Der Vatikanvertreter bei der UNO in Genf hat die Gewalt der Terrorgruppe IS kritisiert. Erzbischof Silvano Tomasi sagte am Mittwoch bei der UNO-Versammlung, dass die Taten des „Islamischen Staates" von falschen Interpretationen und Unverständnis der Religion herrühren. Eine „angemessene Antwort" der internationalen Staatengemeinschaft auf die Taten des IS sei deshalb ein „moralisches Gebot", sagte der Vatikandiplomat laut dem veröffentlichten Redeskript. Weiter ging der Ständige Beobachter des Heiligen Stuhls auf das Thema Meinungsfreiheit ein: Wenn Meinungsfreiheit zur Verletzung anderer missbraucht werde, und zwar in Form von Beleidigungen der Überzeugungen, dann sei das bereits der Beginn der Gewalt. Die Meinungsfreiheit sei ein Grundrecht, dass immer beschützt werden müsse, so Tomasi weiter. Dieses Recht impliziere jedoch den verantwortungsvollen Umgang mit den eigenen Gedanken in Bezug auf die gesamte Gesellschaft. Echte Kritik könne dann gute Ergebnisse erzielen, wenn beachtet werde, dass Personen wichtiger seien, als ihre Überzeugungen oder ihr Glauben. Der Ständige Beobachter fügte an, dass es einen umfassenden Ansatz geben müsse, damit eine friedliche Koexistenz aller basierend auf dem Respekt der Menschenrechte und der Würde jedes einzelnen ermöglicht wird. (rv)
Tag: 12. März 2015
Zwei Jahre Papst Franziskus: Das Gesicht der Kirche ändern
Frischer Wind, Zuversicht, neue Hoffnung: alles Dinge, die Papst Franziskus in die Kirche gebracht hat. So charakterisiert Kardinal Walter Kasper die zwei Jahre, die seit der Wahl Jorge Mario Bergoglios zum Papst vergangen sind. An diesem Freitag jährt sich das Konklave zum zweiten Mal. Franziskus habe eine Wende verursacht, denn aufgrund von Vatileaks und den Missbrauchsskandalen habe zuvor eine gedrückte Stimmung geherrscht. „Auffallend und erfreulich ist auch, dass er weit über die katholische Kirche hinaus Achtung und Gehör findet," so Kardinal Kasper im Interview mit Radio Vatikan. Darüber hinaus habe der Papst eine ganze Reihe von Reformen mindestens eingeleitet, Kasper nennt vor allem die Reform der Finanzinstitutionen, die schon weit gediehen sei . Außerdem wolle der Papst die Bischofssynode hervorheben und habe einen synodalen Prozess – den zum Thema Familie – begonnen. „Es ist vieles in Bewegung geraten, und ich denke, dass wir diese Bewegung brauchen. Wenn man stehen bleibt, schläft man ein", so Kasper. Bei all dem sei vor allem das umgesetzt worden, was im Vorkonklave vor über zwei Jahren dem zu wählenden Papst aufgetragen worden sei, nämlich ein mehr pastorales Selbstverständnis vor allem in die Kurie zu bringen.
„Das Entscheidende aber ist: Alle diese äußeren Reformen, so wichtig sie auch sind, setzen eine Mentalitätsreform, eine innere Erneuerung voraus, sonst versanden sie und werden unfruchtbar. Daran arbeitet er vor allem." Deswegen habe er – Kasper – auch die Ansprache des Papstes an die Kurie, in der von fünfzehn Krankheiten die Rede war, als eine Art Exerzitienvortrag zur eigenen Gewissenserforschung verstanden. „Ich denke, dass er [Papst Franziskus] es auch selber so empfunden hat."
Ein radikaler Papst
Vor einigen Wochen hat Kardinal Kasper ein Buch veröffentlicht, in dem er den theologischen und geistlichen Wurzeln Papst Franziskus nachgeht. Er betont dort, dass der Papst nicht in unser „angestaubtes Bild von progressiv und konservativ" hineinpasse. „Das ist ein in der westlichen Welt aufgekommenes Schema, das in den Modernisierungsdiskurs hinein gehört. (…) Ich würde ihn als einen radikalen Papst im ursprünglichen Sinn des Wortes verstehen, der zurück geht auf das Evangelium, die „radix", die Wurzel." Damit stelle er sich in die Tradition der großen christlichen Reformbewegungen. „Das Evangelium ernst nehmen und von da her Zukunft für die Kirche wecken", das sei der Weg, den Papst Franziskus der Kirche weise, so Kardinal Kasper.
Ein zentraler Begriff dazu sei der der Bekehrung, der häufig etwa im programmatischen Papstschreiben Evangelii Gaudium falle, auch wenn er da als „Neuausrichtung" übersetzt werde. Im Original sei aber „Bekehrung" gemeint, urteilt der deutsche Kurienkardinal. Papst Franziskus wolle eine solche Bekehrung – und spreche deswegen auch von der „Bekehrung des Papsttums".
Bei alldem setze der Papst aber vor allem fort, was seine Vorgänger begonnen hätten: Kardinal Kasper sieht keinen Bruch, auch nicht zwischen Franziskus und dem emeritierten Papst Benedikt. Der Kardinal nennt als Beispiel die Barmherzigkeit, einen der wichtigsten Begriffe des Papstes. Das gehe schon auf Papst Johannes XXIII. zurück; wichtig sei auch das geworden, was Johannes Paul II. dazu gesagt habe, und natürlich die Enzyklika Deus Caritas Est von Benedikt XVI. – all diese Akzente fänden sich nun auch bei Papst Franziskus. „In der Persönlichkeit, im Stil gibt es einen großen Unterschied, Benedikt vertritt die klassische europäische Tradition auf einem sehr hohen Niveau, Papst Franziskus kommt von der südlichen Halbkugel und ist von daher geprägt; das sind natürlich Unterschiede, die man auch nicht übergehen darf. Aber es sind Ansätze in der Methode und im Zugang, nicht in den Glaubenswahrheiten."
Wie geht es weiter mit Papst Franziskus?
„Der Papst wird weiter sein Programm abarbeiten," zeigt sich Kardinal Kasper überzeugt. „Aber was er in Evangelii Gaudium aufgestellt hat, ist ein Jahrhundertprogramm, das kann kein Papst innerhalb seiner Amtszeit abarbeiten. Sein Prinzip ist es, nicht so sehr Positionen zu besetzen als Prozesse einzuleiten, die dann nicht mehr umkehrbar sind. Das ist seine Intention." Das habe durchaus praktische Auswirkungen, wie man etwa bei den Kardinalsernennungen sehen könne: „Er will das Gesicht der Kirche verändern – nicht das Wesen – und eine neue Richtung geben." Dazu gehöre das Wahrnehmen der sozialen Probleme heute; so sei die Mehrzahl der Christen heute arm, während wir in Europa insgesamt eher in einer Überflussgesellschaft lebten. Franziskus sei also die Stimme derer, die bisher relativ wenig zu Wort gekommen seien.
Von der Synode erhoffe er sich eine gewisse Öffnung in Ehe- und Familienfragen, so Kasper. Das sei es auch, was viele praktizierende Laien von der Kirche erwarteten. Wie das genau aussehen werde, wisse er aber nicht.
Das Buch von Kardinal Walter Kasper heißt: Papst Franziskus – Revolution der Zärtlichkeit und der Liebe, Theologische Wurzeln und pastorale Perspektiven. Es ist im Verlag Katholisches Bibelwerk erschienen. (rv)
Nuntius in Syrien: Verhandlungen mit IS über Geiseln im Gang
Es wäre endlich mal eine schöne Nachricht geworden: Beinahe hätte die Terrorgruppe „Islamischer Staat" IS fast alle in der Region Hassaké in Syrien entführten Christen freigelassen. Der Deal war schon perfekt – doch dann kam etwas dazwischen, erklärt der päpstliche Nuntius in Damaskus, Erzbischof Mario Zenari. „Seit Tagen waren die Verhandlungen für die Freilassung von 52 christlichen Familien abgeschlossen, die Freilassung sollte binnen fünf Tagen grüppchenweise erfolgen. Aber bevor die letzten drei Busse, die wie immer vom IS eskortiert wurden, das vereinbarte Ziel erreichten, gerieten sie in einen Hinterhalt; und soweit ich weiß, haben sie daraufhin weitere Personen aus drei Dörfern zu Geiseln genommen, um ihren Rückzug zu decken."
Der Vertreter des Papstes in der syrischen Hauptstadt deutet an, dass jetzt wieder mit dem „Islamischen Staat" verhandelt wird. „Ich bin nicht darüber auf dem Laufenden, wie sich die Verhandlungen entwickeln. Aber ich will hoffen, dass die Vernunft siegt. Es ist nicht das erste Mal, dass Zivilisten als menschliche Schutzschilde eingesetzt werden."
Vor zwei Wochen waren über 250 Christen im Norden Syriens – am Fluss Khabur nahe der türkischen Grenze – von der Terrormiliz aus ihren Dörfern verschleppt worden; die jüngste Operation hat, bevor sie abgebrochen wurde, immerhin ein paar Dutzend Familien wieder die Freiheit verschafft. Wahrscheinlich waren es kurdische Kämpfer, die den Hinterhalt gelegt hatten. Die Nachrichtenagentur Asianews behauptet, für die Freilassung einer ersten Gruppe von 19 entführten Christen sei ein Lösegeld von umgerechnet rund 1.500 Euro je Person bezahlt worden.
Derweil geht der Bürgerkrieg in Syrien weiter, intensiv und mit wechselnden Fronten und Gruppen. „In den letzten Wochen hat sich der Konflikt verschärft – auch hier in Damaskus, mit Granateneinschlägen. In ein paar Tagen tritt Syrien, leider, ins vierte Bürgerkriegs-Jahr ein; hier steht unverändert Block gegen Block, alle Rufe nach einem Ende der Gewalt stoßen auf taube Ohren." Mit einiger Ironie kommentiert der Erzbischof von Damaskus aus, dass europäische Länder, zuletzt Großbritannien, versuchen, Dschihadisten an der Ausreise in Richtung Syrien oder Irak zu hindern. „Man könnte sagen: Da schließt man den Stall, wenn die Kühe schon alle weggelaufen sind… Aber dieser Zufluss von Dschihadisten von außen, vor allem aus dem Kaukasus und aus benachbarten arabischen Ländern, hat Syrien sehr geschadet. Diese Leute kennen nicht die Realität des Landes, auch nicht den Beitrag der Christen; den Zustrom dieser Dschihadisten zu stoppen, ist also ein dringender und nötiger Schritt." (rv)