Kardinal Koch: „Benedikts geistiges Erbe wird weitergehen“

Kard_Koch„Wir waren sehr überrascht.“ Dies sagte Kardinal Kurt Koch im Gespräch mit Radio Vatikan zur Rücktrittsankündigung Benedikt XVI. an diesem Montag. Der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates war selbst beim Konsistorium anwesend und hörte die Worte Benedikt XVI. auf Latein. Mario Galgano fragte den Schweizer Kurienkardinal, was diesem bei der Ankündigung des Papstes durch den Kopf ging.

„Wir waren natürlich alle sehr überrascht. Es war ja ein normales Konsistorium angesagt zur Heiligsprechung von bestimmten Personen. Am Ende dieser Feier – das ist ja immer ein Gottesdienst – hat der Heilige Vater diese Erklärung abgegeben. Und das war für alle ein Schock.“

Wie geht es jetzt weiter? Was erwarten Sie sich von den nächsten Wochen und Monaten? Und wie wird die Arbeit in Punkto Ökumene weitergehen? Gab es schon Anfragen der verschiedenen Konfessionen?

„Die Arbeit geht weiter. Ich denke auch, dass der Heilige Vater sehr viel gewirkt hat in diesen acht Jahren und dass sein geistiges Erbe weitergehen wird. Auch die Ökumene, die ihm sehr am Herzen gelegen hat, die wird ganz sicher weiter gehen. Das ist ein Auftrag des Konzils und letztlich ein Auftrag des Herrn Jesus Christus, der darum gebetet hat, dass die Jünger eins sein sollen.“

Was steht Ihnen persönlich heute vom Menschen Benedikt XVI. vor Augen, nach so langer Zeit der Zusammenarbeit?

„Zunächst viel Dankbarkeit, weil es sehr schön ist, im Auftrag eines Papstes arbeiten zu können, der die Arbeit schätzt, der einen auch trägt und der einem auch viel Freiheit in der Ausübung dieses Amtes schenkt und immer ein gutes Wort für einen hat. Weiter bleibt auch das Wissen, dass ihm das Anliegen der Einheit sehr am Herzen gelegen hat. Dafür arbeiten zu können, war schön.“

Gab es von anderen Kirchen oder aus der jüdischen Welt Reaktionen und Kommentare, die an Sie herangetragen wurden?

„Nein, denn das ist ja erst seit kurzer Zeit bekannt. Jetzt kommen vor allem Anrufe von Journalisten. Ich nehme aber an, dass diese Reaktionen schon kommen werden, weil der Heilige Vater gerade bei den anderen Konfessionen, aber auch bei anderen Religionen – wie beispielsweise bei den Juden – hoch geschätzt wurde. Viele werden sicher diese Entscheidung mit Respekt entgegennehmen und dankbar sein für das, was der Heilige Vater getan hat.“

Was wünschen Sie Benedikt XVI. für seine persönliche Zukunft?

„Ich hoffe, dass er nun ein bisschen ruhen kann und dass er das Alter noch ein bisschen genießen kann. Und dass er das tun kann, was er noch gern tun möchte! Er wird sicher seine Liebe für die Theologie und seine Liebe für die Kirche weiter tragen, aber auf einer anderen Ebene.“ (rv)

Kardinal Sodano: Der Stern Ihres Pontifikats wird weiterstrahlen

Kardinal SodanoDie Rücktrittsankündigung von Benedikt XVI. kommt überraschend. Das Treffen mit Kardinälen – ein sogenanntes Konsistorium – galt eigentlich der Vorbereitung mehrerer Heiligsprechungen. Unmittelbar nach dem Papst ergriff Kardinal Angelo Sodano das Wort; der frühere Kardinalstaatssekretär ist der Dekan des Kardinalskollegiums.

„Heiliger Vater, geliebter und verehrter Nachfolger Petri, wie ein Blitz aus heiterem Himmel hat diese Versammlung Ihre bewegende Botschaft gehört. Wir haben sie mit Fassungslosigkeit und beinahe ungläubig gehört. In Ihren Worten haben wir die große Liebe bemerkt, die Sie immer für die heilige Kirche Gottes hatten, für diese Kirche, die Sie so geliebt hat. Jetzt erlauben Sie mir, Ihnen im Namen dieser apostolischen Versammlung, des Kardinalskollegiums, im Namen Ihrer werten Mitarbeiter, zu sagen, dass wir Ihnen näher sind denn je, wie wir es in diesen leuchtenden acht Jahren Ihres Pontifikates waren.“

Sodano erinnerte an den 19. April 2005, den Tag der Wahl von Kardinal Joseph Ratzinger zum Papst: Er habe ihn damals voller Emotion gefragt: Nimmt Du Deine kanonische Wahl zum Papst an?

„Und Sie haben, wenn auch in tiefer Bewegung, nicht gezögert, Ja zu sagen, indem Sie sich der Gnade des Herrn und der mütterlichen Fürsprache Mariens, der Mutter der Kirche, anvertraut haben. Wie Maria haben Sie damals Ihr Ja gesagt und Ihr leuchtendes Pontifikat im Zeichen der Kontinuität angetreten…, einer Kontinuität mit Ihren 265 Vorgängern auf dem Stuhl des Petrus… Heiliger Vater, bis zum 28. Februar, dem Tag, an dem Sie das Wort Ende unter Ihren Pontifikatsdienst setzen wollen, den Sie mit soviel Liebe und Demut geleistet haben, werden wir Gelegenheit haben, Ihnen unsere Gefühle noch besser auszudrücken. Auch viele Hirten und Gläubige in aller Welt werden das tun, so viele Menschen guten Willens…“

Es gebe noch „einige Gelegenheiten“ bis zum Monatsende, „um ihre väterliche Stimme zu hören“, fuhr Kardinal Sodano fort, u.a. die Aschermittwochsliturgie, die der Papst in zwei Tagen auf dem römischen Aventin feiern wird.

„Aber Ihre Mission wird weitergehen. Sie haben uns gesagt, dass Sie uns immer mit Ihrem Zeugnis und Ihrem Gebet nahe sein werden. Natürlich leuchten auch die Sterne am Himmel immer weiter, und so wird unter uns immer der Stern Ihres Pontifikats weiterstrahlen. Wir sind Ihnen nahe, Heiliger Vater – segnen Sie uns!“ (rv)

Vatikansprecher Lombardi: „Persönliche, kohärente Entscheidung“

Pater LombardiAuch Pater Federico Lombardi war überrascht: „Der Papst hat uns ein wenig überrumpelt“ – mit diesen Worten ging der Vatikansprecher an diesem Montagmittag, nur eine knappe Stunde nach der Rücktrittserklärung des Papstes, an die Presse. Benedikt XVI. hatte das öffentliche Konsistorium für einige Heiligsprechungen im Vatikan dazu genutzt, um seinen Rücktritt vor einem Großteil des Kardinalskollegiums anzukündigen.

Nachlassende Kräfte

Der Schritt des Papstes sei eine freie Entscheidung, die von großer Kohärenz zeuge, unterstrich Pater Lombardi vor dem mit Journalisten gefüllten Pressesaal des Heiligen Stuhles. Benedikt XVI. habe schon vor Jahren im Gespräch mit dem Journalisten Peter Seewald klare Rahmenbedingungen zu einem möglichen Rücktritt genannt:

„Wenn ein Papst zur klaren Erkenntnis kommt, dass er physisch, psychisch und geistig den Auftrag seines Amtes nicht mehr bewältigen kann, dann hat er ein Recht und unter Umständen auch eine Pflicht, zurückzutreten“, hatte Benedikt XVI. damals auf die Frage geantwortet, unter welchen Umständen er sich einen eigenen Rücktritt vorstellen könne.

Laut Lombardi entspringt die Rücktrittsmotivation des Papstes dem Bewusstsein des Papstes um die eigenen nachlassenden Kräfte. Dass der Papst daraus die Konsequenzen gezogen habe, sei konsequent, so Lombardi:

„Diese Motivation, diese Erklärung, scheint mir absolut kohärent damit zu sein, was der Papst im Gespräch mit Seewald (…) sagte.“

Nicht zuletzt sei die Rücktrittsankündigung auch durch die Anforderungen der modernen Welt bedingt, so der Vatikansprecher weiter. Benedikt XVI. sei zwar bewusst, dass auch „Leiden und Gebet“ zur Ausübung seines Amtes gehörten. In seiner Erklärung habe der Papst aber zum Ausdruck gebracht, dass die Kraft seines Körpers und Geistes nachlasse, mit der Folge – so Benedikt XVI. wörtlich, „dass ich mein Unvermögen erkennen muss, den mir anvertrauten Dienst weiter gut auszuführen.“ Lombardi kommentierte:

„Hier also kommen die Umstände der heutigen Welt hinzu, die im Vergleich zur Vergangenheit besonders fordernd sind, was die Schnelligkeit und die Menge der Ereignisse betrifft und die Probleme, die sich stellen – so dass es vielleicht mehr Kraft braucht als in vergangenen Zeiten, in denen die Rhythmen des Alltags weniger fordernd waren.“

Dass die zahlreichen Anforderungen an den Papst in den vergangenen Monaten Spuren hinterlassen haben, sei auch seinen engsten Mitarbeitern nicht entgangen, so Lombardi weiter:

„Das haben wir wohl auch ein wenig gemerkt, die wir seine Aktivitäten begleiten: eine größere Müdigkeit und Anstrengung als vielleicht in der Vergangenheit – obwohl er bisher perfekt alle seine Funktionen ausgeübt hat.“

Dennoch – leicht gemacht habe sich Benedikt XVI. seine Entscheidung jedenfalls nicht, betonte Lombardi:

„Der Papst sagt, er habe wiederholt sein Gewissen vor Gott erforscht. Es handelt sich also um eine persönliche, tiefe Entscheidung, die aus dem Gebet heraus vor dem Herrn getroffen wurde, von dem er seinen aktuellen Auftrag erhielt.“

Zudem habe der Papst damals im Gespräch mit Seewald unterstrichen, dass eine Kirchenkrise für ihn ganz sicher kein Rücktrittsgrund sein werde. Seewald war in dem Gespräch auf die Missbrauchsfälle eingegangen, die damals bekannt wurden – eine der großen Herausforderungen im Pontifikat Benedikt XVI. Damals sagte der Papst:

„Wenn die Gefahr groß ist, darf man nicht davon laufen. Deswegen ist das sicher nicht der Augenblick, zurückzutreten. Gerade in so einem Augenblick muss man standhalten und die schwere Situation bestehen. Das ist meine Auffassung. Zurücktreten kann man in einer friedlichen Minute, oder wenn man einfach nicht mehr kann. Aber man darf nicht in der Gefahr davonlaufen und sagen, es soll ein anderer machen.“

Dazu Pater Lombardi:

„Hier hatte der Papst also gesagt, dass die Schwierigkeiten für ihn absolut kein Grund für einen Rücktritt sind, im Gegenteil – sie sind Grund, nicht zurückzutreten.“

Die Rücktrittserklärung des Papstes entspreche voll und ganz dem Canon 332 des kirchlichen Gesetzbuches „Codex Iuris Canonici“ (CIC), nach dem der Amtsverzicht eines Papstes aus freien Stücken geschehen und von keinem erst angenommen werden muss. Der Papst hatte erklärt: „Im Bewusstsein des Ernstes dieses Aktes erkläre ich daher mit voller Freiheit, auf das Amt des Bischofs von Rom, des Nachfolgers Petri, (…) zu verzichten“. Dazu Lombardi:

„Das ist, sagen wir, die formelle Erklärung und aus juristischer Sicht wichtig. (…) Mir scheint, dass dieser Satz sagen will: Ich habe das Bewusstsein, ich habe die volle Freiheit zu dieser Entscheidung.“

Lombardi verwies an dieser Stelle noch einmal darauf, dass ab dem Zeitpunkt des offiziellen Rücktritts am 28. Februar 2013 um 20.00 Uhr die Sedisvakanz beginnt und das übliche Prozedere vor der Wahl eines neuen Papstes greift.

Wie geht es weiter?

Papst Benedikt XVI. will nach seinem Amtsverzicht in das bisherige Karmel-Kloster innerhalb der Vatikanmauern ziehen, gab Lombardi weiter an. Dort wolle er ein Leben in Gebet und Meditation führen. Bis die notwendigen Umbauarbeiten abgeschlossen seien, werde er im päpstlichen Sommersitz Castel Gandolfo wohnen, heißt es.

Die Wahl eines Nachfolgers von Benedikt XVI. wird vermutlich im Lauf des März erfolgen, so Lombardi weiter. Nach den geltenden Bestimmungen muss ein Konklave zur Papstwahl zwischen dem 15. und 20. Tag nach Beginn der Sedisvakanz beginnen. Lombardi:

„Damit dürften wir zu Ostern einen neuen Papst haben.“ (rv)

Papst Benedikt XVIl. wird zurücktreten

Papst Benedikt XVI.

Papst Benedikt XVI. ist zurückgetreten. Während des Konsistoriums an diesem Montag verlas er folgende Erklärung:

Liebe Mitbrüder!

Ich habe euch zu diesem Konsistorium nicht nur wegen drei Heiligsprechungen zusammengerufen, sondern auch um euch eine Entscheidung von großer Wichtigkeit für das Leben der Kirche mitzuteilen. Nachdem ich wiederholt mein Gewissen vor Gott geprüft habe, bin ich zur Gewißheit gelangt, daß meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben. Ich bin mir sehr bewußt, daß dieser Dienst wegen seines geistlichen Wesens nicht nur durch Taten und Worte ausgeübt werden darf, sondern nicht weniger durch Leiden und durch Gebet. Aber die Welt, die sich so schnell verändert, wird heute durch Fragen, die für das Leben des Glaubens von großer Bedeutung sind, hin- und hergeworfen. Um trotzdem das Schifflein Petri zu steuern und das Evangelium zu verkünden, ist sowohl die Kraft des Köpers als auch die Kraft des Geistes notwendig, eine Kraft, die in den vergangenen Monaten in mir derart abgenommen hat, daß ich mein Unvermögen erkennen muß, den mir anvertrauten Dienst weiter gut auszuführen. Im Bewußtsein des Ernstes dieses Aktes erkläre ich daher mit voller Freiheit, auf das Amt des Bischofs von Rom, des Nachfolgers Petri, das mir durch die Hand der Kardinäle am 19. April 2005 anvertraut wurde, zu verzichten, so daß ab dem 28. Februar 2013, um 20.00 Uhr, der Bischofssitz von Rom, der Stuhl des heiligen Petrus, vakant sein wird und von denen, in deren Zuständigkeit es fällt, das Konklave zur Wahl des neuen Papstes zusammengerufen werden muß.
Liebe Mitbrüder, ich danke euch von ganzem Herzen für alle Liebe und Arbeit, womit ihr mit mir die Last meines Amtes getragen habt, und ich bitte euch um Verzeihung für alle meine Fehler. Nun wollen wir die Heilige Kirche der Sorge des höchsten Hirten, unseres Herrn Jesus Christus, anempfehlen. Und bitten wir seine heilige Mutter Maria, damit sie den Kardinälen bei der Wahl des neuen Papstes mit ihrer mütterlichen Güte beistehe. Was mich selbst betrifft, so möchte ich auch in Zukunft der Heiligen Kirche Gottes mit ganzem Herzen durch ein Leben im Gebet dienen.

Aus dem Vatikan, 10. Februar 2013 (rv)

Weltkrankentag: Erzbischof Zimowski im Gespräch

Erzbischof Zygmunt ZimowskiAm Montag wird der XXI. Welttag des Kranken mit einer feierlichen Messe in Altötting, am Wallfahrtsort der Schwarzen Madonna, begangen. Anlässlich des Großereignisses in dem Heiligtum, das Papst Benedikt seit seiner Kindheit besonders nahe steht, hat er den Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst, Erzbischof Zygmund Zimowski, zu seinem Sondergesandten ernannt. Der diesjährige Welttag steht unter dem Motto des guten Samariters und setzt sich drei Schwerpunkte: Wissenschaft, Pastoral und Liturgie.

Bereits seit Donnerstag ist die Päpstliche Delegation in verschiedenen Diözesen Bayerns unterwegs, um sich ein Bild über die verschiedenen Pflegeeinrichtungen zu verschaffen. Eingeleitet wurde der Welttag durch eine zweitägige Konferenz, die sich dem Thema der Krankenseelsorge, aber auch der Situation der Pflegekräfte widmete. Gastgeber war die katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, einzige katholische Universität im deutschsprachigen Raum , die hochkarätige Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen und aus deutschen und polnischen Universitäten eingeladen hat, um das Thema unter einem breiten Blickwinkel zu diskutieren. Der Päpstliche Sondergesandte und seine Begleiter haben die Gelegenheit genutzt, Krankenhäuser und Altenheime zu besuchen und dort mit den Kranken zu sprechen.

Samstag und Sonntag verbrachte der Päpstliche Rat in München – er war in den Krankenhäusern von Schwabing und Großhadern. Dort wurden der Delegation das Interdisziplinäre Zentrum für Palliativmedizin und seine bahnbrechenden Ansätze zur integrativen Schmerztherapie vorgestellt. Der Vatikanvertreter und seine engsten Mitarbeiter trafen dabei mit Bischöfen aus ganz Europa, dem Heiligen Land und Madagaskar zusammen, um über die Pastoral im Krankendienst zu diskutieren.

Am Montag findet der diesjährige Welttag des Kranken mit einer Messe im Wallfahrtsort Altötting dann seinen Höhepunkt und Abschluss. Dabei ist neben den Bischöfen der drei besuchten bayerischen Diözesen auch der Päpstliche Nuntius in Deutschland, Erzbischof Jean-Claude Périsset.

Unsere Korrespondentin Christine Seuß hat vor Ort mit dem Leiter der Delegation und Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Krankenpastoral, Erzbischof Zygmund Zimowski, gesprochen.

„In der Botschaft von Papst Benedikt zum XXI. Welttag der Kranken lesen wir: Dieser Tag ist für die Kranken, für die im Krankendienst Tätigen, die Christgläubigen und für alle Menschen guten Willens ein bedeutender Moment des Gebetes, des Miteinanders, der Aufopferung und des Leidens für das Wohl der Kirche und ein Aufruf an alle, im Angesicht des Kranken das heilige Antlitz Christi zu erkennen. Es ist wirklich schön, dass der Papst uns diese drei Momente empfohlen hat, also die Reflexion, das Gebet und das Miteinandersein. Wir haben den Weltkrankentag am Donnerstag in Eichstätt mit einem Besuch im Klinikum begonnen, und am Freitag waren wir in einem Altersheim zu Besuch. Es war wirklich ein Miteinandersein für die Leidenden, zusammen mit den Ärzten und dem Pflegepersonal, und meine Mitarbeiter vom Päpstlichen Rat haben sich sehr gefreut und sie haben gesehen, dass die Menschen sehr gut gepflegt sind.“

Welche Eindrücke nehmen Sie von diesem Tag mit zurück nach Rom und zum Papst?

„Das Motto dieses Tages ist der gute Samariter, ,Geh und handle genauso‘. Wir haben so viele Vorträge gehört, wir haben uns so viele Gedanken über dieses Gleichnis gemacht, und jeder von uns sollte ein guter Samariter sein. Wir haben viele Ärzte als gute Samariter gesehen, Krankenpflegepersonal und alle, die den Menschen dienen wollen. Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Worte von Benedikt XVI. erinnern, die er am 11. Februar 2007 anlässlich des Weltkrankentages gesprochen hat: Wir müssen die Kranken die materielle und geistige Nähe der gesamten christlichen Gemeinde spüren lassen. Wir haben das gesehen, die ganze christliche Gemeinde, auch die Protestanten, kümmern sich wirklich sehr um ihre Leute, die Hilfe brauchen. Papst Benedikt hat gesagt, es ist wichtig, sie nicht in der Einsamkeit zu verlassen, während sie sich in einem so kritischen Moment ihres Lebens befinden. Er hat ganz stark betont, deswegen sind diejenigen besonders kostbar, die Geduld und Liebe, berufliche Kompetenz und menschliche Wärme in ihren Dienst einbringen. Der Papst hat auch gesagt, dass er in diesem Moment an die Ärzte, ärztliche Assistenten, Pfleger, Krankenschwestern, freiwillige Helfer, Ordensbrüder und -schwestern sowie Priester, die sich den Kranken ohne Einschränkungen widmen, wie der barmherzige Samariter, ohne Rücksicht auf die soziale Lage, Hautfarbe, Religion, sondern mit Rücksicht nur auf die Bedürfnisse im Gesicht jedes Menschen. Besonders wenn er von der Krankheit geprüft und entstellt wird, leuchtet das Antlitz Christi. Christus hat gesagt: Was ihr für einen meiner geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr für mich getan. Das ist das Programm für uns, die wir gute Samariter werden wollen.“

Was kann und wird der Päpstliche Rat tun, um dieses Bewusstsein weiter zu verbreiten?

„Unser Rat ist vor 27 Jahren von Johannes Paul II. gegründet worden, und unter den vielen Dingen, die uns beschäftigen, wollte der Papst insbesondere, dass wir enge Kontakte mit den Lokalkirchen haben sollten. Und heute sind wir nun hier in der Lokalkirche in München; gestern waren wir in Eichstätt und heute Nachmittag fahren wir in die Diözese Passau mit seinem schönen Wallfahrtsort der Schwarzen Madonna und dort werden wir intensiv für die Menschen beten, die in Not sind. Deshalb möchte ich mich bei diesen Lokalkirchen herzlich bedanken, besonders bei den Bischöfen, beim Münchner Erzbischof Kardinal Marx, und bei Bischof Schraml aus Passau, der mit uns gemeinsam das Gebet zum Weltkrankentag verfasst hat. Also noch einmal, vergelt´s Gott allen, die zum Gelingen dieses Weltkrankentages und unserer fünftägigen Reise beigetragen haben.“

Was hat Sie am meisten beeindruckt in den Tagen, die wir schon hier verbracht haben?

„Ich glaube, das waren zwei Dinge. Als wir uns Gedanken über den guten Samariter gemacht haben, das waren wirklich tiefe Gedanken, nicht nur von katholischer, sondern auch von protestantischer Seite. Und dann, das Beisammensein mit den Kranken, besonders im Altersheim St. Elisabeth in Eichstätt mit einem sehr spontanen Wortgottesdienst, wo die Menschen eigene Gebete ausgesprochen und wirklich Gefühle gezeigt haben. Die Menschen waren ganz nah beim Päpstlichen Rat und man kann sagen, das war eine gegenseitige Unterstützung.“ (rv)

Papst an Malteser: Vergeßt nie eure Wurzeln

Papst Benedikt XVI.Der Papst hat dem Souveränen Malteserorden zu seiner 900-Jahrfeier gratuliert. Im Jahr 1113 ist der Vorgänger-Verband der Malteser vom damaligen Papst Paschalis II. in einer Bulle als Orden anerkannt worden. Etwa 4.000 Mitglieder und Freunde der Malteser zogen an diesem Samstag Vormittag feierlich in den Petersdom ein, dort feierten sie eine Messe mit dem vatikanischen Kardinalstatssekretär Tarcisio Bertone. Anschließend trafen sie den Papst, der die „besondere Verbindung der Malteser zur katholischen Kirche und zum Heiligen Stuhl“ würdigte.

„Euer Orden hat sich von Anfang an durch die Treue zur Kirche und zum Nachfolger Petri ausgezeichnet. Zugleich hat er immer eine geistliche Prägung, ein hohes religiöses Ideal beibehalten. Geht auf diesem Weg weiter und bezeugt konkret die verändernde Kraft des Glaubens! Aus Glauben haben die Apostel einst alles verlassen, um Jesus zu folgen, und sind dann in die ganze Welt gegangen, um das Evangelium zu verkünden. Aus demselben Glauben haben sich im Lauf der Jahrhunderte auch die Mitglieder eures Ordens hervorgetan: Sie haben zunächst den Kranken in Jerusalem, dann bedrohten Pilgern im Heiligen Land beigestanden. Vergesst nie eure Wurzeln!“

Die Malteser unterschieden sich von anderen internationalen Hilfswerken durch ihre „christliche Inspiration“ – die dürfe beim sozialen Einsatz nicht hintan gestellt werden. Die Werke der Malteser seien „nicht einfach philantrophisch, sondern sie sind ein Zeugnis der Liebe um des Evangeliums willen“.

„Euer tägliches Leben muss durchdrungen sein von der Präsenz Jesu; wenn ihr Kranken beisteht, Einsame besucht oder Behinderten helft, dann solltet ihr das unter dem Blick Jesu tun.“

Die Malteser sind heute gleichzeitig ein katholischer Orden, eine NGO, die weltweit Suppenküchen, Krankenhäuser und Erste-Hilfe-Stationen betreibt, und eine souveräne Einrichtung, die eigene Pässe ausstellt und diplomatische Beziehungen zu 104 Staaten unterhält – obwohl sie selbst gar kein Staat ist. An der Spitze des Malteserordens steht heute Großmeister Matthew Festing, er residiert in Rom. (rv)

Italien: Kardinal Cheli verstorben

cheliDer italienische Kardinal Cheli ist heute im Alter von 94 Jahren verstorben. Cheli war 1986-1998 Präsident des Päpstlichen Rates für die Seelsorge der Migranten und Menschen unterwegs. Zum Kardinal wurde er am 21.02.1998 durch Papst Johannes Paul II. erhoben. Als Titel hatte er die Diakonie „Ss. Cosma e Damiano“ und am 01.03.2008 hatte ihn Papst Benedikt XVI. zum Kardinalpriester (pro hac Vice) ernannt. Mit seinem Tot hat das Kardinalskollegium insgesamt noch 209 Kardinäle und von diesen sind 118 Eminenzen wahlberechtigt in einem künftigen Konklave. (vh)

Schweiz: „Piusbrüder zutiefst unverantwortlich“

SchweizDer Bischof von Lausanne, Genf und Fribourg, Charles Morerod, bekräftigt seine skeptische Haltung gegenüber der Priesterbruderschaft Pius X. In einem Interview mit Radio Vatikan äußerte sich Morerod, der vor seiner Bischofsweihe einer vatikanischen Dialogkommission mit den Piusbrüdern angehörte, am Mittwoch Abend zu einem Dekret, das der Bruderschaft die Nutzung kirchlicher Räume in seinem Bistum verbietet.

„Mich wundert, dass man davon jetzt spricht, weil ich dieses Dekret veröffentlicht habe. Dabei wurde das Dekret doch im September 2011 von der Bischofskonferenz beschlossen, als ich ihr noch gar nicht angehörte! Ich fand es also schon auf meinem Schreibtisch vorbereitet, als ich Bischof wurde, und erfuhr, dass die Bischofskonferenz es jedem ihrer Mitglieder freistellte, ob sie es veröffentlichen wollten oder nicht. Der Bischof von Sion und der Abt von Saint-Maurice haben also das Dekret im Januar 2012 veröffentlicht, die Bischöfe von Basel und von St. Gallen dann im Februar 2012. Wenn man bedenkt, dass sich der Sitz der Piusbruderschaft auf dem Gelände des Bistums Basel und das Priesterseminar auf dem Gelände des Bistums Sion befinden, bin ich doch erstaunt, dass sie keinerlei Reaktion gezeigt hat, vor mehr als einem Jahr.“

Im übrigen sage das Dekret auch in Bezug auf die Piusbrüder überhaupt nichts Neues im Vergleich zu bischöflichen Richtlinien aus dem Jahr 1999. „Es gibt in dieser Hinsicht wirklich nichts Neues – überhaupt nichts Neues. Außer, dass an einer Stelle eine Aktualisierung da ist, weil man einen Text von Benedikt XVI. aus dem Jahr 2009 zitiert. Ich habe also vor der Publikation des Dekrets ein Jahr lang gewartet, weil ich erst einmal sehen wollte, wie sich der Dialog entwickelt. Und ich muss sagen: Ich war enttäuscht darüber, wie sich der Dialog entwickelte!“

Diese Enttäuschung hing vor allem mit einem Buch eines der Bischöfe der Piusbruderschaft zusammen: Es untersucht die Theologie Benedikts XVI. und wirft dem Papst mehrfach „ohne Drumherumreden“ vor, häretisch zu sein. Das sei doch „schwerwiegend“, urteilt Bischof Morerod. „Aber ich sagte mir dann: Immerhin ist das ja nicht der Generalsuperior der Piusbruderschaft, der das schreibt. Dieser – also Bischof Fellay – hatte doch die anderen Bischöfe gebeten, sich etwas versöhnlicher zu äußern. Also gab es vielleicht doch Hoffnung? Doch dann sehe ich im November 2011 den Text einer Predigt von Bischof Fellay, der u.a. erklärte: Wir können die sogenannte neue Messe nicht als erlaubt anerkennen. Da sagte ich mir: Also wirklich – das zeigt doch, dass unser Dialog nicht viel gebracht hat. Und dann meinte Fellay in derselben Predigt: Wir sind im Dialog jetzt wieder am gleichen Punkt angelangt, an dem wir um 1975 schon einmal waren. Damit behauptete er praktisch: Was wir gemacht haben, hat nichts gebracht, außer dass es womöglich die Lage sogar verschlechtert hat!“

„Ernsthafte Schwierigkeiten für die Einheit“

„Zutiefst unverantwortlich“: So findet es Bischof Morerod, was der Leiter der Piusbrüder dann im Dezember bei einem Besuch in Kanada erklärte. Es seien, so Fellay, die „Feinde der Kirche“, nämlich „Juden und Freimaurer“, die die Gespräche des Vatikans mit der Bruderschaft hintertrieben und bremsten. „Das ist zutiefst unverantwortlich, weil es eine sehr harte Kritik am Vatikan ist, sondern weil uns die Geschichte eigentlich hätte lehren müssen, dass man sich einer solchen Redeweise über die Juden besser enthalten sollte. Die Lehre des Konzils und die Besuche von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. in der römischen Synagoge, die die Piusbrüder übrigens immer kritisiert haben, zeigen ein anderes Gesicht der katholischen Kirche! Und ich möchte nicht, dass Priester, die sich als katholisch ausgeben, die katholische Messe als „schlecht“ einstufen oder die Juden Feinde der Kirche nennen, denn ich halte das für schwerwiegend.“

Und dennoch scheut sich der Westschweizer Bischof, die Priesterbruderschaft Pius X. rundweg als „schismatisch“ einzustufen. Ihre Einstufung durch die römisch-katholische Kirche sei derzeit nun einmal „nicht klar“. „Das ist nicht klar, weil die Kirche sich in ihrem Wohlwollen um ihre Annäherung bemüht. Aber wenn ein Bischof der Bruderschaft, ohne dass diese ihn dementiert, den Papst als Häretiker beschuldigt, der Generalsuperior die Eucharistie, die u.a. der Papst feiert, als „schlecht“ einstuft und erklärt, sie bringe „den Verlust des Glaubens mit sich“, dann würde ich sagen: Das schafft für die Einheit zumindest ernsthafte Schwierigkeiten!“

Morerod gibt an, er habe in seinem Bistum noch nicht mit Mitgliedern der Piusbruderschaft gesprochen. Zwar sei er zu einem Treffen bereit, aber es gebe in der Westschweiz auch gar nicht so viele Piusbrüder. Dass Gespräche mit der Bruderschaft letztlich zu ihrer Einigung mit dem Vatikan führen könnten, sieht der Bischof ausgesprochen skeptisch. Schließlich habe sich die Haltung Fellays „seit letztem Herbst noch weiter verhärtet“. „Aber wenn ich da jetzt zu pessimistisch bin – umso besser! Schließlich wäre ich der erste, der sich freuen würde, wenn sich die Dinge doch einrenken sollten. Ein Dekret wie das, was wir – ich betone: nicht nur ich, sondern wir Bischöfe – unterzeichnet haben, lässt sich ja auch wieder ändern, wenn sich die Lage ändert. Das wäre umso besser.“ (rv)

In der Engelsburg: die Tränen des Petrus

EngelsburgDen Ort dieser Ausstellung kennt jeder: Es ist die Engelsburg gleich am Tiber. Wo sich einst sieben römische Kaiser begraben ließen, wo Päpste tafelten und Gefangene im Kerker saßen, da hat ein Dorfpfarrer aus dem italienischen Nordosten auf Initiative des Päpstlichen Rates für Neuevangelisierung etwa vierzig Bilder zusammengetragen. Ihr Thema: Petrus. Der Jünger Jesu, der nicht weit von hier gekreuzigt wurde, etwa hundert Jahre vor diesem Bau.

„Wir dachten, es wäre doch das Beste, im Jahr des Glaubens keine abstrakte Definition zu geben, sondern einfach mal zu erzählen, was Glauben ist.“ Das sagt Don Alessio Geretti, der in seinem 360-Seelen-Dörfchen in Venetisch-Friaul schon viele theologisch durchwirkte Kunstausstellungen organisiert hat. Was Glauben heißt, wird hier also durchexerzitiert am Beispiel des Petrus: Ikonen, Fresken, Gemälde aus etwa tausend Jahren Kunstgeschichte. Einige Szenen sind bekannt: Petrus verleugnet Jesus, Petrus in Haft. Andere sind ungewöhnlich. „Ich glaube, dieses Gebet Jesu im Garten Getsemani ist eines der Bilder, vor dem man am längsten stehen kann. Es ist von Marcello Venusti, einem Schüler des Michelangelo, und zeigt den Moment, in dem Jesus den Petrus weckt. Sowas ist äußerst selten dargestellt worden.“ Besonders nachdenklich macht allerdings ein Ölgemälde des Guercino von etwa 1650: Die Tränen des Petrus. Der alte Apostel sitzt, mit grauem Bart und nacktem Oberkörper, an einem Tisch, blickt erschöpft gen Himmel und wischt sich mit einem Taschentuch Tränen aus den Augen. „Bewegend, anrührend“, sagt Don Alessio. „Und dann das schönste Morgengrauen der Kunstgeschichte: ein Gemälde von Eugène Burnand. Petrus und Johannes rennen zum leeren Grab Jesu, am Morgen der Auferstehung.“ Das Gemälde stammt vom Ende des 19. Jahrhunderts, es kommt aus einem Pariser Museum. Überhaupt hat der Pfarrer viele Leihgaben auch aus dem Ausland an Land gezogen, auch aus Rußland, der Schweiz, Großbritannien. Eine barocke Darstellung des Petrus im Kerker kommt aus der Gemäldegalerie von Berlin.

„Die Ausstellung soll einmal keinem Vergleich zwischen verschiedenen Kunststilen dienen, sondern sie soll Momente aus dem Leben des Petrus zeigen – und damit die verschiedenen Facetten, die der Glaube hat.“ Glaube wird nicht definiert und nicht erklärt, und trotzdem ist er hier, wie Don Alessio formuliert, „der einzige Akteur auf der Bühne“. Simon, der jüdische Name des Petrus, bedeute: der Hörende, der Jünger. In seinem ersten Namen war schon sein ganzes Schicksal vorweggenommen, sagt der Kunstpfarrer. „Wir wollen die Besucher dieser Ausstellung an die Hand nehmen, damit sie wirklich eintreten können in einzelne Szenen dieses Lebens. Darum gibt es außer den Gemälden auch Hintergrundmusik, ein Spiel mit Licht und Schatten, eine richtiggehende Dramaturgie: alles, um den Betrachter in eine große Geschichte zu verwickeln.“

Ein ungewöhnliches Ausstellungskonzept, aber es geht auf. Auch deswegen, weil die Engelsburg eine Oase darstellt im lärmigen Rom. Wer die lange Rampe aus antiker Zeit hinaufgestiegen ist, die sich durch den Hadriansbau windet und in der es noch nicht mal mehr Handy-Empfang gibt, der kommt an einen Ort der Ruhe, des Nachdenkens. Hier kann man diese vielen verschiedenen Petrusbilder auf sich wirken lassen. „Und zum Schluß laden wir den Besucher ein, auf die Loggia der Engelsburg hinauszutreten und hinüberzusehen zur Petersbasilika. Und daran denken, dass dort der Weg des Petrus ans Ende kam und gewissermaßen wieder neu angefangen hat.“

Die Ausstellung zum Glaubensjahr in der Engelsburg heißt: „Der Weg des Petrus“. Sie ist ab diesem Donnerstag für Besucher zugänglich und endet am 1. Mai. (rv)

Vatikan: Beim Vorgehen gegen Missbrauch geht „Null-Toleranz-Politik“ weiter

VatikanBeim Vorgehen gegen sexuellen Missbrauch durch Kleriker will der Vatikan seine „Null-Toleranz-Politik“ fortführen; die Sorge um die Opfer soll dabei weiter im Zentrum stehen. Das hat der neue vatikanische Missbrauchsbeauftragte Robert Oliver am Dienstagabend bei einer Konferenz in der Vatikan: Beim Vorgehen gegen Missbrauch geht „Null-Toleranz-Politik“ weiterin Rom unterstrichen. Der US-Amerikaner war vom Papst am 20. Dezember als Nachfolger von Charles Scicluna, dem „Anwalt der Gerechtigkeit“ in der römischen Glaubenskongregation, eingesetzt worden. Auf der Konferenz wurden die Akten des großen Missbrauchssymposiums vorgestellt , auf dem sich im Februar 2012 Vertreter fast aller Bischofskonferenzen der Weltkirche über Prävention und Folgen von sexuellem Missbrauch durch Kleriker austauschten.

Der Vatikan behandle jährlich etwa 600 Missbrauchsvorwürfe, gab Oliver an. Die Tendenz sei rückläufig, die meisten Fälle bezögen sich auf den Zeitraum 60er bis 80er Jahre. Der bisherige Höhepunkt sei mit 800 neuen Vorwürfen im Jahr 2004 erreicht worden, so der Kirchenanwalt. In den vergangenen drei Jahren sei die Zahl auf 600 pro Jahr zurückgegangen. Oliver lobte die internationale Missbrauchskonferenz von 2012 als wegweisend, was die Aufklärung und die Sensibilisierung für das Thema betrifft:

„Ein großes Problem war schon immer, dass man bei Vorwürfen zuerst alles verneint und zurückdrängt. Deshalb wurde mit der Konferenz von 2012 an der Gregoriana große Arbeit geleistet, weil man das Missbrauchsproblem direkt ansprach. Denn die beste Prävention besteht darin, das Problem von vornherein zu kennen bzw. zu wissen, wie es zu Missbrauch kommen könnte. Wichtig war und ist, dass alle Kirchenmitarbeiter – egal in welcher hierarchischen Position – davon Kenntnis haben.“

Eine Herausforderung für den Kampf der katholischen Weltkirche gegen Kindesmissbrauch in den eigenen Reihen sind nicht nur kulturelle Unterschiede – so ist sexueller Missbrauch in asiatischen Gesellschaften zum Beispiel weitgehend ein Tabu -, sondern auch Unterschiede in den jeweiligen Gesetzgebungen der einzelnen Länder. So gibt es in Italien und Deutschland zum Beispiel keine Anzeigepflicht, in Frankreich aber schon. Ebenso muss noch geklärt werden, wie sich die Zusammenarbeit der Kirchen und der staatlichen Behörden am besten verzahnen kann, um Missbrauch tatsächlich effektiv zu ahnden und überhaupt zu verhindern. Dazu Oliver:

„Jeder Kulturkreis hat eine andere Art, mit Missbrauch umzugehen. Es ist aber wichtig, dass wir uns regelmäßig treffen und eine internationale Konferenz durchführen. Denn wir können durchaus viel voneinander lernen. Wichtig ist immer, dass die Würde der Kinder gewahrt wird.“

In der Tat werde für die katholische Kirche die Betreuung der Opfer von Missbrauch „an oberster Stelle“ stehen, versicherte der neue „Anwalt der Gerechtigkeit“.

Vor genau einer Woche hatten der Direktor des Münchner Zentrums für Kinderschutz, Hubert Liebhardt, sowie der Leiter des Psychologischen Instituts an der Gregoriana, Jesuitenpater Hans Zollner, dem Papst die deutsche Ausgabe der Akten des letztjährigen Symposiums übergeben. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte Zollner, der einer der Hauptorganisatoren der aktuellen Missbrauchskonferenz ist:

„Für uns war die Reaktion des Papstes sehr erfreulich und herzlich. Wir haben gemerkt, dass der Heilige Vater auf dieses Thema eingegangen ist und dass er auch derjenige war, der dieses Thema als erster – nämlich als Präfekt der Glaubenskongregation – weiter verfolgt hat. Er hat sich lange vor irgendjemand anderem in der Kirche und auch in der Gesellschaft, vor über 15 Jahren, des Themas angenommen.“

Zwischenbericht zur E-Learning-Plattform
Die zweite internationale Missbrauchskonferenz an der Gregoriana findet noch bis Freitag hinter verschlossenen Türen statt. Dort sollen unter anderem die Ergebnisse des Münchner Kinderschutzzentrums „Centre for Child Protection“ vorgestellt werden. In der Einrichtung wird in Zusammenarbeit mit dem Psychologischen Institut der Gregoriana und der Kinderpsychologischen Abteilung der Uniklinik Ulm ein E-Learning-Programm zur Missbrauchsprävention entwickelt. Das Programm schult Mitarbeiter im kirchlichen Raum in Prävention und im Umgang mit sexuellem Missbrauch und wird künftig in acht Ländern auf vier Kontinenten erprobt. Außer Deutschland und Italien sind diese Argentinien, Ecuador, Ghana, Kenia, Indien und Indonesien. (rv)