Qumran: Eine Ziege, Manuskripte und ständig neue Debatten

qumran_rollendetailImmer noch Überraschungen, neue Fragmente, neue Debatten: Auch siebzig Jahre nach den ersten Funden erregen die Manuskripte von Qumran immer neues Interesse. Es war eine Ziege gewesen, mit der 1947 in der Judäischen Wüste alles angefangen hatte; auf der Suche nach ihr machte ein Hirte in einer Berghöhle nicht weit von Jericho die spektakulärste archäologische Entdeckung des 20. Jahrhunderts. Er fand Schriftrollen aus dem Umfeld der Bibel. Ausgrabungen förderten bis 1956 in elf Höhlen die Überreste von 900 hebräischen Rollen aus dem dritten und zweiten Jahrhundert vor Christus zutage – darunter die ältesten Manuskripte, die wir von der Hebräischen Bibel überhaupt haben.

„Die überwältigende Mehrheit der Qumran-Texte ist mittlerweile bekannt und publiziert“, erklärt Professor Corrado Martone von der Uni Turin, der in diesen Tagen einen internationalen Kongress zum Stand der Qumran-Forschung in Bologna mitveranstaltet hat. „Unser Bild dieser Zeit hat sich durch die Funde völlig verändert: Wir haben jetzt Quellen aus erster Hand über das Judentum in der Zeit des Zweiten Tempels, also aus der in vielerlei Hinsicht lebhaftesten Epoche jüdischer Kultur, aus der dann das Christentum genau wie das heutige Judentum hervorgegangen sind. Das heißt, wir stehen hier an den Quellen unserer westlichen Kultur. Das Gros der – vor allem biblischen – Texte, die in Qumran aufgetaucht sind, bestätigt das, was viele Jahrhunderte später zum sogenannten masoretischen Text geworden ist, also zu dem Text, der auch heute noch in den Synagogen gelesen wird, zum Text der Hebräischen Bibel. Aber wir können durch die Funde auch die Entwicklung nachvollziehen, die zu dieser Konkretisierung des Textes geführt hat. Es ist also wirklich so, als könnten wir da die Entstehung des Bibeltextes mitansehen!“

Vieles ist noch unklar an den Qumran-Funden. Etwa die Frage, ob sie wirklich aus der Essener-Gemeinschaft hervorgegangen sind, die hier in der Wüste lebte und die im ersten Jahrhundert nach Christus von den Römern vernichtet wurde. Unklar ist auch, ob Johannes der Täufer oder gar Jesus mit dieser Essener-Gruppe etwas zu tun hatten – und wenn ja, was genau. Die Unklarheiten haben im Lauf der Jahrzehnte immer wieder Spekulationen befeuert, bis hin zu der halsbrecherischen These, der Vatikan versuche eine unbequeme Wahrheit über Qumran zu unterdrücken. Die Wirklichkeit ist prosaischer: Experten, die sich über teilweise winzige Fetzen beugen und denen oft nur eine lückenhafte Entzifferung gelingt.

Pentateuch-Rolle erst vor drei Jahren in einer Uni-Bibliothek wieder aufgetaucht

Der Forscher Mauro Perani von der Uni Bologna hat sich auf dem Kongress in den letzten Tagen vor allem mit der Rolle des vollständigen Pentateuch beschäftigt, also mit den fünf Büchern des Mose, die am Beginn der Hebräischen Bibel stehen. Die 36 Meter lange Rolle aus dem elften nachchristlichen Jahrhundert wurde allerdings nicht in Qumran entdeckt, sondern vor nur drei Jahren von ihm selbst in der Universitätsbibliothek von Bologna. Sie ist offenbar von Dominikanern im 13. Jahrhundert von Toulouse nach Bologna gebracht worden, stand dort im Mittelpunkt zahlreicher Studien, war aber nach den napoleonischen Wirren bis vor kurzem verlorengegangen.

„Diese Rolle bildete, wie alle Studien der letzten Jahre gezeigt haben, eine Säule, eine Art Polarstern, einen Leuchtturm der wahren Bibel des Esra. Sie wurde also dem Schreiber Esra zugeschrieben, offenbar um damit auszudrücken, dass sie in uralte Zeiten zurückreichte, und war ein Bezugspunkt nicht nur für das religiöse, sondern auch für das politische Leben. Bei Debatten über politische und religiöse Fragen bezogen sich alle immer auf diese wahre Bibel des Esra, die sich jetzt in der Uni-Bibliothek von Bologna befindet.“

Esra war um 400 vor Christus der Verfasser der beiden alttestamentlichen Bücher Esra und Nehemia, die im Alten Testament zum Korpus der Geschichtswerke gehören. Er berichtet über den Neuanfang des Volkes Israel in Jerusalem und Juda nach der Rückkehr aus dem Babylonischen Exil. Das achte Kapitel des Buches Nehemia schildert, wie „der Priester Esra“ dem Volk „das Buch mit dem Gesetz des Mose“ vorliest, zu dessen tiefer Betroffenheit.

Die Qumran-Rollen sind im Jerusalemer Heilig-Land-Museum ausgestellt, in einem eigenen „Schrein des Buches“. Für die in Bologna wiederaufgetauchte Pentateuch-Rolle soll jetzt ein eigenes Museum an der Uni Bologna entstehen, wie Professor Alberto Melloni erklärt. „Angesichts dieser Wiederentdeckung wollen wir mehr als nur eine Ausstellung rund um die Schriftrolle bieten – auch weil Bologna der Ort der ersten “Editio princeps” der Hebräischen Bibel war und weil in Bologna die erste „Jerusalemer Bibel“ auf Italienisch herausgegeben wurde. Dieser große rote Kasten – viele Katholiken in Italien werden sich an ihn erinnern – war so etwas wie eine Heimkehr der Heiligen Schrift in die katholische Tradition. Wir wollen ein Museum, wo die Bibel von Bologna nicht zum Museumsstück wird – das wäre eine Beleidigung, sie so zu behandeln! –, sondern wo sie Menschen, die immer weniger Umgang mit der Bibel haben, eine Möglichkeit zum Kennenlernen der Heiligen Schrift gibt.“ (rv)

Aktenzeichen: Friedrich J. Haas, der heilige Arzt von Moskau

cna_RusslandEin Mensch, den nur wenigen bekannt ist: Es handelt sich um den Augenarzt Friedrich Joseph Haas (1780 – 1853) aus Münstereifel. Haas hatte sich vor allem durch seinen unermüdlichen Einsatz für die zur Verbannung nach Sibirien verurteilten Sträflinge, kurz die, welche man in Russland die „Unglücklichen“ genannt hat, in Moskau verdient gemacht. Doch vergessen ist Haas durchaus nicht: Die Deutsche Bundespost hat im Jahre 1980 sogar eine Briefmarke aus Anlass des 200. Geburtstages des so genannten „Heiligen Doktors von Moskau“ (sviatoi doktor) herausgegeben.

Der ungewöhnliche Lebensweg von Friedrich Josef Haas, der als der heilige Doktor von Moskau in die Geschichte eingegangen ist, begann im heimatlichen Münstereifel, Herzogtum Jülich bei Köln. Hier wurde er am 10. August 1780 geboren. Sein Großvater ist Arzt, sein Vater betreibt eine Apotheke. Haas beschließt nach Abschluss der Schule an der Universität von Jena Mathematik und Philosophie zu studieren. Jedoch schon bald zieht er nach Wien, um dort den Medicus zu erlangen.

Einer seiner ersten Patienten ist der russische Fürst Repnin, der unter einer schweren Augenkrankheit leidet. Er erkennt die Begabung von Friedrich Haas und lädt den jungen Arzt nach Russland ein. 1802 erscheint er als Fjodor Petrowitsch Haas in Moskau. Schon im Juni 1807 wird er zum Chefarzt eines renommierten Krankenhauses, nämlich der Pawlowskaja Klinik Moskaus. Außerdem lehrt er auf der medizinisch-chirurgischen Akademie und arbeitet freilich in den Preobraschenskaja und Ekatherineskaja Altersheimen.

Den größten Teil seiner Arbeit aber widmete er der Fürsorge um die Gefangenen in Sibirien. Er ist fest davon überzeugt, dass der Mensch von Natur aus gut ist, weil Gott ihn nach seinem Ebenbild geschaffen hat. Sein Lebensmotto lautet: Beeilt euch Gutes zu tun.

Wir blenden zurück: Im Jahr 1829 wurde Doktor Haas zum Chefarzt aller Moskauer Gefängnisse bestellt, was auch die ärztliche Aufsicht über die zur Verbannung verurteilten Strafgefangenen einschloss. Er bemühte sich, die Polizeiärzte zu größter Menschlichkeit den Gefangenen gegenüber, anzuhalten. Auch für die Pflege religiöser Gesinnung bei den Inhaftierten war er sehr besorgt. Der Empfang der Eucharistie und des Bußsakramentes im Kreis der Gefangenen lag ihm sehr am Herzen.

Doch eines seiner Hauptverdienste bestand im Folgenden: 1832 veranlasste er die Befreiung der in Ketten gelegten für die Schwachen und Krüppel und begann einen energischen Kampf gegen den sogenannten Prut und gegen die Kopfrasur der Gefangen. Der Prut war ein etwa dreiviertel Meter langer Eisenstab, an dem acht bis zehn Eisenringe aufgezogen waren, um darin die Hand jeweils eines Gefangen für den Transport einzuschließen. Tausende an den Prut Gefesselte schleppten sich Tag und Nacht zusammengekettet, oftmals in eisiger Kälte, auf dem endlosen Weg nach Sibirien. Nur die Sterbenden wurden vom Prut befreit. Nach zwei Jahren unermüdlichem Einsatzes gelang es Haas schließlich den Prut durch menschlich erträglichere Fußfesseln zu ersetzen. Die schweren Eisenfesseln wurden durch leichtere ersetzt und innen mit Leder ausgelegt.

Unvergesslich ist der Einsatz von Doktor Haas bei der verheerenden Cholera-Epidemie in Moskau. Im Hospital war im Jahr 1830 der erste Cholera-Kranke eingeliefert worden, ein älterer Handwerker. Er atmete mühsam und stöhnte. Haas rief die jungen Ärzte zusammen. Er beugte sich über den von Fieberkrämpfen geschüttelten Mann und umarmte ihn. Einem jungen Kollegen, der daraufhin energisch protestierte, erwiderte er: „Ich tue was der Herr befiehlt. Ich begrüße meinen kranken Bruder. Die Krankheit ist nicht ansteckend und ich vertraue nicht nur auf Gott, ich weiß auch sehr wohl, dass von der Berührung mit einem Cholera-Kranken keine Gefahr droht.“

Während des Auf und Ab seiner finanziellen Situation nahm der unverheiratete Arzt ein Pflegekind an. Auch gründete er eine Schule für Kinder von Strafgefangenen. Nach fünf Jahren als Chefarzt am Altkatharenen Krankenhaus übernahm Friedrich Haas im Jahre 1845 die Leitung am neu eröffneten Krankenhaus „Haassovka“. Laut Anordnung und Kostenvoranschlag waren 155 Betten von Friedrich Haas vorgesehen, aber es war mit fast 300 Kranken belegt. Als der Generalgouverneur zur Inspektion kam, verlangte er Rechenschaft über die Verletzung der Vorschriften.

Hier die Antwort von Haas: „Aber Durchlaucht, was soll ich denn tun, wenn man mir eine schwerkranke Frau bringt?“ Der General Gouverneur schnitt ihm das Wort ab und herrschte ihn an: „Befehl ist Befehl! Verstehen Sie? Und Befehle sind auszuführen!“ Da stellte sich Haas vor den Schreibtisch mit den goldenen und silbernen Schreibutensilien, beugte seinen alten Rücken, fiel auf die Knie und verbarg sein Gesicht in den Händen. Seine Schultern zuckten, er weinte bitterlich. Der Generalgouverneur sprang auf, wollte ihn aufheben: „Was soll denn das? Stehen Sie auf mein Lieber. Gott mit Ihnen, handeln Sie so wie Sie es können und müssen!“

Im Jahre 1848 gab es in Russland eine große Missernte. Da wurde die Verköstigung der Gefangenen auf ein Fünftel gekürzt. Friedrich Haas schaffte durch Freundeshand eine Hilfe von 11.000 Rubel zur Verbesserung der Kost der Gefangenen bei. Die Zahl, der von Doktor Haas behandelten Kranken, erreichte um diese Zeit etwa 74.000 Patienten. Die Zahl, der von ihm betreuten Gefangenen wird mit 200.000 angegeben. Seine Schwester Wilhelmine bezeugt von ihrem Bruder: „Ich habe einen frommen Bruder. Er gibt seinen letzten Heller her und freut sich nur deswegen seines großen Besitzes, weil er ihm gestattet den Armen zu helfen. Es ist ihm sogar lästig, Geld zu haben.“

Friedrich Josef Haas war ein großer und intensiver Briefschreiber. Als exponierte Zeugnisse seines Denkens können zwei Briefe an den Philosophen Friedrich Wilhelm Josef von Schelling angeführt werden, die er aus Moskau an seinen verehrten akademischen Lehrer gerichtet hat. Sie sind Ausdruck seines Denkens und Dankens zu gleich. Außerdem weist sich Doktor Haas als Kenner der Schellingschen Identitäts- und Freiheitsphilosophie aus.

Hören wir ihn dazu: „Und noch ein Wort lassen Sie mich geliebter und verehrtester Lehrer hinzu setzen. Sie sagten damals, in Jena vor dem größten von Schülern und Lehrern angefüllten Auditorium, die erstaunenden Worte: Die einzige wahre Religion ist die Katholische. Mein damaliger akademischer Freund Troxler und andere sagten, Schelling meint dies nicht so. Er spricht von der Idee der katholischen Religion. Ja freilich, von der Idee der katholischen Religion. Die katholische Religion ist aber die Idee der katholischen Religion. Was sollte es sonst für eine katholische Religion sein können, wenn es nicht die Idee der katholischen Religion wäre, welche die katholische Religion ist. Diese Idee der katholischen Religion ist aber dasjenige, was wir katholische Religion nennen. Der einfachste Begriff, die bestimmteste Definition, die man der katholischen Religion geben kann ist die Liebe. Wo Liebe ist, da ist Katholizismus, wo nicht Liebe ist, da ist Nicht-Katholizismus. Der Katholizismus ist die Lehre davon, was Jesu überaus schön sagen, das reine Güte, der Grund und Inhalt der ganzen Schöpfung ist.

Im Wissen um seinen baldigen Tod schrieb Doktor Haas am 21. Juli 1853 sein Testament: „Alle, die meinen mir etwas schuldig geworden sind, sollen wissen, dass ich ihnen alles verzeihe. Ich denke ständig über den Segen nach, dass ich so ruhig und mit allem zufrieden bin und keinen Wunsch habe, außer dem einen, dass der Wille Gottes sich an mir erfüllen möge. Nach einem erfüllten Leben starb Doktor Friedrich Josef Haas am 16. August 1853 in Moskau. Seine Beisetzung auf dem Ausländerfriedhof auf den Wwedenski-Höhen fand unter dem Geleit von etwa 20.000 Menschen statt. Russisch-orthodoxe wie römisch-katholische Christen, Gesunde wie Kranke, Hohe und Niedrige. Auf der Umzäunung seines Grabes hängen gesprengte Eisenfesseln als Zeichen seines Wirkens für die Unterdrückten. Der Stein unter dem Grabkreuz trägt als Aufschrift seinen Leitsatz: „Beeilt euch Gutes zu tun.“ Und obwohl Doktor Haas doch schon fast 150 Jahre tot ist, ist sein Grab bis auf den heutigen Tag immer mit frischen Blumen geschmückt.

Während in Moskau sogar Straßen und Plätze nach ihm benannt wurden, wird Friedrich Josef Haas in Deutschland erst allmählich bekannt. Im Jahr 1980 widmet ihm die Deutsche Bundespost anlässlich der Gedenkfeiern zum 200. Geburtstag eine Briefmarke mit dem Begleittext: „Friedrich Josef Haas 1780-1853 heiliger Doktor von Moskau.“ Außerdem wurde die Persönlichkeit des heiligen Doktors von Moskau aus verschiedenen Blickwinkeln gewürdigt. Populäre, wissenschaftliche und literarische Biografien zeichnen seinen Lebensweg nach. Eine Untersuchung, die das natur- und religionswissenschaftliche Denken des Friedrich Josef Haas in geistesgeschichtliche Zusammenhänge stellt und dem karitativen Armen- Arzt seinen berechtigten Platz unter den Ärztephilosophen des 19. Jahrhunderts einräumt, steht jedoch noch aus.

„Beeilt euch Gutes zu tun“, dieses Leitmotiv war Lebenssinn und Erfüllung dessen, was der den weitaus größeren Teil seines Lebens als Arzt im fernen Moskau verbrachte. Er war ein Mensch, der sich ganz seinen Mitmenschen verschenkte, ein Mensch der jede merkwürdige schwierige Dialektik des christlichen Glaubens zu verstanden haben scheint. Nämlich, wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren, wer es aber verliert, wird es gewinnen. Von dieser freimachenden und befreienden Botschaft war Friedrich Josef Haas ganz erfüllt. Als heilender Arzt sah er in jedem Menschen ein Abbild Gottes und war deshalb auch mit jedem Menschen eins und verbunden. Sein Leben mit den Armen, Unglücklichen und Verzweifelten war Zeugnis für eine Güte, die aus dem Herzen kam. Fernab einer jeden biederen Gutmütigkeit und ein Zeugnis für eine ungeteilte Gerechtigkeit, die in einer Aporie seiner Freiheit und Gerechtigkeit nicht zerbrechen musste.

In seinem Tun und Handeln wird der Boden und Weg einem neuen Denken bereitet, dass freilich auf vollendete Weise, Friedrich Hölderlin in seiner endgültigen Fassung der Friedensfeier vorwegnehmend besungen hat. „So denk mir jetzt das Beste, wenn man vollendet sein Bild und fertig ist der Meister und selbst verklärt davon, aus seiner Werkstatt tritt, der stille Gott, der Zeit und nur der Liebe Gesetz, das schön ausgleichende gilt von hier an bis zum Himmel. Viel hat von Morgen an, seit ein Gespräch wir sind und hören voneinander, erfahrener Mensch, bald sind aber Gesang wir.“

Zum Abschluss: Einer, von denen man es nicht ohne weiteres so erwarten würde, nämlich der deutsche Schriftsteller Heinrich Böll schrieb einst über den Freund der Gefangenen und heiligen Doktor Fjodor Petrowitsch Haas folgendes: „Er fragte nicht nach Schuld, er sah die Leidenden, die sich unter unerträglichen Umständen im Sommer und Winter aneinander gekettet Monate lang dahin schleppten. Mörder und Diebe, zahllose die in dem Gestrüpp von Vorschriften, bürokratischen Angeln und in ungeklärten Rechtsfragen hängen geblieben wurden. Und wenn man ihm vorhielt, sie wären ja wohl alle schuldig, verwies er auf Christus, der ja auch unschuldig verurteilt, gefoltert und zu Tode gebracht worden sei. Heinrich Böll. (rv)

Buchtipp: Die Stadt Rom zur Zeit der Reformation

buch-stadt-rom-zur-reformationEinen besonders einnehmenden kleinen Band zur Stadtgeschichte Roms legt das Verlagshaus Herder neu auf. Das Besondere: es handelt sich um ein bereits 100 Jahre altes Buch, das versucht, in Wort und Bild das Rom der Reformation einzufangen. Eine doppelte historische Brechung also. Die aber ist umso reizvoller, als das Werk aus der Feder des betont katholischen Kirchenhistorikers Ludwig von Pastor (1854 – 1928) stammt, der sein wissenschaftliches Lebenswerk der Verteidigung der „una sancta“ in bester Tradition des ausgehenden 19. Jahrhunderts widmete.

Von Pastor unternahm vor 100 Jahren ausgedehnte Stadtspaziergänge durch ein rasant sich wandelndes Rom. Denn mit dem Ende des Kirchenstaates 1870 hörte Rom auf, bloß das Rom der Päpste zu sein, das es rund eineinhalb Jahrtausende gewesen war, und wurde Hauptstadt Italiens. In wenigen Jahrzehnten veränderte ein gewaltiger Bauboom das urbane Gewebe Roms unwiderruflich. Zugleich prägte eine protestantisch dominierte Kirchengeschichtsschreibung namentlich aus Deutschland dem Papst und seiner Stadt einen Stempel des Anachronismus auf. Der aus Aachen gebürtige Ludwig von Pastor, gewiss kein Vorkämpfer der Ökumene, versuchte dem in all seinem Schreiben und Tun gegenzusteuern. Sei es mit seiner 16-bändigen „Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters“, sei es mit seinem Büchlein „Die Stadt Rom zur Zeit der Reformation“, in dem er die untergehende Größe der ewigen Stadt, die so ewig gar nicht ist, in Wort und Bild für die Nachwelt dokumentieren wollte.

Von Pastor verarbeitete Stiche, Zeichnungen, Grund- und Aufriss-Skizzen, Gemälde, Fotografien zur Garnierung seiner nach Stadtvierteln geordneten Spaziergänge. Der Herausgeber der Neuauflage Martin Wallraff fügt mit Bedacht neue Aufnahmen dort hinzu, wo in 100 Jahren alles anders geworden ist, wo also etwa ein malerischer Innenhof Pastors zur Garage mutierte.

Rom anno 1916 konnte überhaupt nicht „papstfrei“ gedacht werden – anders als heute. Die Neuauflage dieses Büchleins erhebt nicht den Anspruch, eine Art religiöser Stadtführer zu sein, aber kirchenhistorisch aufgeladen ist jede Zeile und jede Abbildung dieses höchst ansprechenden Buchs. (rv)

„Wir haben der Barmherzigkeit Gottes ins Gesicht geschaut!“ Ein Gespräch mit Kardinal Koch

kardinal-kochMANOPPELLO – 2017 wird es 500 Jahre her sein, dass sich im Abendland die lutheranischen Brüder und Schwestern von der römisch-katholischen Kirche und dem Papst zu lösen begannen. Älter als die Reformation und die Aufspaltung der Kirche des Westens ist aber das große morgenländische Schisma und die Spaltung der Christenheit in die orthodoxen Kirchen des Ostens und die römisch-katholischen Kirche im Westen, die im Jahr 1054 zwischen Rom und Konstantinopel vollzogen wurde. Erst am 7. Dezember 1965 tilgten Papst Paul VI in Rom und der ökumenische Patriarch Athinagoras in Istanbul feierlich die gegenseitigen Bannflüche „aus dem Gedächtnis und der Mitte der Kirche“ und gaben sie „dem Vergessen anheim „. Fremd sind sich Ost- und Westkirche aber immer noch, vor allem in kultureller Hinsicht. – Auf Einladung Erzbischof Bruno Fortes von Chieti-Vasto feierten nun aber am 18. September 2016 siebzig orthodoxe Bischöfe gemeinsam mit zwei Kardinälen und zahlreichen hohen Geistlichen der römisch-katholischen Kirche in der Basilika des Heiligen Gesichts in Manoppello die orthodoxe „Göttliche Liturgie“ des heiligen Johannes Chrysostomos unter dem Angesicht Christi, das dort über dem Hauptaltar ausgestellt ist. – CNA/EWTN News-Romkorrespondent Paul Badde fragte Kardinal Kurt Koch, den Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, nach der Feier nach seiner Einschätzung dieses historischen Tages.

CNA: Herr Kardinal, Erzbischof Bruno Forte nennt das „Heilige Gesicht“ Christi den „Polarstern der Christenheit“. Für ihn gibt es keinen vernünftigen Zweifel, dass der Bildschleier mit dem Schweißtuch Christi identisch ist, das Johannes im heiligen Grab neben den Leinenbinden erwähnt. Ist das aber nicht auch aufreizend für die orthodoxen Mitbrüder?

Kardinal Koch: Christen glauben an einen Gott, der sein konkretes Gesicht in Jesus Christus gezeigt hat. Und je näher wir das Gesicht Christi kennen lernen und je tiefer wir in ihm eins werden, um so tiefer werden wir auch untereinander eins. Deshalb ist es ein wunderschönes Ereignis, vor dem Antlitz Christi zu sein, zu beten, das Antlitz zu verehren, um ihn zu bitten, seinen Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen, dass wir die Einheit finden.

Katholiken haben den Orthodoxen einiges zu bringen. Umgekehrt ist es auch mit den Orthodoxen so, etwa mit ihrer Kultur der Ikonen-Verehrung. Könnte es da sein, dass von diesem Tag an auch die Bilder neu begriffen und bewertet werden können in der katholischen Kirche – inmitten jenes gewaltigen „Iconic Turn“, den Medienwissenschaftler heute feststellen, wo Bildern ganz allgemein für die Kommunikation eine Rolle zukommt wie vielleicht nie zuvor?

Ja, das innerste Geheimnis der Ökumene ist ein Austausch der Gaben. Jede Kirche hat ihre Gaben. Und eine besondere Gabe der Orthodoxie sind die Ikonen. Ich glaube deshalb schon, dass auch viele Christen im Westen einen neuen Zugang finden zu den Ikonen und so den Glauben vertiefen können. Das ist ein großartiges Geschenk. Es ist sehr wichtig, dass wir auch in der westlichen Tradition das Bild wieder neu schätzen. Wir haben durch die Reformation im 16. Jahrhundert einen ganz neuen Akzent auf das Wort gesetzt. Aber das Wort ist ja Fleisch geworden. Das Wort ist sichtbar geworden. Deshalb gehören auch die Bilder mit zum Glauben dazu. Das ist ein Geschenk der Orthodoxen, das wir dankbar entgegennehmen.

In Chieti ging es in den letzten Tagen innerhalb der Kommission, die nun nach Manoppello gepilgert kam, um die delikate Frage der theologischen und ekklesiologischen Beziehung zwischen Primat und der Synodalität im Leben der Kirche, also um das Petrusamt und das Amt aller Bischöfe. Vor zehn Jahren kam Petrus in der Gestalt von Papst Benedikt hierhin. Seitdem hat es eine ungeheure Wende gegeben in der Beurteilung dieses Bildes von Manoppello. Seitdem ist es weltbekannt geworden. Heute ist die Synode der Bischöfe gekommen. Was denken Sie, welche Bedeutung dieser Pilgerreise einmal beigemessen wird, in der sich die Synode hier versammelt hat?

Es ist sehr schön, dass wir nach zehn Jahren an diesem Jubiläum hierhin kommen durften. Papst Benedikt ist im Namen der ganzen katholischen Kirche gekommen. Heute ist Kirche aus Ost und West hier gegenwärtig. So kann dieses Jubiläum vielleicht auch auf der Suche nach der Einheit zwischen der Kirche in Ost und der Kirche im Westen helfen.

Sie sind als Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen in Rom verantwortlich für die Ökumene. Von Papst Franziskus gibt es dazu das Wort: „Schaut auf Christus und geht mutig voran!“ Was würden Sie da heute, wo Sie in dieser Verschiedenheit von Ost- und Westkirche vor diesem Bild Christi zusammengekommen sind, sagen, welches der nächste Schritt wäre, mutig auf Christus zuzugehen?

Wir sind eigentlich immer auf dem Weg zu Christus hin. Denn es ist ja sein Wille, dass wir die Einheit finden. Das ist nicht ein menschliches Projekt. Christus selbst hat am Vorabend vor seinem Leiden gebetet, dass die Jünger eins sein sollen, damit die Welt glaubt. Die Glaubwürdigkeit des Zeugnisses hängt davon ab, dass wir eins sind. Das ist ja auch ein besonderes Anliegen von Papst Franziskus, wenn er sagt, wir müssen denselben Weg gehen auf Christus hin, dann werden wir die Einheit finden.

„Misericordiae Vultus“ heißt die Verkündigungsbulle, mit der Papst Franziskus dieses heilige Jahr der Barmherzigkeit angekündigt hat, nach ihren ersten Worten auf lateinisch. Das „Gesicht der Barmherzigkeit“ hat diesem Jahr damit seinen ganz besonderen Sinn gegeben. Was empfinden Sie da, wenn Sie heute hier vor dem barmherzigen Blick Jesu stehen, der uns aus diesem Wunderschleier anblickt?

Es ist eine wunderschöne Botschaft, dass wir einen barmherzigen Gott haben dürfen, bei dem wir wissen, dass es für ihn keine hoffnungslosen Fälle gibt. Mag ein Mensch noch so tief gefallen sein. Er kann nie tiefer fallen als in die Hände Gottes hinein. Dieses Angesicht nun wirklich sehen zu können, ihm zu begegnen, ist natürlich eine wunderbare Vertiefung dieser Botschaft des heiligen Jahres. Die Menschen heute haben nichts nötiger als die Barmherzigkeit Gottes. Und wenn sie in das Gesicht des barmherzigen Gottes schauen dürfen, ist das ein wunderbares Geschenk.

Und was werden Sie Papst Franziskus von diesem Ereignis berichten, falls Sie die Gelegenheit dazu bekommen?

Ich werde ihm sicher sagen, dass wir seiner großen Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes ins Gesicht geschaut haben. Und dass dieses Gesicht wichtig ist für die ganze Kirche. Das ist gleichsam das Aushängeschild der Kirche: das barmherzige Gesicht Gottes! (CNA Deutsch)

Mediensekretariat: „Den spirituellen Blick auf die Kirche schärfen“

Msgr Dario ViganoDie Kirche noch besser erklären, weg von politischen und soziologischen Kategorien hin zu einem mehr „spirituellen Blick“. Das ist im Wesentlichen das Ziel des neu eingerichteten Kommunikationssekretariats des Vatikan, dessen Statuten am Donnerstag dem Papst überreicht wurden. Künftig will das Mediensekretariat selbst „nachhelfen“ und besonders für Vatikanjournalisten Fortbildungen und Seminare anbieten, die ihnen helfen sollen, die Kirche besser zu verstehen. Radio Vatikan sprach mit dem Präfekten des Dikasteriums, Dario Edoardo Viganò.

Donnerstag war Medientag im Vatikan. Zuerst traf Papst Franziskus an die 400 italienische Journalisten und sprach mit ihnen über die Herausforderungen des digitalen Wandels und die Verantwortung der Medien für die Gesellschaft. Auch der Präfekt des neuen vatikanischen Kommunikationssekretariats, Dario Edoardo Viganò, war anwesend, um dem Papst am Nachmittag dann persönlich gemeinsam mit dem Rat und dem Sekretär des Dikasteriums, Lucio Adrián Ruiz, die neuen Statute der Einrichtung zu überreichen. Die sechs Seiten umfassenden Bestimmungen sollen am 1. Oktober in Kraft treten.

„Der Papst wollte die Statuten selbst unterzeichnen. Sie wurden in vielen Monaten von einer gemischten Arbeitsgruppe ausgearbeitet und sorgfältig vom Staatssekretariat und dem Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte überprüft. Es war also ein sehr freundliches Treffen und der Heilige Vater hat uns aufgefordert, den getroffenen Beschlüssen mit Entschiedenheit nachzugehen, Entscheidungen, die irreversibel sind angesichts des digitalen Wandels.“

Um flexibel auf die schnellen Veränderungen in der Medienwelt zu reagieren, sollten auch die Statuten einen „offenen Charakter“ bekommen.

„Das bedeutet, dass wir ein Instrument vorbereitet haben, das das aufnehmen kann, was sich neu entwickelt. Wir müssen bedenken, dass vom Telegraphen bis heute 150 Jahre vergangen sind, seither hat es eine enorme technologische Entwicklung gegeben. Es ist also wichtig, ein rechtlich bindendes Instrument zu haben, das es uns gleichzeitig erlaubt, auf das zu reagieren, was in fünf oder zehn Jahren in der Medienwelt geschieht.“

Die neue Vatikaneinrichtung für die Medien und Kommunikation wurde vor 15 Monaten ins Leben gerufen. Dario Edoardo Viganò wurde von Franziskus bereits im Juni 2015 ernannt, er war vorher Leiter des vatikanischen Fernsehdienstes CTV. Es sei im Sinne des Papstes, so Viganò, die Kirche mittels einer spirituellen Hermeneutik nach außen zu vermitteln, sie sei eben nicht einfach ein soziologisches Phänomen, das es zu erklären gilt, sondern der gelebte Glaube von Männern und Frauen. Das neue Mediensekretariat soll demnach auch eine Art Dienstleistungsfunktion für die Journalisten einnehmen, wie Papst Franziskus es am Donnerstag auch vor den Journalisten betonte. So sollen künftig Seminare und Fortbildungen stattfinden – vor allem für Vatikanjournalisten, die sogenannten „Vaticanisti“ – um ihnen ein tieferes, besseres Verständnis der kirchlichen Vorgänge zu vermitteln.

„Das ist glaube ich ein bisschen die Bestimmung: einerseits haben wir innerhalb der Kirche eine Berufung, aber andererseits möchten wir auch den Journalisten helfen, die Kirche so zu erzählen, dass sie eben nicht nur als „soziologische Einheit“, wie Papst Franziskus es sagt, gesehen wird. Wer die Kirche erzählen will, kann nicht einfach politische Maßstäbe anwenden. Die Kirche braucht vielmehr eine spirituelle Hermeneutik, es braucht den spirituellen Blick für die Tatsachen und Handlungen in der Kirche. Die Kirche ist eine Versammlung von Männern und Frauen, die das Zeugnis Jesu leben und sich in ihrem Handeln ganz auf ihn berufen. Entweder, man entwickelt also diesen spirituellen Blick auf die Kirche, oder es entstehen oft ideologische Ausschweifungen. Das Kommunikationssekretariat soll also, so hat es auch der Papst gesagt, ein Referenzpunkt für die Informationswelt sein, und vor allem denke ich an die Vaticanisti, die den Dienst des Heiligen Vaters und seine Gesten der Welt immer besser erklären können sollen.“ (rv)

Vatikan regelt Anerkennung von Wundern neu

VatikanDie vatikanische Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen regelt die Anerkennung von Wundern neu. Das entsprechende Regelwerk wurde an diesem Freitag vom Vatikan veröffentlicht. Es verschärft die bisherigen Bestimmungen; so kann ein mögliches Wunder nicht mehr als dreimal zur Untersuchung vorgelegt werden, danach gilt es als nicht anerkannt. Bei Selig- und Heiligsprechungen ist in der Regel die Anerkennung eines Wunders eine Voraussetzung.

„Es ist historisch gesichert, dass Wunder immer ein entscheidendes Argument für eine Heiligsprechung eines Dieners Gottes waren.“ Das schreibt der Sekretär der Heiligen-Kongregation, Erzbischof Marcello Bartolucci, in einer Erläuterung des neuen Règlements. Wunder seien so etwas wie der „Fingerzeig Gottes, der sozusagen das menschliche Urteil über die Heiligkeit eines Menschen ratifiziert“. Damit ist das Wunder – neben der Anerkennung von heroischen Tugenden bzw. eines Martyriums – gemeinhin die entscheidende Klippe, bevor jemand ins Buch der Seligen oder Heiligen eingetragen werden kann.

Eine juridische Prozedur für die Anerkennung von Wundern gibt es ungefähr seit dem 13. Jahrhundert. Wohl im Jahr 1610 – es ging um die Heiligsprechung von Karl Borromäus – beugten sich zum ersten Mal auch Mediziner auf Anweisung des damaligen Papstes über den Fall von Wundern; das wurde dann einige Jahrzehnte später obligatorisch. Seit 1917 müssen sogar zuerst zwei Mediziner ein mutmaßliches Wunder positiv beurteilen, erst danach geht die Akte auch an die Theologen. Pius XII. richtete 1948 eine medizinische Kommission für die Wunder-Anerkennung ein, sprich: für die Bestätigung, dass ein mutmaßliches Wunder wissenschaftlich nicht zu erklären sei. Und das Regelwerk dieser Kommission ist es, was der Vatikan jetzt nach etwas einjähriger Arbeit in einigen Punkten erneuert hat.

Einige Neuerungen im einzelnen: Die qualifizierte Mehrheit zur Wunder-Anerkennung muss mindestens Fünf-Siebtel betragen. Wird ein Wunder mehr als einmal zur Beurteilung vorgelegt, muss ein neues Gremium darüber befinden. Der Präsident dieses Gremiums muss nach zehn Jahren wechseln. Und – nicht der unwichtigste Punkt – Geldzahlungen gibt es nur noch auf ein Konto, nicht etwa in irgendwelchen Briefumschlägen. Das soll Unklarheiten in der früheren Zahlungspraxis, die medial immer wieder für Aufsehen sorgten, ein Ende machen. (rv)

D: Helmut Dieser wird neuer Bischof von Aachen

b_dieserAachen bekommt einen neuen Bischof: Es ist der Trierer Weihbischof Helmut Dieser. Das wurde an diesem Freitag zeitgleich in Rom und in Aachen bekannt. Der 54-Jährige wird Nachfolger des emeritierten Bischofs der Kaiserstadt, Heinrich Mussinghoff.

Dieser wurde 1962 in Neuwied geboren und hat in Trier und Tübingen studiert. Priester ist er seit 1989. Am Priestersemiar von Trier und anschließend von Lantershofen hat er lange Homiletik unterrichtet, von 2004 bis 2011 war er Pfarrer, anschließend Weihbischof. (rv)

Brasilien: Kardinal fordert Reformen

Kardinal Claudio HummesDie Kirche Brasiliens will abwarten, wie sich die frisch eingesetzte Regierung im Land verhält. Politische Überzeugungen seien zweitrangig, sagt der brasilianische Kardinal Claudio Hummes. Wichtig seien Taten. „Ich habe oft gesagt, dass die Ideologien nicht so entscheidend sind, denn Regierungen müssen pragmatisch sein. Es ist egal, welche Überzeugung, wichtig sind die Entscheidungen, Projekte, die notwendigen Reformen, die gemacht werden müssen.“

Ende August hatte Michel Temer das Präsidentenamt übernommen – er war zuvor Dilma Rousseffs Vizepräsident, seine Partei hatte aber die Koalition gebrochen und so die Mehrheiten zur umstrittenen Absetzung Rousseffs wegen angeblicher Haushaltstricksereien zustande gebracht.

Es gelte nun, die eingeknickte Wirtschaft des Landes wieder anzukurbeln, damit Jobs für die Menschen geschaffen werden, so der Kardinal im Gespräch mit Radio Vatikan. Aber auch die Korruption sei ein Problem im Land, das bekämpft werden müsse. Mit vorschnellen Bewertungen der Politiker jedenfalls wolle sich die Kirche Brasiliens zurückhalten, sagt Kardinal Hummes:

„Es ist noch schwer zu sagen, weil wir noch am Anfang sind. Der Regierungswechsel ist erst vor Kurzem geschehen. Die neue Regierung beginnt nun, Entscheidungen zu treffen. Es muss alles noch angegangen werden, wir wissen noch nicht, mit welcher Entschiedenheit Reformen durchgeführt werden, die wirklich wichtig wären für die Menschen. So oder so – wir als Kirche müssen da sein. Das jetzige Brasilien geht aus der Krise heraus. Der Veränderungsprozess war etwas undurchsichtig, viel diskutiert, aber schlussendlich sind wir eben hier. Es gibt eine neue Regierung.“

Die Kirche begleite den ganzen Prozess und müsse vor allem an der Versöhnung der unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Lager arbeiten. „Im Moment haben wir nämlich sehr viel Aggressivität zwischen den beiden Lagern, etwas, was es vorher im brasilianischen Volk nicht gab. Heute sind wir wirklich besorgt angesichts dieser aggressiven Haltung zwischen den Gegnern.“

Aber auch die Gewalt gegen die indigenen Völker im Land ist ein Problem. In einem jüngst von der brasilianischen Bischofskonferenz herausgegebenen Bericht wird eine Zunahme der Angriffe gegen indigenen Gemeinschaften insbesondere bei den Guarani- und Kaiowá-Indianern festgestellt. Zudem habe es 2015 landesweit 137 Morde an Indigenen gegeben, 87 Selbstmorde, die meisten davon unter den Guarani- und Kaiowá-Indianern. Zwischen 2000 und 2015 verzeichnet der Bericht insgesamt 752 Selbstmorde unter Indigenen. Ein großes Problem sei nach wie vor die Landverteilung, über die Hälfte der indigenen Grundstücke und Ländereien Brasiliens warteten noch auf eine geregelte Verwaltung des Staates.

Die Versöhnung in der Gesellschaft müsse vorangebracht werden, so Kardinal Hummes und man müsse sich im Sozialen, Politischen engagieren, vor allem aber in der Frage der Demokratie, sozialer Gerechtigkeit, Arbeit, denn die Arbeitslosigkeit hat stark zugenommen. „Auch die Inflation ist wieder bedrohlich hoch. Es gibt ganze Arbeit zu leisten im Bereich der sozialen Gerechtigkeit, der Menschenrechte und vor allem bei den Rechten der Arbeiter damit sie für ihren Einsatz einen würdigen Lohn bekommen. Wir müssen Wiederaufbauarbeit leisten, denn mit Brasilien ging es bergab, jetzt muss es wieder hinauf gehen.“

Brasilien, das „B” bei den sogenannten BRICS-Staaten war als Schwellenland im wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung begriffen, auch die Armut ging stark zurück. Dann aber kam die politische und wirtschaftliche Krise.

„Wir hoffen einfach, dass all die notwendigen Reformen getroffen werden und Sozialprogramme auf den Weg kommen, die bereits die Vorgängerregierung entwickelt hatte. Dafür sind aber Einkünfte wichtig, Produktivität, denn Brasilien hat zurzeit ja auch wirtschaftlich große Schwierigkeiten, Schulden, denn hinter dieser Krise verbirgt sich ein weiteres großes Problem: Eine unglaubliche Korruption. Das brasilianische Volk war wirklich geschockt von der astronomischen Höhe der Summen, die in der Korruption verschwanden. Dieser ganze große Prozess gegen die Korruption ist sehr wichtig für Brasilien, um wieder eine Basis zu schaffen für eine Wirtschaft, die wieder den Bedürfnissen der Leute und des Landes dient. Brasilien ist ein Land, dem es richtig gut ging, jetzt ist die Lage aber sehr sehr kompliziert.“ (rv)

Vatikan veröffentlicht Statut für Mediensekretariat

Msgr Dario ViganoRadio Vatikan und KNA berichten heute:

„Das vatikanische Sekretariat für die Kommunikation hat seine offiziellen Statuten veröffentlicht. Damit kann die Einrichtung ihre geregelte Arbeit aufnehmen. Die sechs Seiten umfassenden Bestimmungen sollen am 1. Oktober in Kraft treten. Künftig sollen die bisher getrennten Medienaktivitäten gebündelt werden. Die Neuregelung sieht vor, dass das vatikanische Presseamt eine Sonderstellung innerhalb der neuen Behörde behält. Sie ist Teil von den insgesamt fünf Abteilungen, die es künftig geben wird.

Die neue Vatikaneinrichtung für die Medien und Kommunikation wurde vor 15 Monaten ins Leben gerufen. Geleitet wird das Mediensekretariat von Dario Edoardo Viganò, den Franziskus bereits im Juni 2015 dazu ernannt hatte. Zuvor war Viganó Leiter des vatikanischen Fernsehdienstes CTV.

Unter den fünf Abteilungen kümmert sich die „technische Stelle“ für die Wartung der Infrastruktur und ihrer Weiterentwicklung. Eine „verlegerische Abteilung“ hat außer dem Verlagsgeschäft auch die „strategische Entwicklung neuer Kommunikationsformen“ zur Aufgabe. Zugleich soll sie eine „wirksame Integration der traditionellen Medien in die digitale Welt“ vorantreiben, wie es weiter heißt. Eine „Pastoraltheologische Abteilung“ soll theologische Konzepte von Kommunikation erarbeiten. Einer „Abteilung für allgemeine Angelegenheiten“ obliegt die Personalführung, Verwaltung und interne Kontrolle.

Unter dem Dach des vatikanischen Mediensekretariats sollen der Sender Radio Vatikan, die Zeitung „L´Osservatore Romano“, der Fernsehdienst CTV, der vatikanische Internetdienst, die Verlagsbuchhandlung LEV, die Druckerei sowie der Fotodienst gebündelt werden. Die Eingliederung soll schrittweise erfolgen. So ist etwa der päpstliche Medienrat bereits vollständig im Mediensekretariat aufgegangen, während etwa Radio Vatikan vorerst noch wie bisher weiterarbeitet.“ (rv/kna)