Heiligkeit, Sakrileg – und der richtige Umgang mit der konsekrierten Hostie

cna_HostieEin Gespräch mit dem renommierten Kirchenrechtler und Salesianer Monsignore Markus Graulich.

VATIKANSTADT – Es geschieht immer wieder — zuletzt war ein Fall auf eBay Ende Januar in den Schlagzeilen: Eine dem Verkäufer nach „vom Papst gesegnete Hostie“ wurde dort angeboten und am Folgetag für 101 Euro versteigert.

Ob die Hostie nun in einer Messe konsekriert worden war – und damit der Leib Christi und keine Hostie mehr wäre – oder nur „gesegnet“, das kann nicht nachvollzogen oder bewiesen werden, jedenfalls stellt sich die Frage, was die katholische Kirche in einem solchen Fall zu tun hat und ob sich solches vermeiden ließe.

Der Verkäufer schien seriös, er hat 91,9 Prozent positive Bewertungen seiner Geschäfte und er gab an, die Hostie „gut behandelt und sehr gut gepflegt zu haben“. Die Beschreibung des Artikels ließ vermuten, dass die Hostie wohl während einer Weihnachtszelebration mit Papst Franziskus mitgenommen wurde. Offenbar ist das Verständnis der Bedeutung von Eucharistie und Kommunion zwar sogar unter Katholiken problematisch; dass es sich bei der Hostie, dem Leib Christi, um etwas Heiliges handelt, beschäftigt aber dennoch die populäre Kultur.

Jan Bentz sprach darüber mit dem Professor und Monsignore Markus Graulich SDB, Untersekretär des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte im Vatikan.

Warum ist der Verkauf einer konsekrierten Hostie ein so großer Skandal und gilt als Sakrileg?

Die konsekrierte Hostie ist der Leib Christi. „Die eucharistische Gegenwart beginnt zum Zeitpunkt der Konsekration und dauert so lange, wie die eucharistischen Gestalten bestehen. In jeder der Gestalten [Brot und Wein] und in jedem ihrer Teile ist der ganze Christus enthalten“ (Katechismus der Katholischen Kirche, 1377). Die Gegenwart Christi in der Eucharistie ist das Höchste, was die Kirche hat; deshalb sprechen wir auch vom Allerheiligsten und zeigen gegenüber den im Tabernakel der Kirche aufbewahrten eucharistischen Gestalten durch die Kniebeuge Verehrung. Eine konsekrierte Hostie zum Verkauf anzubieten, ist daher ein Akt, der den Glauben der Kirche im Innersten trifft.

Zum einen ist der Handel mit den eucharistischen Gestalten schon in sich ein verabscheuungswürdiges Verhalten, hinzu kommt noch die Tatsache, dass ein sakrilegischer Gebrauch der Gestalten nicht ausgeschlossen werden kann. Oft geht werden diese für sogenannte „schwarze Messen“ oder andere satanische Kulte verwendet. Selbst wenn es dem Verkäufer nur um den finanziellen Gewinn gehen sollte, stellt seine Tat eine notwendige Mitwirkung dar und führt zu kirchlichen Strafen. Durch die Strafe soll die Gerechtigkeit wieder hergestellt und Genugtuung geleistet werden.

Das Recht der Kirche sieht in einem solchen Vorgehen eine Straftat gegen die Religion und die Einheit der Kirche: „Wer die eucharistischen Gestalten wegwirft oder in sakrilegischer Absicht entwendet oder zurückbehält, zieht sich die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation zu“ (can. 1367 CIC). Es handelt sich also um ein Vergehen, durch das jemand sich selber außerhalb der Gemeinschaft der Kirche stellt, weil das Allerheiligste, Jesus Christus unter den Gestalten von Brot und Wein, geschändet wird.

Welche Strafe sieht die Kirche für ein solches Handeln vor?

Wie bereits gesagt tritt mit der Verunehrung der Eucharistie die so genannte Tatstrafe der Exkommunikation ein, die nur vom Heiligen Stuhl aufgehoben werden kann. Diese Strafe muss nicht eigens festgestellt werden. Um wieder mit der Kirche versöhnt zu werden, muss sich der Täter über seinen Beichtvater einer Prüfung bei der Apostolischen Pönitentiarie unterziehen (Forum internum), sollte der Fall öffentlich bekannt geworden sein bei der Glaubenskongregation (Forum externum), die dann das weitere Vorgehen bestimmen. Momentan reicht es, ein solches Vergehen bei den sogenannten Missionaren der Barmherzigkeit zu beichten, denen Papst Franziskus die Vollmacht verliehen hat, auch in diesem Fall die Lossprechung zu erteilen.

Kann man da rein zivilrechtlich etwas unternehmen? Etwa mit Blick auf Artikel 4 des Grundgesetzes, der die Religionsfreiheit sichert, oder Paragraph 166 des Strafgesetzbuches (StGB) über die „Beschimpfung von Bekenntnissen“?

Artikel 4 des Grundgesetzes schützt die Glaubensfreiheit und die ungestörte Religionsausübung, während § 166 des Strafgesetzbuches festlegt:

„(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.“

Der Verkauf einer konsekrierten Hostie stellt zwar für die Kirche eine Straftat dar, ist aber nach zivilem Recht keine Störung des öffentlichen Frieden (zumindest ist mir keine außergewöhnliche Reaktion auf den Hostienverkauf bekannt geworden). Von daher wird das zivile Strafrecht nicht greifen. Leider ist es in der Gesellschaft heute so, dass schon kleine Verunglimpfungen anderer Religionsgemeinschaften oft große Empörungen hervorrufen, während von der katholischen Kirche selbst gegenüber grober Beleidigungen Toleranz eingefordert wird.

Ist die Mundkommunion eine Möglichkeit, solchen Schändungen vorzubeugen?

In einer Instruktion der Gottesdienstkongregation vom 25. März 2004 heißt es: „Man soll … sorgfältig darauf achten, dass der Kommunikant die Hostie sofort vor dem Spender konsumiert, damit niemand mit den eucharistischen Gestalten in der Hand weggeht. Wenn eine Gefahr der Profanierung besteht, darf die heilige Kommunion den Gläubigen nicht auf die Hand gegeben werden.“ Von daher ist die Mundkommunion schon ein gewisser Schutz gegen die Verunehrung der eucharistischen Gestalten. Jeder Priester, der die Kommunion austeilt, muss darauf achten, dass sie würdig empfangen wird und vor allem, dass niemand die konsekrierte Hoste mitnimmt, um eine Verunehrung zu verhindern. Außerdem ist sicherzustellen, dass der Tabernakel nicht von Unbefugten geöffnet werden kann.

Was wäre eine Strategie, diese Art der Desakralisierung zu vermeiden?

Dazu gehören sicher die gerade erwähnten „Vorsichtsmaßnahmen“. Aber, ich würde noch weiter gehen: es geht um eine Erziehung zum Heiligen, es bräuchte eine neue Ehrfurcht vor dem Heiligen. Wenn der Wert der Eucharistie heute vielen nicht mehr klar ist, muss er neu vermittelt werden. Das fängt mit der Art und Weise der Feier der Heiligen Messe an, die in gebotener Achtung vor sich gehen soll. Auch Hinweise zum Kommunionempfang sind gerade bei Eucharistiefeiern mit zahlreichen Gläubigen angebracht. Sodann Aufmerksamkeit und Vorsicht bei der Kommunionverteilung.

Es werden oft auch Reliquien versteigert oder verkauft; ist dies auch kirchenrechtlicher Perspektive erlaubt? Warum nicht?

Auch der Handel mit Reliquien ist nicht erlaubt. Das Kirchenrecht ist da sehr klar: „Es ist verboten, heilige Reliquien zu verkaufen“ (can. 1190 CIC). Reliquien haben zwar bei Weitem nicht den Stellenwert der Eucharistie. Dennoch gehört ihre Verehrung zur Praxis des Glaubens und der Frömmigkeit. Damit darf kein Handel getrieben werden. Das gilt übrigens auch für Rosenkränze, Medaillen, usw., die vorher gesegnet wurden. (CNA Deutsch)

Bestätigt: Papstreisen in den Kaukasus

ArmenienPapst Franziskus wird Ende Juni nach Armenien reisen. Das kündigte der Vatikan an diesem Samstag offiziell an. Die Visite vom 24. bis 26. Juni komme auf Einladung des orthodoxen Patriarchen Karekin II., der Staatsspitze und der katholischen Kirche zustande. Bei einem Gottesdienst in Rom hatte der Papst im vergangenen Jahr die Armenier-Verfolgung vor hundert Jahren als „Völkermord“ bezeichnet; das hatte zeitweise zu einer Belastung der Beziehungen zwischen dem Vatikan und der Türkei geführt.

Auch eine weitere Reise von Franziskus in frühere Sowjetrepubliken im Kaukasus wurde an diesem Samstag offiziell angekündigt. Sie wird den Papst vom 30. September bis zum 2. Oktober nach Georgien und Aserbaidschan führen. Auch im Fall von Georgien und Aserbaidschan liegen Einladungen des orthodoxen Patriarchen, der staatlichen Führung und der katholischen Kirche vor.

Alle drei Kaukasus-Republiken sind nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bereits von Papst Johannes Paul II. besucht worden. Die Ortskirchen in Armenien und Georgien gehören zu den ältesten und traditionsreichsten der Welt. (rv)

Bischof Voderholzer: „Papst verzichtet auf lehramtliche Entscheidungen“

Bischof VoderholzerREGENSBURG – Bischof Rudolf Voderholzer von Regensburg hat eine erste Stellungnahme zum nachsynodalen Schreiben „Amoris Laetitia“ veröffentlicht. CNA dokumentiert den vollen Wortlaut.

Für die Zukunft der Welt und der Kirche

Mit dem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben „Amoris laetitia“ (AL) über die Liebe in der Familie schließt Papst Franziskus die synodalen Beratungen der letzten beiden Jahre zum Thema „Ehe und Familie in der Welt von heute“ ab. Er verzichtet auf lehramtliche Entscheidungen in strittigen Fällen (vgl. AL 3) und fordert eine Intensivierung der kirchlichen Begleitung von Paaren vor und nach der Eheschließung, besonders in schwierigen Situationen (vgl. AL 307). Er möchte christlichen Familien eine Hilfe anbieten, die Größe und Schönheit ihrer Ehe und ihrer Familie tiefer zu erkennen. Leitend ist die Überzeugung: „Das Wohl der Familie ist entscheidend für die Zukunft der Welt und der Kirche.“ (AL 31)

Hymne auf die von Gott geschenkte Liebe

„Amoris laetitia“ ist ein werbendes, einladendes Schreiben, eine Hymne auf die von Gott geschenkte Liebe. Es finden sich darin weder Pauschalurteile noch Pauschallösungen. Ich hoffe sehr, dass die Kapitel zwei und drei, die in neuer und frischer Weise die biblischen und lehrmäßigen Grundlagen der ehelichen Liebe erinnern, gelesen und verinnerlicht werden. Selbstverständlich nimmt der Heilige Vater besonders auch die Situationen in den Blick, wo Menschen an den Idealen zu scheitern drohen oder gescheitert sind. Es sei der Wunsch der Kirche, so der Papst, „jede einzelne und alle Familien zu begleiten, damit sie den besten Weg entdecken, um die Schwierigkeiten zu überwinden, denen sie begegnen“ (AL 200). Die zentralen Begriffe des Schreibens spiegeln dieses Anliegen wieder: Begleitung, Unterscheidung, Integration, Nähe und Reifung.

Gliederung des Schreibens

Das Schreiben ist in neun Kapitel gegliedert. Das erste Kapitel widmet sich den Grundlagen von Ehe und Familie, die in der Heiligen Schrift gelegt werden. Das zweite Kapitel betrachtet die heutige Situation der Familie. Daran knüpft der Heilige Vater einige Grundaussagen der kirchlichen Lehre über Ehe und Familie, an die er erinnern möchte. Die Kapitel vier und fünf beinhalten ein Loblied auf die Liebe, von der tagtäglich gelebten Liebe bis hin zur Frucht der Liebe in der Geburt eines Menschen. In den Kapiteln sechs und sieben bietet Papst Franziskus pastorale Perspektiven, die dem Aufbau von stabilen Familien nach dem Plan Gottes dienen sollen und Hinweise für die Erziehung der Kinder geben wollen. Das achte Kapitel beinhaltet die Fragen von Paaren und Familien, die nicht gänzlich dem Plan Gottes entsprechen. Abschließend formuliert das neunte Kapitel Leitlinien für eine Ehespiritualität.

Schwerpunktsetzung des Papstes

Zentral nennt der Heilige Vater die beiden Kapitel vier und fünf, die er besonders den Ehepaaren zur Lektüre empfiehlt (vgl. AL 6 und 7). Sie beschreiben ausgehend vom Hohenlied der Liebe (1 Kor 13) die eheliche Liebe in ihren vielfachen Facetten und Herausforderungen. Die von Gott geschenkten Kinder werden als Frucht der ehelichen Liebe angesehen. Dem Heiligen Vater ist es ein Anliegen die Lehrentwicklung der vergangenen Jahrzehnte zu bündeln. Er stellt die Kernpunkte des Zweiten Vatikanischen Konzils, der Enzyklika „Humanae vitae“ Pauls VI., der „Theologie des Leibes“ des heiligen Johannes Paul II., und der Enzyklika „Deus caritas est“ von Benedikt XVI. in einer Sprache dar, die dem Menschen ins Herzen spricht.

Besonders intensiv diskutiert:  Gender, Homosexualität und wiederverheiratete Geschiedene

Klare Aussagen finden sich hinsichtlich der Gender-Theorien (vgl. AL 56). Der Papst spricht ein klares Bekenntnis aus zur schöpfungsmäßigen Geschlechterpolarität: Der Mensch ist von Gott als Mann und Frau geschaffen. Eine eindeutige Absage erteilt der Heilige Vater in Übereinstimmung mit der Bischofssynode allen Plänen, die Verbindungen gleichgeschlechtlicher Paare der Ehe gleichzustellen. Dabei betont er erneut, dass in der Kirche und von der Kirche niemand wegen seiner homosexuellen Orientierung diskriminiert werden darf und er fordert die Familien von homosexuellen Menschen auf, sorgsam zu vermeiden […], ihn in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen“ (AL 250).

Die Betroffenen werden sich sicher fragen, was denn nun aus den Diskussionen über die Zulassung zur Kommunion von wiederverheirateten Geschiedenen geworden ist. Wie hat der Papst denn nun entschieden? Papst Franziskus ändert an der bisherigen Lehre nichts. Er schreibt „Familiaris consortio“ angesichts einer noch komplexer gewordenen Situation fort. Kardinal Lorenzo Baldisseri, der Generalsekretär der Bischofssynode sagt dazu: „AL bietet ihnen [den wiederverheirateten, geschiedenen Gläubigen] die Garantie, dass die Kirche und ihre Diener sich um ihrer und ihrer konkrete Situation annehmen. AL möchte erreichen, dass sie sich als Teil der Kirche wissen und fühlen. Sie sind – wie der Text sagt – nicht exkommuniziert (AL 243). Selbst wenn sie nicht voll am sakramentalen Leben der Kirche teilnehmen können, werden sie ermutigt, sich aktiv am Leben der Gemeinschaft zu beteiligen.“ Die Seelsorger sollen sich ihrer annehmen und mit ihnen gemeinsam einen „Weg der persönlichen Reifung“ (AL 312) gehen. Für die Kirche hält er aber auch fest: „Wichtiger als eine Seelsorge für die Gescheiterten ist heute das pastorale Bemühen, die Ehen zu festigen und so den Brüchen zuvorzukommen.“ (AL 307)

Ehe- und Familienseelsorge im Bistum Regensburg neu aufgestellt sogenannten „irregulären Situation“ befindet und diese in einem gemeinsamen Weg mit der Kirche klären will, eine im Bistum Regensburg wollen wir beides tun. Ich garantiere jedem, der sich in einer individuell abgestimmte und selbstverständlich kostenlose Beratung und Betreuung. Dies kann durch den Ortspfarrer, einen anderen Geistlichen oder durch unsere speziell geschulten Mitarbeiter in den Ehe-, Familien und Lebensberatungsstellen, die in allen Regionen des Bistums tätig sind, geschehen. Zudem hat das Bistum Regensburg bereits im Jahr 1989 die Gemeinschaft „Familien mit Christus“ als Geistliche Gemeinschaft anerkannt. Ihr geht es darum, einen Dienst für die Erneuerung und Stärkung von Ehen und Familien als Zellen geistlichen Lebens zu leisten. Seit dem vergangenen Jahr gibt es im Bischöflichen Seelsorgeamt einen eigenen Familienseelsorger, der in diesem Jahr zum ersten Mal zu einem diözesanen Familientag einlädt
– Herzliche Einladung an alle Ehepaare und Familien am 10. Juli 2016 zum Schloss Spindlhof zu kommen! –
Wir haben zwei Referentinnen angestellt, die im Rahmen des Programms „MFM – My fertility matters – Meine Fruchtbarkeit zählt“ die „Theologie des Leibes“ in die Schulen tragen. Und bereits seit den 1970er Jahren wird die Ehevorbereitung mit dem verpflichtenden Brautleutetag im Bistum Regensburg großgeschrieben und immer weiter verbessert. Hier können wir in den kommenden Jahren sicher noch einiges tun. Die beste Ehevorbereitung beginnt natürlich im Kindesalter mit einer Erziehung, die die wahre Größe der menschlichen Liebe aufzeigt.

Ich möchte schließen mit Papst Franziskus, der am Ende seines Schreibens die Vorläufigkeit der Welt und die christliche Perspektive auf die Vollendung in der Ewigkeit eröffnet, wenn er uns aufruft:
„Gehen wir voran als Familien, bleiben wir unterwegs!
Was uns verheißen ist, ist immer noch mehr.
Verzweifeln wir nicht an unseren Begrenztheiten,
doch verzichten wir ebenso wenig darauf,
nach der Fülle der Liebe und der Communio zu streben,
die uns verheißen ist.“ (AL 325) (CNA Deutsch)

Franziskus: “Keine Änderung der Lehre der Kirche, aber bessere pastorale Begleitung”

Papst FranziskusVATIKANSTADT – Katholiken, die sich staatlich haben scheiden lassen und dann eine neue Zivilehe eingegangen sind, bedürfen der vollen Glaubenslehre. Sie brauchen auch eine weise, pastorale Begleitung und Integration in der Gemeinschaft vor dem Hintergrund ihrer Situation. Sie bedürfen einer Integration, die ihnen dabei helfen kann, in ihrem Leben als Christen zu wachsen; und in Einzelfällen könne dies auch eventuell eine Zulassung zur Beichte und Kommunion bedeuten, so Papst Franziskus in seinem am heutigen Freitag veröffentlichten Schreiben „über die Liebe in der Familie“, Amoris Laetitia – wörtlich die „Freude der Liebe“.

Der Volltext ist auf der Website des Vatikan veröffentlicht.

Franziskus schreibt: „Die Hirten, die ihren Gläubigen das volle Ideal des Evangeliums und der Lehre der Kirche nahelegen, müssen ihnen auch helfen, die Logik des Mitgefühls mit den Schwachen anzunehmen und Verfolgungen oder allzu harte und ungeduldige Urteile zu vermeiden.“

Das mit großer Spannung erwartete Schreiben wurde am heutigen 8. April in italienischer, französischer, englischer, deutscher, spanischer und portugiesischer Fassung vorgestellt. Unterzeichnet bereits am Josefitag, 19. März, wurde es erst nun veröffentlicht, um eine Übersetzung in diese Sprachen zu ermöglichen.

Schlussfolgerungen der Familiensynoden

Das Schreiben des Papstes bringt die vergangenen, mit großer Spannung geführten, Familiensynoden zum Abschluss. Diese hatten sich mit großem Aufwand, darunter Fragebogen-Aktionen, dem Thema Ehe und Familie gewidmet. Dabei waren in den Jahren 2014 und 2015 hunderte Bischöfe nach Rom gekommen.

Während weltliche Medien in Deutschland wie anderen westlichen Ländern sich fast ausschließlich auf Fragen von Minderheiten konzentrierten — insbesondere der Umgang mit Homosexualität und geschiedene Wiederverheirateten, die zur Kommunion zugelassen werden wollen —, waren die tatsächlich besprochenen Themen viel breiter und betrafen unter anderem auch Phänomene wie Inzest, Gewalt und Missbrauch in der Familie, und eine bessere Ehevorbereitung.

Das in seiner deutschen Fassung knapp 190 Seiten umfassende Werk — das offiziell eine apostolische Exhortation ist — spannt den Bogen noch weiter: Der Papst verweist auch auf Aspekte, welche die Ehe und Familie gefährden, darunter die bereits mehrfach verurteilte Gender-Ideologie, Migration, Armut und Ausbeutung, sowie ein nachhaltiges Wirtschaften und Erhalten der Schöpfung.

Dabei reflektiert Franziskus auch die Familie aus biblischer Sicht, und widmet sich dem Thema der Sexualität: Er würdigt das Zeugnis von Jungfräulichkeit ebenso wie die Gefahr von Pornographie in einer medialisierten Gegenwart; und betont in einem großen Abschnitt die Wichtigkeit der Erziehung von Kindern, die Aufgabe der Eltern sei, vor allem in der Vermittlung des christlichen Glaubens.

Mit Großherzigkeit für die unauflösbare Ehe

In einer Welt, in welcher die Achtung der Ehe verloren gegangen sei und Menschen oft eine Heirat vor sich her schieben würden, müsse die Kirche aufsprechen:

„Als Christen dürfen wir nicht darauf verzichten, uns zugunsten der Ehe zu äußern, nur um dem heutigen Empfinden nicht zu widersprechen, um in Mode zu sein oder aus Minderwertigkeitsgefühlen angesichts des moralischen und menschlichen Niedergangs“, schreibt Franziskus.

Gleichzeitig stimme es, „dass es keinen Sinn hat, bei einer rhetorischen Anprangerung der aktuellen Übel stehen zu bleiben, als könnten wir dadurch etwas ändern. Ebenso wenig dient es, mit der Macht der Autorität Regeln durchsetzen zu wollen“, so der Papst.

Uns kommt ein verantwortungsvollerer und großherzigerer Einsatz zu, der darin besteht, die Gründe und die Motivationen aufzuzeigen, sich für die Ehe und die Familie zu entscheiden, so dass die Menschen eher bereit sind, auf die Gnade zu antworten, die Gott ihnen anbietet.

Der Papst lobt und unterstreicht die Unauflösbarkeit der Ehe, die nicht als „Joch“ sondern als „Geschenk“ zu verstehen sei: „Auf diese Weise zeigt Jesus, wie Gottes Entgegenkommen den Weg der Menschen immer begleitet, die verhärteten Herzen mit seiner Gnade heilt und verwandelt und sie über den Weg des Kreuzes auf ihren Ursprung hin ausrichtet.“

„Barmherzigkeit und pastorale Unterscheidung“

Die Scheidung sei ein Übel und die steigende Zahl von Scheidungen sei verstörend, so Franziskus. „Zugleich müssen ‘nicht wiederverheiratete 259 Geschiedene, die oft Zeugen der ehelichen Treue sind, […] ermutigt [werden], in der Eucharistie die Nahrung zu finden, die sie in ihrer Lebensform stärkt. Die Gemeinde vor Ort und die Hirten müssen diese Menschen fürsorglich begleiten, vor allem wenn Kinder vorhanden sind, oder sie unter schwerer Armut leiden’“, zitiert Franziskus den Schlußbericht der Synode.

Schon in der Einleitung seines Schreibens betont der Papst, er wolle zur Barmherzigkeit und zur pastoralen Unterscheidung“ einladen, „angesichts von Situationen, die nicht gänzlich dem entsprechen, was der Herr uns aufträgt“. Diesen, also Katholiken, die sich staatlich haben scheiden lassen und erneut heirateten, aber auch Paare, die zusammenleben, ohne geheiratet zu haben, widmet sich das achte Kapitel der Exhortation. In diesem Abschnitt, in dem der Papst die Kirche erneut als „Feldlazarett“ beschreibt, ermutigt er zu einer besseren Integration dieser Gläubigen — ohne dabei die anderen in der Gemeinde zu skandalisieren.

Was die Geschiedenen in neuer Verbindung betrifft, ist es wichtig, sie spüren zu lassen, dass sie Teil der Kirche sind, dass sie „keineswegs exkommuniziert“ sind und nicht so behandelt werden, weil sie immer Teil der kirchlichen Communio sind. Diese Situationen „verlangen eine aufmerksame Unterscheidung und von großem Respekt gekennzeichnete Begleitung, die jede Ausdrucksweise und Haltung vermeidet, die sie als diskriminierend empfinden könnten. Stattdessen sollte ihre Teilnahme am Leben der Gemeinschaft gefördert werden. Diese Fürsorge bedeutet für das Leben der christlichen Gemeinschaft keine Schwächung ihres Glaubens und ihres Zeugnisses im Hinblick auf die Unauflöslichkeit der Ehe. Im Gegenteil, sie bringt gerade in dieser Fürsorge ihre Nächstenliebe zum Ausdruck“.

Dazu müsste zudem die Zugänglichkeit und der Ablauf von Anerkennungen der Nichtigkeit einer Ehe verbessert werden, hätte „ein großer Teil der Synodenväter“ unterstrichen, so Franziskus, und betont auch: „Zugleich müssen ‘nicht wiederverheiratete Geschiedene, die oft Zeugen der ehelichen Treue sind, […] ermutigt [werden], in der Eucharistie die Nahrung zu finden, die sie in ihrer Lebensform stärkt. Die Gemeinde vor Ort und die Hirten müssen diese Menschen fürsorglich begleiten, vor allem wenn Kinder vorhanden sind, oder sie unter schwerer Armut leiden.’“

Mehrfach verweist Franziskus auf die, welche am meisten unter Scheidungen und deren Komplikationen leideten: Die Kinder. Die Kirche müsse die Stimme dieser sein, denn sie seien die Schwächsten.

Mit Blick auf eine Eingliederung der Menschen, die objektiv in schwerer Sünde leben, argumentiert der Papst, einerseits, dass es eine graduale Hinführung geben müsse für jene „Menschen, die nicht in der Lage sind, die objektiven Anforderungen des Gesetzes zu verstehen, zu schätzen oder ganz zu erfüllen“ — damit auch sie „stufenweise“ wachsen und lernen könnten, sittlich gut zu leben und handeln.

„Mildernde Umstände“ statt „weiß oder schwarz“

Gleichzeitig argumentiert der Papst aber auch, da der „Grad der Verantwortung“ in vielen Fällen völlig unterschiedlich sein könne, und die, so wörtlich, „mildernden Umstände“ in Betracht gezogen werden müßten:

„Aufgrund der Bedingtheiten oder mildernder Faktoren ist es möglich, dass man mitten in einer objektiven Situation der Sünde – die nicht subjektiv schuldhaft ist oder es zumindest nicht völlig ist – in der Gnade Gottes leben kann, dass man lieben kann und dass man auch im Leben der Gnade und der Liebe wachsen kann, wenn man dazu die Hilfe der Kirche bekommt.“

Diese Erklärung wiederum ergänzt der Papst mit der Wahrnehmung:

In dem Glauben, dass alles weiß oder schwarz ist, versperren wir manchmal den Weg der Gnade und des Wachstums und nehmen den Mut für Wege der Heiligung, die Gott verherrlichen.

Vor diesem Hintergrund dann argumentiert der Papst, was Gegenstand zum Teil scharf geführter Debatten war: „In gewissen Fällen könnte es auch die Hilfe der Sakramente sein“ schreibt Franziskus in Fußnote 351, und zitiert dabei aus seiner Enzyklika Evangelii Gaudium, „dass die Eucharistie ‘nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen’“ sei.

Warnung vor „kalter Schreibtisch-Moral“

Der Papst warnt davor, sich gegen eine solche Haltung zu stellen, und so „im Reden über die heikelsten Themen eine kalte Schreibtisch-Moral zu entfalten“. Es wäre, schreibt Franziskus, „kleinlich, nur bei der Erwägung stehen zu bleiben, ob das Handeln einer Person einem Gesetz oder einer allgemeinen Norm entspricht oder nicht, denn das reicht nicht aus, um eine völlige Treue gegenüber Gott im konkreten Leben eines Menschen zu erkennen und sicherzustellen.“

„Ein Hirte“, so Franziskus, dürfe sich deshalb:

nicht damit zufrieden geben, gegenüber denen, die in „irregulären“ Situationen leben, nur moralische Gesetze anzuwenden, als seien es Felsblöcke, die man auf das Leben von Menschen wirft. Das ist der Fall der verschlossenen Herzen, die sich sogar hinter der Lehre der Kirche zu verstecken pflegen, „um sich auf den Stuhl des Mose zu setzen und – manchmal von oben herab und mit Oberflächlichkeit – über die schwierigen Fälle und die verletzten Familien zu richten.“

Zum Abschluss des achten Kapitels wendet sich der Papst an die Gläubigen, „die in komplexen Situationen“ leben. Er lade sie ein, vertrauensvoll auf ein Gespräch mit ihren Hirten oder mit anderen Laien zuzugehen, die ihr Leben dem Herrn geschenkt haben.

Nicht immer werden sie bei ihnen die Bestätigung ihrer eigenen Vorstellungen und Wünsche finden, doch sicher werden sie ein Licht empfangen, das ihnen erlaubt, ihre Situation besser zu verstehen, und sie werden einen Weg der persönlichen Reifung entdecken. Und ich lade die Hirten ein, liebevoll und gelassen zuzuhören, mit dem aufrichtigen Wunsch, mitten in das Drama der Menschen einzutreten und ihren Gesichtspunkt zu verstehen, um ihnen zu helfen, besser zu leben und ihren eigenen Ort in der Kirche zu erkennen.“ (CNA Deutsch)

Amoris Laetitia: Kommentiertes Inhaltsverzeichnis

CNA_FranziskusWas den Aufbau des Dokumentes angeht, empfiehlt es sich, den Papst selber zu Wort kommen zu lassen, die direkten Zitate stammen alle aus AL 6: „Beim Aufbau des Textes werde ich mit einer von der Heiligen Schrift inspirierten Eröffnung beginnen, die ihm eine angemessene Einstimmung verleiht“. Der Papst meditiert zuerst Psalm 128, um im Licht des Wortes Gottes auf die Familie zu schauen. Schon dort wird die Vielgestaltigkeit und Vieldimensionalität des Themas deutlich.

Bodenhaftung

„Von da ausgehend werde ich die aktuelle Situation der Familien betrachten, um „Bodenhaftung“ zu bewahren“, so Papst Franziskus weiter: Nach einer Hinführung, weswegen die Betrachtung der Wirklichkeit entscheidend ist, schaut der Papst auf Situationen und Herausforderungen.

„Danach werde ich an einige Grundfragen der Lehre der Kirche über Ehe und Familie erinnern, um so zu den beiden zentralen Kapiteln zu führen, die der Liebe gewidmet sind“. Hier geht es zunächst um das, was die Kirche lehrt, aber immer auch um den Blick auf die geeignete Pastoral. Dann greift der Papst im ersten der beiden Zentral-Kapitel noch einmal auf die Bibel zurück, und zwar auf das Hohelied der Liebe im 1. Korintherbrief. Damit legt er die Liebe in all ihren Dimensionen aus, auch unter Zuhilfenahme von etwa Martin Luther King. Weil mit der Barmherzigkeit ein Schlüssel zum Verstehen der christlichen Botschaft gegeben ist, ist dieses Kapitel aber mehr als nur ein Sprechen über die Liebe, es handelt auch davon, mit welcher Haltung an die Themen von Ehe und Familie heran zu gehen hat. Über die Bibel hinaus geht es auch um das Altern, die Verliebtheit und um die erotische und die emotionale Seite der Liebe. Anschließend geht es um die Weitergabe des Lebens und um verantwortete Elternschaft.

Pastorale Wege

„In der Folge werde ich einige pastorale Wege vorzeichnen, die uns Orientierung geben sollen, um stabile und fruchtbare Familien nach Gottes Plan aufzubauen“, es geht um ganz Praktisches, aber auch um Reflexionen zur geistlichen Dimension der Feier der Trauung, zur Begleitung in Krisen und komplexen Situationen bis hin zur Frage des Todes eines geliebten Menschen.

„In einem weiteren Kapitel werde ich mich mit der Erziehung der Kinder beschäftigen,“ ein Thema, das bei den Synodenversammlungen kaum zur Sprache kam, das aber dem Papst sehr wichtig ist.

„Danach geht es mir darum, zur Barmherzigkeit und zur pastoralen Unterscheidung einzuladen angesichts von Situationen, die nicht gänzlich dem entsprechen, was der Herr uns aufträgt“. Hier werden diejenigen Themen angesprochen, die im Vorfeld und während des synodalen Prozesses für die meisten Kontroversen gesorgt haben, der Papst tut das unter der Überschrift ‚Begleiten, unterscheiden und eingliedern“.

„Und zum Schluss werde ich kurze Leitlinien für eine Spiritualität der Familie entwerfen,“ den Abschluss der Exhortation bildet ein Gebet. (rv)

Amoris Laetitia: Die sechs zentralen Punkte

Papst FranziskusIch „empfehle nicht, es hastig ganz durchzulesen“: Papst Franziskus legt dem schnellen Interesse Zügel an, gleich zu Beginn des Dokumentes Amoris Laetitia (7) erklärt er, warum der Text so umfangreich geworden ist, und warnt vor einem zu schnellen Suchen und Lesen. Um sich aber in diesem, wie der Papst sagt, umfangreichen Text orientieren zu können, geben wir hier einen Überblick über die wichtigsten Punkte der Apostolischen Exhortation.

1. Nicht immer nur Rom

„Nicht alle doktrinellen, moralischen oder pastoralen Diskussionen (müssen) durch ein lehramtliches Eingreifen entschieden werden“ (AL 3). Gleich zu Beginn gibt der Papst einen der Schlüssel für den Umgang mit der Wirklichkeit an: Lösungen kommen nicht ausschließlich ‚von oben’. Dahinter steht die Idee der Inkulturation, das heißt, vor Ort können Lösungen anders aussehen als im Nachbarland oder in einem anderen Kulturkreis, weil die Umstände andere sind.

2. Realismus

Es sind „Urteile zu vermeiden, welche die Komplexität der verschiedenen Situationen nicht berücksichtigen“. Dem Papst geht es um den Blick auf die Wirklichkeit, nicht auf das Ideal. Ohne Aufmerksamkeit für die Realität kann man weder die Bedürfnisse der Gegenwart noch den Ruf des Heiligen Geistes verstehen, heißt es im Text. Realismus helfe dabei, „ein allzu abstraktes theologisches Ideal der Ehe (…), das fast künstlich konstruiert und weit von der konkreten Situation und den tatsächlichen Möglichkeiten der realen Familien entfernt ist“, zu vermeiden (AL 36). Idealismus führt dazu, dass die Ehe nicht als das gesehen wird, was sie ist, nämlich ein „dynamischer Weg der Entwicklung und Verwirklichung“ (AL 37).

3. Es geht um Liebe

Das zentrale Kapitel – wie der Papst es bezeichnet – ist das Kapitel über die Liebe, wobei der Papst das Wort „amor“ benutzt, nicht das der Nächstenliebe nähere Wort „caritas“. Es geht um alle Aspekte der Liebe, von Verlässlichkeit und Hingabe über Leidenschaft und Erotik bis zum Wandel im Alter und zum Tod. Sexualität zum Beispiel wird „als eine Teilhabe an der Fülle des Lebens in seiner (Christi) Auferstehung erlebt“, es herrscht ein positiver Grundton vor. Der Papst betont, dass „im Wesen der ehelichen Liebe selbst die Öffnung auf die Endgültigkeit hin vorhanden ist“ (AL 123), und zwar in der ganzen Weite der Ehe, im „Miteinander von Wonnen und Mühen, von Spannungen und Erholung, von Leiden und Befreiung, von Befriedigung und Streben, von Missbehagen und Vergnügen“ (AL 126).

4. Eingliederung aller

„Es geht darum, alle einzugliedern; man muss jedem Einzelnen helfen, seinen eigenen Weg zu finden, an der kirchlichen Gemeinschaft teilzuhaben, damit er sich als Empfänger einer unverdienten, bedingungslosen und gegenleistungsfreien Barmherzigkeit empfindet“ (AL 297). Pastoral ist nicht einfach die Umsetzung von Regeln in die Praxis, sie muss vom Einzelnen in seiner jeweiligen Situation ausgehen. Die Perspektive dazu ist die, alle – dieses Wort betont der Papst – zu integrieren.

5. Das Gewissen

„Wir sind berufen, die Gewissen zu bilden, nicht aber dazu, den Anspruch zu erheben, sie zu ersetzen“ (AL 37). Zu einer Erwägung im Gewissen gehören der Blick auf die Lehren Christi und auf die Tradition der Kirche, zu leichte und zu harte Lösungen gleichermaßen sind Verrat an der konkreten Lebenssituation. Außerdem ist aber der Einzelne zu respektieren, im Gewissen ist er allein mit Gott. Das erklärt auch, weshalb das Dokument keine neuen Regeln vorgibt: „Wenn man die zahllosen Unterschiede der konkreten Situationen (…) berücksichtigt, kann man verstehen, dass man von der Synode oder von diesem Schreiben keine neue, auf alle Fälle anzuwendende generelle gesetzliche Regelung kanonischer Art erwarten durfte. Es ist nur möglich, eine neue Ermutigung auszudrücken zu einer verantwortungsvollen persönlichen und pastoralen Unterscheidung der je spezifischen Fälle“ (AL 300).

6. Wider das öffentliche Gezerre

„Die Debatten, wie sie in den Medien oder in Veröffentlichungen und auch unter kirchlichen Amtsträgern geführt werden, reichen von einem ungezügelten Verlangen, ohne ausreichende Reflexion oder Begründung alles zu verändern, bis zu der Einstellung, alles durch die Anwendung genereller Regelungen oder durch die Herleitung übertriebener Schlussfolgerungen aus einigen theologischen Überlegungen lösen zu wollen“ (AL 2). Dem Papst ist bewusst, was für einen Begleitlärm die Synode hatte, innerkirchlich und auch medial. Bereits in seinen beiden Abschlussreden hatte er das kritisiert, in Amoris Laetitia benennt er diesen Umstand noch einmal deutlich. Hinter der Kritik steckt auch eine Aufforderung: nicht hektisch zu lesen, nicht die Debatte zu überspitzen, sondern ruhig und betrachtend die einzelnen Themen und Teile des Textes durchzugehen. (rv)

Schönborn: „Es geht um die Freude an der Familie“

Kardinal SchönbornDer Wiener Kardinal Christoph Schönborn hat am Freitag das Nachsynodale Apostolische Schreiben „Amoris Laetitia“ von Papst Franziskus vorgestellt. Es ist der Schlusspunkt eines Prozesses, den Papst Franziskus mit einem Kardinalskonsistorium begonnen hat, darauf folgten zwei Versammlungen der Bischofssynode. Schönborn hat den gesamten Prozess begleitet, war Leiter des deutschsprachigen Zirkels bei der Synode. Mit unserem Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord sprach Schönborn über das Schreiben von Franziskus und die Schlüsse, die man daraus ziehen kann.

RV: Kardinal Schönborn, Sie waren bei beiden Synoden dabei, haben das Dokument studiert, vorgestellt. Was ist das eine Ergebnis, das man über das Dokument und damit auch über den Ausgang des synodalen Prozesses wissen muss?

Schönborn: „Die Freude an der Familie, die Freude an der Ehe. Ein grundpositives Wort, ein grundpositives Dokument über die unaufgebbar und unzerstörbar positive Kraft von Ehe und Familie. Das ist glaube ich die Kernbotschaft. Es ist ein großes Ja zur Liebe, wie sie gelebt wird in Ehe und Familie. Und es ist ein großes Ja zur Hoffnung, dass dieses Ideal möglich ist, auch wenn es im Alltag über viele Schwierigkeiten und Mühen geht – aber noch wichtiger, das ist für mich die Kernbotschaft dieses Schreibens, ist die Freude daran.“

RV: Ich vermute, ich liege nicht ganz falsch, wenn ich sage, die meisten Menschen erwarten sich dann doch etwas anderes. Es sind ja viele Diskussionen geführt worden über wiederverheiratete Geschiedene und ihr Zugang zur Kommunion. Das ist glaube ich das Stichwort dafür, und dazu steht nichts im Dokument. Da wird es Enttäuschung geben. Was sagen Sie diesen Menschen?

Schönborn: „Lest das Dokument. Manche Enttäuschungen entstehen dadurch, dass wir auf einen bestimmten Punkt hinschauen und völlig fixiert sind und nicht das Wunderbare sehen, was rund herum ist. Und was eigentlich auch die Antwort auf diesen einen Punkt gibt. Ich denke, eine vor allem in unserem Sprachraum, aber auch unter vielen Theologen viel zu einseitig auf eine Frage hin konzentrierte Aufmerksamkeit bei diesen Synoden und jetzt bei diesem abschließenden Dokument des Papstes birgt in sich die Gefahr, dass man blind wird für den ganzen Reichtum des Themas. Ich denke, dem wollte Papst Franziskus entgegenwirken, indem er zuerst einmal von der Schönheit und Lebendigkeit von Ehe und Familie gesprochen hat. Ich kann nur daran erinnern und darum bitten, lest das Kapitel 2,3,4 und 5, die zentralen Kapitel des Textes. Ich weiß schon, die meisten stürzen sich sofort auf das 8. Kapitel.

Ich gestehe, ich habe auch gleich einmal dort hingeschaut, ja, das gebe ich zu. Weil das die kontroversen und diskutierten Themen sind. Aber das ist eine alte Regel für den Umgang mit Problemen. Man kann auch in eine Problemtrance geraten, indem man dann so fokussiert ist auf einen Punkt, dass man das Ganze nicht mehr sieht. Mir hat Papst Franziskus einmal in einem Gespräch gesagt: Es ist eine Falle – diese Verengung auf die Frage, ob sie zur Kommunion gehen dürfen oder nicht, ist eine Falle. Wir können gerne dann über das sprechen, was der Papst und die Synode dazu zu sagen haben, aber ich lade wirklich ganz herzlich dazu ein, lesen Sie besonders das 4. Kapitel über die Freude an der Liebe, wo Papst Franziskus das große Kapitel 13 des 1. Korintherbriefs auf Ehe und Familie hin auslegt. Und das ist die christliche Kernbotschaft. Natürlich muss man das ernst nehmen, diese Fragen stehen im Raum: ‚Wie steht das mit denen, deren Beziehung gescheitert ist?‘ Und Papst Franziskus macht klar: In gewisser Weise zeigt sich an diesen Fragen, wie weit es der Kirche gelingt, die Botschaft der Barmherzigkeit glaubwürdig zu leben. Und darum hat Papst Franziskus etwas gemacht, was die Synode bereits vorbereitet hat. Und was er sehr viel deutlicher herausarbeitet: Das sogenannte ‚discernimento‘, die Unterscheidung. Seine Einladung ist: Hinschauen, konkret auf die Lebenssituation der Betroffenen eingehen, sie begleiten. Und sehen, wo es Positives gibt, wo es gutes Bemühen gibt. Wo es Ansätze eines Wachstums, eines Fortschritts im Guten gibt. Und nicht von vorne herein nur zu urteilen, oder gar zu verurteilen.“

RV: Ist das das, was einige als geöffnete Tür in Richtung Reform oder Modernisierung bezeichnen würden?

Schönborn: „Ich glaube, diese Tür war nie geschlossen, aber manche haben sie so interpretiert, als wäre sie geschlossen. Es gab und gibt immer wieder die Versuchung, die Papst Franziskus ‚Bianco o nero‘, Schwarz oder Weiß nennt. Nach dem Motto: Es gibt nur zwei Möglichkeiten, alles oder nichts. Er als guter Jesuit ist bei Ignatius in die Schule gegangen. Der Heilige Ignatius führt in seinen Exerzitien dort hin, hinzuschauen und zu –horchen: Was ist der Wille Gottes in dieser Situation. Was sagt mir Gott in dieser konkreten Situation? Wie wirkt er? Wohin zieht er und führt er mich? Und deshalb sagt er ganz klar – das ist sicher ein Schlüsselsatz dieses Dokumentes – man darf weder von den beiden Synoden noch von diesem Dokument eine neue kirchenrechtliche Norm erwarten, die für alle Fälle passt.

Manche haben sich eine solche Norm erwartet, eine Art Generalregelung. Da hat er ein klares Nein gesagt. Fügt aber dann gleich hinzu: aber es geht um ein behutsames, aufmerksames Hinschauen und Begleiten in einzelnen Fällen. Das ist sehr viel anspruchsvoller. Er sagt ja auch, manche hätten am liebsten eine genaue Regel, die sie genau anwenden können. Da brauchen sie gar nicht hinzuschauen, wie es den Menschen wirklich geht. Auf der anderen Seite sagt er, manche machen es sich zu leicht, indem sie einfach überall Ausnahmen sehen und genehmigen und durchgehen lassen, ohne sich die Mühe zu machen, genauer hinzuschauen.

Und da darf ich schon mit einer gewissen Freude und Dankbarkeit sagen, dass unsere Arbeit im deutschsprachigen Zirkel bei der zweiten Synode vom Schlussdokument der Synode ganz übernommen worden ist. Und jetzt von Papst Franziskus noch einmal bestätigt, übernommen und vertieft worden ist. Nämlich Kriterien der Unterscheidung. Wie kommen wir als Seelsorger, aber auch als Betroffene zu einer wirklichen Gewissensentscheidung. Dazu braucht es Kriterien. Im deutschsprachigen Zirkel haben wir eine Reihe solcher Kriterien genannt. Die finden Sie jetzt auch im Schlussdokument des Heiligen Vaters. Damit die Seelsorger mit den Betroffenen gemeinsam einen Weg der Unterscheidung, der Umkehr, der Bekehrung und der Integration in das Leben der Kirche gehen.

Das ist ein Schlüsselwort wiederum des päpstlichen Schreibens: Integration. Nicht Exklusion, nicht Ausschluss, sondern Einschluss. Und wie dieser Einschluss aussehen kann, das ist nicht von vorne herein am ersten Tag schon alles klar auf dem Tisch. Dazu gibt es auch nicht eine Generalnorm, sondern das ist ein Weg. Und auf diesem Weg braucht es Etappen und auf diesen Weg muss man sich einlassen. Und ich nenne nur eine dieser Etappen, die vielleicht am meisten vergessene, aber für das Leben oft am schmerzlichsten spürbare, das ist die Frage an Menschen, die in neuen Partnerschaften leben, die eine Ehe verlassen haben oder deren Ehe zerbrochen ist, die Frage: ‚Wie seid ihr mit euren Kindern umgegangen?‘ Papst Franziskus hat darüber zwei wunderbare, rührende Katechesen gehalten. ‚Schaut auf die Kinder. Wie geht es den Kindern? Habt ihr euren Rosenkrieg, euren Konflikt auf dem Rücken eurer Kinder ausgetragen? Habt ihr sie zu Geiseln in eurer Feindschaft gemacht? Haben die Kinder das austragen müssen?‘ Das ist das erste Unterscheidungskriterium, das wir im deutschsprachigen Zirkel genannt haben, das jetzt im päpstlichen Dokument steht und dann eine ganze Reihe anderer Kriterien, an denen man messen kann, wo Menschen, deren Partnerschaft oder Ehe zerbrochen ist, die in einer neuen Beziehung leben, wo sie wirklich stehen.

RV: Das Dokument ist das Ende eines synodalen Prozesses, den Papst Franziskus mit einem Kardinalskonsistorium begonnen hat und dann zwei Versammlungen der Bischofssynode. Sie waren überall dabei, von Anfang bis zum Schluss. Wie bewerten Sie in der Rückschau diesen Prozess. War das ein Paradebeispiel für Synodalität? Oder war das eher noch eine Experimentierphase?

Schönborn: „Ich glaube Papst Franziskus hat hier etwas gezeigt, was zum Wesen der Kirche gehört: ihre Synodalität. Er hat das ja ausführlich dargelegt bei der Gedenkfeier 50 Jahre Bischofssynode am 17. Oktober 2015. Und er hat es mit einem spanischen Wort bezeichnet in Evangelii Gaudium: ‚primerear‘. Das kommt aus dem Argentinischen und bedeutet so viel wie ‚Prozesse in Gang setzen‘. Er hat ein ganz großes Vertrauen darauf, dass der Heilige Geist die Kirche leitet und dass das in einem Prozess geschieht, in Etappen. Darum wollte er erstens, dass es auf diesem Weg mehrere Etappen auf diesem Weg gibt, zweitens hat er immer wieder eingeladen zur offenen Diskussion. ‚Sprecht mit Freimut und hört mit Demut zu‘, hat er uns mehrmals gesagt.

Ich kenne kein postsynodales Schreiben seit es die Synode gibt, das so ausführlich die Arbeit der Bischöfe, der Synodenväter integriert hat wie dieses Dokument. Und immer wieder sagt Papst Franziskus in seinem Schreiben: Ich mache mir zu eigen, was die Synodenväter gesagt haben. Die Synodenväter haben Folgendes beraten und mir vorgeschlafen und ich nehme es auf und an. Das ist ein gelebter synodaler Prozess, in dem der Papst ganz klar seine Rolle spielt. Er hat das letzte Wort, er hat das Wort des obersten Hirten. Aber er spricht dieses Wort im Hören auf das, was in der Kirche sich getan hat und von der Kirche gesagt worden ist.“ (rv)

Synode: Was ist nun mit den wiederverheiratet Geschiedenen?

Bischofssynode„Nach der Liebe, die uns mit Gott vereint, ist die eheliche Liebe die größte Freundschaft“ (AL 123): Der lange erwartete Text ist veröffentlicht, mit Amoris Laetitia legt der Papst seine eigenen Gedanken zum Thema Familie vor. Und alle wollen jetzt nur das eine wissen: wie verhält es sich nun mit Wiederverheirateten Geschiedenen und der Kommunion? Pater Bernd Hagenkord hat genau nachgesehen.

Die Versuchung ist groß, den gesamten Text oder auch nur Kapitel acht nach Hinweisen durchzulesen, wie es sich denn nun mit der so dominanten Frage während des synodalen Prozessen verhält, aber schon der Autor warnt ausdrücklich davor: „Darum empfehle ich nicht, es hastig ganz durchzulesen“ (AL 6), vermutlich um genau das zu vermeiden, nämlich die Suche nach dem Eigenen im Fremden.

Trotzdem ist das eine Frage, um die die öffentliche und innerkirchliche Debatte nicht herum kommt. Wenden wir uns dieser Frage also in einem eigenen Abschnitt zu, um uns dann hoffentlich auch auf dem ganzen Text angemessen zuwenden zu können.

Keine Entscheidung

Vorweg: der Papst trifft keine Entscheidung. Wer vermutet, verlangt oder erwartet hatte, dass dieses Problem nun final und römisch gelöst werde, der wird nicht fündig werden.

Heißt das also, dass nach zwei Jahren Debatte der synodale Prozess als Tiger gesprungen und als Vorleger gelandet ist? Ganz und gar nicht. Mit den Anregungen von Kardinal Walter Kasper, der das Thema ja mit Einwilligung des Papstes in die Debatte eingebracht hatte, war das Thema auf dem Schirm. Das heißt aber nicht, dass sich die nun vorgelegten Gedanken nach zwei Jahren exakt auf dieses Thema beziehen lassen oder sogar eine definitive Antwort darauf geben.

Trotzdem kann man beim Papst ein Vorgehen lernen, das uns in dieser Frage weiter bringt.

Erstens: man muss Urteile vermeiden, die Einzelsituationen nicht berücksichtigen. So steigt der Papst ein. Also: die Realität ist zu komplex, als das man sie über einen Kamm scheren kann. Oder direkt zitiert „Wir wissen, dass es keine Patentrezepte gibt.“

Es gibt weder von der Synode noch von ihm neue, auf alle Fälle anzuwendende generelle gesetzliche Regelungen. Und zwar, weil es die gar nicht geben kann.

Im Gewissen allein mit Gott

Zweitens: eine Norm kann in unterschiedlichen Situationen unterschiedliche Ergebnisse haben. Wir dürfen uns also von der einen Lehre nicht nur ein Ergebnis im Leben erwarten, die Ergebnisse sind so unterschiedlich, wie es die Leben auch sind.

Das Gewissen, also die Mitte und das Heiligtum des Menschen, wo er alleine ist mit Gott, wie der Papst sagt, ist der Ort für die Unterscheidung. Ein gebildetes Gewissen, also eines um das man sich gekümmert hat und das nicht nur Wunsch und Wille ist. Dieses Gewissen ist kein Erfüllungsgehilfe. Wenn wir also das eben Gesagte anwenden bedeutet das, dass nicht schon vorher klar ist, was bei einer solchen Unterscheidung heraus kommen muss. Das Gewissen ist keine Entscheidungsmaschine. „Die Situation ist kirchlich gesehen so, also kann das Gewissen gar nicht anders als ….“ Dieser Schluss gilt nicht.

Der Papst geht noch einen Schritt weiter: Wir können im Gewissen auch erkennen, dass eine Antwort vorerst die einzige ist, die wir in einer bestimmten Situation geben können, auch wenn diese Antwort nicht dem Ideal entspricht. Soll heißen: Auch wenn die Aussagen Jesu klar und deutlich sind und bleiben, gibt es eine graduelle Verwirklichung. Es gibt Lebenssituationen, in denen es nicht die perfekte, saubere, lehrmäßig eindeutige Lösung geben kann oder mag.

Noch einmal: es ist „kleinlich“, wie der Papst sagt, das Handeln nur an der Norm zu messen.

Nicht das Leben an der Norm messen

Drittens: Was der Papst nicht macht, ist einen Weg anzubieten. Das ist ja mit dem Vorschlag von Kardinal Walter Kasper im Vorfeld, eigentlich seit Beginn des synodalen Weges debattiert worden. Das findet sich hier nicht. Das „Wie“ der Unterscheidung bleibt offen. Der Papst stellt nur die Grundsätze fest, nach denen so eine Unterscheidung laufen soll. Was heißt „nur“, er verlangt den Blick auf die Einzelsituationen, auf das konkrete menschliche Leben. Auf der anderen Seite spricht er lange vorher schon und über weite Strecken – und auch nachher zum Abschluss – über das, was Jesus uns für unsere Leben aufgetragen und versprochen hat. Die Unterscheidung, auch wenn sie nicht beim Ideal ankommt, verdunkelt dieses nicht.

Und wie immer bei Papst Franziskus: mit Leben füllen muss das nun jeder Christ und jede Christin, jede einzelne Gemeinde. Franziskus wäre nicht Franziskus, wenn es anders wäre.

Wer nun die wichtigsten Stellen selber nachlesen möchte, dem empfehle ich die beiden Abschnitte ‚Die Normen und die Unterscheidung‘ und ‚Die Logik der pastoralen Barmherzigkeit‘ (AL 304-312). (rv)

Polen: Treffen des katholisch-jüdischen Liaison Komitees

Kardinal KochDas Miteinander von Christen und Juden stand im Mittelpunkt des 23. internationalen Treffens katholischer und jüdischer Würdenträger, das vom 4. bis 7. April in Warschau stattfand. Thema des interreligiösen Treffens war der Umgang mit „den Anderen“, sowohl in der christlich-jüdischen Geschichte, als auch in der aktuellen Flüchtlingssituation. Wie wir mit den Außenstehenden und Verfolgten umgehen, sage auch viel über uns selbst aus, hieß es bei der wissenschaftlichen Betrachtung des Themas. Bereits in den heiligen Schriften von Christen und Juden seien die Grundsätze niedergeschrieben, nach denen wir auch heute handeln sollten. Dabei fänden sich auch Christen und Juden selbst auch heute oftmals in der Rolle der „Anderen“, der Verfolgten. Antisemitismus in der Sprache, wie auch im Handeln, tauche immer häufiger auf. Nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt. Zu den verfolgten Minderheiten gehörten aber auch die Christen. Besonders im Nahen Osten und in Teilen Afrikas erreiche die Christenverfolgung ein Ausmaß wie lange nicht mehr. Die Verfolgung von Christen und Juden sei nicht nur eine Gefahr für die Religionen, sondern auch für die Ideale der Demokratie.

Bewusst wurde als Tagungsort für das Treffen die polnische Hauptstadt Warschau gewählt. Einerseits als Ort wichtiger und produktiver Entwicklungen der christlichen und jüdischen Gesellschaften der letzten Jahrzehnte, andererseits auch als Mahnung an die schrecklichen Verbrechen, die sich hier vor und während des Zweiten Weltkriegs zugetragen haben. Posthum wurden bei diesem Treffen auch drei polnische Priester gewürdigt, die während der Besetzung Polens Juden versteckt und beschützt haben. Dies sei der nobelste Ausdruck christlich-jüdischen Miteinanders, den man sich vorstellen könne.

Das Internationale Katholisch-Jüdische Liaison Komitee existiert seit 1971 und ist aus den interreligiösen Dialogbemühungen des zweiten Vatikanischen Konzils hervorgegangen. In den fast 50 Jahren des Bestehens wurde der Dialog vorangetrieben, es seien aber auch viele persönliche Freundschaften entstanden, betonte Kurt Kardinal Koch, der dem Komitee von katholischer Seite vorsteht. (rv)

Vatileaks-2-Prozess geht am Montag weiter

Vatileaks II.Ab Montag setzt der Vatikan das Verfahren um die Weitergabe von vertraulichen Dokumenten an zwei Journalisten fort. Das teilte Vatikansprecher Federico Lombardi am Mittwochabend mit. Zu den bisherigen Inhalten des Verfahrens, in dessen Zentrum am Mittwoch die Befragung der angeklagten PR-Frau Francesca Chaouqui stand, äußerte sich Lombardi nicht. Das Verfahren war wegen gesundheitlicher Probleme der hochschwangeren Chaouqui gut drei Wochen ausgesetzt worden.

Wie unser beim Prozess anwesende Kollege Massimiliano Menichetti von der italienischen RV-Redaktion am Donnerstag berichtete, ging es am Mittwoch vor allem um die Stellungnahme von Chaouqui. Bei der etwa sechsstündigen Befragung habe sie betont, keine Vatikandokumente an die ebenfalls angeklagten Journalisten Emiliano Fittipaldi und Gianluigi Nuzzi weitergegeben zu haben. Chaouqui, ehemaliges Mitglied einer von Papst Franziskus eingesetzten Untersuchungskommission für die Vatikan-Finanzen, bestätigte, sie sei mit Nuzzi befreundet und habe ihn dem früheren Sekretär der vatikanischen Wirtschaftspräfektur, Lucio Angel Vallejo Balda, vorgestellt. Allerdings habe Nuzzi sie nie um vertrauliche Dokumente gebeten. Für deren Weitergabe sei allein Balda verantwortlich.

Chaouqui erzählte außerdem, ein Freund habe Balda in seiner Zeit des Hausarrests heimlich ein Handy zukommen lassen, das dieser verwendet habe, um Beweise zu beseitigen. Die Vatikan-Gendarmerie hatte bei dem Geistlichen tatsächlich ein Telefon gefunden. Nach Chaouquis Aussage kündigte der Vatikan eine Untersuchung wegen Verdunklungsgefahr an. Chaouqui wurde zudem zu gefälschten Briefen mit dem Briefkopf der Vatikanbank IOR und mehreren SMS- und WhatsApp-Konversationen befragt. Ihr Antrag, einige Mitschnitte von Telefonaten in die Akten aufzunehmen, wurde abgelehnt.

Anwesend waren auch die beiden mitangeklagten Journalisten Nuzzi und Fittipaldi. Kritiker sehen in dem Prozess gegen sie einen Angriff auf die Pressefreiheit. (rv)