetzt stärkere Spannungen zwischen Kopten und Moslems im Land befürchtet. Die Kopten stellen etwa zehn Prozent der Bevölkerung, sie sind damit die stärkste Ortskirche in einem Land des Nahen Ostens. Immer wieder klagen sie über Diskriminierungen durch die islamische Mehrheit. (rv)