ROM – Ein Augenblick des Gebetes an dem Ort jenes Massakers, das heute in Italien als Symbol aller kriegerischen Repressalien gilt: Am Ende eines Tages, der den Toten aller Kriege gewidmet war, nach der Heiligen Messe auf dem amerikanischen Friedhof von Nettuno und vor dem Besuch in den vatikanischen Grotten und dem Gebet an den Gräbern seiner Vorgänger, kam Papst Franziskus an der Gedenkstätte der Ardeatinischen Höhlen an.
Bei seiner Ankunft wurde er vom Verantwortlichen der Vereinigung „Onorcaduti“ (Ehre den Gefallenen), vom Direktor der Gedenkstätte und vom Oberrabbiner Roms, Riccardo Di Segni, empfangen. Auch die Mitglieder der nationalen Vereinigung der „Italienischen Familien der für das Vaterland Gefallenen“ (ANFIM) waren anwesend, darunter Adriana Montezemolo, die Schwester des Kardinals Andrea Cordero Lanza di Montezemolo: Ihr Vater Giuseppe war eines der Opfer des Massakers gewesen.
Nach einer Erklärung zum Monument – die Statue versinnbildlicht die drei beteiligten Generationen, der Monolith die Gewichtigkeit des Ereignisses – betrat der Papst die Gedenkstätte und lief allein die Gänge entlang, die zu Grabmal führen. Einige Schritte hinter ihm ein kleines Gefolge, zu dem der Rabbiner Di Segni und der Leiter der Gedenkstätte gehörten.
Dann verweilte der Papst ein paar Minuten in stillem Gebet an jenem Ort, an dem die Leichen, jeweils in Gruppen von fünf, aufgestapelt worden waren.
Danach sprach Rabbiner Di Segni noch kurz mit Papst Franziskus. „Unter den Opfer der Ardeatinischen Höhlen waren auch 75 Juden (…) es ist eine geteilte Trauer. Wir sind hier gemeinsam, um dieser schrecklichen Dinge, die nie wieder geschehen dürfen, zu gedenken“, sagte er.
Dann ging die kleine Gruppe weiter zum Mausoleum. Die Website des Verteidigungsministeriums erklärt, dass „die Leichen der 335 Ermordeten in einem riesigen Grabe in der Erde gelegt wurden, das von einem großen Grabstein überdeckt wird, der auf symbolische Weise die Unterdrückung der Opfer und das Verbergen der Leichen darstellt.“
Weiter heißt es – und der Papst nahm diese Information auf – dass „die die sterblichen Überreste der Personen in der Reihenfolge ihrer Exhumierung in der Grotte angeordnet worden waren.“
Die Gräber sind alle aus Granit gefertigt und wurden in sieben parallelen Doppelreihen angelegt; die Daten der 326 identifizierten Leichen sind auf den zugehörigen Grabplatten eingemeißelt. Von weiteren acht Opfern kennt man den Namen, sie wurden jedoch nicht identifiziert; zu einer Leiche schließlich besitzt man keinerlei Angaben. Die Gräber dieser Ermordeten tragen die Inschrift „Ignoto“ – ein Unbekannter.
Der Papst legte weiße Rosen nieder. Am Ende eines Augenblicks der Stille stimmt Rabbiner Di Segni den Gesang eines jüdischen Gebetes an.
Neben ihm stand Papst Franziskus. Dieser betete im Anschluss: „Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs, mit diesen Namen hast Du dich Moses vorgestellt, als du ihm deinen Willen geoffenbart hast, ihn aus der Knechtschaft in Ägypten zu befreien“. Dieser Gott „bindet sich in einem Bund der Liebe für immer an den Menschen“, er ist barmherzig gegenüber „jedem Volk und jedem Menschen“, die unterdrückt werden.
„Gott der Gesichter und der Namen, Gott eines jeden dieser 355 am 24. März 1944 Ermordeten, deren sterbliche Überreste hier ruhen. Du, Herr, kennst ihre Gesichter und ihren Namen. Auch die jener, die für uns unbekannt geblieben sind. Für Dich, Herr, ist niemand unbekannt“.
„Gott Jesu Christi, Vater unser im Himmel. Dank ihm, dem auferstandenen Gekreuzigten, wissen wir, dass dein Name bedeutet, dass Du kein Gott der Toten, sondern der Lebenden bist. Dass dein treuer Bund der Liebe stärker als der Tod und Unterpfand der Auferstehung ist.“
Am Ende des Gebetes schrieb Papst Franziskus einige Zeilen in das Gedenkbuch: „Das ist die Furch des Krieges: Hass, Tod, Rache… Herr, vergib uns.“
Das Mausoleum der Ardeatinischen Höhlen ist ein Ort großer Bedeutung. Dort wurden die Leichen der 335 Zivilisten verborgen, die von der deutschen Wehrmacht als Rache für einen Angriff der „Resistenza“ (italienische Widerstandsbewegung) auf die deutschen Truppen am 23. März in der Via Rasella, getötet wurden.
Dieses Ereignis wurde zum Symbol der Unterdrückung durch die Nationalsozialisten. Und die Höhlen aus Pozzolanerde in der Nähe der Via Ardeatina wurden zum geeigneten Ort für eine Gedenkstätte. Gleich nach dem Krieg gab es eine Ausschreibung für die Gestaltung der Ardeatinischen Höhlen und die Errichtung eines Monuments zum Gedenken an die Opfer des Massakers, das am Ort ihrer Ermordung stehen sollte. Es war die erste Ausschreibung im befreiten Italien.
In einem Italien, das durch die deutsch-britischen Auseinandersetzungen zweigeteilt war, erweckten die Vielfältigkeit der Opfer (Katholiken und Juden, Mitglieder des Widerstands und gemeinsame Inhaftierte) und die Brutalität des Massakers auf gewisse Weise neu das Gefühl der nationalen Einheit. Mit dem Mausoleum wollte man nicht nur der Opfer gedenken, sondern den Krieg hinter sich lassen. Auch das hat Papst Franziskus gefordert durch diesen Tag, den er den Opfern aller Kriege gewidmet hat.
Übersetzt aus dem Italienischen von Susanne Finner. (CNA Deutsch)