„Papst Franziskus: Keine Kirche ohne Frauen“ heißt das Werk, das die Radio Vatikan-Redakteurin Gudrun Sailer soeben mit dem Verlag Katholisches Bibelwerk vorgelegt hat. Darin finden sich gesammelt alle Aussagen von Papst Franziskus zu und über Frauen, versehen mit einer längeren Hinführung der Herausgeberin. Wir sprachen mit Gudrun Sailer über ihr Buch und wollten zunächst wissen, was sie am meisten überrascht hat bei dem, was der seit drei Jahren amtierende Papst über Frauen sagt.
„Überrascht hat mich, wie vielfältig und breitgestreut diese Papst-Aussagen waren. Er spricht von einem Mehr an Einfluss, das Frauen bei Entscheidungsprozessen in der Kirche genießen sollten, erklärt aber auch, warum es beim Nein zu katholischen Priesterinnen bleiben wird, er pocht auf die unersetzliche Rolle der Frau in der Familie und fordert im selben Atemzug gleichen Lohn für gleiche Arbeit in der Arbeitswelt; er wünscht sich eine eigene Theologie der Frau, auch eine bessere Wahrnehmung und Einbindung der Arbeit von Theologinnen in das ganze Gebäude der Theologie. Sehr schön, oft poetisch ist, was er über Maria sagt und über einzelne Frauen der Bibel. Die alte Prophetin Hanna zum Beispiel nennt der Papst ohne Umschweife „die erste Verkünderin Jesu“. Da wird wirklich eine große Bandbreite erkennbar. Und auch eine große Wertschätzung für das, was Frauen sind und was sie einbringen.“
RV: Gibt es einen Schlüsselsatz, der die Position von Papst Franziskus zusammenfasst?
„Die Kirche ist weiblich“, vielleicht. Es heißt nicht „der Kirche“, sondern „die Kirche“, und das sagt doch etwas aus, was wir noch nicht recht erkannt haben. Das hat Franziskus mehrfach so und ähnlich gesagt. Und hier wird noch etwas klar: der Papst zeigt in der Frage der Frau in der Kirche viel Offenheit, und zugleich hat er keinen fertigen Marschplan in der Schublade.“
RV: Und wie kann es dann aus Sicht von Papst Franziskus gelingen, den Frauen den ihnen zustehenden Platz in der Kirche einzuräumen?
„Er hat das Feld geöffnet und bittet um Vorschläge. Und das passt als Vorgangsweise gut zu Franziskus. Er berät sich auf breiter Basis, dann entscheidet er. Es sind also jetzt die Katholikinnen selbst aufgerufen, sich einzubringen. Das geht nur zusammen mit den Gemeinden und den Bischöfen, einzelne Bischofskonferenzen – die deutsche und die österreichische zumal – sind da schon weiter als andere. Denn letztlich wird die Frage lokal gespielt, in den Ortskirchen. Aber es ist unerlässlich, dass der Papst die rechten Impulse gibt. Und die gibt er, das ist mir klargeworden, als ich alle seine Reden, Katechesen und Interviews durchgegangen bin auf der Suche nach den Frauen-Zitaten.“
RV: Wie weit oben steht das Thema Frau und Kirche auf seiner Agenda?
„Nicht ganz oben, meinem Eindruck nach, aber es ist unverkennbar, dass er es in seiner Tragweite sieht. Wenn die Kirche die Frauen verliert, dann würde sie das nicht überleben, das ist ein direktes Zitat von Franziskus.“
RV: Im Vorwort legen Sie unter anderem einen Essay vor, eine Einordnung der Papst-Aussagen, auch eine Bestandsaufnahme über Frauen im Vatikan, außerdem eine Art biografische Annäherung an das Thema Päpste und Frauen. Vor kurzem wurde doch bekannt, dass Papst Johannes Paul II. über Jahrzehnte eine sehr enge Freundschaft zu einer polnisch-amerikanischen Philosophin unterhalten hat. Gibt es so etwas auch im Fall von Franziskus?
„Genau diese interessante Frage hat ein Journalist vor einigen Tagen dem Papst auf dem Rückflug von Mexiko gestellt. Franziskus wollte nicht so recht mit der Sprache herausrücken, hat aber sehr schön und sehr klar gesagt: ein Mann, der keine freundschaftliche Beziehung zu einer Frau zu unterhalten kann, dem fehlt etwas. Und das gilt auch und erst recht für Priester. „Wir haben noch nicht das Gute erkannt, das eine Frau dem Leben des Priesters und dem Leben der Kirche zu geben vermag, im Sinne eines Ratschlags, im Sinne einer Hilfe oder einer gesunden Freundschaft.“ Ein Jammer, dass Franziskus das nicht schon vor ein paar Monaten gesagt hat: Es würde die Papst-Zitate in meinem Buch gut abrunden. Ich nenne aber in der Hinführung die „Frauen am Weg des Jorge Mario Bergoglio“, angefangen von der Großmutter, sicherlich die wichtigste Frau in seinem Leben, über das Mädchen, in das er sich als Seminarist verliebte, dann gab es eine Vorgesetzte, die ihn – obwohl Kommunistin – sehr prägte und beeindruckte, und noch einige mehr.“
RV: Viele empfinden es so, dass mit Papst Franziskus in der Kirche ein neues Zeitalter angebrochen ist. Auch wenn das eher für die Haltung als für die Inhalte stimmt: Gilt das auch für die Frage der Frau in der Kirche?
„Franziskus hat in seinen drei Jahren Pontifikat eine Menge Baustellen aufgemacht, zu Recht. Und eine davon ist dieser Akt des Neuauslotens für den Ort der Frau in der Kirche. Ich meine, er kann diese Baustelle nicht abschließen in der Zeit, die er noch hat, aber er hat sie aufgemacht, und das ist mehr, als jeder Papst vor ihm getan hat.“
Papst Franziskus: Keine Kirche ohne Frauen. Herausgegeben von Gudrun Sailer. Verlag Katholisches Bibelwerk, 2016. Rund 15 Euro. (rv)
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