Franziskus will Nein zur Todesstrafe im Katechismus haben

Das ausnahmslose Nein zur Todesstrafe soll verpflichtendes katholisches Glaubensgut werden und als solches im Katechismus stehen. Das hat Papst Franziskus am Mittwochabend in einer weit ausgreifenden Rede über den Katechismus, den fortschreitenden Glauben der Kirche und die Tradition angekündigt. Er äußerte sich bei einer Audienz für Teilnehmer eines Treffens, zu dem der Päpstliche Rat zur Förderung der Neuevangelisierung geladen hatte.

Die Ablehnung der Todesstrafe müsse im Katechismus der Katholischen Kirche auf „angemessenere und schlüssigere“ Weise Platz finden als bisher, sagte Franziskus. Der Weltkatechismus war als späte Frucht des II. Vatikanischen Konzils vor nunmehr 25 Jahren erschienen. Seither habe sich in der Frage der Todesstrafe nicht nur das päpstliche Lehramt entwickelt, sondern auch das Bewusstsein des Gottesvolkes. Man müsse heute, so der Papst wörtlich, „energisch bekräftigen, dass die Verurteilung zur Todesstrafe eine unmenschliche Maßnahme ist, die, auf welche Art auch immer durchgeführt, die Menschenwürde demütigt“. Die Todesstrafe widerspreche dem Evangelium, weil sie das Leben eines Menschen beende; jedes Menschenleben aber sei heilig in den Augen Gottes, der letztlich der einzige wahre Richter sei.

Todesstrafe im Kirchenstaat entsprach “keiner christlichen Gesinnung“

Auch im Kirchenstaat verhängten Richter über lange Zeit die Todesstrafe. Die letzte Hinrichtung fand unter Papst Pius IX. im Jahr 1870 statt. Diese historische Last sparte Franziskus nicht aus: da sei im Kirchenstaat „der Vorrang der Barmherzigkeit über die Gerechtigkeit vernachlässigt“ worden. „Nehmen wir die Verantwortung der Vergangenheit auf uns, und erkennen wir an, dass jene Mittel von einer mehr legalistischen als christlichen Gesinnung bestimmt waren.“

Nein zur Todesstrafe steht nicht im Widerspruch zur Tradition

In der Absicherung seiner Argumentation war dem Papst ein Punkt besonders wichtig: Das Nein zur Todesstrafe steht nicht im Widerspruch zur Tradition, zum Glaubensgut also, das die Kirche aller Zeiten lehrte. Immer habe die Kirche das Menschenleben von der Zeugung bis zum natürlichen Tod verteidigt, erinnerte der Papst. Eine „harmonische Entwicklung der Lehre“ erfordere es, sich von Positionen zu verabschieden, „die heutzutage dem neuen Verständnis der christlichen Wahrheit entschieden zuwiderlaufen“.

Franziskus berief sich auf das II. Vatikanische Konzil: Dieses habe davon gesprochen, dass die Tradition sich immer fortentwickle. Tradition, das sei nichts Starres, so der Papst, der mit einem für ihn typischen Sprachbild verdeutlichte: „Das Wort Gottes kann man nicht in Naftalin einlegen, als sei es eine alte Decke, die man vor Schädlingen schützen muss! Nein. Das Wort Gottes ist eine dynamische Wirklichkeit, immer lebendigt, die voranschreitet und wächst, weil sie zu einer Erfüllung hin unterwegs ist, die die Menschen nicht aufhalten können.“

Der Weltkatechismus von 1992 hat in der Frage der Todesstrafe eine spätere Veränderung erfahren und die Zulässigkeit der Todesstrafe 2003 weiter eingeschränkt, wenn auch nicht komplett ausgeschlossen, wie Papst Franziskus das nun fordert. Im Kanon 2267 in der heutige gültigen Fassung heißt es: „Unter der Voraussetzung, dass die Identität und die Verantwortung des Schuldigen mit ganzer Sicherheit feststehen, schließt die überlieferte Lehre der Kirche den Rückgriff auf die Todesstrafe nicht aus, wenn dies der einzig gangbare Weg wäre, um das Leben von Menschen wirksam gegen einen ungerechten Angreifer zu verteidigen.“

Ein Vorschlag von Pax Christi

Mit seinem Vorstoß zur „Abschaffung“ der Todesstrafe im Katechismus griff Franziskus eine Forderung der katholischen Friedensbewegung Pax Christi Europa auf, die im April vorschlug, die Todesstrafe solle in künftigen Ausgaben des Katechismus der Katholischen Kirche rundum und ausnahmslos verurteilt werden. (rv)

Die Papstreise nach Myanmar und Bangladesch im Detail

Der Vatikan hat an diesem Dienstag das detaillierte Programm der Papstreise nach Myanmar und Bangladesch veröffentlicht. Demnach hält der Papst auf seiner knapp einwöchigen Staats- und Pastoralreise vom 26. November bis 2. Dezember 2017 zehn Ansprachen und eine Predigt, trifft neben Angehörigen der christlichen Minderheit buddhistische Mönche und leitet ein interreligiös-ökumenisches Friedenstreffen. Zudem sind Begegnungen mit Staats- und Regierungschefs geplant. Ein Treffen mit den muslimischen Rohingya oder ein Besuch der Region Rakhine ist in dem offiziellen Programm nicht vorgesehen. Beide Länder gerieten aufgrund ihres Umgangs mit der Minderheit zuletzt in die Kritik, der Papst hatte sich mehrmals öffentlich solidarisch mit den Rohingya erklärt.

Am 28. November trifft der Papst in Myanmars Hauptstadt Naypyidaw Staatspräsident Htin Kyaw, am Nachmittag spricht er dort mit der Außenministerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi und hält eine Ansprache an Vertreter von Politik und Gesellschaft.

Am 29. November feiert Franziskus in Rangun seine erste öffentliche Messe, begegnet dem obersten Rat der buddhistischen Mönche und katholischen Bischöfen des Landes.

Zu Beginn seiner zweiten Reiseetappe in Bangladesch will Franziskus an der nationalen Gedenkstätte in Savar zunächst Märtyrern des Unabhängigkeitskriegs 1971 gedenken und in in der Hauptstadt Dhaka den „Vater der Nation“, Scheich Mujibur Rahman (1920-1975) ehren. Anschließend wird Franziskus von Staatspräsident Abdul Hamid empfangen und hält eine Ansprache vor Vertretern von Politik und Gesellschaft.

Am 1. Dezember feiert der Papst eine Messe mit Priesterweihe unter freiem Himmel. Ferner leitet er ein interreligiös-ökumenisches Friedenstreffen und spricht mit Premierministerin Scheich Hasina Wajed in der Vatikanbotschaft sowie den katholischen Bischöfen des Landes in einem Priesterwohnheim.

Zum Abschluss der Reise stehen am 2. Dezember Begegnungen mit Klerikern und Ordensleuten sowie mit Jugendlichen auf dem Programm. Privat will der Papst auch ein Heim Mutter Teresas besuchen, das sich vor allem um Straßenkinder in einem Elendsviertel kümmert. In Rom zurückerwartet wird Franziskus am späten Abend des 3. Dezember. (rv)

Vatikan: Ratzinger-Schüler Adoukonou geht zurück nach Benin

Der Sekretär des Päpstlichen Kulturrates, Bischof Barthélemy Adoukonou, hat seinen Dienst im Vatikan vollendet und ist in sein Heimatland Benin zurückgekehrt. Darüber informiert der monatliche Nachrichtenbrief des Rates an diesem Dienstag. Adoukonou war im August 75 Jahre alt geworden. Er ist ein theologischer Schüler Joseph Ratzingers, bei dem er in Regensburg promovierte. Der Kardinal berief den afrikanischen Priester später in die Internationale Theologische Kommission in den Vatikan, als Papst ernannte er ihn 2009 zum Sekretär des Kulturrates. In Benin wird Bischof Adoukonou Leiter einer Forschungsstelle für Anthropologie, so die Informationen aus dem Vatikan.

An der Spitze des Päpstlichen Kulturrats steht Kardinal Gianfranco Ravasi. Der Sekretär ist die „Nummer zwei“ einer päpstlichen Behörde. (rv)

Vatikan: „Superheld Franziskus“ wirbt für christliche Werte

Franziskus als „Superheld“, der für christliche Werte eintritt: Das bekannte Papst-Graffiti mit dem Papst als Superman soll fortan als T-Shirt für einen guten Zweck verkauft werden. Das sagte der Chef des vatikanischen Kommunikationssekretariats, Dario Edoardo Vigano, jetzt gegenüber Radio Vatikan.

Mit der humorvollen Abbildung des Papstes als Superheld wolle der Vatikan für karitative Initiativen des Papstes werben, so der Präfekt. Interessierte könnten das Hemd auf der Internetseite www.superpope.it für 19,00 Euro erwerben, die Einnahmen würden in Teilen direkt in karitative Spendenprojekte des Papstes wie etwa den Peterspfennig fließen.

Dass das Superhelden-Bild ein entwürdigendes Motiv für einen Papst sein könne, wie manche Kritiker des Graffiti bemängelt hatten, findet der Kommunikationschef des Vatikan nicht. Papst Franziskus suche die Nähe der Gläubigen und sei stets als Hirte aufgetreten, der um Gebet für seine Mission gebeten habe, erinnerte der Präfekt. Trübsal zu blasen sehe der Papst als „nicht christlich“. Schließlich habe Jesus uns gerettet, und eine „mit dieser Gnade gesegnete Menschheit“ sei „farbenfroh und freudig“, so Viganò. Darüber hinaus stelle das freundliche und humorvolle Bildmotiv einen Gegenpol in einer großteils lauten und polemischen Kultur dar.

Für Katholiken mit Stil? Jedenfalls mit Humor

Das Superman-Shirt kann in verschiedenen Farben sowie in Männer- und Frauenversion im Internet bestellt werden. Die Vorderseite ziert jeweils der Superpapst mit hochgereckter Faust im Flug und einer Aktentasche mit der Aufschrift „Werte“ in der anderen Hand; auf der Rückseite sind Papst-Zitate wie etwa „Barmherzigkeit ist Gottes Name“ abgedruckt.

Das Motiv des italienischen Malers und Straßenkünstlers Mauro Pallotta war 2014 unweit des Vatikan an einer Hauswand aufgetaucht, jedoch schnell wieder übermalt worden. Dennoch erlangte es große Aufmerksamkeit. Der Päpstliche Medienrat verbreitete damals einen Schnappschuss des Super-Papstes über den Kurznachrichtendienst Twitter. Auf einer Comic-Messe in Rom hatte das Bild unerwarteten Erfolg. (rv)

Führung der US-Bischofskonferenz beim Papst

Die Führung der US-Bischofskonferenz war am Montag beim Papst. An der Privataudienz im Vatikan nahm eine vierköpfige Delegation teil, nämlich der Konferenzvorsitzende Kardinal Daniel DiNardo aus Galveston-Houston, sein Stellvertreter Erzbischof José Gomez aus Los Angeles sowie der Generalsekretär und dessen Stellvertreter. Über den Inhalt der rund 30-minütigen Unterredung wurde nichts bekannt. (rv)

“Spannender als jeder Tatort”: Wer ist der Mann auf dem Turiner Tuch?

BAMBERG – Für viele ist es der Stoff, in den Jesus Christus im Grab umhüllt war – andere sind sich alles andere als sicher: Das Turiner Grabtuch gehört sicherlich zu den meistdiskutierten Andachtsgegenständen der Welt.

Der Malteserorden hat sich fast wie im Krimi zusammen mit Experten auf Spurensuche gemacht, um zusammenzutragen, welche Indizien die moderne Wissenschaft beitragen kann: Was sagt das Tuch sozusagen über sich selbst aus?

Herausgekommen ist eine Wanderausstellung, die den Betrachter auf den neuesten Stand der Sindonologie, der Grabtuchkunde, bringt. Dabei möchte man Gläubige ebenso ansprechen wie wissenschaftlich Interessierte.

Für Markus Nietert, den Diözesanpressereferenten des Malteserordens in der Erzdiözese Bamberg, ist das Ganze „spannender als jeder Franken-Tatort“.

Beim Rundgang durch die 20 Stelen, vorbei unter anderem an originalgetreuen Nachbildungen des 4,40 mal 1,13 Meter großen Tuches, der Geißeln, und der Dornenhaube, sprudeln die Fakten: Zur Praxis der Geißelung etwa, warum die 1969 von Monsignore Giulio Ricci gezählten 117 kleineren Wunden darauf schließen lassen, dass der Mann auf dem Tuch nach römischer Art, aber in Judäa gegeißelt wurde. Oder zur Frage nach dem fehlenden Finger an der linken Hand; zur „Aussage“ der Brandlöcher.

Erkenntnisse aus neuen Analysen

Viele kennen aus den Medien die Entdeckung des „positiven Negativs“ des Körperabdrucks, durch den Rechtsanwalt Secondo Pia 1898, der das Tuch als erster fotografierte. Sie war der Anfang einer Reihe spektakulärer Untersuchungen, die versuchen, sich mit immer aufwändigeren Methoden dem Geheimnis des Tuches zu nähern. Mittlerweile kann mithilfe eines speziellen Bildanalyse-Computers der NASA (die damit die Marsoberfläche plastisch darstellt) und einem Foto des Tuchs ein perfektes, dreidimensionales Bild eines liegenden Mannes erstellt werden.

Zur Datierung des Tuches werden heute neben der bei verschmutzten Stoffen nur bedingt aussagekräftigen Radiokarbon-Methode gleich drei alternative Verfahren (FT-Infrarotspektroskopie, Raman-Spektroskopie und die sogenannte multiparametrische Methode) eingesetzt. Ergebnis: Der Durchschnittswert aller drei Ergebnisse liegt bei 33 vor Christus, mit einer möglichen Abweichung von maximal 200 Jahren.

Professor Ray Rogers, Chemiker der Los Alamos Nationallaboratorien in den USA, konnte das 2003 durch die Bestimmung des Vanillingehalts des Tuches bestätigen, der sich durch den gleichmäßigen Zerfall des im Leinen enthaltenen Lignins ergibt.

Straßenschmutz aus Jerusalem

Auch Krimifan Nietert begeistern die Funde im Mikrokosmos des Tuchs. Pollen der Distel Gundelia tournefortii und des äußerst seltenen buschigen Jochblatts habe man gefunden, das nur auf dem Sinai und in der Wüste um das Tote Meer wachse. Beide zusammen könne man nur in einem schmalen Streifen zwischen Jerusalem und Hebron finden. Auch der gefundene Straßenschmutz sei eindeutig aus der Gegend um Jerusalem. „Immer wieder schließt sich der Kreis“, findet er und zieht Vergleiche mit Aussagen der Bibel, die durch die Funde eindeutig bestätigt werden.

Die Bamberger Malteser hatten die Ausstellung anlässlich ihres 60-jährigen Jubiläums in ihre Heimatstadt geholt, um sich bei der Erzdiözese zu bedanken. „Sie haben bei mir offene Türen eingerannt“, erklärt Dr. Holger Kempkens, Leiter des Diözesanmuseums.

Selbst vom Tuch fasziniert, freut er sich über das breite Besucherspektrum, das durchaus über den „normalen“ Museumsbesucher hinausgehe. Bamberg sei als Ausstellungsort besonders geeignet:

„Die Malteser – Ausstellung fügt sich nahtlos in die hier bereits vorhandenen Passionsreliquien ein – wobei das Tuch offiziell ja nicht als Reliquie bezeichnet werden soll, sondern als Ikone – aber wenn sie schon hier sind, können die Leute auch auf die anderen Schätze unserer Sammlung aufmerksam werden.“

Die offizielle Haltung der Kirche zum Grabtuch will der Orden auf keinen Fall in Frage stellen. Überhaupt wolle man nicht missionieren, sondern Fakten zeigen, betont Markus Nietert und räumt ein: „Schön wäre es aber schon, wenn sich der eine oder andere Besucher am Ende der Ausstellung fragen würde, welche Konsequenzen es für sein Leben hätte, wenn die Berichte der Bibel tatsächlich wahr wären.“

Papst Franziskus, aus Anlass der Ausstellung des Turiner Grabtuchs am Karsamstag 2013, sagte in einer Video-Botschaft: „Lassen wir uns also von diesem Blick berühren, der nicht unser Auge sucht, sondern unser Herz.“

Die Ausstellung ist noch bis zum 22.10.2017 im Bamberger Diözesanmuseum zu sehen. Informationen unter domtouristik-info@erzbistum-bamberg.de (CNA Deutsch)

Papst: Kollegialität gehört ins Kirchenrecht

Das Kirchenrecht muss sich permanent dem Kirchenbild anpassen, das sich durch das Zweite Vatikanische Konzil weiterentwickelt hat. Das schreibt Papst Franziskus in einem Brief zur Hundertjahrfeier des ersten Kodex des Kirchenrechts. Mit einem Zitat seines Vorgängers Benedikt XVI. schreibt Franziskus, nach dem Konzil habe es einen Übergang gegeben von einer Ekklesiologie – also Lehre von der Kirche –, die von Kirchenrecht geformt wurde, zu einem Kirchenrecht, das an die Ekklesiologie angepasst werde. Es sei „nötig, dass das Kirchenrecht immer der konziliaren Ekklesiologie entspricht“.

Franziskus schreibt von seiner Hoffnung, dass das Kirchenrecht zu einem „Werkzeug“ werde, um eine „langfristige Rezeption“ des Zweiten Vatikanischen Konzils zu erleichtern. Wichtig seien ihm dabei die Punkte „Kollegialität, Synodalität, mehr Verantwortung für die Ortskirchen und Mitverantwortung aller Christgläubigen für die Mission der Kirche“.

Der erste Kodex des Kirchenrechts wurde im Mai 1917 vom damaligen Papst Pius X. in Kraft gesetzt. (rv)

Kinderschutz und Prävention: „Das ist und bleibt Chefsache“

Prävention und Hinschauen im Feld von sexueller Gewalt sind kein Selbstläufer, es braucht weiter Anstrengungen, das präsent zu halten: Bischof Stephan Ackermann spricht zum Abschluss des Kongresses zum Thema Kinderschutz im Internet über die Herausforderungen im Alltag der Kirche heute.

Papst Franziskus hatte in seiner Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses an der Päpstlichen Universität Gregoriana rhetorisch gefragt, ob die Kirche „in diesen Jahren denn nicht zu Genüge gelernt (hat), dass das Verstecken der Realität von sexuellen Missbräuchen ein äußerst schwerwiegender Fehler und Ursache vieler Übel ist?“. Pater Bernd Hagenkord hat Bischof Ackermann diese Frage weiter gegeben: Hat die Kirche genügend gelernt?

Ackermann: „Wir haben eine große Lerngeschichte hinter uns, das kann man in jedem Fall sagen wenn man auf die letzten sieben Jahre zurück schaut. Aber meine Erfahrung ist auch, dass die Fragen von Prävention und vom Hinschauen bei sexueller Gewalt kein Selbstläufer ist. Es gibt da Ermüdungserscheinungen, damit sinkt die Achtsamkeit ab. Diese Gefahr besteht und insofern ist die Frage des Papstes eine Frage der Gewissenserforschung, die Gefahr bleibt, dass wir etwas nicht wahrhaben wollen und nicht hinschauen.“

RV: Beim Kongress ging es um Kinderschutz im Internet, war das bisher in Ihrer Arbeit schon ein großes Thema?

Ackermann: „Natürlich war das schon Thema, aber nicht in der Breite, wie wir sonst auf das Thema sexualisierte Gewalt geschaut haben. Aber ich bin auch ganz bewusst zu diesem Kongress gekommen, damit man uns nicht vorwerfen kann, dass wir uns sechs, sieben Jahre lang vor allem mit dem Blick zurück beschäftigt haben, also mit der Aufarbeitung so wichtig die ist und weiter gehen muss, darüber aber die aktuellen Gefahrenpotentiale vergessen hätten.“

RV: Es sind bald acht Jahre, dass wir im deutschsprachigen Raum diese Debatte um sexualisierte Gewalt führen, wenn Sie nun auf dieser Erfahrung aufbauend in die Zukunft schauen, was sind die nächsten Herausforderungen, die sich stellen?

Ackermann: „Das ganze Feld bewegt sich ja weiter, kirchlich, aber auch außerhalb der Kirche. Es gibt neue Erkenntnisse, auch in der Wissenschaft, etwa was den Umgang mit Betroffenen angeht. Man kann nicht sagen, dass alles klar sei und wir einen Standard erreicht hätten, bei dem wir jetzt bleiben. Das ist eine permanente Weiterentwicklung. Eine Herausforderung besteht also darin, dabei zu bleiben und zu sehen, dass die Arbeit hier weiter geht.

Es gibt aber auch neue Felder, auf die wir schauen, ich nenne als Beispiel die Flüchtlingsarbeit. Viele sind in der Flüchtlingsarbeit aktiv und melden zurück, wie viele Kinder und Frauen sexuelle Gewalt erlitten haben und traumatisiert wird. Wir müssen auch das in den Blick nehmen. Das ist ein Feld, dass wir 2010 noch gar nicht im Blick gehabt haben. Hier geht es weniger um Missbrauch, der innerhalb der Kirche geschieht, als vielmehr darum, wo kirchliche Akteure Verantwortung wahrnehmen und jetzt achtsam sind auf diese Problematik.

Und dann geht es immer auch darum, die Achtsamkeit präsent zu halten, damit das nicht geschieht, was ich eben gesagt habe, nämlich dass die Aufmerksamkeit irgendwie wieder absinkt. Es ist eine Erfahrung, die mich erschrickt, die aber auf der anderen Seite nicht erstaunlich ist, weil neue Personen Verantwortung übernehmen. Die müssen sich erst einmal mit diesem Feld beschäftigen. Diejenigen, die die letzten Jahre mitbekommen haben und in Verantwortung waren, die wissen darum. Aber ich kann nicht voraussetzen, dass das einmal da ist und dann bleibt. Es muss immer wieder neu informiert werden und das ist eine dicke Herausforderung: die Präventionsarbeit auf Dauer zu stellen.“

RV: In der Kirche waren die mit Missbrauch befassten etwa in der Personalführung ganz zentral eingebunden. Ist das immer noch der Fall? Ist das immer noch ganz klar Teil der kirchlichen Personalpolitik? Oder sinkt auch das mittlerweile ab?

Ackermann: „Das braucht permanente Anstrengung, zu sagen ‚Das ist und bleibt Chefsache‘. Daran liegt es wesentlich, dass auch diejenigen, die auf diesem Feld aktiv sind wissen, dass das ganz klar gewollt ist und eine hohe Priorität hat. Aber ich sage ehrlich, dass das Anstrengung braucht. Und ich sehe auch die Gefahr, dass Dinge wieder absinken, weil man sie für normal und eingegliedert hält.“

RV: Das heißt, dass die rhetorische Frage des Papstes durchaus auch als Warnung gemeint ist.

Ackermann: „Genau, das würde ich auch sagen. Damit ist das Ausrufungszeichen gegeben, das auch in Zukunft zu realisieren. Damit hat er die Gefahr ausgedrückt, dass das wieder in den Hintergrund rückt, und damit wächst dann auch wieder die Gefahr, dass Missbrauch geschieht.“

Der Trierer Bischof Ackermann ist der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für den Umgang mit Missbrauchsfällen. (rv)

Vatikan: Welche Aufgaben hat Kardinal Burke bei Gericht?

Die Berufung von Kardinal Raymond L. Burke an die Apostolische Signatur hat die Frage aufgeworfen, worin die Arbeit der Mitglieder dieses höchsten Kirchengerichts besteht. Der US-amerikanische Kardinal, dem auch Kritiker hohe Kompetenz im Kirchenrecht bescheinigen, hatte bis 2014 als Präfekt der Signatur gewirkt, ehe Papst Franziskus ihn zum Kardinalpatron des Malteserordens bestimmte. Nun holte Franziskus den Kardinal zurück an das Gericht, allerdings nicht als Leiter, sondern als Mitglied. Burke gilt als traditionsverbunden. Zusammen mit drei weiteren Kardinälen hatte er dem Papst in einem Brief seine Zweifel – „dubia“ – über den von Franziskus eingeschlagenen Kurs in moraltheologischen Fragen unterbreitet; Franziskus hat dieses Schreiben der vier Kardinäle nicht beantwortet.

Die Apostolische Signatur steht an der Spitze der Gerichtsbarkeit in der katholischen Weltkirche. Die Mitglieder – etwa 18 an der Zahl – sind zugleich Richter. Franziskus ernannte zusammen mit Burke noch vier weitere neue Mitglieder des Gerichts.

Geleitet wird die Apostolische Signatur vom Präfekten, der jeweils ein Kardinal ist und das ganze Jahr über anwesend sein muss. Anders die Mitglieder: Sie sind Kardinäle oder Bischöfe aus der ganzen Weltkirche, die drei- bis viermal pro Jahr zu Richterkollegien am Sitz des Tribunals in Rom zusammenkommen und dabei gemeinsam Urteile fällen. Außerdem treffen sich alle Angehörigen der Signatur zur Vollversammlung, wenn Grundsatzfragen zur kirchlichen Rechtspflege auf Weltebene zu klären sind. Dies ist nicht oft der Fall: Die letzte Vollversammlung an der Signatur war im Februar 2011 und erörterte die Rolle des Ehebandverteidigers im Ehenichtigkeitsprozess.

Wie arbeiten die Richter der Signatur?

Die Richter der Signatur erhalten die Akten der einzelnen Fälle nach Hause zugestellt, wo sie sie studieren und sich ihre Meinung bilden. Das Urteil fällen die Richter gemeinsam im Kollegium, normalerweise zu fünft. Die verhandelten Streitsachen betreffen beispielsweise Nichtigkeitsbeschwerden gegen Urteile oder endgültige Dekrete der Römischen Rota, des päpstlichen Berufungsgerichts für die gesamte Weltkirche. Darüber hinaus fungiert die Signatur als Verwaltungsgerichtshof, die Richter entscheiden also über Beschwerden gegen Verwaltungsakte im Bereich des Heiligen Stuhls.

Nicht befasst ist die Signatur mit Einzelverfahren zur Ehenichtigkeit. Die Frage nach dem Umgang mit Gläubigen, die nach gescheiterten, aber gültigen katholischen Ehen ein zweites Mal zivil heiraten, berührt einen sensiblen Punkt in der katholischen Kirche. Papst Franziskus hatte in seinem nachsynodalen Schreiben „Amoris Laetitia“ die Möglichkeit eröffnet, solche Menschen im Einzelfall nach einer gewissenhaften Prüfung wieder zum Empfang der Kommunion zuzulassen. Konservative Kräfte, unter ihnen Kardinal Burke, verwerfen eine solche Möglichkeit mit Verweis auf die Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe. Unbenommen bleibt aber die Möglichkeit, die Gültigkeit der Ehe zu prüfen.

Verfahren zur Ehenichtigkeit sind Aufgabe der Rota, nicht der Signatur

Wenn eine sakramental geschlossene katholische Ehe scheitert, haben die Partner ein Anrecht darauf, die Gültigkeit ihrer Ehe gerichtlich prüfen zu lassen. Sollte sich dabei herausstellen, dass die Ehe von Anfang an nicht gültig zustande kam, gilt sie als nichtig, das heißt, sie hat nach katholischer Auffassung vor Gott nie bestanden. In einem solchen Fall können der Mann und die Frau mit anderen Partnern eine neue kirchliche Ehe eingehen und sind in einer regulären Situation.

Anders verhält es sich mit katholischen Gläubigen, deren erste Ehe scheitert und zivil geschieden wird, kirchlich aber gültig ist. Eine zweite Heirat kann dann nur standesamtlich erfolgen und gilt nicht vor der Kirche. Dieser Gruppe von Gläubigen, den sogenannten „wiederverheirateten Geschiedenen“, galt ein beträchtlicher Teil der Arbeit bei den beiden Familien-Bischofssynoden. Die Ergebnisse dieser weltkirchlichen Beratungen flossen in das päpstliche Schreiben „Amoris Laetitia“ ein.

Ehenichtigkeitsprozesse beginnen am jeweils zuständigen diözesanen oder interdiözesanen Gericht. Gegen das dort gefällte Urteil können die Eheleute Berufung einlegen, und zwar am örtlichen Berufungsgericht oder an der Römischen Rota. Sollte das zweite Urteil nicht gleichlautend mit dem ersten sein, besteht noch die Möglichkeit der Berufung an der Römischen Rota, die dann in dritter Instanz entscheidet. (rv)

Jugend-Synode: Aktive Rolle der Jugend erwünscht

Die Bischöfe, die 2018 an der Jugendsynode im Vatikan teilnehmen, sollen vorab ein genaues, realistisches Bild davon erhalten, wie junge Menschen heute über Glauben, Kirche und Welt denken. Bei der Vor-Synode im März, die Papst Franziskus diese Woche ankündigte, sollen deshalb ganz verschiedene Stimmen zu hören sein. Das sagte der Generalsekretär der Bischofssynode, Kardinal Lorenzo Baldisseri, im Gespräch mit Radio Vatikan.

„Da es sich um eine Synode über die Jugend handelt und dazu auch Nicht-Katholiken oder Nicht-Glaubende zählen, haben wir auch Jugendliche eingeladen, die diese Welt repräsentieren. Die Kirche bietet natürlich allen den Glauben an, und um dies anzunehmen, braucht es jene ,Unterscheidungskraft der Berufung´, der jeden Jugendlichen betrifft, egal ob er gläubig ist oder nicht. Das Stichwort Berufung bedeutet ganz allgemein gesprochen Familie und Familienbildung und damit verbunden auch die Rolle eines jeden in der Gesellschaft. Dieser erste Schritt geschieht in der Familie.“

Die Vor-Synode dauert nur eine Woche, von 19. bis 24. März, doch Kardinal Baldisseri denkt, dass in dieser Zeit die wichtigsten Themen zur Sprache kämen. Eingeladen wurden sowohl einzelne Jugendliche wie auch Jugendverbände. Ziel sei es, dass aus dieser Vorsynode ein Dokument entstehe, das dann den Synodenvätern im Oktober als Basis für ihre Debatten diene. Die Synode selbst im Oktober 2018 werde dann wie gewohnt ablaufen – unter, wie Baldisseri hofft, reger Beteiligung der Jugendlichen, die als Hörerinnen und Hörer eingeladen sind.

„Selbstverständlich wird die eigentliche Synode wie die bisherigen Synoden durchgeführt. Das heißt, es wird Synodenväter geben, die gemeinsam ein Dokument erarbeiten werden. Doch wir wollen auch, dass die Jugend nicht nur in der Versammlung eine Rolle spielen. Es wird wohl eine Gruppe Hörer geben, die aus Jugendlichen besteht, so wie es die Statuten für Synoden vorsieht. Es wäre schön, wenn sie sich aktiv an den Gesprächen beteiligen würden.“ (rv)