Rom: McDonald´s am Vatikan speist Obdachlose

Das von vielen geschmähte neue McDonald´s-Restaurant beim Vatikan verköstigt ab nächster Woche jeden Montag Obdachlose. Mehr als 1.000 Essenspakete mit je einem doppeltem Cheeseburger, frischem Apfel und Wasserflasche stellt der Schnellimbiss zur Verfügung, heißt es in einer Mitteilung der Organisation Medicina Solidale, die bei der Verteilung rund um den Petersplatz und die Via della Conciliazione helfen wird. Auch das päpstliche Almosenamt ist an der Aktion beteiligt.

Der Schnellimbiss der US-Kette wurde zum Jahreswechsel in einem Vatikan-Palazzo wenige Schritte vom Petersplatz entfernt eröffnet. Kardinäle, die in dem Haus wohnen, hatten sich vorab darüber beschwert. Sogar italienische Konsumentenschützer hatten den Papst dazu aufgefordert, den Mietvertrag mit McDonald´s zu kündigen und stattdessen eine Suppenküche für Obdachlose einzurichten. (rv)

Frieden, Terror, Migration: Was Franziskus den Diplomaten in der Neujahrsansprache sagte

VATIKAN – Über Sicherheit und Frieden, Terror und Massenmigration hat Papst Franziskus am heutigen Montag eine Rede vor Diplomaten gehalten. Dabei betonte der Papst, dass zwar Migranten und Flüchtlinge soweit möglich in ein Land integriert werden sollten, aber „ohne dass dieses seine eigene Sicherheit, seine kulturelle Identität und sein sozialpolitisches Gleichgewicht gefährdet sieht“.

Europa attestierte Franziskus, sich in einem „entscheidenden Moment seiner Geschichte“ zu befinden: Der Kontinent müsse seine eigene Identität wiederfinden und die eigenen Wurzeln wieder entdecken.

Der Heilige Vater äußerte sich auch über religiös motivierte Gewalt. Wörtlich sagte er:

Es handelt sich um einen mörderischen Wahnsinn, der den Namen Gottes missbraucht, um Tod zu verbreiten, und versucht, einen Macht- und Herrschaftswillen durchzusetzen. Daher appelliere ich an alle religiösen Autoritäten, dass sie gemeinsam entschieden bekräftigen, dass man nie im Namen Gottes töten darf. Der fundamentalistische Terrorismus ist Frucht einer großen geistigen Erbärmlichkeit (…)

Beim traditionellen Neujahrsempfang des diplomatischen Corps betonte Franziskus, dass „nur durch den gemeinsamen Beitrag der religiösen und politischen Führer“ dieser Terror vollständig überwunden werden könne.

Ohne eine Religion beim Namen zu nennen, sagte der Papst, dass religiöse Führer die Pflicht hätten, Werte zu vermitteln, „die keinen Gegensatz zwischen Gottesfurcht und Nächstenliebe zulassen“.

Aufgabe der Politiker sei es, im öffentlichen Raum das Recht der Religionsfreiheit zu garantieren und den positiven und konstruktiven Beitrag anzuerkennen, den Religionen am Aufbau der Zivilgesellschaft leisteten.

Mehr noch: Die Politik dürfe sich nicht damit begnügen, „die Sicherheit der eigenen Staatsbürger zu gewährleisten – eine Auffassung, die sich leicht auf ein einfaches ‚ruhigen Leben‘ zurückführen lassen könnte – sondern aufgerufen ist, auch wirklich Frieden zu fördern und aufzubauen“.

Migranten müssen Kultur und Tradition respektieren

Es bedürfe eines gemeinsamen Einsatzes „für Migranten, Vertriebene und Flüchtlinge, damit ihnen eine würdige Aufnahme geboten werden kann“, forderte Franziskus. Dazu müsse man „das Recht jedes Menschen in andere Staaten auszuwandern und dort seinen Wohnsitz aufzuschlagen“ anwenden.

Darüber hinaus müssten Politik und Gesellschaft „die Möglichkeit zur Integration der Migranten in das Sozialgefüge, in das sie sich eingliedern, garantieren“, so der Papst weiter, allerdings „ohne dass dieses seine eigene Sicherheit, seine kulturelle Identität und sein sozialpolitisches Gleichgewicht gefährdet sieht“.

„Andererseits dürfen die Migranten selbst nicht vergessen, dass sie verpflichtet sind, die Gesetze, die Kultur und Traditionen der Länder, die sie aufnehmen, zu respektieren“, so der Papst.

Feinde des Friedens

Wie bereits in früheren Reden geißelte der Papst auch politische Ideologien, soziale Ungerechtigkeit, Armut und Waffenhandel als Feinde des Friedens.

CNA dokumentiert den vollständigen Wortlaut der Ansprache, wie sie der Heilige Stuhl zur Verfügung gestellt hat.

Exzellenzen, liebe Botschafter, sehr geehrte Damen und Herren,

gerne heiße ich Sie willkommen und danke Ihnen, dass Sie so zahlreich erschienen sind und diesem traditionellen Treffen wieder Ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben. Es gibt uns die Gelegenheit, gegenseitig die Wünsche auszutauschen, dass das eben begonnene Jahr für alle eine Zeit der Freude, des Wohlergehens und des Friedens sei. Einen ganz besonderen Dank richte ich an den Dekan des Diplomatischen Korps, Seine Exzellenz Armindo Fernandes do Espírito Santo Vieira, Botschafter von Angola, für die ehrerbietigen Grußworte im Namen des ganzen beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps. Es wurde ja kürzlich durch die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen mit der Islamischen Republik Mauretanien vor einem Monat erweitert. Desgleichen möchte ich den vielen Botschaftern, die in der Stadt Rom residieren und deren Zahl im Lauf des vergangenen Jahres zugenommen hat, wie auch den nicht residierenden Botschaftern meinen Dank ausdrücken, dass sie mit ihrem heutigen Besuch das freundschaftliche Band, das ihre Völker und den Heiligen Stuhl verbindet, unterstreichen wollen. Ebenso ist es mir ein Anliegen, dem Botschafter von Malaysia im Gedenken an seinen im vergangenen Februar verstorbenen Vorgänger Dato’ Mohd Zulkephli Bin Mohd Noor meine besondere Anteilnahme auszusprechen.

Im Lauf des letzten Jahres konnten die Beziehungen zwischen Ihren Ländern und dem Heiligen Stuhl dank der geschätzten Besuche zahlreicher Staatsoberhäupter und Regierungschefs weiter vertieft werden, die auch in Verbindung mit den verschiedenen Veranstaltungen im Rahmen des kürzlich zu Ende gegangenen außerordentlichen Jubiläums der Barmherzigkeit stattfanden. Es wurden auch einige bilaterale Verträge unterzeichnet oder ratifiziert, sowohl solche allgemeiner Natur zur Anerkennung des Rechtsstatuts der Kirche – mit der Demokratischen Republik Kongo, der Zentralafrikanischen Republik, mit Benin und mit Ost-Timor –, als auch solche mehr fachlicher Natur wie der mit Frankreich geschlossene Abänderungsvertrag oder die Steuerkonvention mit der Republik Italien, die vor kurzem in Kraft trat. Hinzu kommt auch das Memorandum zur gegenseitigen Verständigung zwischen dem Staatssekretariat und der Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate. Ferner wurde im Blick auf den Einsatz des Heiligen Stuhls, die übernommenen Verpflichtungen der unterzeichneten Abkommen einzuhalten, das Comprehensive Agreement mit dem Staat Palästina, das vor einem Jahr in Kraft trat, vollständig umgesetzt.

Liebe Botschafter, vor einem Jahrhundert befand sich die Welt mitten im Ersten Weltkrieg. Ein unnötiges Blutbad[1], bei dem neue Gefechtstechniken Tod verbreiteten und für die wehrlose Zivilbevölkerung unermessliche

Leiden verursachten. Im Jahr 1917 wandelte sich das Antlitz des Krieges grundlegend und nahm immer mehr weltweite Züge an, während jene totalitären Regime, die dann lange Zeit Ursache schmerzlicher Teilungen sein sollten, am Horizont erschienen. Hundert Jahre danach können viele Teile der Welt sagen, dass sie lange Friedenszeiten genießen konnten. Diese haben bisher nie dagewesene Möglichkeiten wirtschaftlicher Entwicklung und Formen des Wohlstands begünstigt. Wenn heute für viele der Friede in gewisser Weise als ein selbstverständliches Gut erscheint, gleichsam als ein erworbenes Recht, dem man nicht mehr viel Aufmerksamkeit schenkt, ist er für zu viele noch immer nur ein fernes Wunschbild. Millionen von Menschen leben immer noch im Zentrum sinnloser Konflikte. Auch an Orten, die einmal als sicher galten, spürt man ein allgemeines Gefühl der Angst. Wir sind oft übermannt von Bildern des Todes, vom Leid der Unschuldigen, die um Hilfe und Trost bitten, von der Trauer derer, die wegen Hass und Gewalt um einen geliebten Menschen weinen, vom Drama der Flüchtlinge, die vor dem Krieg fliehen, oder der Migranten, die tragisch ums Leben kommen.

Daher möchte ich die heutige Begegnung dem Thema der Sicherheit und des Friedens widmen. Im Klima allgemeiner Besorgnis um die Gegenwart als auch der Unsicherheit und der Angst vor der Zukunft, in dem wir uns befinden, halte ich es für wichtig, ein Wort der Hoffnung zu sagen, das auch die Perspektive eines Weges aufzeigt.

Vor einigen Tagen haben wir gerade den 50. Weltfriedenstag gefeiert, den mein Vorgänger der selige Paul VI. einführte »als Wunsch und Gelöbnis, an den Anfang des Jahres, das die Zeit unseres menschlichen Daseins misst und beschreibt, den Frieden zu stellen, um in seiner gerechten und wohltuenden Ausgeglichenheit die geschichtliche Entwicklung der Zukunft zu bestimmen«[2]. Für die Christen ist der Friede eine Gabe des Herrn, verkündet und besungen von den Engeln bei der Geburt Christi: »Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade« (Lk 2, 14). Er ist ein positives Gut, »die Frucht der Ordnung, die […] in die menschliche Gesellschaft eingestiftet«[3] ist, und »besteht nicht [einfach] darin, dass kein Krieg ist«.4 Er »lässt sich auch nicht bloß durch das Gleichgewicht entgegengesetzter Kräfte sichern«[4], vielmehr fordert er den Einsatz der Menschen guten Willens »durch stetes Streben nach immer vollkommenerer Gerechtigkeit«6.

In dieser Sicht bekunde ich die feste Überzeugung, dass jeder Ausdruck von Religion den Frieden zu fördern hat. Das konnte ich auf bedeutsame Weise im Zuge des Weltgebetstags für den Frieden im vergangenen September in Assisi erfahren, bei dem sich die Vertreter der verschiedenen Religionen getroffen haben, um »allen, die leiden, eine Stimme [zu] geben, allen, die keine Stimme haben und die niemand hört«[5], als auch anlässlich meines Besuchs in der Großen Synagoge von Rom oder in der Moschee von Baku.

Wir wissen, dass es an religiös motivierter Gewalt nicht gefehlt hat, angefangen eben bei Europa, wo die historischen Spaltungen unter den Christen viel zu lange andauerten. Auf meiner jüngsten Reise nach Schweden wollte ich an die dringende Notwendigkeit erinnern, die Wunden der Vergangenheit zu heilen und zusammen unterwegs zu sein auf gemeinsame Ziele hin. Einem solchen Weg kann nur der echte Dialog zwischen den unterschiedlichen religiösen Bekenntnissen zugrunde liegen. Es ist ein möglicher und notwendiger Dialog, wie ich durch das Treffen mit dem Patriarchen Kyrill von Moskau auf Kuba zu bezeugen versuchte als auch bei den Apostolischen Reisen nach Armenien, Georgien und Aserbaidschan. Dort konnte ich das rechte Bestreben dieser Völker sehen, die Konflikte beizulegen, die seit Jahren die Eintracht und den Frieden beeinträchtigen.

Zugleich ist es angebracht, die vielfältigen religiös inspirierten Werke nicht zu vergessen, die – manchmal auch unter dem Opfer der Märtyrer – am Aufbau des Gemeinwohls mitwirken, besonders durch Bildung und Unterstützung vor allem in den am meisten notleidenden Regionen und den Konfliktschauplätzen. Solche Werke tragen zum Frieden bei und geben Zeugnis davon, wie man konkret zusammenleben und zusammenarbeiten kann – selbst wenn man verschiedenen Völkern, Kulturen und Traditionen angehört –, sooft die Würde der menschlichen Person in den Mittelpunkt des eigenen Handelns gestellt wird.

Leider ist uns bewusst, wie auch heute noch die religiöse Erfahrung, anstatt für den anderen zu öffnen, bisweilen als Vorwand für Abschottung, Ausgrenzung und Gewalt benutzt werden kann. Ich beziehe mich in besonderer Weise auf den Terrorismus fundamentalistischen Ursprungs, der auch im vergangenen Jahr zahlreiche Opfer auf der ganzen Welt hinweggerafft hat: Afghanistan, Bangladesch, Belgien, Burkina Faso, Ägypten, Frankreich, Deutschland, Jordanien, Irak, Nigeria, Pakistan, Vereinigte Staaten von Amerika, Tunesien und Türkei. Es sind niederträchtige Akte, die wie in Nigeria Kinder zum Töten missbrauchen; die es auf Menschen absehen, die wie in der Koptischen Kathedrale von Kairo beten, die wie in Brüssel reisen oder arbeiten, die wie in Nizza und Berlin als Passanten unterwegs sind oder wie in Istanbul einfach den Beginn des neuen Jahres feiern.

Es handelt sich um einen mörderischen Wahnsinn, der den Namen Gottes missbraucht, um Tod zu verbreiten, und versucht, einen Macht- und Herrschaftswillen durchzusetzen. Daher appelliere ich an alle religiösen Autoritäten, dass sie gemeinsam entschieden bekräftigen, dass man nie im Namen Gottes töten darf. Der fundamentalistische Terrorismus ist Frucht einer großen geistigen Erbärmlichkeit, mit der häufig auch eine beträchtliche soziale Armut eng verbunden ist. Er wird nur durch den gemeinsamen Beitrag der religiösen und politischen Führer vollständig überwunden werden können. Ersteren obliegt die Pflicht, jene religiösen Werte zu vermitteln, die keinen Gegensatz zwischen Gottesfurcht und Nächstenliebe zulassen. Aufgabe der zweiten ist es, im öffentlichen Raum das Recht der Religionsfreiheit zu garantieren und den positiven und konstruktiven Beitrag anzuerkennen, den sie am Aufbau der Zivilgesellschaft leistet. In ihr dürfen die soziale Zugehörigkeit, die vom Staatsbürgerschaftsprinzip festgelegt wird, und die geistliche Dimension des Lebens nicht als einander widersprechend verstanden werden. Die Regierenden haben ferner die Verantwortung, die Entstehung jener Situationen zu verhindern, die zum fruchtbaren Boden für die Ausbreitung von Fundamentalismen werden. Dies erfordert eine angemessene Sozialpolitik mit dem Ziel der Bekämpfung der Armut, die von einer echten Aufwertung der Familie als bevorzugter der Ort der menschlichen Reifung und von beträchtlichen Investitionen im Bildungs- und Kulturbereich nicht absehen kann.

Diesbezüglich nehme ich mit Interesse die Initiative des Europarats zur religiösen Dimension des interkulturellen Dialogs auf, die im vergangenen Jahr die Rolle der Erziehung bei der Prävention von Radikalisierung, die zum gewalttätigen Terrorismus und Extremismus führt, zum Thema hatte. Es handelt sich um eine Gelegenheit, den Beitrag des religiösen Phänomens und die Rolle der Erziehung hinsichtlich einer wirklichen Befriedung des sozialen Gefüges, die für das Zusammenleben in einer multikulturellen Gesellschaft notwendig ist, eingehend zu studieren.

In diesem Sinn möchte ich die Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass keine politische Autorität sich damit begnügen darf, die Sicherheit der eigenen Staatsbürger zu gewährleisten – eine Auffassung, die sich leicht auf ein einfaches „ruhigen Leben“ zurückführen lassen könnte – sondern aufgerufen ist, auch wirklich Frieden zu fördern und aufzubauen. Der Friede ist eine „aktive Tugend“, die den Einsatz und die Mitarbeit jedes einzelnen Menschen und der gesamten Gesellschaft als Ganzer erfordert. Wie das Zweite Vatikanische Konzil feststellte, »ist der Friede niemals endgültiger Besitz, sondern immer wieder neu zu erfüllende Aufgabe«[6], welcher das Wohl der Menschen schützt und ihre Würde achtet. Den Frieden aufzubauen erfordert vor allem, auf Gewalt in der Beanspruchung der eigenen Rechte zu verzichten.[7] Genau diesem Grundsatz wollte ich die Botschaft für den Weltfriedenstag 2017 mit dem Titel »Gewaltfreiheit: Stil einer Politik für den Frieden« widmen, um vor allem in Erinnerung zu rufen, inwiefern die Gewaltfreiheit ein politischer Stil ist, der auf dem Vorrang des Rechts und der Würde jedes Menschen beruht.

Den Frieden aufzubauen verlangt auch, dass »die Ursachen der Zwietracht in der Welt, die zum Krieg führen, beseitigt werden«[8], angefangen bei den Ungerechtigkeiten. Es gibt wirklich eine tiefe Verbindung zwischen Gerechtigkeit und Frieden[9]. Der heilige Johannes Paul II. stellte fest: »Da aber die menschliche Gerechtigkeit, die nun einmal den Grenzen und Egoismen von Personen und Gruppen ausgesetzt ist, immer zerbrechlich und unvollkommen ist, muss sie in der Vergebung, die die Wunden heilt und die tiefgehende Wiederherstellung der gestörten menschlichen Beziehungen bewirkt, praktiziert und gewissermaßen vervollständigt werden. […] Die Vergebung widersetzt sich in keiner Weise der Gerechtigkeit […] Die Vergebung strebt vielmehr jene Fülle von Gerechtigkeit an, welche die Ruhe der Ordnung herbeiführt; diese bedeutet […] eine tiefgreifende Heilung der in den Herzen blutenden Wunden. Wesentlich für eine solche Heilung sind beide, die Gerechtigkeit und die Vergebung.«[10] Diese Worte, die heute mehr denn je aktuell sind, trafen bei einigen Staatsoberhäuptern und Regierungschefs die Bereitschaft an, meine Einladung aufzugreifen, einen Gnadenakt gegenüber den Strafgefangenen zu setzen. Ihnen wie auch allen, die sich dafür einsetzen, würdige Lebensbedingungen für die Häftlinge zu schaffen und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu fördern, möchte ich meine besondere Anerkennung und Dankbarkeit zum Ausdruck bringen.

Ich bin überzeugt, dass das außerordentliche Jubiläum der Barmherzigkeit für viele eine besonders günstige Gelegenheit war, um auch die »große positive Auswirkung der Barmherzigkeit als sozialer Wert«[11] zu entdecken. Jeder kann so beitragen, »eine Kultur der Barmherzigkeit wachsen zu lassen, die darauf gründet, die Begegnung mit den anderen wiederzuentdecken: eine Kultur, in der niemand mit Gleichgültigkeit auf den anderen schaut, noch den Blick abwendet, wenn er das Leid der Mitmenschen sieht.«[12] Nur so wird man Gesellschaften aufbauen können, die Ausländern gegenüber offen und aufnahmebereit und zugleich in ihrem Inneren sicher und friedlich sind. Dies ist in der gegenwärtigen Zeit noch viel notwendiger, da große Migrationsströme in verschiedenen Teilen der Welt ununterbrochen weitergehen. Ich denke besonders an die zahlreichen Vertriebenen und Flüchtlinge in einigen Gebieten Afrikas, Südostasiens und an alle, die aus den Konfliktgebieten im Nahen Osten fliehen.

Im vergangenen Jahr hat sich die internationale Gemeinschaft mit zwei wichtigen Treffen der Vereinten Nationen beschäftigt: dem ersten Humanitären Weltgipfel und dem Gipfel zu den großen Flucht-und Migrationsbewegungen. Es braucht einen gemeinsamen Einsatz für Migranten, Vertriebene und Flüchtlinge, damit ihnen eine würdige Aufnahme geboten werden kann. Dazu muss man das Recht »jede[s] Menschen […] in andere Staaten auszuwandern und dort seinen Wohnsitz aufzuschlagen«,[13] anwenden und gleichzeitig die Möglichkeit zur Integration der Migranten in das Sozialgefüge, in das sie sich eingliedern, garantieren, ohne dass dieses seine eigene Sicherheit, seine kulturelle Identität und sein sozialpolitisches Gleichgewicht gefährdet sieht. Andererseits dürfen die Migranten selbst nicht vergessen, dass sie verpflichtet sind, die Gesetze, die Kultur und Traditionen der Länder, die sie aufnehmen, zu respektieren.

Ein kluger Ansatz seitens der Vertreter des öffentlichen Lebens besteht nicht in der Durchführung einer Politik der Ausgrenzung von Migranten, sondern vielmehr in einem weisen und weitsichtigen Abwägen, inwieweit das eigene Land in der Lage ist, den Migranten – vor allem wirklich schutzbedürftigen – ein würdiges Leben zu bieten, ohne dabei das Gemeinwohl der Bürger zu schädigen.

Auf keinen Fall darf man die gegenwärtige dramatische Krise zu einer einfachen Berechnung von Zahlen machen. Migranten sind Personen mit Namen, Geschichten und Familien. Nie wird es wirklichen Frieden geben, solange auch nur ein einziger Mensch in seiner eigenen persönlichen Identität verletzt wird und auf eine bloße Statistiknummer oder ein Objekt von wirtschaftlichem Interesse reduziert wird.

Die Migrationsproblematik ist eine Frage, die nicht einige Länder gleichgültig lassen darf, während andere die humanitäre Last tragen, oft mit beträchtlichem Aufwand und schweren Unannehmlichkeiten, um einem fast endlos scheinenden Notstand die Stirn zu bieten. Alle sollten sich zum Aufbau und zur Mitarbeit am internationalen Gemeinwohl aufgerufen fühlen, auch durch konkrete Gesten von Mitmenschlichkeit. Diese sind wesentliche Faktoren für jenen Frieden und jene Entwicklung, auf welche noch ganze Länder und Millionen von Menschen warten. Ich bin daher den vielen Ländern dankbar, die großzügig Notleidende aufnehmen, angefangen bei verschiedenen europäischen Staaten, besonders Italien, Deutschland, Griechenland und Schweden.

Immer wird mir die Reise in Erinnerung bleiben, die ich gemeinsam mit meinen Brüdern Patriarch Bartholomaios und Erzbischof Hieronymos auf die Insel Lesbos unternommen habe. Dort habe ich hautnah die dramatische Situation der Flüchtlingslager erlebt, aber auch die Menschlichkeit und die Dienstbereitschaft der vielen Helfer. Ebenso wenig dürfen die Aufnahmebereitschaft weiterer Länder Europas und des Nahen Ostens, wie Libanon, Jordanien, Türkei, und der Einsatz verschiedener afrikanischer und asiatischer Länder vergessen werden. Auch während meiner Reise nach Mexiko, wo ich die Freude des mexikanischen Volkes erfahren durfte, fühlte ich mich den Tausenden von Migranten aus Zentralamerika nahe. Auf der Suche nach einer besseren Zukunft erleiden sie schreckliche Ungerechtigkeiten und Gefahren, sind Opfer von Erpressungen und werden zur Ware auf dem verwerflichen Markt des Menschenhandels, eine entsetzliche Form moderner Sklaverei.

Ein Feind des Friedens ist eine solche „reduktive Sicht“ des Menschen, die zur Verbreitung von Ungerechtigkeit, sozialer Ungleichheit und Korruption beiträgt. Genau gegen letzteres Phänomen der Korruption ist der Heilige Stuhl neue Verpflichtungen eingegangen, als er am vergangenen 19. September das Beitrittsdokument zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption, das am 31. Oktober 2003 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet worden ist, formell hinterlegt hat.

In seiner Enzyklika Populorum progressio, deren 50. Jahrestag dieses Jahr begangen wird, hat der selige Paul VI. daran erinnert, wie derartige Ungleichheiten zu Unfrieden führen. »Der Weg zum Frieden [führt] nur über den Fortschritt«.[14] Ihn zu fördern und zu begünstigen ist die Pflicht der Vertreter des öffentlichen Lebens, indem sie Bedingungen für eine gerechtere Güterverteilung schaffen und Arbeitsmöglichkeiten gerade für die Jüngeren anregen. Es gibt auf der Welt immer noch zu viele Menschen, vor allem Kinder, die unter ständiger Armut leiden und denen es im Leben an ausreichender Nahrung fehlt – ja, die Hunger leiden –, während die natürlichen Ressourcen von einigen Wenigen gierig ausgebeutet und jeden Tag enorme Mengen von Nahrungsmitteln verschwendet werden.

Die Kinder und Jugendlichen sind die Zukunft, für sie arbeiten wir und bauen wir etwas auf. Sie dürfen nicht egoistisch vernachlässigt und vergessen werden. Wie ich schon kürzlich in einem Schreiben an alle Bischöfe erinnert habe, halte ich deshalb den Schutz der Kinder für vorrangig. Ihre Unschuld wird oft unter der Last der Ausbeutung, Schwarz- und Sklavenarbeit, Prostitution oder des Missbrauchs durch Erwachsene, Kriminelle und Todeshändler zerstört.[15]

Während meiner Reise nach Polen anlässlich des Weltjugendtages durfte ich Tausenden Jugendlichen voll Enthusiasmus und Lebensfreude begegnen. Bei vielen anderen habe ich allerdings Schmerz und Leid gesehen. Ich denke dabei an die Jungen und Mädchen, die unter den Folgen des grausamen Syrienkonfliktes leiden und denen die Freuden der Kindheit und Jugendzeit genommen wurden: von der Möglichkeit, ungezwungen zu spielen, bis zur Gelegenheit, eine Schule zu besuchen. An sie und an das ganze geliebte syrische Volk gehen ständig meine Gedanken. Indessen appelliere ich an die internationale Gemeinschaft, sich schnell um die Aufnahme ernsthafter Verhandlungen zu bemühen, die diesen Konflikt, der eine regelrechte humanitäre Katastrophe hervorruft, für immer beenden. Alle Beteiligten müssen die Beachtung des humanitären Völkerrechts als vorrangig ansehen, indem sie den Schutz der Zivilbevölkerung und die notwendige humanitäre Hilfe für die Bevölkerung garantieren. Unser gemeinsamer Wunsch ist, dass der kürzlich geschlossene Waffenstillstand für das ganze syrische Volk ein Hoffnungszeichen sei, welches es so sehr benötigt.

Dies erfordert auch Bemühungen im Kampf gegen den schändlichen Waffenhandel und den andauernden Wettlauf um Herstellung und Verbreitung von immer höher entwickelten Waffen. Die Experimente auf der koreanischen Halbinsel sind erschütternd; sie destabilisieren die gesamte Region und stellen die ganze internationale Gemeinschaft vor die beunruhigende Frage nach der Gefahr eines neuen nuklearen Rüstungswettlaufes. Noch immer sind die Worte des heiligen Johannes XXIII. in der Enzyklika Pacem in terris aktuell, als er sagte: »Gesunde Vernunft und Rücksicht auf die Menschenwürde [fordern] dringend, dass der allgemeine Rüstungswettlauf aufhört; dass ferner die in verschiedenen Staaten bereits zur Verfügung stehenden Waffen auf beiden Seiten und gleichzeitig vermindert werden; dass Atomwaffen verboten werden.«[16] In diesem Sinne und mit Blick auf die nächste Abrüstungskonferenz bemüht sich der Heilige Stuhl, eine Friedens- und Sicherheitsethik zu fördern, welche die Angst und die „Abschottung“ überwindet, welche die Diskussion um Nuklearwaffen beherrscht.

Auch bezüglich der herkömmlichen Waffen muss hervorgehoben werden, dass der oft mühelose Zugang zum Waffenmarkt, auch zu Waffen kleinen Kalibers, die Situation in den verschiedenen Konfliktgebieten verschärft und außerdem ein allgemeines Gefühl von Unsicherheit und Angst hervorruft. Das ist in Zeiten sozialer Ungewissheit und epochaler Veränderungen wie heute umso gefährlicher.

Ein Feind des Friedens ist die Ideologie, welche soziale Notstände ausnützt, um Verachtung und Hass zu schüren und den anderen als Feind zu betrachten, der vernichtet werden muss. Leider tauchen am Horizont der Menschheit immer wieder neue Formen von Ideologien auf. Sie verkleiden sich als Heilsbringer für das Volk und lassen stattdessen Armut, Gräben, soziale Spannungen, Leid und nicht selten auch Tod zurück. Der Friede wird hingegen durch Solidarität gewonnen. Aus ihr entsteht der Wille zu Dialog und Zusammenarbeit, der in der Diplomatie ein grundlegendes Instrument besitzt. Vor dem Hintergrund der Barmherzigkeit und Solidarität versteht sich der überzeugte Einsatz des Heiligen Stuhls und der Katholischen Kirche für eine Abwendung von Konflikten und bei der Begleitung von Prozessen für Frieden, Versöhnung und Suche nach Verhandlungslösungen. Es ist ermutigend zu sehen, dass einige Versuche auf den guten Willen von vielen Menschen stoßen, die von mehreren Seiten her sich aktiv und faktisch für den Frieden einsetzen. Ich denke dabei an die Bemühungen für eine Annäherung zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten in den letzten zwei Jahren. Ich denke ebenso an den beharrlichen Einsatz, wenn auch unter Schwierigkeiten, zur Beendigung des Konflikts in Kolumbien.

Dieser Ansatz will das gegenseitige Vertrauen fördern, Wege des Dialogs unterstützen und unterstreichen, dass mutige Gesten notwendig sind. Diese sind auch im benachbarten Venezuela äußerst dringlich, wo die Folgen der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Krise seit geraumer Zeit auf der Zivilbevölkerung lasten; oder auch in anderen Teilen der Erde, angefangen beim Nahen Osten, um nicht nur dem Syrienkonflikt ein Ende zu setzen, sondern auch eine volle Versöhnung der Gesellschaft im Irak und in Jemen zu fördern. Der Heilige Stuhl bekräftigt ferner seinen eindringlichen Aufruf, dass zwischen Israelis und Palästinensern der Dialog wieder aufgenommen wird, damit man zu einer stabilen und dauerhaften Lösung gelangt, welche die friedliche Koexistenz zweier Staaten innerhalb international anerkannter Grenzen gewährleistet. Kein Konflikt darf je zur Gewohnheit werden, von der man scheinbar quasi nicht loskommen kann. Israelis und Palästinenser brauchen Frieden. Der ganze Nahe Osten braucht dringend Frieden!

Gleichfalls erhoffe ich, dass die Abkommen zur Wiederherstellung des Friedens in Libyen, wo es höchst dringlich ist, die Spaltungen dieser Jahre zu überwinden, vollständig umgesetzt werden. Ebenso unterstütze ich alle Anstrengungen auf lokaler und internationaler Ebene, um das zivile Zusammenleben im Sudan und im Südsudan sowie in der Zentralafrikanischen Republik, die von anhaltenden bewaffneten Auseinandersetzungen, Massakern und Verwüstungen geplagt werden, wie auch in anderen Nationen des Kontinents, in denen politische und soziale Instabilität herrscht, wiederzustellen. Insbesondere bringe ich meine Hoffnung zum Ausdruck, dass das kürzlich unterzeichnete Abkommen in der Demokratischen Republik Kongo dazu beiträgt, dass die Verantwortungsträger in der Politik sich voll Eifer dafür einsetzen, die Versöhnung und den Dialog zwischen allen Teilen der Zivilgesellschaft zu fördern. Ferner denke ich an Myanmar, damit ein friedliches Miteinander gefördert wird und man mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft denen Unterstützung zukommen lässt, die sie sehr dringend brauchen.

Auch in Europa, wo es ebenso Spannungen gibt, ist die Bereitschaft zum Dialog der einzige Weg, um die Sicherheit und die Entwicklung des Kontinents zu gewährleisten. Gerne begrüße ich daher die Initiativen zur Förderung des Einigungsprozesses von Zypern, das gerade heute eine Wiederaufnahme der Verhandlungen erfährt. Ich hoffe hingegen, dass man in der Ukraine die Suche nach gangbaren Lösungen entschlossen weiterführt, damit die von den Parteien übernommenen Verpflichtungen vollständig realisiert werden und damit vor allem rasch auf die weiterhin schwierige humanitäre Lage geantwortet wird.

Ganz Europa erlebt gerade einen entscheidenden Moment seiner Geschichte, in dem es gerufen ist, seine Identität wiederzufinden. Dies erfordert, die eigenen Wurzeln wieder zu entdecken, um die eigene Zukunft gestalten zu können. Angesicht der spalterischen Kräfte ist es höchst dringlich, die „Idee Europa“ zu aktualisieren, um einen neuen Humanismus zur Welt zu bringen, der auf der Fähigkeit zur Integration und zum Dialog und der Fähigkeit, etwas hervorzubringen, gegründet ist,[17] die den sogenannten Alten Kontinent groß gemacht haben. Der europäische Einigungsprozess, der nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen hat, war und ist weiterhin eine einzigartige Gelegenheit zu Stabilität, Friede und Solidarität zwischen den Völkern. An dieser Stelle kann ich nur das Interesse und die Sorge des Heiligen Stuhls für Europa und seine Zukunft bekräftigten. Denn es ist uns bewusst, dass die Werte, in denen dieses Projekt – in diesem Jahr wird sein sechzigster Jahrestag begangen – seinen Ursprung hat und auf denen es beruht, dem ganzen Kontinent gemeinsam sind und die Grenzen der Europäischen Union selbst übersteigen.

Exzellenzen, meine Damen und Herren, den Frieden aufzubauen bedeutet jedoch auch, sich aktiv für die Sorge um die Schöpfung einzusetzen. Das kürzlich in Kraft getretene Klimaabkommen von Paris ist ein wichtiges Zeichen der gemeinsamen Verpflichtung, den nachfolgenden Generationen eine schöne und zum Leben geeignete Welt zu hinterlassen. Ich hoffe, dass die in jüngster Zeit unternommenen Anstrengungen, den Klimaänderungen entgegenzutreten, auf eine immer breitere Zusammenarbeit aller stoßen, weil die Erde unser gemeinsames Haus ist und man bedenken muss, dass die Entscheidungen eines jeden Auswirkungen auf das Leben aller haben.

Dennoch ist es ebenso offensichtlich, dass es Phänomene gibt, welche die Möglichkeiten des menschlichen Handelns übersteigen. Ich beziehe mich auf die zahlreichen Erdbeben, die einige Gegenden der Erde getroffen haben. Ich denke vor allem an die Erdbeben in Ecuador, Italien und Indonesien, die unzählige Opfer verursacht haben. Viele Menschen leben nach wie vor unter sehr prekären Bedingungen. Ich konnte selbst einige der von Erdbeben getroffenen Gebiete in Mittelitalien besuchen. Dort stellte ich fest, welche Wunden die Erdstöße einem an Kunst und Kultur reichen Land zugefügt haben, und konnte das Leid vieler Menschen teilen wie auch deren Mut und Entschlossenheit, was zerstört wurde, wieder aufzubauen. Ich hoffe, dass die Solidarität, die das geschätzte italienische Volk in den auf das Erdbeben folgenden Stunden vereint hat, weiter die ganze Nation beseelt, besonders in dieser schwierigen Situation ihrer Geschichte. Der Heilige Stuhl und Italien sind durch offensichtliche historische, kulturelle und geographische Gründe besonders verbunden. Dieses Band war im Jubiläumsjahr der Barmherzigkeit augenscheinlich, und ich danke allen italienischen Behörden und Einrichtungen für die Hilfe bei der Organisation dieses Ereignisses, auch im Hinblick auf die Sicherheit der Pilger aus allen Teilen der Welt.

Liebe Botschafter, der Friede ist eine Gabe, eine Herausforderung und ein Auftrag. Eine Gabe, weil er vom Herzen Gottes selbst kommt; eine Herausforderung, weil er ein nie selbstverständliches Gut ist und immer wieder errungen werden muss; ein Auftrag, weil er die leidenschaftliche Arbeit aller Menschen guten Willens erfordert, ihn zu suchen und aufzubauen. Es gibt daher keinen echten Frieden, wenn nicht im Ausgang von einer Sicht des Menschen, die seine ganzheitliche Entwicklung zu fördern weiß und seine transzendente Würde berücksichtigt, da »Entwicklung gleichbedeutend ist mit Frieden«,[18] wie der selige Paul VI. in Erinnerung rief. Dies ist also mein Wunsch für das soeben begonnene Jahr: Mögen unter unseren Ländern und ihren Völkern die Gelegenheiten, zusammenzuarbeiten und echten Frieden aufzubauen, zunehmen. Seinerseits wird der Heilige Stuhl, insbesondere das Staatssekretariat, stets bereit sein, mit allen zusammenzuarbeiten, die sich dafür einsetzen, den bestehenden Konflikten ein Ende zu setzen und den leidenden Bevölkerungen Hilfe und Hoffnung zu geben.

In der Liturgie sprechen wir den Gruß: »Der Friede sei mit euch.« Mit diesem Ausdruck, dem Unterpfand reichen göttlichen Segens, erneuere ich einem jeden von Ihnen, verehrte Mitglieder des Diplomatischen Korps, Ihren Familien und den Ländern, die Sie vertreten, meine herzlichsten Wünsche für dieses neue Jahr.

Vielen Dank.

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[1] BENEDIKT XV., Brief an die Staatsoberhäupter der kriegführenden Völker, 1. August 1917: AAS IX (1917), 423.

[2] PAUL VI., Botschaft zur Feier des 1. Weltfriedenstages (1. Januar 1968).

[3] ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL, Pastoralkonstitution Gaudium et spes (7. Dezember 1965), 78. 4 Ebd.

[4] Ebd. 6 Ebd.

[5] Ansprache zum Weltgebetstag für den Frieden (Assisi, 20. September 2016).

[6] Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 78.

[7] ebd.

[8] Ebd., 83.

[9] Vgl. Ps 85, 11 und Jes 32, 17.

[10] JOHANNES PAUL II., Botschaft zur Feier des 35. Weltfriedenstages: Kein Friede ohne Gerechtigkeit, keine Gerechtigkeit ohne Vergebung (1. Januar 2002), 3.

[11] Apostolisches Schreiben Misericordia et misera (20. November 2016), 18.

[12] Ebd., 20.

[13] JOHANNES XXIII, Enzyklika Pacem in terris (11. April 1963), 12.

[14] PAUL VI., Enzyklika Populorum progessio (26. März 1967), 83.

[15] Brief an die Bischöfe am Fest der Unschuldigen Kinder (28. Dezember 2016).

[16] JOHANNES XXIII., Pacem in terris, 60.

[17] Ansprache aus Anlass der Verleihung des Internationalen Karlspreises, 6. Mai 2016.

[18] PAUL VI., Populorum progressio, 87.

(CNA Deutsch)

Kardinal Müller kritisiert Brief der vier Kardinäle

Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat das Vorgehen der vier Kardinäle kritisiert, die von Papst Franziskus öffentlich Klarheit über den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen fordern. „Jeder hat das Recht, dem Papst einen Brief zu schreiben, vor allem die Kardinäle der römischen Kirche“, sagte der Präfekt der Glaubenskongregation in einem am Sonntagabend ausgestrahlten Fernsehinterview. „Mich hat aber erstaunt, dass dieser Brief veröffentlicht wurde, denn damit ist der Papst quasi gezwungen, mit ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ zu antworten. Das gefällt mir nicht“, so Kardinal Müller in dem Interview.

Zugleich erteilte Müller Überlegungen einer etwaigen „Korrektur“ des Papstes durch das Kardinalskollegium eine Absage. Kardinal Raymond Leo Burke, einer der Unterzeichner des Briefs, hatte eine „formale Korrektur“ des Papstes ins Spiel gebracht, falls dieser nicht auf den Brief antworte. Dazu Kardinal Müller im Gespräch mit dem italienischen Nachrichtensender TGCOM24.

„Eine ,brüderliche Korrektur‘ des Papstes ist hier unmöglich, weil es nicht um eine Gefahr für den Glauben geht, wie der Heilige Thomas das genannt hat; in einem solchen Fall könnte auch ein Bischof oder ein Papst einige Worte der brüderlichen Korrektion erfahren. Aber von so einem Sachverhalt sind wir hier weit entfernt. Und es ist ein Schaden für die Kirche, diese Dinge öffentlich zu diskutieren.“

Vier Kardinäle, unter ihnen die Deutschen Joachim Meisner und Walter Brandmüller, hatten im November einen Brief an Franziskus öffentlich gemacht. In dem als „dubia“ (Zweifel) bekannt gewordenen Schreiben fordern die vier vom Papst eine klare Aussage darüber, ob wiederverheiratete Geschiedene in Ausnahmefällen zur Kommunion zugelassen werden können. Das päpstliche Schreiben „Amoris laetitia“ zu Ehe und Familie von April 2016 hatte eine Debatte über den Umgang mit Katholiken ausgelöst, die nach einer Scheidung auf dem Standesamt erneut geheiratet haben. Nachdem Franziskus auf ihr Schreiben nicht geantwortet hatte, machten die Kardinäle den Vorgang öffentlich. Einige Stimmen nannten diesen Schritt illoyal, andere begrüßten ihn.

Der Präfekt der Glaubenskongregation sagte weiter, Franziskus habe die kirchliche Lehre über die Ehe durch sein vieldiskutiertes Schreiben nicht verändert.

„Amoris Laetitia ist sehr klar in der Lehre. Wir können die ganze Lehre Jesu und der Kirche zur Ehe der letzten 2000 Jahre interpretieren. Aber das Neue von Papst Franziskus war, die jeweiligen Situationen der Menschen einzeln zu unterscheiden, die in einer nicht regulären Verbindung leben, und ihnen zu helfen, einen Weg der Wiedereingliederung in die Kirche zu finden, graduell, je nach den Bedingungen der Sakramente. Aber ich sehe hier keine Gegenposition. Einerseits haben wir die Doktrin, die Offenbarung über die Ehe, auf der anderen Seite haben wir die Verpflichtung der Kirche, sich auch um diese Menschen in Schwierigkeiten zu sorgen.“

Müller stellte sich damit hinter die auch von Kardinal Walter Kasper geäußerte Ansicht, die Veröffentlichung des Briefes der vier Kardinäle sei fragwürdig und die Lehre von „Amoris Laetitia“ klar.

Franziskus hatte in einer Fußnote von „Amoris laetitia“ geschrieben, wiederverheiratete Geschiedene könnten in bestimmten Fällen „auch den Trost der Sakramente“ erhalten. Eine Erläuterung dazu gab er trotz wiederholter Nachfrage nicht. Allerdings rdigte er ausdrücklich eine großzügig ausgelegte Weisung argentinischer Bischöfe für ihre Priester, wie sie mit wiederverheirateten Geschiedenen verfahren sollen. Auch die Deutsche Bischofskonferenz hat ein gemeinsames Wort zu „Amoris laetitia“ angekündigt. (rv)

Italien: Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene

Radio Vatikan berichet unter Berufung auf „Vatican Insider“:

„Im Bistum Rom können wiederverheiratete Geschiedene in bestimmten Einzelfällen die Kommunion empfangen. Das geht aus Richtlinien von Kardinalvikar Agostino Vallini zur Anwendung des päpstlichen Schreibens „Amoris laetitia“ hervor, aus denen das Internetportal „Vatican Insider“ am Samstag zitierte. Hierbei müssten die Priester übermäßige Strenge ebenso wie Laxheit vermeiden, so Vallini. Katholiken, die nach einer Scheidung erneut standesamtlich geheiratet haben, könnten dies jedoch nicht als Recht einfordern. Franziskus habe in seinem Schreiben keineswegs gesagt, wiederverheiratete Geschiedene müssten die Kommunion bekommen. Er habe nur nicht ausgeschlossen, dass dies in bestimmten Fällen und unter bestimmten Bedingungen möglich sei, betonte der Kardinal.

Die Aussagen Vallinis stammen laut „Vatican Insider“ aus einem Vortrag, den er bereits im September vor Priestern seines Bistums gehalten hatte. Vallini ist der Stellvertreter von Papst Franziskus als Bischof von Rom.“ (rv)

Buchtipp: Campo Santo Teutonico

Wer aus Ländern deutscher Sprache nach Rom kommt und sich, pilgernd oder nicht, dem Vatikan nähert, steuert bei der Gelegenheit gerne auch den Campo Santo Teutonico an. „Deutscher Friedhof“ heißt das übersetzt, und selbst wenn hier auch ein Priesterkolleg und das römische Institut der Görres-Gesellschaft sitzen, so ist doch der Gottesacker der Mittelpunkt dieses Ortes. Der Friedhof der Deutschen im Vatikan ist malerisch, Palmen und Efeu grünen um die Wette, und die Kuppel des Petersdoms ist zum anfassen nahe. Verantwortlich für den Friedhof und die angrenzende Kirche zeichnet die hier ansässige Erzbruderschaft zur Schmerzhaften Muttergottes.

Endlich liegt nun auch ansprechender Bild- und Textband zum Campo Santo Teutonico vor, Untertitel: Eine deutschsprachige Exklave im Vatikan. Die einzelnen Kapitel geben Aufschluss über Lage, Name, Gründung des Campo Santo, der ins 8. Jahrhundert zurückreicht; über die Erzbruderschaft, die Kirche, den Friedhof, das Kolleg und das historische Forschungsinstitut, dem seit kurzem eine Papst-Benedikt-Bibliothek angegliedert ist. Das letzte Kapitel widmet sich dem Campo Santo Teutonico als Ort der Begegnung, denn an diesem deutschen Ort im Vatikan wird natürlich nicht nur zur letzten Ruhe gebettet, sondern rundherum auch viel gelebt, gefeiert und diskutiert.

Die Texte des Bandes stammen zum Großteil von Albrecht Weiland, Leiter des Verlags Schnell&Steiner, der seinerzeit schon die Doktorarbeit dem Campo Santo widmete.

RV: Wenn wir zurückblicken auf die 1.200-jährige Geschichte dieser Institution: was ist aus heutiger Warte das, was Sie am meisten überrascht, was uns am meisten herausfordert an dieser Geschichte?

Weiland: „Der rote Faden, der sich von Anfang an bis heute durch die Geschichte zieht, ist die Sorge für Pilger und Landsleute: Sie in Rom zu begleiten, ihnen zu helfen, wenn sie krank werden, und ihnen ein ordentliches Begräbnis zu verschaffen, wenn sie sterben. Dieser Faden geht durch die ganze Zeit seit der Gründung unter Karl dem Großen bis zur heutigen Zeit.“

RV: „Wobei das Ganze heute andere Formen angenommen hat als in früheren Jahrhunderten – da gab es immer Epochen, einzelne Schübe, wie muss man sich das vorstellen etwa zur Zeit der Gründung? Aus welcher Notwendigkeit heraus entstand das, was hier heute ist?

Weiland: „Der Campo Santo Teutonico wie er sich heute darstellt, seine Geschichte, auf die Zeit des 80. Jahrhunderts zurückführen kann, sehe ich im Kontext der Pilgerfahrten, die man zum Grab des Heiligen Petrus machte aus dem ganzen Reich. Und es ist ja klar, wenn ich mich in die Fremde begebe, ist es immer eine Hilfe, wenn ich dort Landsleute treffe, die meine Sprache sprechen, an die ich mich vertrauensvoll wenden kann, die mich auch unterstützen können. Deshalb haben sich unterschiedliche Landsmannschaften, Vertreter unterschiedlicher Regionen Europas, um Sankt Peter herum angesiedelt, um dort ihre Landsleute zu betreuen, wenn sie nach Rom zur Pilgerschaft kamen.“

RV: Wann war die größte Zeit für den Campo Santo im Lauf seiner Geschichte?

Weiland: „Eine schwierige Frage. Der Campo Santo hat viele Höhepunkte erlebt. Eine Blütezeit war sicher die Gründung der Bruderschaft, wo mit großem Elan man daran ging, die Institution zu festigen, sich sofort eine große Kirche zu gönnen für den Gottesdienst, da hat man keine Mittel gescheut, auch wenn es dann stockte, man hat versucht, aus der Heimat Gelder zu bekommen, was man auch erreichte, und hat dann diesen Ort gestaltet. Man hat ein großes Gemeinschaftsbewusstsein gepflegt, sich gegenseitig gestützt, man hat dann wenn es zum Ende des Lebens zuging, dieser Institution Vermögen vermacht, um sie zu stärken, und mit diesem Vermögen konnte die Bruderschaft wieder Gutes tun, sowohl im Sozial-Karitativen wie auch im Religiös-Baulichen, da wurden Altarstiftungen gemacht, Reliquiare gestiftet, es wurde Kunst gestiftet – es war eine gegenseitige Angelegenheit.

RV: Welche Neuerungen waren im Lauf der Jahrhunderte zu beobachten?

Weiland: „Die Bruderschaft hat sich immer wieder zu religiösen Neuerungen bereit gefunden. Zum Beispiel die Kreuzwegandachten: Die Bruderschaft ist wahrscheinlich eine der ersten gewesen, die in Rom einen monumentalen Kreuzweg errichtet hat, der zweite monumentale, mit Edikola gebaut Kreuzweg nach dem Kolosseum. Und Sie dürfen nicht vergessen, damals hat man auch im Kolosseum den Ort gesehen von Christenverfolgung, mit Christenblut, und ich vermute, dass in diesem Kontext, wo wir heute den richtigen und gesicherten Nachweis haben, dass hier (am Circus des Nero, auf dessen Grund der Campo Santo steht, Anm.) Christen den Märtyrertod erlitten haben, dass in diesem Kontext das Bestreben war, in diesem Kontext einen ebenso großen schönen und prächtigen Kreuzweg zu errichten.“

RV: Die Bruderschaft hatte seit ihrer Gründung von Anfang an auch Frauen in ihren Reihen, war das denn im 15. Jahrhundert etwas Besonderes, dass auch Frauen dabei waren?

Weiland: „Das kann ich nicht sagen, weil ich die anderen römischen Bruderschaften nicht kenne, ich kann mir aber vorstellen, dass das schon etwas Besonderes gewesen ist, vor allen Dingen, weil die Bruderschaft immer Wert darauf gelegt hat, eine Laienbruderschaft zu sein. Zwar hat sie bis in die höchsten Reihen hinein Kardinäle und andere hohe Geistliche als Mitglieder gehabt, aber das Heft in der Hand hatte die Laiengemeinschaft. Und da haben die Frauen zwar auch eine Rolle gespielt, aber nicht die, die sie heute ist. Man kann ja nicht die Zeit, die Epochen ungeschehen machen. Aber sie waren von Anfang an dabei, und das war schon bemerkenswert. Und dass die Bruderschaft sich so entwickelt hat, dass wir heute in den Statuten überhaupt keinen Unterschied machen, ob ein Vorstandsmitglied Mann oder Frau ist, das halte ich für eine wichtige Leistung, eine Entwicklung, die folgerichtig ist, die aber die Bruderschaft aus voller Überzeugung trägt.“

Der Campo Santo Teutonico, Eine deutschsprachige Exklave im Vatikan. Schnell&Steiner / Kunstverlag Josef Fink. Das Buch kostet etwa 25 Euro. (rv)

Warum ist die Feuerwehr konservativ, Herr Kardinal? Walter Brandmüller zum 88. Geburtstag

VATIKANSTADT – Als Papst Franziskus kürzlich den Mitarbeitern in der Kurie das Weihnachtsgeschenk überreichte, erzählte er, wie Kardinal Walter Brandmüller ihn darauf gebracht habe.

Gestern wurde der deutsche Purpurträger, der von 1998 bis 2009 Präsident des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaft war, 88 Jahre alt.

Zusammen mit dem ebenfalls seit kurzem 80 Jahre alten Papst Franziskus, und dem im kommenden April schon 90 Jahre alten Benedikt, ist Kardinal Brandmüller einer der Recken der großen Schlachten der Kirche von heute. Dem EWTN-Romkorrespondenten Paul Badde hat er 2014 ein in der „Bild am Sonntag“ veröffentlichen Interview gegeben, das wir zu seinem Geburtstag publizieren. Es ist so aktuell wie eh und je.

PAUL BADDE: Warum sind Konservative so hart und unbarmherzig, Herr Kardinal?

KARDINAL WALTER BRANDMÜLLER: Sind sie das? Ich habe noch keinen Menschen erlebt, der unbarmherzig war, weil er konservativ ist. Es gibt barmherzige und unbarmherzige Liberale und Konservative. Aber ist der Arzt barmherzig, der einem Patienten die rettende Operation erspart und ihm Alkohol und Nikotin nach Belieben erlaubt? Der einem Diabetiker eine Sachertorte mitgibt?

Aber reden Konservative nicht eher von der Sünde, wo Liberale von Vergebung und Barmherzigkeit sprechen?

Das ist mir neu. Woher wissen Sie das? Aus der Zeitung? Auch Liberale reden von Sünde. Doch sie verstehen meist etwas anderes darunter, das stimmt. Bei ihnen sind es eher Parksünder und Diätsünden. Was ist also Sünde?

Bitte sagen Sie es.

Sünde ist eine sittlich minderwertige Haltung oder Handlung, mit denen Menschen sich selbst und anderen schaden. Dabei haben wir doch alle schon erfahren, dass es uns schlecht geht, wenn wir das Schlechte und Falsche tun. Dass Betrug, Ehebruch, Mord etc. noch keinen Menschen wirklich glücklicher gemacht hat. Dostojewski hat ganze Romane über dieses dunkle Geheimnis geschrieben.

Aber haben Konservative nicht dennoch eher Angst, wo Liberale mutiger sind?

Woher das denn? Reden wir hier vielleicht von den Elefanten, die mutig in den Porzellanladen stapfen? Vorsicht im Umgang mit kostbarsten Gefäßen würde ich nie mit Ängstlichkeit verwechseln.

Wie kamen Konservative denn in den Ruf, Dunkelmänner zu sein – im Gegensatz zu den liberalen Lichtgestalten?

Soll ich darüber lachen? Dunkelmänner sind Schießbudenfiguren aus der Mottenkiste sogenannter Aufklärer. Es sind Vorurteile, die jeder vernünftigen Begründung entbehren. Als Finsterlinge wurden schon vor über 200 Jahren alle verleumdet, die sich dem Fortschrittswahn und dem Zeitgeist widersetzten. Als Lichtgestalten haben sich hingegen damals schon die Jakobiner gern selbst stilisiert, als sie für den Fortschritt die Köpfe rollen ließen.

Warum sind viele Liberale aber auch 200 Jahre später vom Begriff der Revolution noch so fasziniert?

Das müssen Sie die Liberalen fragen. Mich fröstelt bei dem Begriff. Vergessen wir doch nicht, wieviel Blut und Tränen die großen Revolutionen über die Menschen gebracht haben! Auch die Nazis sahen sich als Revolutionäre. Revolutionäre sind Brandstifter.

Aber schauen Konservative nicht gern nach hinten, wo Liberale tatsächlich nach vorn und in die Zukunft blicken? Warum?

Ich bin Historiker. Die Vergangenheit ist der Stoff der Erfahrung und sehr konkret. Die Zukunft ist das Reich der Träume und Verführer. Da lässt sich ungeprüft leicht alles behaupten und versprechen. Nur auf der sicheren Basis geschichtlicher Erfahrung lässt sich Zukunft bauen.

Warum hat sich der Streit zwischen Konservativen und Liberalen heute denn ausgerechnet am Thema der Familie entzündet?

Ideologien, die Mensch und Gesellschaft verändern wollen, fangen bei der Familie und deren Zerstörung an. Das war bei Marx so und bei Lenin. Familien sind die Urzellen jeder menschlichen Gemeinschaft. Darum sind sie so gefährdet. Es darf mit ihnen aber nicht experimentiert werden. Ich will hier nicht von dem neuesten Irrsinn des „social freezing“ weiblicher Eizellen reden. Jedenfalls ist um Familien ein unglaublicher Kampf entbrannt, in dem sie leider keiner so verteidigt wie die Kirche. Darauf haben Papst Paul VI. und Johannes Paul II. schon vor Jahrzehnten prophetisch hingewiesen.

Wie deuten Sie es denn, dass mit Kardinal Müller und Kardinal Kasper die größten Gegenspieler in dieser Debatte zwischen Konservativen und Liberalen in der katholischen Kirche Deutsche sind?

Da muss ich mit Goethe antworten: „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust.“ Das trifft irgendwie auch auf Deutschland zu, besonders seit der Reformation, in dem sich die Deutschen in zwei Lager gespalten haben. Diese Spaltung durchzieht mittlerweile auch die katholische Kirche in Deutschland.

Die katholische Kirche hat wegen der Unauflöslichkeit der Ehe im Streit mit Heinrich VIII. um 1535 die Abspaltung der anglikanischen Kirche in Kauf genommen. War es diesen Preis wert?

Die Frage ist falsch gestellt. Kein Papst und kein Konzil kommt an den Worten Jesu über die Ehe vorbei. „Was Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen.“ Die Treue zum Wort Gottes wog für Papst Clemens VII. schwerer als die politische Drohung des englischen Königs. Die Kirche ist nicht verfügungsberichtigt über die Sakramente. Der Apostel Paulus sagt, dass wir nur Verwalter sind und dass ein Verwalter treu sein muss. Die Kirche ist eine Stiftung. Da ist der Stifterwille das Entscheidende.

Verstehen wir das Wort Gottes heute mit Hilfe der modernen Theologen denn nicht viel besser als früher?

Gottes Wort ist unerschöpflich an Inhalt und Gehalt. Darum gibt es sehr wohl einen Fortschritt in der Erkenntnis. Es ist aber undenkbar, dass spätere Erkenntnisse dem bisher Erkannten widersprechen. Zwei mal zwei bleibt vier. Wahrheit ändert sich nicht. Und Gottes Geist widerspricht sich nicht.

Braucht es gerade diesen Streit aber nicht dennoch für eine gesunde Kirche?

Ein gewisses Ferment der Unruhe tut jeder Gemeinschaft gut. Auch Konservative brauchen Reibflächen, an denen sie ihre Streichhölzer entzünden können. Auch der Irrtum hat seine Bedeutung für den Fortschritt der Erkenntnis.

Müssten wir nicht dennoch eine Kirche fürchten, die nur aus Konservativen besteht?

Das kommt darauf an, was sie unter konservativ verstehen.

Was ist konservativ, Herr Kardinal?

Konservativ heißt in der Kultur und in der Religion etwas anderes als in der Politik. Soziale Verhältnisse oder Regierungsformen wie etwa die Monarchie unter allen Umständen aufrecht zu erhalten, ist nicht konservativ. So ist es auch im Leben. Die Eidechse lässt den Schwanz fahren, um sich selbst zu retten. Der wahre Konservative versteht es, Nebensächliches preiszugeben, um Wesentliches zu erhalten. Wertloses zu bewahren, ist nicht konservativ. Es ist nicht konservativ, die Asche zu bewahren, hat Johannes XXIII. gesagt, sondern die Glut zu hüten. In der Zahnmedizin ist es konservativ, die Wurzel zu bewahren, und nicht den Zahn zu ziehen. Wir brauchen Konserven: Blutkonserven, Lebensmittelkonserven. Was wären die Kunstwerke der Welt ohne Konservatoren? Auch die Feuerwehr ist konservativ – wenn sie rechtzeitig kommt! (CNA Deutsch)

Vier Schlüssel zur Lektüre des neuen Dokuments des Vatikans über die Priesterausbildung

VATIKANSTADT – „Das Geschenk der Berufung zum Priestertum. Ratio Fundamentalis Institutionalis Sacerdotalis“: So heißt das neue Dokument über die Ausbildung katholischer Priester, das die Kongregation für den Klerus des Heiligen Stuhls vorgelegt hat.

Gegenüber CNA hat der Sekretär für die Priesterseminare dieser Kongregation, Monsignore Jorge Carlos Patrón Wong, vier Schlüssel vorgeschlagen, anhand derer das wichtige Dokument zu verstehen sei.

Unter anderem legt „Das Geschenk der Berufung zum Priestertum“ fest, dass die Kirche

„in Einklang mit ihrem Lehramt“ “ – bei aller Achtung der betroffenen Personen – jene nicht für das Priesterseminar und die heiligen Weihen zulassen […] die Homosexualität praktizieren, tiefsitzende homosexuelle Tendenzen haben oder die sogenannte ´homosexuelle Kultur´ unterstützen.“

Diese Personen, so der Vatikan, „befinden sich nämlich in einer Situation, die in einer schwerwiegenden Weise daran hindert, korrekte Beziehungen zu Männern und Frauen aufzubauen. Die negativen Folgen, die aus der Weihe von Personen mit tiefsitzenden homosexuellen Tendenzen erwachsen können, sind nicht zu übersehen.“

Weitere Einzelheit stehen in der „Instruktion über Kriterien zur Berufungsklärung von Personen mit homosexuellen Tendenzen im Hinblick auf ihre Zulassung für das Priesteramt und zu den heiligen Weihen„, herausgegeben von der Kongregation für das Katholische Bildungswesen.

Im Folgenden die vier Schlüssel von Monsignore Jorge Carlos Patrón Wong zum Verständnis des Dokuments „Das Geschenk der Berufung zum Priestertum“:

  1. Die Unterschiede zum Text von 1985 und Akzente im neuen Dokument

Monsignore Patrón Wong erklärt, dass „die Kirche eine sehr alte Institution sei“; daher gibt es „in der Ausbildung ihrer Diener Kontinuität und Neuheit“.

„Die Dokumente, die die Ausbildung regeln, bieten einige Akzente an, die versuchen, auf die aktuelle Situation zu antworten und einige positive Erfahrungen in der Ausbildung und Ergebnisse aus den Humanwissenschaften mit einbringen“ betont er.

Für den kirchlichen Würdenträger „ist ein erster Unterschied, dass die integrale Ausbildung noch mehr betont wird. Es geht darum, den ganzen Menschen zu formen, so dass die Seminaristen eine ausgeglichene Reife in verschiedenen Aspekten ihres Lebens und ihres zukünftigen Dienstes erlangen können, immer ausgehend von der Bildung der Person, das heißt, des Herzen, der inneren Tiefe, der Innerlichkeit.“

Die Normen setzen auch „einen besonderen Akzent zur Klärung der Berufung und raten, dass diese während des gesamten Prozesses der Ausbildung gemacht wird, so dass die Seminaristen freier zur Priesterweihe gelangen und ihrerseits fähiger zu einer echten pastoralen Unterscheidungsgabe.“

„Auch wird der Begleitung besondere Aufmerksamkeit gewidmet, indem man die Notwendigkeit herausstellt, dass im Lauf der Ausbildung tiefe Beziehungen des Vertrauens und der Transparenz zwischen den Ausbildern und den Seminaristen gepflegt werden, die ihnen wirklich helfen können.“

Zusätzlich verdeutlicht dieses Dokument „die Wichtigkeit der erziehenden Gemeinschaft des Seminars. Die Formung geschieht immer im Rahmen einer christlichen Gemeinschaft und im Fall des Seminars, im Rahmen einer erziehenden Gemeinschaft, die aus allen Personen besteht, die daran mitwirken: Die ausbildenden Priester, die angestellten Professoren, das Verwaltungspersonal.“

  1. Der Prozess der Ausbildung der Priesteramtskandidaten

Monsignore Patrón Wong hebt hervor, dass die neuen Normen „das klassische Prinzip der Gradualität sehr betonen. Das bedeutet, dass die Werte der priesterlichen Berufung Schritt für Schritt gelernt werden, in einem Prozess der Reifung, der viel Zeit braucht.“

„Es geht darum, eine Menschen zu formen, der fest in der christlichen Identität gegründet ist, um später die Konfiguration mit Christus, dem Diener, Hirten, Priester und Haupt zu erleichtern. Das ist ein komplexer Prozess, der eine sorgfältige Ausbildung erfordert“, präzisiert er.

In diesem Prozess der Formung „werden vier Etappen vorgeschlagen, die in den meisten Seminaren schon so praktiziert werden: Die propädeutische oder einführende Phase, die Schülerphase oder philosophische Phase, die konfigurative oder theologische Phase und die pastorale Phase oder Phase der Berufungssynthese.“

  1. Inkulturation

Der Sekretär für die Priesterseminare betont auch, dass „die Kirche im Lauf der Geschichte Teil verschiedener Kulturen geworden ist: sie ist hebräisch geboren, wurde griechisch und lateinisch, dann balkanisch, polnisch, spanisch, gallisch und später afrikanisch, asiatisch, amerikanisch.“

Für die Kirche „ist die Inkulturation eine Lebensregel. Sie zerstört nie eine Kultur, sondern bemüht sich, dass in jeder von ihnen die Person Jesu präsent wird und sich die Botschaft des Evangeliums inkarniert.“

„Die Kirche nimmt die verschiedenen Kulturen sehr ernst, mehr noch, wenn sie wenig respektiert werden. Deshalb schätzt sie die einheimischen Berufungen und ist bemüht, ihnen eine angemessene Ausbildung zukommen zu lassen. Auch weil die Personen, die die einheimischen Sprachen sprechen, Christen sind und ein Recht auf Hirten haben, die ihre Kultur evangelisieren“, unterstreicht er.

  1. Die kleinen Seminare

Für Monsignore Patrón Wong ist das kleine Seminar „eine wunderbare Einrichtung“, weil es den „Jugendlichen eine altersentsprechende menschliche und christliche Ausbildung bietet.“

Paul VI. sagte, dass es Orte der Arbeit, des Gebetes, des familiären Geistes seine, ähnlich wie in der Familie von Nazareth.

Viele Jugendlichen bräuchten eine ähnliche Erfahrung, um eine integrale Reifung zu erlangen.

Der Prälat präzisiert, dass „das kleine Seminar kein Haus der Priesterausbildung sei. Es bereitet die Jugendlichen vielmehr darauf vor, eine ausreichende Berufungserfahrung machen zu können, wenn der Moment dazu gekommen ist, damit sie das priesterliche Leben wählen können, wenn Gott es will. Es handelt sich um eine vorausgehende oder annähernde Ausbildung.“

Diese Ausbildung „findet sich, in gewissem Maß, auch in der Jugendpastoral wieder, in den katholischen Schulen, in den Jugendgruppen und in den kirchlichen Bewegungen“, denn „die Kirche ist auf vielerlei Weise unter den Jugendlichen präsent, um ihnen in ihrem menschlichen, geistlichen, intellektuellen und apostolischen Wachstum zu helfen.“ (CNA Deutsch)

Neues Papstministerium: Theorie und Praxis des Menschen

Die Gründung der neuen vatikanischen Institution zur Förderung der ganzheitliche Entwicklung des Menschen entspricht dem Ansatz des Papstes, Theorie und Praxis zusammen zu bringen. Das sagte im Gespräch mit Radio Vatikan die delegierte Untersekretärin des Dikasteriums, Flaminia Giovanelli. Die Behörde ging am 1. Januar an den Start und entstand durch Zusammenlegung von vier päpstlichen Räten: jenem für Gerechtigkeit und Frieden, jenem der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs, jenem für die Pastoral im Krankendienst und schließlich „Cor Unum“, der eine Art Caritas-Rat für tätige Nächstenliebe war.

Giovanelli sagte, Papst Franziskus sehe allgemein „die Notwendigkeit, die Reflexion auf etwas Konkretes zu gründen, und umgekehrt“. Der päpstliche Rat für Gerechtigkeit und Frieden habe das Ziel verfolgt, über die Soziallehre der Kirche der Kirche nachzudenken und sie zu verbreiten. Von der Zusammenlegung mit den übrigen drei Behörden, „die eher pastoralen Zuschnitt hatten“, profitiere das neu entstandene Dikasterium. „Beispiel: das Thema Folter. Darüber kann man, wie wir das bei „Gerechtigkeit und Frieden“ getan haben, nachdenken, das betrifft die Soziallehre, die Menschenrechte. Unsere Kollegen vom Gesundheitsrat kennen Leute, die in den Krankenhäusern arbeiten und dort mitunter Folteropfer betreuen. Dasselbe gilt etwa beim Thema Migration, wo sich besonders viele Themen überschneiden, auch das der Folter.“

Nachdenken und handeln

Nun müssten die insgesamt rund 70 Mitarbeiter der bisherigen vier Behörden sehen, wie sie am besten zusammenarbeiten, so Giovanelli. Man habe sich seit August mehrmals getroffen, um diesen Übergang vorzubereiten. Die damalige Untersekretärin bei „Gerechtigkeit und Frieden“ ließ durchblicken, dass viele praktische, administrative und arbeitstechnische Fragen noch offen sind.

So bleiben die Mitarbeiter vorerst in ihren bisherigen, räumlich getrennten Büros, zwei davon liegen im Palazzo San Callisto in Trastevere, die übrigen in der Via della Conciliazione in der Nähe des Petersplatzes.

Sie selbst wurde, wie Giovanelli im Gespräch mit Radio Vatikan sagte, vom Präfekten des neuen Dikasteriums Kardinal Peter Turkson in ihrer Funktion gewissermaßen in die neue Einrichtung hinein verlängert, ist also „delegierter Untersekretär“. Als „delegierter Sekretär“ wirkt bis auf weiteres Erzbischof Silvano Maria Tomasi, ein früherer Diplomat des Heiligen Stuhles und ausgewiesener Migrationsfachmann. Ein „absolutes Novum“, so Giovanelli, sei auch die Tatsache, dass Papst Franziskus auf eigenen Wunsch eine Unterabteilung der neuen Behörde persönlich leite, nämlich jene für Flucht und Migration; zwei eigens ernannte Untersekretäre – Pater Michael Czerny SJ und Pater Fabio Baggio CS – werden ihm direkt Bericht erstatten. „Dem Papst obliegt es jetzt, Anweisungen zu geben“, sagte Giovanelli. „Er will die Bedeutung unterstreichen, die das Thema Flucht und Migration in seinem Pontifikat hat. Im Grunde ist das die Frage schlechthin unserer Zeit, denn Migration ist eine Frucht der Globalisierung und der damit verbundenen Entwicklungen. Da wird es für uns Anlass geben, den Willen des Papstes näher kennenzulernen.“ (rv)

Kardinal Barbarin Sondergesandter für Barmherzigkeitskongress

Der französische Kardinal Philippe Barbarin wird den Papst als Sondergesandter beim kommenden vierten Weltkongress der Barmherzigkeit 2017 vertreten. Das gab das vatikanische Presseamt an diesem Montag bekannt. Der Kongress wird vom 16. bis 20. Januar in der philippinischen Hauptstadt Manila stattfinden. Seit 2008 finden, neben nationalen Barmherzigkeitskongressen, alle drei Jahre auch Weltkongresse mit diesem Thema statt. Nach Rom, Krakau und Bogota ist nun Manila der Ausrichter des diesjährigen „World Apostolic Congress Of Mercy“, kurz WACOM. (rv)

Schweizergarde hat neuen Musik-Chef

Die Musikkapelle der Schweizergarde hat einen neuen Spielführer. Hellebardier Francois Fournier aus dem Kanton Wallis löst in dieser Aufgabe mit 1. Januar Vize-Korporal Mario Ackermann ab, der die Garde bald verlassen wird, teilte die Päpstliche Schweizergarde am Sonntag mit. Fournier spielt Horn und Posaune und trat vor knapp zwei Jahren in das Korps der Garde ein. Er ist gelernter Polymechaniker. Das Gardespiel der 1506 gegründeten päpstlichen Leibwache spielt zur Vereidigung der Rekruten am 6. Mai sowie zu verschiedenen Festen wie dem Nationalfeiertag oder Weihnachten. (rv)