Studie zur Familie: „Was die Gläubigen denken, ist wichtig“

DiagrammWenige Monate vor Beginn der Weltbischofssynode zu Ehe und Familie in Rom haben drei Theologiestudenten eine eigene Umfrage mit Katholiken veröffentlicht. Sie wollten mehr über das Verhältnis von kirchlicher Lehre und gelebter Praxis herausfinden, an diesem Mittwoch haben sie die Ergebnisse ihrer Umfrage in Berlin vorgestellt. Auch ein Vertreter des Vatikan, Mitja Leskovar von der Nuntiatur – also der Botschaft – des Vatikan war bei der Pressekonferenz dabei.

Die Resonanz der Umfrage dreier Theologiestudenten zum Glaubensleben der Katholiken war groß: Mehr als 12.000 Katholiken aus 42 Ländern gaben ihnen Antworten zu Themen wie dem Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, Zölibat und Diakonat der Frau. Allein aus Deutschland gab es rund 8.000 Antworten. Anna und Tobias Roth von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Sarah Delere von Freie Universität Berlin haben somit einen ehrgeizigen Beitrag zur Familiensynode im Herbst in Rom vorgelegt. Nuntiaturrat Mitja Leskovar, der den Vatikan bei der Präsentation der Studie am Mittwoch in Berlin vertrat, freut sich über so viel Engagement: „Die Studie, soviel ich gehört habe, war auch technisch gut gemacht und nach dem Kanon der Sozialwissenschaften. Die Kirche braucht ja auch die Hilfe der Wissenschaft, auch der weltlichen Wissenschaft."

Die christliche Erziehung, die kirchliche Hochzeit und der Gottesdienstbesuch stehen laut der Studie nach wie vor hoch im Kurs bei den Gläubigen. „Das ist schon wichtig zu wissen, dass diese Antworten von den Gläubigen kommen, die ganz nah in der Kirche sind und am Leben der Kirche auch aktiv teilnehmen," kommentiert Leskovar.

Eindeutig ist das Votum der befragten Katholiken für einen offeneren Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, mit dem Zölibat, mit dem Diakonat der Frau und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Eine Segnung homosexueller Paare lehnt die Mehrheit der Menschen in Südeuropa, Polen und Brasilien hingegen ab, während fast drei Viertel der deutschen Befragten sich das wünschen würden. Beim Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen herrscht hingegen Einigkeit: Von der deutlichen Ablehnung, in Deutschland knapp 90 Prozent, des Ausschlusses dieser Paare von der Kommunion weichen die Umfrageergebnisse in anderen Ländern kaum ab. Ob diese – nicht repräsentativen – Ergebnisse Einfluss auf die Beratungen der Bischöfe bei der Familiensynode haben werden? „Was die Gläubigen denken, ist ganz bestimmt sehr wichtig, ist aber nicht das einzige Element, das bei der Synode auch thematisiert wird“, schätzt Leskovar die Bedeutung der Studie ein. „Da sind auch noch die theologischen Fragen, das Bibelstudium. Aber das ist eines der Elemente, die auch wichtig sind."

Die Studenten jedenfalls wollen die Ergebnisse ihrer Umfrage mit in die Weltbischofssynode zu Ehe und Familie im Oktober tragen. Dafür habe man schon mit einem der teilnehmenden deutschen Bischöfe gesprochen, so die Studenten. Auch der Nuntiaturrat Leskovar weckt ihre Zuversicht:

„Der Papst wird diese Ergebnisse ganz bestimmt haben und auch seine Mitarbeiter in Rom werden sie auch ganz bestimmt bekommen. Und auch ganz gut durchsehen und studieren. Das ist schon klar.“

Ausgangpunkt der Studie waren die zwei päpstlichen Familienumfragen im Vorfeld der Familiensynode in diesem Herbst. Diese hatte der Papst gestartet, um zu erfahren, inwieweit die Lehre der Kirche und Lebensrealität der Gläubigen zueinanderpassen. Mit wissenschaftlicher Begleitung des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften („GESIS") und der Katholisch-Theologischen Fakultät der WWU erstellten die drei Studierenden einen eigenen 26 Punkte-Fragebogen in sieben Sprachen und waren in zwölf Ländern unterwegs.

(rv)

„Macht den ersten Schritt“ – Auf dem Jakobsweg

Jakobsmuschel„Ultreya", weiter geht's! Der Pilgerboom auf dem Jakobsweg ist noch längst nicht abgerissen. Noch immer wandern jährlich tausende Menschen durch Deutschland, die Schweiz, Frankreich bis ins spanische Santiago de Compostela. Lange bevor Hape Kerkeling sein Buch über die Pilgerreise schrieb, machten sich Monika und Reinhold Hanna von München aus auf den Weg nach Santiago. Mittlerweile haben sie mehrere Bücher und Reiseratgeber herausgegeben. Und so manche Jakobsmuschel auf dem Weg ist ihnen zu verdanken.

Der Jakobsweg zieht jährlich Tausende Menschen aus ganz Europa an – allein 2014 erhielten über 230.000 Ankömmlinge in Santiago die begehrte Pilger-Urkunde. Das fränkische Ehepaar Monika und Reinhold Hanna hat den Weg einmal zurück gelegt, mehr als 2.500 Kilometer an einem Stück. Im Alltag des Termindrucks und der Fremdbestimmung durch Arbeit bietet das Pilgern Entschleunigung, wennauch nicht gleich auf Anhieb, sondern Schritt für Schritt, wie Monika Reinhold erklärt.

„Das erste, was passiert: Man vergisst den Stress des Alltags. Wenn der Körper wehtut, die Beine wehtun, dann denke ich nicht daran, was ich im Job alles hätte anders machen müssen. Da ist also alles weg, da ist nur der Körper dran. Bei uns hat es ungefähr eine Woche gedauert, bis der Körper sich soweit erholt hat, dass dann eigentlich erst der Geist kommt. Dann ist der Körper fit, dann kommt man in die zweite Stufe. Und dann denkt man über alle Probleme nach. Erst wenn diese Phase abgeschlossen ist, dann kommt man in diese geistige Phase. Und da erst kann man alles aufnehmen, die Barockkirchen oder die schönen romanischen Kappellchen am Weg. Oder aber auch die Mitpilger, die einem irgendwas erzählen. Am Anfang ist man so mit sich selber beschäftigt."

Beim Pilgern geht es um das Wesentliche. Man steht nicht ewig vor dem Kleiderschrank und überlegt, was ziehe ich an? Auch gibt es keine große Auswahl an Tagesbeschäftigungen. Man zieht eines der beiden T-Shirts an, die man mitgebracht hat und geht los. Von morgens bis abends bewegt man sich fort, isst, macht kleine Pausen und sucht am Ende nach einer geeigneten Unterkunft. Neben diesen sehr essentiellen Dingen kommt ganz langsam, beinahe beiläufig, aber noch eine weitere Dimension hinzu, erzählt Reinhold Hanna:

„Wenn man eine längere Strecke unterwegs ist und dann zu sich selber findet, dann erst beginnt man darüber nachzudenken: Ist mein Leben eigentlich so, wie ich es haben möchte oder will ich da was ändern und was passiert da eigentlich mit mir. Das heißt, wir sind erst unterwegs vom Wanderer zum Pilger geworden und haben dann auch die Ruhe gefunden, zu überlegen, was von dem Stress, was wollen wir eigentlich und was müssen wir ändern um über die Runden zu kommen und gut leben zu können."

In der Tat laufen viele Menschen den Jakobsweg, ohne sich um die spirituelle Dimension des über tausendjährigen Pilgerpfads Gedanken zu machen und merken plötzlich, dass sich bei ihnen da etwas tut. Durch die Begegnungen mit den Menschen unterwegs, körperliche Grenzerfahrung, den Anblick einer schönen Landschaft. Jeder Pilger wird auf sich selbst zurückgeworfen:

„In der Kirche hat man meistens ein direktes Anliegen, Danke sagen oder Bitten. Während, wenn man pilgert, man zunächst mal überhaupt kein Anliegen hat. Man läuft in ein Vakuum rein, in dem man dann plötzlich zu sich selber findet und dann in eine Zwiesprache mit Gott reinkommt, die man gar nicht steuern kann."

Von München nach Santiago sind es 2.700 Kilometer. 120 Tage braucht man im Schnitt, so die Hannas. Sie machten den Weg in fünf Etappen. Damals gab es noch keine Beschilderung des Jakobswegs von München. Dem Ehepaar ist es zu verdanken, dass von München nach Bregenz heute die Jakobsmuschel den Weg weist. Von München nach Santiago kann man die Veränderungen der Landschaft und Kultur hautnah verfolgen – es ist auch eine kleine Zeitreise durch die europäische Kulturgeschichte. Vom bayerischen Barock über die französische Gotik zur spanischen Romanik. Höhepunkt für die Hannas aber war sicher die Ankunft in Santiago:

„Das kann man nicht beschreiben, wenn man monatelang auf ein Ziel zugelaufen ist.. da kommt man vorher durch einen Tordurchgang und da war galizische Musik, das dröhnt in den Ohren und man geht um die Ecke und steht vor dem Haus des Jakob. Also ich kann das Gefühl nicht beschreiben, ich sag nur, wir sind drei Tage lang in Santiago auf Watte gegangen. Und irgendwie waren wir außerhalb dieser Zeit. Und dann kommt man an und trifft alle Leute, die man unterwegs schon mal gesehen hat. Und es ist jedes Mal ein in die Arme fallen und freuen und dieses Gefühl, das vergisst man nie mehr wieder."

Ihre Eindrücke vom Münchner, Schweizer und dem Fränkischen Jakobsweg haben die beiden pensionierten IT-Fachleute in mehreren Büchern, Reiseratgebern und einem Film festgehalten. Auf ihrer Internetseite kann man sie nachlesen. Sie wollen etwas weitergeben von den Erfahrungen, die sie für sich auf diesem Weg gesammelt haben. Und von denen sie auch im Alltag immer wieder zehren können.

„Wenn wir von München aus an die Isar gehen und wir wollen uns entspannen, dann sind wir in 10 Minuten in dieser Stimmung vom Jakobsweg und können auch abrufen, was wir uns gedacht haben. Hoppla, was hast du denn da eigentlich wieder alles vermasselt oder falsch gemacht, du hattest dir doch vorgenommen, dass…Ich kann dieses entspannende Gefühl oder dieses in Meditation fallen lassen abrufen, wenn ich mir die Stimmung vom Jakobsweg wiederhole und das bereichert ungemein."

Wichtig ist für das Pilgern auf dem Jakobsweg vor allem eines, sagen die Hannas: Geduld. Geduld mit sich selbst, dem eigenen Körper und dem Weggefährten. Man sollte sich Zeit nehmen, nicht nur eine Woche oder zehn Tage, sondern an die drei Wochen, um körperlich fit zu werden und geistig wirklich abzuschalten. Erst dann kann man sich wirklich auf das Wagnis Pilger einlassen, so die beiden Experten. Ratgeber hin oder her, am Ende muss jeder Pilger selbst bestimmen, wie er seine Reise gestaltet. Am Ende nämlich zählt nur eines: Machen. „Traut euch doch, macht den ersten Schritt. Geht mal raus, nehmt euch zusammen. Macht den ersten Schritt und dann werdet ihr selber sehen." (rv)