Ein Papier, das zum Experimentieren einlädt, um für die Kirche der Zukunft zu lernen: Nach vielen bundesweiten und diözesanen Pastoralpapieren und nach einem mehrjährigen Dialog- und Gesprächsprozess macht die Deutsche Bischofskonferenz nun einen weiteren Schritt. Nach dem Dokument „Gemeinsam Kirche sein“ vom vergangenen Jahr gibt es jetzt eine Arbeitshilfe dazu, es wird konkret. Impulse und Ideen sollen es sein, aber auch Einsprüche, wie der Untertitel verrät.
Die Krisenphänomene der Kirche werden schon auch benannt, sagt Hubertus Schönemann, Leiter der Arbeitsstelle für Missionarische Pastoral und Mitarbeiter am Projekt „Gemeinsam Kirche sein.“ „Aber man muss aufpassen, dass man nicht die Mangelsituation als Ausgangspunkt für Reorganisation oder Rechristianisierung nimmt. Es ist wichtig, deutlich zu machen, dass hier Veränderungsprozesse stattfinden und dass das, was Kirche und Evangelium ausmacht, neu gelernt werden muss.“ Das Papier trage viele Anregungen zusammen, die zeigten, dass Kirche eine lernende Kirche werden müsse, so der Theologe.
Und so spricht die Arbeitshilfe über Taufe und Konversion, über Leitung und Ehrenamt, über Sendung der Kirche und Ökumene. Alles aus der Praxis heraus, alles mit dem Ziel, die veränderten sozio-kulturellen Bedingungen für Kirche in den Blick zu bekommen. Das seien Weisen zu lernen, wie man heute Kirche sein könne, betont Schünemann.
In dieser Deutlichkeit noch nicht gehört
Neu sei etwa die Betonung des Priestertums aller Getauften – an sich nicht ganz originell, aber in der Form, wie das Papier darüber spreche und was das dann pastoral auch bedeute, habe die Kirche das in dieser Deutlichkeit noch nicht gehört. „An vielen Stellen ist Kritik gekommen, dass die Bischöfe jetzt die Taufberufung entdecken, weil es immer weniger Priester gibt. Aber vielleicht ist das der äußere Anlass, der dazu führt, dass wir lernen, wie wir auf neue Weise Kirche sein können und wie Sakramentalität der Kirche nicht nur enggeführt werden kann auf Priesteramt und Eucharistie, sondern letztlich die Sakramentalität des Gottesvolkes neu entdeckt wird.“
Dahinter stecke die Frage der Charismen, also der Gaben Gottes an seine Kirche; dahinter stecke dann auch die Frage, wie Priester und Hauptberufliche in der Zukunft aufgerufen seien, diese Charismen zum Leben und Tragen zu bringen. „Damit verbindet sich noch ein weiterer Aspekt, der, wie ich finde, sehr deutlich in dem Papier zum Ausdruck kommt, und das ist die Frage der Leitung“, fügt Schünemann an. „Die Bischöfe sprechen von vielfältigen Formen von Leitung.“ In der pastoralen Praxis bedeute das eine vermehrte Einbeziehung von Frauen in die Leitung, etwa in Pastoralämtern. Auch Leitung im Team solle weiter entwickelt werden.
Vielfältige Formen von Leitung
Das Dokument vom vergangenen Jahr samt seinen Arbeitshilfen baut auf den Vorgängerdokumenten auf, auf dem Dialogprozess und diözesanen wie auch deutschlandweiten Vorüberlegungen. „Man kann sicher sagen, dass dieses Papier einiges zusammenfasst von dem, was im Gesprächsprozess gelaufen ist. Zum einen ist das also eine Zusammenfassung dessen, was ist, auch von Bistumsprozessen. Aber natürlich sind auch die Bistümer in Deutschland sehr unterschiedlich unterwegs, und von daher sehe ich auch, dass das Papier dazu einlädt, zu experimentieren. Es ist kein Schlusspunkt, sondern lädt dazu ein, in vielen Feldern der Pastoral neue Erfahrungen zu machen. Es ermutigt zum Lernen und zum Schauen, wie die Kirche in Deutschland sich weiterentwickeln kann, um ihre Sendung in – und das ist wichtig – veränderten sozio-kulturellen Gegebenheiten ausführen zu können.“
Konkret wird es etwa mit Bezug auf eine Erfahrung, die viele Gemeinden und Bistümer gerade machen: die Realität der Großpfarrei. Dabei gehe es nicht darum, einfach in größeren Räumen das Alte weiter zu machen, betont Schünemann. „Wenn man es richtig versteht, dann geht es darum, dass sich auf diesem Territorium ganz unterschiedliche Formen von christlichen Gemeinschaften bilden können.“ Das könnten kurzfristige oder länger bestehende Formen sein, es kommen Gemeinschaften neu in den Blick, genauso wie neue Kirchorte.
Kirche morgen
Das werde die Sozialgestalt von Kirche verändern. „Kleine Gemeinschaften, die bei den Menschen sind, wo vielleicht die Übersichtlichkeit nicht mehr so da ist, wie das früher war, aber letztlich differenziert und angelehnt an die Milieus und die Situation: Das ist die Zukunftsoption.“ Einige Bistümer hätten bereits jahrelang Erfahrung, würden aber erst jetzt merken, worum es wirklich gehe. Es seien also langfristige Prozesse, auf die man vorbereitet sein müsse, so Hubertus Schönemann. Bei Leitenden und Gläubigen gebe es gleichermaßen Beharrungsvermögen und auch viel Wunsch nach dem, wie es vor dreißig Jahren gewesen sei. „Aber ich bin überzeugt davon, dass wir dahin nicht wieder zurückkommen. Das Papier ermutigt dazu, Erfahrungen zu machen, diese anzuschauen und gemeinsam daran zu lernen.“
Das Dokument, die Arbeitshilfe und Weiteres finden Sie auch auf einer eigenen Webseite. (rv)
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