Kardinal Koch: Ein spannendes Jahr für die Ökumene

Kardinal KochDie Einheit der Christen hat ein interessantes Jahr vor sich: Die Ökumene mit den Lutheranern, den Orthodoxen, den Orientalen und den Anglikanern steht vor unterschiedlichen und großen Herausforderungen. Wenn ab Montag die Gebetswoche für die Einheit der Christen begangen wird, dann sind diese Herausforderungen immer mit dabei, sagt Kardinal Kurt Koch, der als Präfekt des vatikanischen Einheitsrates für die Ökumene zuständig ist.

„Wir haben als Leitwort der Woche dieses schöne Wort gewählt, dass wir berufen sind, die Großtaten Gottes zu verkünden. In diesem Zusammenhang wird im biblischen Text gesagt, dass wir eine Zeit lang ausgeschlossen gewesen sind von der Barmherzigkeit, nun aber aus der Barmherzigkeit Gottes leben dürfen. Da haben wir eine schöne Koinzidenz mit dem Jubiläum der Barmherzigkeit, und dieses Jubiläum ist ein Anlass, tiefer über die Mitte des christlichen Glaubens gemeinsam nachzudenken. Ökumene heißt ja nicht nur, über die schwierigen, uns noch trennenden Fragen zu diskutieren, sondern gemeinsam die Mitte und das Herz des christlichen Glaubens zu vertiefen. Dazu ist das Heilige Jahr, das Jubiläum der Barmherzigkeit und die Einheitswoche eine gute Gelegenheit.“

Die Woche steht am Beginn eines interessanten Jahres für die Ökumene, die Kirchen gehen schließlich auf den 500. Jahrestag des Beginns der Reformation zu. Kardinal Koch ist überzeugt, dass die Kirchen gut darauf vorbereitet sind. „Wir haben bereits ein Dokument veröffentlicht unter dem Titel ‚Vom Konflikt zur Gemeinschaft’, in dem wir zeigen, wie man gemeinsam das Reformationsgedenken begehen kann. Auf der Basis dieses Dokuments hat eine Arbeitsgruppe liturgische Elemente erarbeitet, wie man dieses Reformationsgedenken gemeinsam begehen kann. Das wird nun vom Lutherischen Weltbund und von uns versandt. Dann sind wir aber auch in der Vorbereitung der liturgischen Begegnung zwischen Lutheranern und Katholiken auf weltweiter Ebene. Das ist geplant für Ende Oktober in Lund in Schweden, dem Geburtsort des Lutherischen Weltbundes. Hier haben wir die schöne Idee, dass die Lutheraner von Anfang an gesagt haben, dass nicht sie die Katholiken einladen, sondern dass Lutheraner und Katholiken gemeinsam die anderen einladen. So hoffe ich, dass dieses Ereignis in Lund die Einheit zwischen Lutheranern und Katholiken vertieft und ein guter Schritt ist auf dem Weg zur vollen Einheit.“

Reformation stehe für viele Christen für Konflikt und Trennung, kein Grund erst einmal für Feiern. Das müsse man ernst nehmen, sagt Kardinal Koch, denn die Reformation habe ja nicht nur die Wiederentdeckung der Bibel und der Rechtfertigungslehre gebracht, sondern auch die Trennung der Kirche heraufgeführt – und damit grausame Konfessionskriege.

„Papst Franziskus hat unlängst einmal gesagt: Wenn wir die aktuellen Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sehen, dann müssen wir uns daran erinnern, dass wir dasselbe gemacht haben zwischen Lutheranern und Katholiken. In dem Sinn müssen wir Buße tun!“ Das sei aber nur die eine Seite, sagt der Ökumeneverantwortliche des Vatikans, man begehe nicht nur 500 Jahre Beginn der Reformation, sondern man feiere auch fünfzig Jahre des ökumenischen Dialogs zwischen Katholiken und Lutheranern. Für die dabei entdeckten Gemeinsamkeiten dürfe man dankbar sein.

Ökumene mit Orthodoxen und Orientalen

Das ist der eine Bereich der Ökumene, der Dialog mit den Kirchen der Reformation, besonders den Lutheranern. Aber auch in anderer Hinsicht wird 2016 ein ökumenisch interessantes Jahr: Die Kirchen der Orthodoxie haben ihr erstes Konzil seit der Trennung der Kirchen vor tausend Jahren geplant. „Ich denke, dass der Ökumenische Patriarch Bartholomaios den Ernst sehr klar erfasst hat, wenn er sagt, dass die Orthodoxen zwar immer sagen, dass sie eine synodale Kirche seien, nun müssten sie es der Welt auch zeigen. Auf der anderen Seite bin ich überzeugt, dass in der Panorthodoxen Synode (dem Konzil) die orthodoxen Kirchen unter sich mehr Einheit finden können und dass das auch eine große Hilfe sein wird, die Schwierigkeiten im katholisch-orthodoxen Dialog zu bearbeiten und zu überwinden.“

Bei diesen Schwierigkeiten geht es unter anderem um einen gemeinsamen Ostertermin, um die gegenseitige Anerkennung der Sakramente und um die Frage des Primats des Papstes. Er hoffe und bete, dass das Konzil wie vorgesehen wirklich zu Pfingsten stattfinden könne, so Kardinal Koch.

Der dritte Bereich der Ökumene, der Dialog mit den orientalischen Kirchen, sieht im kommenden Jahr ebenfalls ein wichtiges Ereignis: Bei einer Konferenz in Kairo wird die dritte Phase eines Dialogprozesses begonnen. In den ersten beiden Phasen habe man über die Kirche und ihre Sendung gesprochen, in der zweiten sei es um die Gemeinschaft zwischen den Kirchen gegangen. „Und jetzt beginnen wir einen Dialog über die Sakramente, vor allem über die Sakramente der Initiation, im Vordergrund steht die Taufe. Das wird kein leichtes Thema sein, weil einzelne orientalische Kirchen noch immer die Wiedertaufe haben, etwa bei Heirat oder bei Konversion. Das ist eine schwierige Herausforderung, weil Taufe und die gemeinsame Anerkennung der Taufe das Fundament der Ökumene ist. Da hoffe ich, dass wir mehr Konsens untereinander finden können.“

Ökumene mit den Anglikanern

In den Fokus gerückt ist in diesen Tagen die Entscheidung der anglikanischen Weltgemeinschaft, ihre Kirchen in den USA wegen der Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe für eine bestimmte Frist zu sanktionieren: Drei Jahre lang dürfen US-Amerikaner keine Leitungsaufgaben in der Gemeinschaft wahrnehmen. Er sei froh, dass es nicht zum endgültigen Bruch gekommen sei, kommentiert Kardinal Koch diese interne Entscheidung der Anglikaner. Er hoffe, dass die Zeit der Suspendierung der US-Anglikaner genutzt werden könne, um die tiefere Einheit wieder zu finden.

„Im ökumenischen Zeitalter, wo wir Einheit suchen, ist jede neue Spaltung eine große Gefahr und eine große Herausforderung. Ich glaube, dass wir unseren Dialog weiterführen, denn die Hauptthemen dieses Dialogs betreffen ja genau dieselben Fragen. Auf der einen Seite das Verhältnis von Ortskirche und Universalkirche, und auf der anderen Seite geht es darum, wie wir mehr Einheit finden können in der Behandlung von ethischen Differenzen. Das sind die Hauptthemen unseres Dialogs. Es wäre schön, wenn dieser Dialog helfen könnte, in der anglikanischen Gemeinschaft die Einheit wieder zu finden!“ (rv)

Vietnam: Ein wichtiges Jahr für die Kirche

Kardinal Nguyen Van NhonKardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, besucht derzeit Vietnam und trifft dort auf eine Kirche, die 2015 ein ausgesprochen wichtiges Jahr erlebt hat. Das ergibt sich aus dem Jahresrückblick, den die Bischofskonferenz des Landes jetzt veröffentlichte. Zu den nachhaltigsten Ereignissen dürfte die Einrichtung der ersten katholischen Universität Vietnams gehören.

An erster Stelle der wichtigen Ereignisse nennt der Bericht die Erhebung des Erzbischofs von Hanoi, Pierre Nguyen Van Nhon, zum Kardinal. Er sei der sechste Kardinal überhaupt in der Geschichte des Landes. Als zweites führt der Bericht den Besuch von Kardinal Fernando Filoni auf; der Präfekt der vatikanischen Missionskongregation feierte im Januar letzten Jahres die Abschlussmesse der Feiern, die den 400. Jahrestag der Evangelisierung Vietnams markierten.

Nummer drei: die Einrichtung der katholischen Universität, die derzeit allerdings noch in den Kinderschuhen steckt. Eine Erlaubnis des Regimes und dann im Oktober letzten Jahres ein Dekret der vatikanischen Bildungskongregation machten den Weg frei für das „Katholische Institut Vietnams“.

Als weitere kirchliche Höhepunkte des Jahres 2015 führen die Bischöfe einen Nationalen Eucharistischen Kongress und ein Katholisches Jugendtreffen auf. Das Jugendtreffen organisieren sie seit mittlerweile dreizehn Jahren, Vorbild ist der kirchliche Weltjugendtag. In Vietnam richtet jedes Jahr ein anderes Bistum das Jugendtreffen aus, das sich wachsenden Zuspruchs erfreut. (rv)

Kardinal Parolin gedenkt des Vatikandiplomaten Stocker

Kardinal Pietro ParolinDer vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin hat an diesem Mittwoch die Totenmesse für den verstorbenen Schweizer Vatikandiplomaten Stephan Stocker gefeiert. Dabei erinnerte er an Stockers Bezug zu den Bergen; der 55-jährige Schweizer war am Sonntag bei einer Wanderung rund um Subiaco an einem Herzstillstand gestorben. Stocker war beim vatikanischen Staatssekretariat tätig gewesen. „Er hatte mich oft zu seinen Bergwanderungen eingeladen“, sagte Kardinal Parolin über den Verstorbenen. Die Gedenkfeier fand am Mittwochvormittag in der Kapelle des vatikanischen Governatorats statt.(rv)

Vatikanischer Außenminister: Papst lobte libanesiche und jordanische Flüchtlingspolitik

Erzbischof Paul Richard GallagherDie Neujahrsrede des Papstes am Montag an die Vatikan-Diplomaten hatte eine Schlagzeile: „Wir schaffen das!“ Papst Franziskus hat in einer langen und ausführlichen politischen Grundsatzrede sich vor allem dem Thema Europa und den Flüchtlingen gewidmet. In einem Gespräch mit Radio Vatikan betont auch der vatikanische Außenminister, Erzbischof Paul Richard Gallagher, diesen Fokus:

„Ja, der Papst wollte die enormen Anstrengungen anerkennen und die Länder loben, die sofort Flüchtlinge aufgenommen haben wie Jordanien und Libanon und dann auch die Länder an den Grenzen wie die Türkei, Italien, Griechenland, denn trotz der Migrantenfrage, die heute als Europakrise gilt, haben viele Menschen aus diesen Ländern, ihre Regierungen, Behörden sowie viele Privatpersonen Leben gerettet. So wie der Papst sagte: ‚Das sind keine anonymen Menschen, sondern Menschen wie wir, Kinder…’. Und so müssen wir uns diesem dornenvollen Problem widmen, dieser schweren Krise. Und hier bewerten wir auf keinen Fall die internen Krisen und Herausforderungen der einzelnen Länder, absolut nicht. Aber zur selben Zeit behaupten wir, dass es notwendig sei weitere Anstrengungen zu tätigen, denn dieses Problem verlangt nach unserer Aufmerksamkeit, denn es ist nicht nur sozial, sondern eine reale tödliche Krise für Europa. Wie wir reagieren, legt auch fest, welche Art Land wir sind. Und die Idee, dass wir unsere Werte verteidigen müssen, unsere Gesellschaft verschließen müssen, wird uns eventuell mehr Schaden zufügen als die Türen und unsere Herzen zu öffnen um diese Personen in Schwierigkeiten aufzunehmen.“

180 Staaten unterhalten derzeit diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl. 86 dieser Botschafter residieren auch in Rom, darunter die der EU und des Malteserordens. Vor all diesen Vertretern prangerte Franziskus am Montag auch den Terrorismus und den religiösen Fundamentalismus an. Er betonte die Notwendigkeit des Dialogs mit dem Islam und allen anderen Religionen. Das sieht auch Gallagher als eine der Hauptaufgaben im Angesicht der sich spaltenden Gesellschaften.

„Und zur selben Zeit hat der Papst auch den Brauch und Missbrauch der Religion im Namen der Gewalt und des Terrorismus verurteilt. Ja, weil – vor allem für den Heiligen Vater – ist das ein entsetzlicher Skandal. Dass Menschen im Namen von Gott getötet, vor allem unschuldige, verwundbare und dass ganze Gemeinden über Jahre hinweg unterdrückt werden. Das ist ein Riesenskandal, welchen wir besiegen müssen. Und wir als Heiliger Stuhl, als religiöse Einrichtung, spüren dieses Bedürfnis noch viel mehr. Denn wir sehen die Liebe als wahre Botschaft der Religion und der Papst zeigt aus diesem Grund auf, mit all seinen Kräften.“ (rv)

Papst Franziskus und das Buch der Barmherzigkeit

Buch Franziskus 2016Papst Franziskus selbst habe die erste Ausgabe am Montagnachmittag in der Casa Santa Marta persönlich überreicht bekommen und am Dienstag wurde es vorgestellt: Das Interview-Buch von und mit Papst Franziskus mit dem Titel „Der Name Gottes ist Barmherzigkeit“. Verfasst wurde das Buch von La Stampa Vatikanist und der Website „Vatican-Insider“ Koordinator Andrea Tornielli. 40 Fragen stellte der Journalist dem kirchlichen Oberhaupt. Auf dem Umschlag ist der Titel des Buches handgeschrieben vom Papst selber zu sehen.

Interview vergangenen Juli aufgenommen

Im Juli 2015 wurde das Interview in dem Gästehaus und auch Wohnort des Papstes aufgenommen. Er war gerade erst von seiner Reise nach Ecuador, Bolivien und Paraguay zurückgekommen. Mit drei Aufnahmegeräten war der Vatikan-Journalist ausgestattet. Hauptthema des Gesprächs war die „Barmherzigkeit“ mit Blick auf das „Jahr der Barmherzigkeit“, welches fünf Monate später eröffnet wurde.

Kapitel 1: Es ist Zeit der Barmherzigkeit

Gebete, Reflexionen des vorhergehenden Pontifikats und das Bild der Kirche als ein „Feldlazarett, welches die Herzen der Menschen mit Nächstenliebe erwärmt.“ Das seien auch die Gründe dafür gewesen, ein Jahr der Barmherzigkeit auszurufen, betonte der Papst. Es sei jetzt die „richtige“ Zeit dafür, betonte er, denn wir würden ein doppeltes Drama erleben: der Sinn der Sünde sei verloren gegangen und daher sei die Menschheit verletzt. Geschwächt von den vielen „sozialen Krankheiten“ – der Armut, der Ausgrenzung, Menschenhandel, Gleichgültigkeit.

Die Gnade der Schande

Ein zentraler Punkt des ersten Kapitels ist die päpstliche Reflexion zum Thema der „Schande“. Dass sich „schämen“ werde verstanden wie eine „Gnade“, denn sie würde dem Sünder die Sünde erst ins Bewusstsein rufen. Hier betonte der Papst die Notwendigkeit des „Zuhörens“, das „Apostolat des Ohres“. Denn die Menschen hätten heute die große Notwendigkeit, dass ihnen jemand Zeit schenke und ihnen wirklich zuhören. Daher würden viele einen Wahrsager aufsuchen. Außerdem betonte der Papst, dass jeder Beichtende eine Segnung bekomme, auch wenn er das Sakrament der Beichte und der Absolution nicht empfangen könne.

Die Verantwortung des Beichtvaters

„Seid liebevoll zu diesen Personen“ – richtet der Papst sein Wort an die Geistlichen- „und schickt sie nicht weg.“ Denn die Menschen leiden, betonte der Papst und die Verantwortung des Beichtvaters sei genau aus diesem Grund nicht zu unterschätzen. Er erzählte hier die Geschichte seiner Nichte, die standesamtlich mit einem äußerst religiösen Mann verheiratet war, der jedoch noch keine kirchliche Ehe-Annullierung hinter sich hatte. Er bat bei der Beichte daher nicht um Absolution, sondern um einen Segen.

Kapitel 2: Die Beichte ist keine Wäscherei, keine Qual – Zuhören anstatt Befragen

Man gehe nicht zur Beichte um „verurteilt zu werden“, sondern um etwas Größeres als eine Verurteilung zu erleben, nämlich um die Barmherzigkeit Gottes anzutreffen.

Daher sei die Beichte, so der Papst, weder eine Wäsche, „wo die Sünde, wie ein Fleck nach einer Trockenwäsche einfach weg sei“ – noch ein Foltersaal, wo manche Beichtvater in einem „etwas krankhaften Exzess von Neugier“ das Gespräch in eine Befragung verwandle.

Kapitel 3: Sich als Sündiger anerkennen

Um die Barmherzigkeit Gottes empfangen zu können, sei es notwendig sich auch als Sünder zu „erkennen“, betonte der Papst. Denn das „Herz in Stücken“ sei die größte Gabe für Gott, sagte Franziskus. Damit meine er, dass wir unsere Sünde erkennen, die Schuld selbst sehen, dass sei bereits der große Schritt in die richtige Richtung. Die Barmherzigkeit sei unendlich groß, betonte er, viel größer als jede Sünde.

Kapitel 4: Auch der Papst benötige die Barmherzigkeit Gottes

Papst Franziskus selbst definiere sich als „Mann, der die Barmherzigkeit Gottes brauche“. Er rate den Beichtenden „nicht hochmütig sondern ehrlich seine Sünden zu betrachten“ und den Beichtvätern „die Sünden mit Zärtlichkeit zu betrachten und auch die eigenen Sünden nicht zu vergessen.“

Kapitel 5: Kirche verurteilt Sünde, aber umarmt Sünder

Auch wenn die Kirche die Sünde verurteile, so hätte sie immer offene Arme für den Sünder, betonte der Papst in dem Interviewgespräch mit Tronielli. In einem Verhältnis von „70 zu 7“ – also immer müsse man vergeben, so der Papst. Keine Sünde, so schlimm diese auch sei, sei nicht zu vergeben. Die Kirche sei also nicht auf dieser Welt, um zu „verurteilen, aber um ein Treffen von inniger Liebe und der Barmherzigkeit Gottes zu ermöglichen.“

Die Kirche als „Feldlazarett“

Die Aufgabe der Kirche sei es „die bedürftigen Menschen aus ihrer Not“ abzuholen und dies jedoch mit Achtung ihrer Menschenwürde. Zuhören, Verständnis, Vergebung und Liebe seien die Stichwörter. In Zeiten als Erzbischof von Buenos Aries in Argentinien erinnerte er sich an eine Frau, die ihren Körper verkaufen musste, um ihre Kinder zu erhalten – sie bedankte sich bei dem zukünftigen Papst dafür, dass er sie immer mit „Frau“ ansprach.

Kapitel 6: Nicht die Verletzungen der Sünde „lecken lassen“, aber in Richtung Gott bewegen

Auch in diesem Kapitel betont Franziskus, dass es nichts nütze nur nach einer Vergebung zu lechzen. Dies sei eine „narzisstische Krankheit, die nur zu einer Bitterkeit“ führe. Es sei die Bewegung Richtung Gott und die Anerkennung der Sünden die wichtige Aktion und die einzige Medizin gegen diese Volkskrankheit.

Keine Ausgrenzung für Homosexuelle

Auf die Frage über den Umgang mit homosexuellen antwortete Franziskus wie bereits bei seiner Rückreise von Rio de Janeiro 2013: „Wenn eine Person homosexuell ist, den Herren sucht und einen guten Willen zeigt, wer bin ich um zu urteilen?“

Er bevorzugt die Ausdrucksweise „homosexuelle Personen“ denn so würde die Person in ihrer gesamten Würde und Menschheit vorangestellt (Anm.: Im italienischen steht die Person vor dem Wort ‚homosexuell‘ [persone omosessuali] ). Er bevorzuge auch, dass sie in der „Nähe des Herren“ bleiben, so der Papst.

Barmherzigkeit als Glaubenslehre

Franziskus betonte in dem Interview, dass für ihn die Barmherzigkeit „wahr sei“, denn es sei die „erste Eigenschaft Gottes“. Man könne auch weitere Überlegungen über die Glaubenslehre anstellen, aber man dürfe nicht vergessen, dass die Barmherzigkeit Glaubenslehre sei, so der Papst. Die „Doktoren des Rechtes“ waren gegen Gott. Die Logik von Jesus sei die, das Böse in Gutes zu verwandeln, die weit entfernten erreichen und sie retten, alle Menschen zu retten, aber vor allem die Ausgegrenzten integrieren.

Türen öffnen, nicht schließen

Menschen mit einer kranken Seele brauchen offene Türen, so der Papst. Keine Verurteilung, keine verschlossenen Türen, keine Ausgrenzung. Die Christen dürften nicht das ausmachen, was der Heilige Geist im Herzen des Sünders anmache, so der Papst. Er bezog sich in diesem Zusammenhang auf Gesetze, zu strenge, die den Menschen nur die Türen vor den Augen zuwerfen würden und auch auf Kleriker, die sich zu sehr an der Glaubenslehre festhalten. Er nannte hierfür auch Beispiele – wie zum Beispiel eine Frau, die 500.000 Dollar für einen Ehe-Annullierungsprozess hätte zahlen sollen, oder die Verweigerung einer Beerdigung eines Kindes, weil es nicht getauft war.

Kapitel 7: Die systematische Sünde der Korruption

Eine sehr ausführliche Antwort hatte Franziskus auf die Frage nach der Korruption. Sie sei “die fortgeschrittene systematische Sünde, die zu einer Lebensart werde“. Der Korrupte sündigt ohne zu reuen, fingiert sein christliches Dasein und mit seinem Doppelleben von einem Skandal zum Nächsten, er denke, er müsse nicht mehr um Vergebung bitten. Mit seinem „Engelsgesicht“ hinterzieht er Steuern, kündigt Angestellte, beutet Schwarzarbeiter aus und gibt dann mit seiner „Schlauheit“ an – vielleicht sogar in der Messe am Sonntag. Sünder seien also zum Heiligen Jahr eingeladen, Korrupte nicht!

Kapitel 8: Mitleidenschaft gewinnt über Globalisierung und Gleichgültigkeit

Gottes Liebe sei unendlich, daran erinnert der Papst in diesem Kapitel. Er liebe mit Mitleidenschaft und Barmherzigkeit. Er sieht nicht auf Äußerlichkeiten, als würde er ein Foto machen, sondern er lasse sich „hineinziehen“. Genau dieses mitleiden würde man heute benötigen, so der Papst, man brauche sie, um die „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ zu bekämpfen.

Kapitel 9: Barmherzigkeitswerke tun ist Teil des Spiels der christlichen Glaubwürdigkeit

Im letzten Kapitel des Interviewbuches konzentriert sich der Papst auf die Werke der Barmherzigkeit – körperlich und spirituell: „Sie sind immer aktuell und immer gültig, bleiben an der Basis der Gewissenserforschung und helfen, sich vor Gott zu öffnen“, so der Papst im Interview. Es ist die Auserwählung, Gott zu dienen – und ihn finde man in jedem Menschen der ausgegrenzt wird – im Ausgehungerten, Verdursteten, Nackten, Eingesperrten, Erkrankten, Arbeitslosen, Verfolgten – und auch im Flüchtling. In dem Willkommenheißen des Ausgegrenzten und des in der Seele verletzten spielt man eben die „christliche Glaubwürdigkeit“, so der Papst. Denn wie es auch der Heilige Johannes am Kreuz sagte, „am Lebensabend werden wir an unserer Liebe gemessen.“ (rv)

Große politische Grundsatzrede des Papstes

Papst FranziskusAlle Jahre wieder, immer kurz nach Neujahr, empfängt der Papst das beim Heiligen Stuhl akkreditierte Diplomatische Corps, also Botschafter aus aller Welt. Und dabei holt er traditionell aus zu einer ausführlichen Analyse der Weltlage. So auch an diesem Montag: Franziskus machte schon in den ersten Worten seiner Rede klar, dass die Welt aus seiner Sicht derzeit „von so vielen Übeln geplagt und bedrückt“ ist. Dennoch fand er bei seiner Tour d’horizon durchs Internationale auch einiges Positive. Hier sind die grundlegenden Gedanken aus der Papstrede.

Nein zur Gewalt im Namen Gottes

„Niemals kann man im Namen Gottes töten“: Das war der Ausgangspunkt des Papstes. Das Weihnachtsfest habe uns gerade daran erinnert, dass „jede authentisch gelebte religiöse Erfahrung nur den Frieden fördern“ könne. „Das Geheimnis der Menschwerdung zeigt uns das wahre Gesicht Gottes, für den Macht nicht Gewalt und Zerstörung bedeutet, sondern Liebe, und für den Gerechtigkeit nicht Rache bedeutet, sondern Barmherzigkeit.“

Damit war auch schon das Stichwort Barmherzigkeit gefallen, das für den Papst grundlegend ist; man denke nur an das derzeit laufende „Heilige Jahr der Barmherzigkeit“. Er habe es, so sagte Franziskus, absichtlich in Zentralafrika beginnen lassen, also in einem von Gewalt tief verwundeten Land. „Dort, wo der Name Gottes missbraucht worden ist, um Unrecht zu verüben, wollte ich gemeinsam mit der muslimischen Gemeinschaft der Zentralafrikanischen Republik bekräftigen: „Wer behauptet, an Gott zu glauben, muss auch ein Mensch des Friedens sein“ und folglich ein Mensch der Barmherzigkeit… Nur eine ideologische und irregeleitete Form von Religion kann daran denken, durch vorsätzlichen Mord an wehrlosen Menschen im Namen Gottes Gerechtigkeit zu erweisen, wie es in den blutigen Terroranschlägen der vergangenen Monate in Afrika, Europa und im Nahen Osten geschehen ist.“

Hauptakzente des letzten Jahres aus Vatikansicht: Barmherzigkeit und Familie

Barmherzigkeit war, so stellte es Franziskus an diesem Montag dar, sozusagen der Leitfaden seiner Reisen im vergangenen Jahr: nach Sri Lanka und auf die Philippinen, nach Bosnien, Lateinamerika, Kuba und in die USA. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Reisen und überhaupt seines Handelns (vor allem der von ihm geleiteten Bischofssynode) sei der Einsatz für die Familie gewesen, die ja „die erste und wichtigste Schule der Barmherzigkeit“ sei – eine Formel, mit der der Papst die zwei Hauptakzente verklammerte.

„Leider wissen wir um die zahlreichen Herausforderungen, mit denen sich die Familie auseinandersetzen muss in dieser Zeit, in der sie bedroht ist durch zunehmende Bemühungen einiger, die Institution der Ehe selbst neu zu definieren, durch Relativismus, durch die Kultur der Kurzlebigkeit und durch mangelnde Offenheit für das Leben.“

Franziskus zeigte sich besorgt über die „individualistische Mentalität“ in vielen Gesellschaften. Sie sei der „Nährboden“, auf dem ein „Gefühl der Gleichgültigkeit gegenüber dem Nächsten“ reife. Das führe letztlich dazu, dass man mit Mitmenschen so umgehe, als seien sie „bloße Handelsware“; „zynisch“ werde man dadurch und „feige“. „Sind das denn nicht die Gefühle, die wir oft gegenüber den Armen, den Ausgegrenzten, den Letzten der Gesellschaft hegen? Und wie viele Letzte haben wir in unseren Gesellschaften!“ Damit war der Papst beim Thema Migration.

Migrations-Notstand und Flüchtlingsströme

„Massives, gewaltiges Phänomen“, „unvermeidliche Angst“, die es begleitet – so blickte Franziskus auf die Migrationsströme „vor allem in Europa“, aber auch in anderen Teilen der Welt. Er rückte das Geschehen in eine biblische Perspektive. „Tatsächlich erzählt uns die ganze Bibel die Geschichte einer Menschheit auf dem Wege, denn das In-Bewegung-Sein ist dem Menschen wesenseigen… Von der Vertreibung aus dem irdischen Paradies bis zu Abraham, der unterwegs ist zum Land der Verheißung; von der Erzählung des Exodus bis zur Deportation nach Babylonien schildert die Heilige Schrift Mühen und Leiden, Wünsche und Hoffnungen, die denen von Hunderttausenden von Menschen gleichen, die in unseren Tagen unterwegs sind.“

Wie einst Mose suchten die Migranten von heute – unter ihnen viele verfolgte Christen – ein Land, „in dem Milch und Honig fließen (Ex 3,17), wo man in Freiheit und Frieden leben kann“, so der Papst. Häufig sei es „extremes Elend“, das sie zur Migration zwinge. „Leider ist bekanntlich der Hunger noch eine der schwersten Plagen unserer Welt, mit Millionen von Kindern, die jedes Jahr verhungern. Es schmerzt jedoch festzustellen, dass diese Migranten häufig von keinem der internationalen Schutzsysteme aufgefangen werden, die auf den internationalen Verträgen basieren.“

Das sei eine Frucht der – von ihm häufig beklagten – „Wegwerfkultur“, urteilte der Papst. Sie bringe Menschen in Gefahr, indem sie sie „den Götzen des Gewinns und des Konsums opfert“. Arme, Behinderte, Ungeborene oder alte Menschen würden aussortiert; die „Arroganz der Mächtigen“ mache die Schwachen „zu Objekten für egoistische Ziele“.

Nein zum Menschenhandel

Auch so ein Thema, das diesem Papst besonders am Herzen liegt: der Kampf gegen Schlepper und Menschenhändler. Dass viele Staaten oder Staatenbündnisse „reguläre Migration“ unmöglich machen, treibt Migranten solchen zwielichtigen Geschäftemachern in die Hände, beklagte Franziskus. „Aus dieser Sicht erneuere ich noch einmal meinen Appell, dem Menschenhandel Einhalt zu gebieten, der die Menschen vermarktet, besonders die schwächsten und schutzlosesten. Immer werden unserer Erinnerung und unseren Herzen die Bilder von Kindern, die im Meer ums Leben kamen, unvergesslich eingeprägt bleiben – Opfer der Skrupellosigkeit der Menschen und der Erbarmungslosigkeit der Natur.“

Das war Franziskus’ Verbeugung vor dem kleinen Aylan Kurdi. Das Foto des Dreijährigen, der auf der Überfahrt von der Türkei nach Griechenland ertrunken ist, hat im September des letzten Jahres viele Menschen bewegt.

Ursachen der Migration beheben

„Einen großen Teil der Ursachen für die Migrationen hätte man schon vor Zeiten in Angriff nehmen können“, stellte der Papst fest. „So hätte man vielen Unglücken zuvorkommen oder zumindest ihre grausamsten Folgen abmildern können.“ Es sei dringend nötig, alles zu tun, „um den Tragödien Einhalt zu gebieten und den Frieden herzustellen“.

„Das würde aber bedeuten, eingefahrene Gewohnheiten und Gepflogenheiten wieder zur Diskussion zu stellen, vom mit dem Waffenhandel verbundenen Fragenkomplex über das Problem der Rohstoff- und Energieversorgung, über die Investitionen, die Finanzpolitik und die politischen Programme für Entwicklungshilfe bis zu der schweren Plage der Korruption.“

Nötig seien „mittel- und langfristige Pläne, die über den Notbehelf hinausgehen“. Das Ziel dabei sei ein Doppeltes: Integration der Migranten in den Aufnahmeländern einerseits, „solidarische Programme“ zur Entwicklung ihrer Herkunftsländer andererseits.

Europa

Vielleicht ist es auch seiner Auszeichnung mit dem Aachener Karlspreis 2016 geschuldet, dass der Papst an diesem Montag ausdrücklich auf die Lage in Europa einging. Es sei mit einem „Flüchtlingsstrom“ konfrontiert, wie es ihn in der jüngeren Geschichte noch nie gegeben habe.

„Die massenhaften Landungen an den Küsten des Alten Kontinents scheinen jedoch das System der Aufnahme ins Wanken zu bringen, das auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs mühsam aufgebaut wurde und immer noch ein Leuchtfeuer der Menschlichkeit darstellt, auf das man sich beziehen kann.“

Die Herausforderung für Europa sei gewaltig, nicht zuletzt angesichts von „Befürchtungen um die Sicherheit“. „Die augenblickliche Migrationswelle scheint die Fundamente jenes „humanistischen Geistes“ zu untergraben, den Europa von jeher liebt und verteidigt. Dennoch darf man sich nicht erlauben, die Werte und die Prinzipien der Menschlichkeit … und der gegenseitigen Solidarität aufzugeben, auch wenn sie in einigen Momenten der Geschichte eine schwer zu tragende Bürde sein können.“

Er sei davon überzeugt, dass Europa „die Mittel“ besitze, „ um das rechte Gleichgewicht zu finden“ zwischen Schutz der eigenen Bürger und Aufnahme der Neuankömmlinge. Das hört sich etwas gewundener an als „Wir schaffen das“… aber im Kern meint es dasselbe.

Viel Lob gab es von Papst Franziskus für Länder, die großzügig Flüchtlinge aufnehmen. Er nannte den Libanon, Jordanien, die Türkei und Griechenland, aber auch Italien. „Es ist wichtig, dass die Nationen an vorderster Front bei ihrer Auseinandersetzung mit dem aktuellen Notstand nicht allein gelassen werden.“ Migration werde „mehr, als das bisher der Fall war, ein grundlegendes Element der Zukunft der Welt darstellen“, da solle man sich nichts vormachen.

Migranten aus muslimischen Ländern

Islamische Terroristen, die sich unter Flüchtlinge mischen, oder Migranten in der zweiten Generation, die in Europa radikalisiert werden und Anschläge verüben – auch auf diese Szenarien ging Papst Franziskus ein. Dass junge Leute mit Migrationshintergrund in ihrem Aufnahmeland in den religiösen Extremismus abrutschten, habe auch mit der „Leere der fehlenden Ideale“ und dem „Verlust der – auch religiösen – Identität“ im „sogenannten Westen“ zu tun.

„Das Phänomen der Migration wirft also eine ernste kulturelle Frage auf, deren Beantwortung man sich nicht entziehen kann. Die Aufnahme kann daher eine günstige Gelegenheit sein für eine neue Einsicht und Öffnung des Horizontes.“ Nicht nur für den Aufgenommenen, der natürlich „Werte und Gesetze“ des Gastgebers respektieren müsse. Sondern auch beim Gastgeber selbst.

„Auf diesem Gebiet erneuert der Heilige Stuhl seinen Einsatz im ökumenischen und interreligiösen Bereich, um einen aufrichtigen und fairen Dialog einzuleiten, der dadurch, dass er die Besonderheiten und die persönliche Identität eines jeden zur Geltung bringt, ein harmonisches Zusammenleben aller sozialen Komponenten fördert.“

Positive Entwicklungen im letzten Jahr

Ja doch, 2015 war nicht nur ein „annus horribilis“, es hatte in internationaler Hinsicht auch sein Gutes. Sagt Papst Franziskus. „Ich denke vor allem an das sogenannte Atomabkommen mit dem Iran, das – wie ich hoffe – dazu beitragen möge, ein Klima der Entspannung in der Region zu fördern, wie auch an die Erzielung des erwarteten Klimavertrags im Laufe der Konferenz von Paris.“

Der Klimavertrag von Paris sei bedeutend; jetzt sei es aber auch wichtig, „dass die übernommenen Engagements nicht nur ein guter Vorsatz bleiben“, mahnte der Autor von „Laudato si’“, der ersten Enzyklika überhaupt zum Thema Umwelt. Froh ist Franziskus auch über die jüngsten Wahlen in Zentralafrika, über die Friedensgespräche in Kolumbien und über Zyperns Herantasten an eine Wiedervereinigung.

Herausforderungen für 2016

„Nicht wenige Spannungen“ hätten sich schon am Horizont „blicken lassen“: Damit meinte der Papst den saudisch-iranischen Konflikt, Nordkoreas Bombentest und den Konflikt in der Ost-Ukraine. Für Syrien und auch Libyen gebe es jetzt immerhin wieder Hoffnungen auf eine „politische und diplomatische Lösung“.

„Andererseits erscheint immer deutlicher, dass nur eine gemeinsame und abgestimmte politische Aktion dazu beitragen kann, die Ausbreitung des Extremismus und des Fundamentalismus aufzuhalten, mit ihren Hintergründen terroristischer Prägung, die sowohl in Syrien und Libyen als auch in anderen Ländern wie dem Irak und dem Jemen unzählige Opfer fordern.“ Welcher Art eine solche „Aktion“ sein müsste, führte der Papst nicht aus; ein Ruf nach Bodentruppen war das jedenfalls nicht.

„Die Herausforderung, die uns mehr als alle anderen erwartet, ist jedoch die, die Gleichgültigkeit zu überwinden, um den Frieden aufzubauen, der ein immer anzustrebendes Gut bleibt.“ Vor allem der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern mit seinen „tiefen Wunden“ harre weiter einer Lösung. (rv)

Franziskus empfängt zwei höchstrangige Ordensmänner

JesuitenPapst Franziskus hat sich am Samstag mit zwei höchstrangigen Ordensführern ausgetauscht. Er empfing seinen Mitbruder, den Ordensgeneral der Jesuiten Nicolás Pachón Adolfo, und zugleich den neuen Präsidenten der weltweiten Vereinigung der Generaloberen (USG) Mauro Jöhri. Der Schweizer ist auch Generalminister der Kapuziner. Er war vor zwei Monaten in Nachfolge von Pachón Adolfo zum Präsidenten der Dachorganisation der männlichen Ordensoberen gewählt worden. Über den Inhalt der Gespräche mit dem Papst machte der Vatikan wie gewöhnlich keine Angaben.

Die 1955 päpstlich anerkannte Vereinigung der Generaloberen fördert die Zusammenarbeit zwischen den Orden, dem Heiligen Stuhl und den Ortskirchen. Der Jesuitenorden, dem auch der Papst angehört, zählt mit 17.000 Angehörigen zu den größten Männerorden der Kirche. (rv)

Ausblick Mexiko: Furcht, Flucht, Franziskus

MexikoPapst Franziskus wird vom 12. bis 18. Februar Mexiko besuchen. Das nordamerikanische Land steht derzeit vor allem wegen dem Drogenkrieg und der Ermordung einer frisch gewählten Bürgermeisterin in den Schlagzeilen. Hinzu kommt die Migrationsfrage: einerseits wandern viele Mexikaner aus ihrem Land aus, andererseits ist Mexiko ein Durchgangsland für viele Lateinamerikaner, die in die USA auswandern wollen.

Das sind Themen, die dem Papst am Herzen liegen und auch bei seinem Besuch ansprechen wird. Prälat Bernd Klaschka ist Hauptgeschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerkes Adveniat. Er kennt persönlich Mexiko sehr gut, da er mehrere Jahre in dem Land gelebt und geholfen hat. Im Gespräch mit Mario Galgano geht er auf die Herausforderungen Mexikos ein sowie auf die Erwartungen zum Papstbesuch.

Mindestens 100.000 Tote im Drogenkrieg

Der Drogenkrieg hat in den vergangenen Jahren mindestens 100.000 Menschen das Leben gekostet. Die jüngste Ermordung einer Bürgermeisterin, wenige Stunden nach ihrer Amtseinführung durch Drogenbanden, hat der Welt gezeigt, dass es sich um einen brutalen und menschenverachtenden Krieg handelt. „Die Ermordung der Bürgermeisterin zeigt, dass die Drogenkartelle sehr großen Wert darauf legen, an der Basis Einfluss zu haben“, erläutert Klaschka. Diese kriminellen Gruppierungen greifen nach brutalen Mitteln, um ihre „Geschäfte“ zu sichern. „Sie schrecken vor Nichts zurück“, fügt Klaschka an. Die derzeitige Gewaltwelle gegen Politiker sei auch mit den nächsten Wahlen im Sommer verbunden. Damit wollen sie den Politikern aufzeigen, wer das Sagen habe.

92 Prozent sind Katholiken

Mexiko ist für die strikte Trennung von Staat und Kirche bekannt sowie für die gewalttätige Christenverfolgung in den 1930er Jahren. Dennoch geben heute mehr als 92 Prozent der Mexikaner an, katholisch zu sein. „Vor allem die Volksfrömmigkeit ist sehr verbreitet“, sagt der Adveniat-Geschäftsführer. So befindet sich in Mexiko auch eines der größten katholischen Wallfahrtsorte der Welt: die Marienpilgerstätte Guadalupe. Insgesamt gebe es aber derzeit eine gute Zusammenarbeit, auch wenn es ab und an Spannungen zwischen Kirchenvertretern und Politikern gebe, so Klaschka.

Zwei Seiten der Migration

Neben der Gewaltwelle durch den Drogenkrieg spielt die Migrationsfrage eine zentrale Rolle im Alltag der Mexikaner. Wie Klaschka betont, gebe es zwei Seiten zu beachten: einerseits seien Millionen von Mexikaner im Ausland – vor allem in den USA – und das führe auch zu familiären Spannungen und Problemen. Hier habe es jedoch seit einigen Jahren auch Hirtenbriefe und Projekte der Mexikanischen und US-Bischofskonferenzen gegeben. Andererseits gilt Mexiko auch als Transitland für Migranten aus Zentralamerika. Hier unterstütze Adveniat bischöfliche Projekte, um den Flüchtlingen beizustehen. „Unser großes Anliegen ist hier vor allem die Kindermigration“, unterstreicht Klaschka. Adveniat habe sogar dem mexikanischen sowie dem US-Präsidenten dazu angeschrieben.

Große Erwartungen an Papstbesuch

Papst Franziskus könne vor allem durch seine Präsenz und seine klaren Worte viel bewirken, ist Klaschka überzeugt. Der Besuch in Mexiko werde bestimmt die Freude der Mexikaner aufzeigen, aber auch auf die Probleme in dem Land hinweisen. Deshalb sei der Papstbesuch als Hoffnungszeichen für ein friedliches und solidarisches Mexiko zu werten.

Hintergrund

Die Mexiko-Reise von Papst Franziskus ist sein vierter Besuch auf dem amerikanischen Kontinent nach Brasilien (2013), Ecuador, Paraguay und Bolivien (2015) sowie Kuba und USA (2015). Sechs Großstädte will der Pontifex im Rahmen seiner sechstägigen Visite besuchen, darunter die Hauptstadt Mexiko-Stadt, deren Vorstadt Ecatepec, die Städte Tuxtla Gutierrez und San Cristobal de Las Casas im südlich gelegenen Bundesstaat Chiapas, die Drogenkartell-Hochburg Morelia sowie die nördliche Grenzstadt Ciudad Juarez. Der Besuch steht unter dem Motto „Missionar der Barmherzigkeit und des Friedens“. (rv)

Kurienreform: Parolin möchte „Beispiel ständiger Umkehr sein“

Kardinal ParolinKardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der „Zweite Mann“ im Vatikan, hat zum ersten Mal ein längeres persönliches Interview gegeben. Gegenüber Radio Vatikan spricht der 61 Jahre alte aus Norditalien stammende Kardinal unter anderem über seine Berufung, seine Sicht auf Priesteramt und Zölibat, über die Kurienreform und über den Auftrag an die Gläubigen aller Religionen, Gewalt im Namen Gottes abzulehnen. Das Gespräch führte der italienische Rogationsistenpater und Journalist Vito Magno. Erste Frage: Kann man gleichzeitig Diplomat und Priester sein?

„Ich denke schon, sonst wäre ich nicht hier und hätte auch nicht hinnehmen können, in einem so besonderen Ambiente des Lebens der Kirche zu wirken. In den Jahren der Priesterausbildung hatte ich ganz andere Vorstellungen über mein zukünftiges Amt. Ich dachte, als Priester würde ich in der Pfarrei oder im Seminar arbeiten. Tatsächlich war ich einige Jahre Kaplan, bis eines Tages zu meiner Überraschung die Dinge einen anderen Verlauf nahmen. Mein Bischof wurde darum gebeten, mich für den diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhles freizustellen. Ich habe das nie als unvereinbar mit dem priesterlichen Dienst empfunden. Vor allem habe ich mich immer bemüht, auch in besonders dichten Arbeitszeiten Priester zu sein. Und ich habe mir immer vorgenommen, die Diplomatie als Priester zu leben. So habe ich bei mehreren Gelegenheiten bemerkt, dass ich in dieser Rolle auch einmal ein Wort sagen konnte, wo andere keine Stimme hatten, das zu tun; ein Wort, das die Dinge vielleicht nicht verändert hat, aber das in dem Moment wichtig war zu sagen. Natürlich sind die Wege, anderen zu helfen, vielfältig, aber auch im diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhles kann man das Evangelium verkünden und mit seinen Werten die Gesellschaft tränken.“

Vor seiner (Rück-)Berufung in den Vatikan war der damalige Erzbischof Parolin als Nuntius in Venezuela tätig. „Den christlichen Gemeinschaften zu begegnen, für sie die Eucharistie zu feiern, Sakramente zu spenden, undsoweiter, das waren die schönsten Momente“, erinnert sich Kardinalstaatssekretär. „Ich denke mit innerer Bewegung daran zurück und trauere diesen Momenten ein wenig nach.“ Sein heutiges Amt an der Spitze des vatikanischen Staatsekretariats empfinde er zugleich als Geschenk und Verantwortung, fuhr Parolin fort.

Kurienreform: Der Staatssekretär muss Vorbild sein und Umkehr leben

„Es ist wirklich eine große Gabe des Herrn, dem Nachfolger Petri nahe zu sein in der Aufgabe, die Geschwister im Glauben zu stärken und sie in der Einheit der Kirche vereint zu halten, aber ich erlebe das auch als große Verantwortung, damit ich dazu in der Lage sein kann, einen möglichst kompetenten und wirksamen Beitrag zu leisten, in diesem so schwierigen und komplexen Augenblick, den die ganze Menschheit erlebt. Außerdem besteht Papst Franziskus sehr auf der missionarischen Dimension der Kirche und auf der Notwendigkeit, ihre Strukturen zu reformieren, beginnend bei der römischen Kurie, damit sie die Transparenz Jesu wird, und so begreife ich die Aufgabe als Staatssekretär als einen besonderen und dringenden Aufruf, ein glaubwürdiger Zeuge zu sein und eine beständige und aufrichtige Haltung der Umkehr einzunehmen. Überdies möchte ich gerne dazu fähig sein, nach dem Vorbild des Papstes, immer, auch in ganz bürokratischen Fragen, das annehmende und barmherzige Antlitz der hierarchischen Kirche zu zeigen.“

Viele Menschen auf seinem Weg seien ihm Vorbild gewesen, sagte Parolin. „Wie sehr wir das gute Beispiel brauchen! Weniger Worte und mehr gutes Beispiel!“ Er nannte seine Herkunftsfamilie, Vater, Mutter und Geschwister, bei denen er einen tiefen Glauben und ein wahrhaft christliches Leben, „einen Alltag, durchtränkt mit biblischen Werten“ erlebt habe. Trotz aller Grenzen, die es in jeder menschlichen Erfahrung gebe: „Der Herr hat mir wirklich eine schöne Familie gegeben. Zum Zweiten danke ich meinem Pfarrer, einem Priester, der in mir den Wunsch entstehen ließ, so zu sein wie er.“ Irgendwelche „besonderen Zeichen“ seiner Berufung wollte Parolin nicht vermelden: „Ich fühle mich da ganz normal. Meine Geschichte ist die eines Jungen, den der Herr in ganz normalen und geläufigen Lebensumständen gerufen hat, und der die Gnade hatte, in seinem Umfeld auf Menschen zu treffen, die es verstanden, ihm zu helfen und den Samen der Berufung wachsen und reifen zu lassen.“

„Berufung und Sendung des Priesters ändern sich nie“

Die Priesterweihe empfing Pietro Parolin in der Kathedrale von Vicenza im April 1980. In den 36 Jahren seither hätten sich „soziologisch viele Dinge verändert“, so der Kardinal, und sei es „logisch“, dass auch von Seite der Priester „eine Anstrengung zur Anpassung an die neuen Lebensbedingungen nicht fehlen darf“. Schon Papst Johannes XXIII. habe seinerzeit von „Verheutigung“ gesprochen.

„Ich glaube aber, dass die Berufung und die Sendung eines Priesters immer dieselben bleiben: den Menschen Gott bringen und die Menschen zu Gott bringen. Und nicht zu irgendeinem Gott, sondern zum Gott Jesu Christi, zum Gott der Frohen Botschaft. Das ist ein Auftrag, der sich nicht ändert in den Situationen und historischen Umständen. Ein Auftrag, der heute noch dringender wird, wo sich der Horizont des Glaubens zu verdunkeln scheint und unsere Welt sich immer mehr zu säkularisieren droht. Der Priester muss ein Mann Gottes sein, ein glaubwürdiges und möglichst leuchtendes Zeichen Seiner Gegenwart der Liebe und des Heils in der Welt, eine Brücke, die die Begegnung mit dem erlaubt, der allein dem Leben Sinn und volle Bedeutung geben kann, dem, der die tiefsten Fragen beantworten kann und der lehrt, sich für alle einzusetzen, besonders für die Armen und die Verlassenen.“

Ein solches Priesterbild müsste auch in den heutigen Seminarien vermittelt werden, fuhr Parolin fort. Die Ausbildung dort hätte die zukünftigen Priester darauf vorzubereiten, „die Armen zu evangelisieren und sich von den Armen evangelisieren zu lassen. Und das kann man nicht tun, wenn man nicht die Augen offen hält für ihre Lebensbedingungen, und wenn nicht diese Lebensbedingungen, die oft folge der Ungerechtigkeit sind, uns nicht beständig das Herz verletzen. Die größte Gefahr scheint mir da die Gleichgültigkeit zu sein, Frucht der Gewöhnung. Als Priester müssen wir uns von jedem Leiden ansprechen lassen, von jedem Schmerz, jeder Armut, materiell oder geistlich.“

Grund für Missbrauch: „Nicht Zölibat, sondern affektive Unreife“

Angesprochen auf den Skandal des sexuellen Missbrauchs durch Priester und den Zölibat, der in diesem Zusammenhang oft kritisch hinterfragt wird, räumte Parolin ein, die priesterliche Ehelosigkeit sei heutzutage schwieriger als in früheren Zeiten. „Dennoch ist und bleibt der Zölibat ein großes Geschenk, das der Herr der Kirche gemacht hat, für das wir tief dankbar sein müssen, und sicherlich ist nicht der Zölibat als solcher Ursache des Missbrauchs durch Priester. Ursachen sind die Unreife und Schwäche der Menschen, ihre Arglist, ihre mangelnde Ausbildung. Eine der ersten Anstrengungen ist eine ernste und wirksame Erziehung der Affekte, von der Familie über die Schule bis zum Seminar; es geht um die Ausreifung der Liebe, die ein Geschenk ist und ganz gelebt werden kann sowohl in Form der Ehe als auch in Form des Zölibats.“

Auf die Frage nach Barmherzigkeit und Religion sagte Kardinal Parolin, Barmherzigkeit als Haltung könnte und müsste auch in anderen Religionen ein Echo finden. „Die Gedanken gehen zum schrecklichen Phänomen der Rechtfertigung von Hass und Gewalt im Namen Gottes. Es gibt Spielraum, mehr noch, es gibt eine Pflicht der Gläubigen aller Religionen, , diese Entartung der Religion zu bekämpfen und konkret, allein und vor allem gemeinsam zu beugen, dass Gott Barmherzigkeit und Liebe ist.“

Zum Schluss des Gesprächs stellt der Journalist dem Kardinalstaatssekretär eine sehr persönliche Frage nach dem Grund seines beständigen Lächelns; in der Tat sieht man Pietro Parolin auf nahezu jedem Foto freundlich. „Abgesehen von meinem Charakter, der die Dinge vereinfacht“, sagt der Kardinal, „fühle ich, dass mein Leben in den Händen des Herrn ist, dass er meine Geschichte und die der Welt lenkt, hin zu Frieden und Heil, dass er mich mag und, um es mit Manzoni zu sagen, niemals eine Freude nimmt, außer um eine größere vorzubereiten. Und dann spüre ich die Unterstützung so viele Menschen im Gebet. Und so würde ich gerne voranschreiten in den Jahren, die mir bleiben, bis zur Begegnung von Angesicht zu Angesicht.“ (rv)

Franziskus tauft 26 Kinder in der Sixtina

Sixtinische KapellePapst Franziskus tauft wieder Kinder: am Sonntag, dem Fest der Taufe des Herrn, spendet er das Sakrament in der Sixtinischen Kapelle 26 Babys. Die Kinder sind überwiegend Nachkommen von Vatikan-Angestellten; vom Papst getauft wird unter anderem die Tochter unserer Kollegin Anne Preckel, Marlene. Unter den Konzelebranten sind Erzbischof Georg Gänswein als Präfekt des Päpstlichen Hauses sowie der päpstliche Almosenmeister Erzbischof Konrad Krajewski. Radio Vatikan überträgt die Liturgie live und mit deutschem Kommentar am Sonntag ab 9:20 Uhr. (rv)