Kardinal O´Malley neues Mitglied der Glaubenskongregation

Die Wichtigkeit, die Papst Franziskus dem Thema Minderjährigenschutz einräumt, findet nun mit der Berufung des neuesten Mitglieds der Glaubenskongregation eine weitere personelle Bestätigung. Kardinal Sean Patrick O´Malley, Erzbischof von Boston und Präsident der Päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen, wird ab sofort dem Heiligen Offizium angehören. Das gab der Vatikan an diesem Samstag bekannt.

O´Malley leitet seit Dezember 2013 die von Papst Franziskus persönlich gewollte Kommission, die ihre Arbeitsräume in der Casa Santa Marta und somit in der unmittelbaren Nähe zu Papst Franziskus hat. (rv)

Kirchenrechtler: „Malteserorden muss Papst gehorsam sein“

Der öffentlich ausgetragene Konflikt um die Amtsenthebung des Großkanzlers des Malteserordens dauert mittlerweile seit Anfang Dezember an. Es geht um Gehorsam und Absetzung, um Souveränität und Ordensleben und im das komplexe Verhältnis zwischen Vatikan und Maltesern: Wer hat das Recht, wen abzusetzen, welche Gründe braucht es dafür und was hat eigentlich der Papst zu sagen? Wir wollten es etwas genauer wissen und haben mit dem Kirchenrechtler Pater Ulrich Rhode über die rechtlichen Dimensionen und Begriffe, die in dem öffentlich ausgetragenen Zwist immer wieder fallen, gesprochen. Rhode ist seit 2014 ordentlicher Professor für Kirchenrecht an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Sein Spezialgebiet ist Staatskirchenrecht.

Man müsse die verschiedenen Ebenen der Ordensmitgliedschaft bei den Maltesern bedenken, sagt Rhode: „Die Mitglieder des Erstens Standes, also die Ordensleute, sind durch ihr Gehorsamsgelübde nicht nur ihren Ordensoberen, sondern auch dem Papst zu Gehorsam verpflichtet. Das gilt auch für den Großmeister, der ja die Absetzung des Großkanzlers vorgenommen hat und der selbst dem Ersten Stand angehört“. Die Gehorsamspflicht gegenüber dem Papst sei keine Besonderheit des Malteserordens, sondern gelte nach dem Kirchenrecht für alle Ordensleute. „Bei den Mitgliedern des zweiten Standes verpflichtet das Gehorsamsversprechen nur gegenüber den Oberen im Malteserorden, nicht gegenüber dem Papst.“ Trotzdem seien aber auch die Mitglieder des Zweiten, also mit Gelübden, als auch die des Dritten Standes, also ohne Gelübde, wie alle Katholiken dem Papst gegenüber zum Gehorsam verpflichtet. „Das gilt sowohl dann, wenn der Papst die kirchliche Lehre vorträgt, als auch dann, wenn er rechtliche Anordnungen trifft,“ so Rhode

Gehorsam gilt für alle Katholiken

In diesem ersten Stand gebe es weltweit etwa 50 Mitglieder, einige als Priester, die meisten seien Brüder ohne Priesterweihe. Der zweiten Stand umfasse Männer und Frauen, die keine Ordensleute sind, die aber ein Gehorsamsversprechen abgelegt hätten. Im dritten Stand sind weitere Mitglieder, die sich für den Orden einsetzen, ohne Gelübde oder ein Gehorsamsversprechen abgelegt zu haben, erklärt Rhode. Wie die Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung ausgeübt wird, beschreiben die Statuten des Ordens. „Dazu gehören natürlich auch Vorschriften über die Bestellung der Amtsträger und auch über ihre Abberufung.“ Zur Regelung der Rechtsfragen habe der Orden eine eigene Gerichtsbarkeit, die in Rom ansässig sei, in zwei Instanzen.

Sowohl Kirche als auch souverän

Da der Malteserorden sowohl als katholisch als auch als Völkerrechtssubjekt anerkannt ist, existiere seine Beziehung zum Heiligen Stuhl einerseits in der kirchlichen Rechtsordnung und andererseits im internationalen Recht. „In der kirchlichen Rechtsordnung ist der Malteserorden als katholisch anerkannt, schon seit dem 12. Jahrhundert, und deswegen untersteht er wie überhaupt alle anerkannten katholischen Gemeinschaften und Organisationen natürlich dem Papst und damit auch dem Heiligen Stuhl. Das gilt nicht nur für den Ersten Stand, also für die Ordensleute mit Gelübden, sondern auch für den Orden als ganzen mit allen Ständen und Mitgliedern.“

Einerseits Gehorsam, andererseits keine Vollmacht

Auf der anderen Seite gebe es eine Botschaft beim Heiligen Stuhl, wie sie auch andere Völkerrechtssubjekte haben. Auf der Seite des internationalen Rechts, also in Bezug auf die Beziehung des Ordens zu anderen Staaten, habe der Papst natürlich keine Vollmachten, so Rhode. Hierauf beruft sich Ordensmeister Matthew Festing, indem er die vom Papst eingesetzte Kommission zur Untersuchung der Leitungsfragen im Orden ablehnt.

Andererseits müsse laut dem Kirchenrecht und den Statuten des Ordens der Papst über die Wahl eines neuen Großmeisters informiert werden, bevor dieser dann sein Amt antritt. „Zum anderen kann der Papst aber auch jenseits der Statuten eingreifen, ebenso wie bei allen katholischen Ordensgemeinschaften oder Organisationen. In dieser Hinsicht unterliegt der Papst keinen anderen Grenzen als denen der Glaubens- und Morallehre.“

Warum eigentlich ein eigenes Völkerrechts-Subjekt?

Manch einem mag sich die Frage stellen, aus welchem Grund eine überschaubare Organisation ohne Territorium wie die Malteser eigentlich ein Völkerrechtssubjekt darstellen. Rhode klärt uns auf: „Das liegt zum einen an historischen Gründen, weil der Malteserorden früher ein Staatsgebiet beherrschte, nämlich zunächst die Insel Rhodos und später die Insel Malta; und zum anderen liegt es an dem humanitären Engagement des Malteserordens. Heute ist die Stellung eines Völkerrechtssubjekts für den Malteserorden vor allem ein Vorteil bei humanitären Einsätzen. Er ist souverän in dem Sinne, das er in der Rechtsordnung des Völkerrechts niemandem untergeordnet ist, auch nicht dem Papst.“

Hintergrund

Der Begriff ‚Völkerrecht‘ meint die Rechtsordnung, in der sich vor allem Staaten gegenüberstehen, zum Beispiel wenn sie diplomatische Beziehungen unterhalten oder Verträge schließen. ‚Völkerrechtssubjekte‘ sind diejenigen, die im Völkerrecht Rechte und Pflichten haben. Also vor allem Staaten, aber auch einige andere, wie der Heilige Stuhl, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, und eben auch der Malteserorden. (rv)

Schweizer Kurienkardinal Agustoni verstorben

Der Schweizer emeritierte Kurienkardinal Gilberto Agustoni ist an diesem Freitag verstorben. Das gab der vatikanische Pressesaal am Samstag bekannt. Der 94-jährige Agustoni leitete von 1994 bis 1998 das höchste Vatikangericht, die Apostolische Signatur, als Präfekt. Vor dieser Berufung war er als Sekretär der Kleruskongregation tätig. Während dieser Zeit hatte er eine aktive Rolle bei der Ausformulierung der Apostolischen Konstitution zur Römischen Kurie „Pastor Bonus“ und in Folge auch der Geschäftsordnung der Römischen Kurie, die sich eng an diesem Text orientierte. Mit dem Tod des Kardinals besteht das Kardinalskollegium aus insgesamt 226 Mitgliedern, davon sind nach wie vor 120 Wähler und 106 Nicht-Wähler. (rv)

Weltverfolgungsindex 2017: Christenverfolgung steigt an

Christen sind nach wie vor die am meisten verfolgte Glaubensgemeinschaft der Welt – und die Zahlen sind im Vergleich zum Vorjahr nochmals signifikant angestiegen. Dies geht aus dem neuesten Weltverfolgungsindex von Open Doors hervor, den die Hilfsorganisation an diesem Mittwoch vorgestellt hat. Demnach leiden derzeit über 200 Millionen Christen unter Verfolgung. Wir haben mit dem Geschäftsführer von Open Doors, Markus Rode, gesprochen.

Den tatsächlichen Grad der Verfolgung zu messen, sei natürlich schwierig, sagt Rode uns. Open Doors stellt den Betroffenen, aber auch vor Ort tätigem institutionellem Personal 80 Fragen: „Da untersuchen wir fünf Lebensbereiche von Christen: Können sie ihren Glauben als Privatmensch leben? Wie sieht es aus in der Familie, in der Gesellschaft, im kirchlichen Leben und, letztlich, das Leben im Staat. Aus diesen Fragen ergibt sich ein Bild über den Grad der Verfolgung. Dann haben wir noch einen sechsten Bereich, den wir dazu nehmen, nämlich die Anzahl der Gewalttaten, die wir registrieren. Daraus ergibt sich ein Index-Wert, der letztlich versucht, den Grad der Verfolgung zu greifen.“

Vor neun Jahren hatte Open Doors seine neue Methodik zur Messung der Verfolgung eingeführt und mit einer differenzierteren Herangehensweise die damals kursierende Zahl von 200 Millionen Verfolgten um etwa die Hälfte reduziert. Der Grund: Open Doors nahm sich Land für Land vor, um so weit als möglich nahe an der Realität der Menschen vor Ort zu bleiben, anstatt für alle Gläubigen die gleichen Bedingungen anzunehmen. In diesem Jahr wurde nun aber erneut die 200 Millionen-Marke überschritten. Für den Anstieg nennt Rode drei Ursachen: „Das eine ist der arabische Frühling. Den haben wir natürlich damals nicht gehabt. Das heißt, wir mussten jetzt sehen, dass es gerade im Nahen Osten eine Massenvertreibung von Christen gegeben hat. Genauso die islamistische Ausweitung dieser Netzwerke, wie Boko Haram, IS, al-Shabaab, die nicht nur innerhalb ihrer Länder tätig wurden, sondern jetzt richtige internationale Netzwerke gebildet haben und den Druck auf Christen verstärkt haben, sind eine wesentliche Triebkraft der zunehmenden Verfolgung. Und dann kommt noch eines hinzu, und das ist in den Medien und insgesamt in der Öffentlichkeit gar nicht so wahrgenommen worden, nämlich der religiös motivierte Nationalismus in Asien.“

Besonders weit vorne im Weltverfolgungsindex liegen Nordkorea und islamische Länder. „In diesen Ländern erleben wir einen sehr extremen Islam. Besonders hart verfolgt sind jetzt immer mehr diejenigen, die vom Islam zum christlichen Glauben konvertieren. Das heißt, eine eigentlich übersehene Gruppe von Christen, die sehr stark wächst in den letzten Jahren, die der Konvertiten, steht nun unter besonderem Druck, weil der Abfall vom Islam ein todeswürdiges Verbrechen ist.“

Mit dem Weltverfolgungsindex will Open Doors den verfolgten Christen eine Stimme geben und ihnen zu helfen. „Natürlich ist das, was verfolgte Christen besonders brauchen, das Gebet. Sie sagen an erster Stelle: Bitte betet für uns, damit unser Glaube nicht aufhört. Und an der Stelle sind wir gefordert als Christen zu beten, aber natürlich auch in Projekten die Christen Vorort zu unterstützen und ihnen zu helfen, dass sie zumindest wissen, sie sind nicht vergessen und sie werden nicht im Dunkel gelassen. Das ist unser Ziel.“ (rv)

Kardinal Sarah besucht Papst Benedikt

Der afrikanische Kurienkardinal Robert Sarah hat am Dienstag den emeritierten Papst Benedikt XVI. besucht. Der mit dem Kardinal befreundete Journalist Nicolas Diat dokumentierte die Begegnung im Vatikan-Kloster Mater Ecclesiae, Benedikts Residenz, auf seiner Facebook-Seite mit zwei Fotos. Kardinal Sarah leitet seit 2014 die vatikanische Liturgie-Kongregation. Benedikt hatte den Afrikaner 2010 zum Präsidenten des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ gemacht und in den Kardinalstand erhoben. Sarah hat mehrere erfolgreiche Bücher veröffentlicht, darunter zuletzt „Die Kraft der Stille“. Darin kritisiert der Kardinal unter anderem eine Liturgie, die zu geschwätzig und zu gefühlsorientiert ist. Auch Papst Benedikt war eine würdig gefeierte Liturgie stets ein großes Anliegen. (rv)

Rom: McDonald´s am Vatikan speist Obdachlose

Das von vielen geschmähte neue McDonald´s-Restaurant beim Vatikan verköstigt ab nächster Woche jeden Montag Obdachlose. Mehr als 1.000 Essenspakete mit je einem doppeltem Cheeseburger, frischem Apfel und Wasserflasche stellt der Schnellimbiss zur Verfügung, heißt es in einer Mitteilung der Organisation Medicina Solidale, die bei der Verteilung rund um den Petersplatz und die Via della Conciliazione helfen wird. Auch das päpstliche Almosenamt ist an der Aktion beteiligt.

Der Schnellimbiss der US-Kette wurde zum Jahreswechsel in einem Vatikan-Palazzo wenige Schritte vom Petersplatz entfernt eröffnet. Kardinäle, die in dem Haus wohnen, hatten sich vorab darüber beschwert. Sogar italienische Konsumentenschützer hatten den Papst dazu aufgefordert, den Mietvertrag mit McDonald´s zu kündigen und stattdessen eine Suppenküche für Obdachlose einzurichten. (rv)

Frieden, Terror, Migration: Was Franziskus den Diplomaten in der Neujahrsansprache sagte

VATIKAN – Über Sicherheit und Frieden, Terror und Massenmigration hat Papst Franziskus am heutigen Montag eine Rede vor Diplomaten gehalten. Dabei betonte der Papst, dass zwar Migranten und Flüchtlinge soweit möglich in ein Land integriert werden sollten, aber „ohne dass dieses seine eigene Sicherheit, seine kulturelle Identität und sein sozialpolitisches Gleichgewicht gefährdet sieht“.

Europa attestierte Franziskus, sich in einem „entscheidenden Moment seiner Geschichte“ zu befinden: Der Kontinent müsse seine eigene Identität wiederfinden und die eigenen Wurzeln wieder entdecken.

Der Heilige Vater äußerte sich auch über religiös motivierte Gewalt. Wörtlich sagte er:

Es handelt sich um einen mörderischen Wahnsinn, der den Namen Gottes missbraucht, um Tod zu verbreiten, und versucht, einen Macht- und Herrschaftswillen durchzusetzen. Daher appelliere ich an alle religiösen Autoritäten, dass sie gemeinsam entschieden bekräftigen, dass man nie im Namen Gottes töten darf. Der fundamentalistische Terrorismus ist Frucht einer großen geistigen Erbärmlichkeit (…)

Beim traditionellen Neujahrsempfang des diplomatischen Corps betonte Franziskus, dass „nur durch den gemeinsamen Beitrag der religiösen und politischen Führer“ dieser Terror vollständig überwunden werden könne.

Ohne eine Religion beim Namen zu nennen, sagte der Papst, dass religiöse Führer die Pflicht hätten, Werte zu vermitteln, „die keinen Gegensatz zwischen Gottesfurcht und Nächstenliebe zulassen“.

Aufgabe der Politiker sei es, im öffentlichen Raum das Recht der Religionsfreiheit zu garantieren und den positiven und konstruktiven Beitrag anzuerkennen, den Religionen am Aufbau der Zivilgesellschaft leisteten.

Mehr noch: Die Politik dürfe sich nicht damit begnügen, „die Sicherheit der eigenen Staatsbürger zu gewährleisten – eine Auffassung, die sich leicht auf ein einfaches ‚ruhigen Leben‘ zurückführen lassen könnte – sondern aufgerufen ist, auch wirklich Frieden zu fördern und aufzubauen“.

Migranten müssen Kultur und Tradition respektieren

Es bedürfe eines gemeinsamen Einsatzes „für Migranten, Vertriebene und Flüchtlinge, damit ihnen eine würdige Aufnahme geboten werden kann“, forderte Franziskus. Dazu müsse man „das Recht jedes Menschen in andere Staaten auszuwandern und dort seinen Wohnsitz aufzuschlagen“ anwenden.

Darüber hinaus müssten Politik und Gesellschaft „die Möglichkeit zur Integration der Migranten in das Sozialgefüge, in das sie sich eingliedern, garantieren“, so der Papst weiter, allerdings „ohne dass dieses seine eigene Sicherheit, seine kulturelle Identität und sein sozialpolitisches Gleichgewicht gefährdet sieht“.

„Andererseits dürfen die Migranten selbst nicht vergessen, dass sie verpflichtet sind, die Gesetze, die Kultur und Traditionen der Länder, die sie aufnehmen, zu respektieren“, so der Papst.

Feinde des Friedens

Wie bereits in früheren Reden geißelte der Papst auch politische Ideologien, soziale Ungerechtigkeit, Armut und Waffenhandel als Feinde des Friedens.

CNA dokumentiert den vollständigen Wortlaut der Ansprache, wie sie der Heilige Stuhl zur Verfügung gestellt hat.

Exzellenzen, liebe Botschafter, sehr geehrte Damen und Herren,

gerne heiße ich Sie willkommen und danke Ihnen, dass Sie so zahlreich erschienen sind und diesem traditionellen Treffen wieder Ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben. Es gibt uns die Gelegenheit, gegenseitig die Wünsche auszutauschen, dass das eben begonnene Jahr für alle eine Zeit der Freude, des Wohlergehens und des Friedens sei. Einen ganz besonderen Dank richte ich an den Dekan des Diplomatischen Korps, Seine Exzellenz Armindo Fernandes do Espírito Santo Vieira, Botschafter von Angola, für die ehrerbietigen Grußworte im Namen des ganzen beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps. Es wurde ja kürzlich durch die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen mit der Islamischen Republik Mauretanien vor einem Monat erweitert. Desgleichen möchte ich den vielen Botschaftern, die in der Stadt Rom residieren und deren Zahl im Lauf des vergangenen Jahres zugenommen hat, wie auch den nicht residierenden Botschaftern meinen Dank ausdrücken, dass sie mit ihrem heutigen Besuch das freundschaftliche Band, das ihre Völker und den Heiligen Stuhl verbindet, unterstreichen wollen. Ebenso ist es mir ein Anliegen, dem Botschafter von Malaysia im Gedenken an seinen im vergangenen Februar verstorbenen Vorgänger Dato’ Mohd Zulkephli Bin Mohd Noor meine besondere Anteilnahme auszusprechen.

Im Lauf des letzten Jahres konnten die Beziehungen zwischen Ihren Ländern und dem Heiligen Stuhl dank der geschätzten Besuche zahlreicher Staatsoberhäupter und Regierungschefs weiter vertieft werden, die auch in Verbindung mit den verschiedenen Veranstaltungen im Rahmen des kürzlich zu Ende gegangenen außerordentlichen Jubiläums der Barmherzigkeit stattfanden. Es wurden auch einige bilaterale Verträge unterzeichnet oder ratifiziert, sowohl solche allgemeiner Natur zur Anerkennung des Rechtsstatuts der Kirche – mit der Demokratischen Republik Kongo, der Zentralafrikanischen Republik, mit Benin und mit Ost-Timor –, als auch solche mehr fachlicher Natur wie der mit Frankreich geschlossene Abänderungsvertrag oder die Steuerkonvention mit der Republik Italien, die vor kurzem in Kraft trat. Hinzu kommt auch das Memorandum zur gegenseitigen Verständigung zwischen dem Staatssekretariat und der Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate. Ferner wurde im Blick auf den Einsatz des Heiligen Stuhls, die übernommenen Verpflichtungen der unterzeichneten Abkommen einzuhalten, das Comprehensive Agreement mit dem Staat Palästina, das vor einem Jahr in Kraft trat, vollständig umgesetzt.

Liebe Botschafter, vor einem Jahrhundert befand sich die Welt mitten im Ersten Weltkrieg. Ein unnötiges Blutbad[1], bei dem neue Gefechtstechniken Tod verbreiteten und für die wehrlose Zivilbevölkerung unermessliche

Leiden verursachten. Im Jahr 1917 wandelte sich das Antlitz des Krieges grundlegend und nahm immer mehr weltweite Züge an, während jene totalitären Regime, die dann lange Zeit Ursache schmerzlicher Teilungen sein sollten, am Horizont erschienen. Hundert Jahre danach können viele Teile der Welt sagen, dass sie lange Friedenszeiten genießen konnten. Diese haben bisher nie dagewesene Möglichkeiten wirtschaftlicher Entwicklung und Formen des Wohlstands begünstigt. Wenn heute für viele der Friede in gewisser Weise als ein selbstverständliches Gut erscheint, gleichsam als ein erworbenes Recht, dem man nicht mehr viel Aufmerksamkeit schenkt, ist er für zu viele noch immer nur ein fernes Wunschbild. Millionen von Menschen leben immer noch im Zentrum sinnloser Konflikte. Auch an Orten, die einmal als sicher galten, spürt man ein allgemeines Gefühl der Angst. Wir sind oft übermannt von Bildern des Todes, vom Leid der Unschuldigen, die um Hilfe und Trost bitten, von der Trauer derer, die wegen Hass und Gewalt um einen geliebten Menschen weinen, vom Drama der Flüchtlinge, die vor dem Krieg fliehen, oder der Migranten, die tragisch ums Leben kommen.

Daher möchte ich die heutige Begegnung dem Thema der Sicherheit und des Friedens widmen. Im Klima allgemeiner Besorgnis um die Gegenwart als auch der Unsicherheit und der Angst vor der Zukunft, in dem wir uns befinden, halte ich es für wichtig, ein Wort der Hoffnung zu sagen, das auch die Perspektive eines Weges aufzeigt.

Vor einigen Tagen haben wir gerade den 50. Weltfriedenstag gefeiert, den mein Vorgänger der selige Paul VI. einführte »als Wunsch und Gelöbnis, an den Anfang des Jahres, das die Zeit unseres menschlichen Daseins misst und beschreibt, den Frieden zu stellen, um in seiner gerechten und wohltuenden Ausgeglichenheit die geschichtliche Entwicklung der Zukunft zu bestimmen«[2]. Für die Christen ist der Friede eine Gabe des Herrn, verkündet und besungen von den Engeln bei der Geburt Christi: »Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade« (Lk 2, 14). Er ist ein positives Gut, »die Frucht der Ordnung, die […] in die menschliche Gesellschaft eingestiftet«[3] ist, und »besteht nicht [einfach] darin, dass kein Krieg ist«.4 Er »lässt sich auch nicht bloß durch das Gleichgewicht entgegengesetzter Kräfte sichern«[4], vielmehr fordert er den Einsatz der Menschen guten Willens »durch stetes Streben nach immer vollkommenerer Gerechtigkeit«6.

In dieser Sicht bekunde ich die feste Überzeugung, dass jeder Ausdruck von Religion den Frieden zu fördern hat. Das konnte ich auf bedeutsame Weise im Zuge des Weltgebetstags für den Frieden im vergangenen September in Assisi erfahren, bei dem sich die Vertreter der verschiedenen Religionen getroffen haben, um »allen, die leiden, eine Stimme [zu] geben, allen, die keine Stimme haben und die niemand hört«[5], als auch anlässlich meines Besuchs in der Großen Synagoge von Rom oder in der Moschee von Baku.

Wir wissen, dass es an religiös motivierter Gewalt nicht gefehlt hat, angefangen eben bei Europa, wo die historischen Spaltungen unter den Christen viel zu lange andauerten. Auf meiner jüngsten Reise nach Schweden wollte ich an die dringende Notwendigkeit erinnern, die Wunden der Vergangenheit zu heilen und zusammen unterwegs zu sein auf gemeinsame Ziele hin. Einem solchen Weg kann nur der echte Dialog zwischen den unterschiedlichen religiösen Bekenntnissen zugrunde liegen. Es ist ein möglicher und notwendiger Dialog, wie ich durch das Treffen mit dem Patriarchen Kyrill von Moskau auf Kuba zu bezeugen versuchte als auch bei den Apostolischen Reisen nach Armenien, Georgien und Aserbaidschan. Dort konnte ich das rechte Bestreben dieser Völker sehen, die Konflikte beizulegen, die seit Jahren die Eintracht und den Frieden beeinträchtigen.

Zugleich ist es angebracht, die vielfältigen religiös inspirierten Werke nicht zu vergessen, die – manchmal auch unter dem Opfer der Märtyrer – am Aufbau des Gemeinwohls mitwirken, besonders durch Bildung und Unterstützung vor allem in den am meisten notleidenden Regionen und den Konfliktschauplätzen. Solche Werke tragen zum Frieden bei und geben Zeugnis davon, wie man konkret zusammenleben und zusammenarbeiten kann – selbst wenn man verschiedenen Völkern, Kulturen und Traditionen angehört –, sooft die Würde der menschlichen Person in den Mittelpunkt des eigenen Handelns gestellt wird.

Leider ist uns bewusst, wie auch heute noch die religiöse Erfahrung, anstatt für den anderen zu öffnen, bisweilen als Vorwand für Abschottung, Ausgrenzung und Gewalt benutzt werden kann. Ich beziehe mich in besonderer Weise auf den Terrorismus fundamentalistischen Ursprungs, der auch im vergangenen Jahr zahlreiche Opfer auf der ganzen Welt hinweggerafft hat: Afghanistan, Bangladesch, Belgien, Burkina Faso, Ägypten, Frankreich, Deutschland, Jordanien, Irak, Nigeria, Pakistan, Vereinigte Staaten von Amerika, Tunesien und Türkei. Es sind niederträchtige Akte, die wie in Nigeria Kinder zum Töten missbrauchen; die es auf Menschen absehen, die wie in der Koptischen Kathedrale von Kairo beten, die wie in Brüssel reisen oder arbeiten, die wie in Nizza und Berlin als Passanten unterwegs sind oder wie in Istanbul einfach den Beginn des neuen Jahres feiern.

Es handelt sich um einen mörderischen Wahnsinn, der den Namen Gottes missbraucht, um Tod zu verbreiten, und versucht, einen Macht- und Herrschaftswillen durchzusetzen. Daher appelliere ich an alle religiösen Autoritäten, dass sie gemeinsam entschieden bekräftigen, dass man nie im Namen Gottes töten darf. Der fundamentalistische Terrorismus ist Frucht einer großen geistigen Erbärmlichkeit, mit der häufig auch eine beträchtliche soziale Armut eng verbunden ist. Er wird nur durch den gemeinsamen Beitrag der religiösen und politischen Führer vollständig überwunden werden können. Ersteren obliegt die Pflicht, jene religiösen Werte zu vermitteln, die keinen Gegensatz zwischen Gottesfurcht und Nächstenliebe zulassen. Aufgabe der zweiten ist es, im öffentlichen Raum das Recht der Religionsfreiheit zu garantieren und den positiven und konstruktiven Beitrag anzuerkennen, den sie am Aufbau der Zivilgesellschaft leistet. In ihr dürfen die soziale Zugehörigkeit, die vom Staatsbürgerschaftsprinzip festgelegt wird, und die geistliche Dimension des Lebens nicht als einander widersprechend verstanden werden. Die Regierenden haben ferner die Verantwortung, die Entstehung jener Situationen zu verhindern, die zum fruchtbaren Boden für die Ausbreitung von Fundamentalismen werden. Dies erfordert eine angemessene Sozialpolitik mit dem Ziel der Bekämpfung der Armut, die von einer echten Aufwertung der Familie als bevorzugter der Ort der menschlichen Reifung und von beträchtlichen Investitionen im Bildungs- und Kulturbereich nicht absehen kann.

Diesbezüglich nehme ich mit Interesse die Initiative des Europarats zur religiösen Dimension des interkulturellen Dialogs auf, die im vergangenen Jahr die Rolle der Erziehung bei der Prävention von Radikalisierung, die zum gewalttätigen Terrorismus und Extremismus führt, zum Thema hatte. Es handelt sich um eine Gelegenheit, den Beitrag des religiösen Phänomens und die Rolle der Erziehung hinsichtlich einer wirklichen Befriedung des sozialen Gefüges, die für das Zusammenleben in einer multikulturellen Gesellschaft notwendig ist, eingehend zu studieren.

In diesem Sinn möchte ich die Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass keine politische Autorität sich damit begnügen darf, die Sicherheit der eigenen Staatsbürger zu gewährleisten – eine Auffassung, die sich leicht auf ein einfaches „ruhigen Leben“ zurückführen lassen könnte – sondern aufgerufen ist, auch wirklich Frieden zu fördern und aufzubauen. Der Friede ist eine „aktive Tugend“, die den Einsatz und die Mitarbeit jedes einzelnen Menschen und der gesamten Gesellschaft als Ganzer erfordert. Wie das Zweite Vatikanische Konzil feststellte, »ist der Friede niemals endgültiger Besitz, sondern immer wieder neu zu erfüllende Aufgabe«[6], welcher das Wohl der Menschen schützt und ihre Würde achtet. Den Frieden aufzubauen erfordert vor allem, auf Gewalt in der Beanspruchung der eigenen Rechte zu verzichten.[7] Genau diesem Grundsatz wollte ich die Botschaft für den Weltfriedenstag 2017 mit dem Titel »Gewaltfreiheit: Stil einer Politik für den Frieden« widmen, um vor allem in Erinnerung zu rufen, inwiefern die Gewaltfreiheit ein politischer Stil ist, der auf dem Vorrang des Rechts und der Würde jedes Menschen beruht.

Den Frieden aufzubauen verlangt auch, dass »die Ursachen der Zwietracht in der Welt, die zum Krieg führen, beseitigt werden«[8], angefangen bei den Ungerechtigkeiten. Es gibt wirklich eine tiefe Verbindung zwischen Gerechtigkeit und Frieden[9]. Der heilige Johannes Paul II. stellte fest: »Da aber die menschliche Gerechtigkeit, die nun einmal den Grenzen und Egoismen von Personen und Gruppen ausgesetzt ist, immer zerbrechlich und unvollkommen ist, muss sie in der Vergebung, die die Wunden heilt und die tiefgehende Wiederherstellung der gestörten menschlichen Beziehungen bewirkt, praktiziert und gewissermaßen vervollständigt werden. […] Die Vergebung widersetzt sich in keiner Weise der Gerechtigkeit […] Die Vergebung strebt vielmehr jene Fülle von Gerechtigkeit an, welche die Ruhe der Ordnung herbeiführt; diese bedeutet […] eine tiefgreifende Heilung der in den Herzen blutenden Wunden. Wesentlich für eine solche Heilung sind beide, die Gerechtigkeit und die Vergebung.«[10] Diese Worte, die heute mehr denn je aktuell sind, trafen bei einigen Staatsoberhäuptern und Regierungschefs die Bereitschaft an, meine Einladung aufzugreifen, einen Gnadenakt gegenüber den Strafgefangenen zu setzen. Ihnen wie auch allen, die sich dafür einsetzen, würdige Lebensbedingungen für die Häftlinge zu schaffen und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu fördern, möchte ich meine besondere Anerkennung und Dankbarkeit zum Ausdruck bringen.

Ich bin überzeugt, dass das außerordentliche Jubiläum der Barmherzigkeit für viele eine besonders günstige Gelegenheit war, um auch die »große positive Auswirkung der Barmherzigkeit als sozialer Wert«[11] zu entdecken. Jeder kann so beitragen, »eine Kultur der Barmherzigkeit wachsen zu lassen, die darauf gründet, die Begegnung mit den anderen wiederzuentdecken: eine Kultur, in der niemand mit Gleichgültigkeit auf den anderen schaut, noch den Blick abwendet, wenn er das Leid der Mitmenschen sieht.«[12] Nur so wird man Gesellschaften aufbauen können, die Ausländern gegenüber offen und aufnahmebereit und zugleich in ihrem Inneren sicher und friedlich sind. Dies ist in der gegenwärtigen Zeit noch viel notwendiger, da große Migrationsströme in verschiedenen Teilen der Welt ununterbrochen weitergehen. Ich denke besonders an die zahlreichen Vertriebenen und Flüchtlinge in einigen Gebieten Afrikas, Südostasiens und an alle, die aus den Konfliktgebieten im Nahen Osten fliehen.

Im vergangenen Jahr hat sich die internationale Gemeinschaft mit zwei wichtigen Treffen der Vereinten Nationen beschäftigt: dem ersten Humanitären Weltgipfel und dem Gipfel zu den großen Flucht-und Migrationsbewegungen. Es braucht einen gemeinsamen Einsatz für Migranten, Vertriebene und Flüchtlinge, damit ihnen eine würdige Aufnahme geboten werden kann. Dazu muss man das Recht »jede[s] Menschen […] in andere Staaten auszuwandern und dort seinen Wohnsitz aufzuschlagen«,[13] anwenden und gleichzeitig die Möglichkeit zur Integration der Migranten in das Sozialgefüge, in das sie sich eingliedern, garantieren, ohne dass dieses seine eigene Sicherheit, seine kulturelle Identität und sein sozialpolitisches Gleichgewicht gefährdet sieht. Andererseits dürfen die Migranten selbst nicht vergessen, dass sie verpflichtet sind, die Gesetze, die Kultur und Traditionen der Länder, die sie aufnehmen, zu respektieren.

Ein kluger Ansatz seitens der Vertreter des öffentlichen Lebens besteht nicht in der Durchführung einer Politik der Ausgrenzung von Migranten, sondern vielmehr in einem weisen und weitsichtigen Abwägen, inwieweit das eigene Land in der Lage ist, den Migranten – vor allem wirklich schutzbedürftigen – ein würdiges Leben zu bieten, ohne dabei das Gemeinwohl der Bürger zu schädigen.

Auf keinen Fall darf man die gegenwärtige dramatische Krise zu einer einfachen Berechnung von Zahlen machen. Migranten sind Personen mit Namen, Geschichten und Familien. Nie wird es wirklichen Frieden geben, solange auch nur ein einziger Mensch in seiner eigenen persönlichen Identität verletzt wird und auf eine bloße Statistiknummer oder ein Objekt von wirtschaftlichem Interesse reduziert wird.

Die Migrationsproblematik ist eine Frage, die nicht einige Länder gleichgültig lassen darf, während andere die humanitäre Last tragen, oft mit beträchtlichem Aufwand und schweren Unannehmlichkeiten, um einem fast endlos scheinenden Notstand die Stirn zu bieten. Alle sollten sich zum Aufbau und zur Mitarbeit am internationalen Gemeinwohl aufgerufen fühlen, auch durch konkrete Gesten von Mitmenschlichkeit. Diese sind wesentliche Faktoren für jenen Frieden und jene Entwicklung, auf welche noch ganze Länder und Millionen von Menschen warten. Ich bin daher den vielen Ländern dankbar, die großzügig Notleidende aufnehmen, angefangen bei verschiedenen europäischen Staaten, besonders Italien, Deutschland, Griechenland und Schweden.

Immer wird mir die Reise in Erinnerung bleiben, die ich gemeinsam mit meinen Brüdern Patriarch Bartholomaios und Erzbischof Hieronymos auf die Insel Lesbos unternommen habe. Dort habe ich hautnah die dramatische Situation der Flüchtlingslager erlebt, aber auch die Menschlichkeit und die Dienstbereitschaft der vielen Helfer. Ebenso wenig dürfen die Aufnahmebereitschaft weiterer Länder Europas und des Nahen Ostens, wie Libanon, Jordanien, Türkei, und der Einsatz verschiedener afrikanischer und asiatischer Länder vergessen werden. Auch während meiner Reise nach Mexiko, wo ich die Freude des mexikanischen Volkes erfahren durfte, fühlte ich mich den Tausenden von Migranten aus Zentralamerika nahe. Auf der Suche nach einer besseren Zukunft erleiden sie schreckliche Ungerechtigkeiten und Gefahren, sind Opfer von Erpressungen und werden zur Ware auf dem verwerflichen Markt des Menschenhandels, eine entsetzliche Form moderner Sklaverei.

Ein Feind des Friedens ist eine solche „reduktive Sicht“ des Menschen, die zur Verbreitung von Ungerechtigkeit, sozialer Ungleichheit und Korruption beiträgt. Genau gegen letzteres Phänomen der Korruption ist der Heilige Stuhl neue Verpflichtungen eingegangen, als er am vergangenen 19. September das Beitrittsdokument zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption, das am 31. Oktober 2003 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet worden ist, formell hinterlegt hat.

In seiner Enzyklika Populorum progressio, deren 50. Jahrestag dieses Jahr begangen wird, hat der selige Paul VI. daran erinnert, wie derartige Ungleichheiten zu Unfrieden führen. »Der Weg zum Frieden [führt] nur über den Fortschritt«.[14] Ihn zu fördern und zu begünstigen ist die Pflicht der Vertreter des öffentlichen Lebens, indem sie Bedingungen für eine gerechtere Güterverteilung schaffen und Arbeitsmöglichkeiten gerade für die Jüngeren anregen. Es gibt auf der Welt immer noch zu viele Menschen, vor allem Kinder, die unter ständiger Armut leiden und denen es im Leben an ausreichender Nahrung fehlt – ja, die Hunger leiden –, während die natürlichen Ressourcen von einigen Wenigen gierig ausgebeutet und jeden Tag enorme Mengen von Nahrungsmitteln verschwendet werden.

Die Kinder und Jugendlichen sind die Zukunft, für sie arbeiten wir und bauen wir etwas auf. Sie dürfen nicht egoistisch vernachlässigt und vergessen werden. Wie ich schon kürzlich in einem Schreiben an alle Bischöfe erinnert habe, halte ich deshalb den Schutz der Kinder für vorrangig. Ihre Unschuld wird oft unter der Last der Ausbeutung, Schwarz- und Sklavenarbeit, Prostitution oder des Missbrauchs durch Erwachsene, Kriminelle und Todeshändler zerstört.[15]

Während meiner Reise nach Polen anlässlich des Weltjugendtages durfte ich Tausenden Jugendlichen voll Enthusiasmus und Lebensfreude begegnen. Bei vielen anderen habe ich allerdings Schmerz und Leid gesehen. Ich denke dabei an die Jungen und Mädchen, die unter den Folgen des grausamen Syrienkonfliktes leiden und denen die Freuden der Kindheit und Jugendzeit genommen wurden: von der Möglichkeit, ungezwungen zu spielen, bis zur Gelegenheit, eine Schule zu besuchen. An sie und an das ganze geliebte syrische Volk gehen ständig meine Gedanken. Indessen appelliere ich an die internationale Gemeinschaft, sich schnell um die Aufnahme ernsthafter Verhandlungen zu bemühen, die diesen Konflikt, der eine regelrechte humanitäre Katastrophe hervorruft, für immer beenden. Alle Beteiligten müssen die Beachtung des humanitären Völkerrechts als vorrangig ansehen, indem sie den Schutz der Zivilbevölkerung und die notwendige humanitäre Hilfe für die Bevölkerung garantieren. Unser gemeinsamer Wunsch ist, dass der kürzlich geschlossene Waffenstillstand für das ganze syrische Volk ein Hoffnungszeichen sei, welches es so sehr benötigt.

Dies erfordert auch Bemühungen im Kampf gegen den schändlichen Waffenhandel und den andauernden Wettlauf um Herstellung und Verbreitung von immer höher entwickelten Waffen. Die Experimente auf der koreanischen Halbinsel sind erschütternd; sie destabilisieren die gesamte Region und stellen die ganze internationale Gemeinschaft vor die beunruhigende Frage nach der Gefahr eines neuen nuklearen Rüstungswettlaufes. Noch immer sind die Worte des heiligen Johannes XXIII. in der Enzyklika Pacem in terris aktuell, als er sagte: »Gesunde Vernunft und Rücksicht auf die Menschenwürde [fordern] dringend, dass der allgemeine Rüstungswettlauf aufhört; dass ferner die in verschiedenen Staaten bereits zur Verfügung stehenden Waffen auf beiden Seiten und gleichzeitig vermindert werden; dass Atomwaffen verboten werden.«[16] In diesem Sinne und mit Blick auf die nächste Abrüstungskonferenz bemüht sich der Heilige Stuhl, eine Friedens- und Sicherheitsethik zu fördern, welche die Angst und die „Abschottung“ überwindet, welche die Diskussion um Nuklearwaffen beherrscht.

Auch bezüglich der herkömmlichen Waffen muss hervorgehoben werden, dass der oft mühelose Zugang zum Waffenmarkt, auch zu Waffen kleinen Kalibers, die Situation in den verschiedenen Konfliktgebieten verschärft und außerdem ein allgemeines Gefühl von Unsicherheit und Angst hervorruft. Das ist in Zeiten sozialer Ungewissheit und epochaler Veränderungen wie heute umso gefährlicher.

Ein Feind des Friedens ist die Ideologie, welche soziale Notstände ausnützt, um Verachtung und Hass zu schüren und den anderen als Feind zu betrachten, der vernichtet werden muss. Leider tauchen am Horizont der Menschheit immer wieder neue Formen von Ideologien auf. Sie verkleiden sich als Heilsbringer für das Volk und lassen stattdessen Armut, Gräben, soziale Spannungen, Leid und nicht selten auch Tod zurück. Der Friede wird hingegen durch Solidarität gewonnen. Aus ihr entsteht der Wille zu Dialog und Zusammenarbeit, der in der Diplomatie ein grundlegendes Instrument besitzt. Vor dem Hintergrund der Barmherzigkeit und Solidarität versteht sich der überzeugte Einsatz des Heiligen Stuhls und der Katholischen Kirche für eine Abwendung von Konflikten und bei der Begleitung von Prozessen für Frieden, Versöhnung und Suche nach Verhandlungslösungen. Es ist ermutigend zu sehen, dass einige Versuche auf den guten Willen von vielen Menschen stoßen, die von mehreren Seiten her sich aktiv und faktisch für den Frieden einsetzen. Ich denke dabei an die Bemühungen für eine Annäherung zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten in den letzten zwei Jahren. Ich denke ebenso an den beharrlichen Einsatz, wenn auch unter Schwierigkeiten, zur Beendigung des Konflikts in Kolumbien.

Dieser Ansatz will das gegenseitige Vertrauen fördern, Wege des Dialogs unterstützen und unterstreichen, dass mutige Gesten notwendig sind. Diese sind auch im benachbarten Venezuela äußerst dringlich, wo die Folgen der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Krise seit geraumer Zeit auf der Zivilbevölkerung lasten; oder auch in anderen Teilen der Erde, angefangen beim Nahen Osten, um nicht nur dem Syrienkonflikt ein Ende zu setzen, sondern auch eine volle Versöhnung der Gesellschaft im Irak und in Jemen zu fördern. Der Heilige Stuhl bekräftigt ferner seinen eindringlichen Aufruf, dass zwischen Israelis und Palästinensern der Dialog wieder aufgenommen wird, damit man zu einer stabilen und dauerhaften Lösung gelangt, welche die friedliche Koexistenz zweier Staaten innerhalb international anerkannter Grenzen gewährleistet. Kein Konflikt darf je zur Gewohnheit werden, von der man scheinbar quasi nicht loskommen kann. Israelis und Palästinenser brauchen Frieden. Der ganze Nahe Osten braucht dringend Frieden!

Gleichfalls erhoffe ich, dass die Abkommen zur Wiederherstellung des Friedens in Libyen, wo es höchst dringlich ist, die Spaltungen dieser Jahre zu überwinden, vollständig umgesetzt werden. Ebenso unterstütze ich alle Anstrengungen auf lokaler und internationaler Ebene, um das zivile Zusammenleben im Sudan und im Südsudan sowie in der Zentralafrikanischen Republik, die von anhaltenden bewaffneten Auseinandersetzungen, Massakern und Verwüstungen geplagt werden, wie auch in anderen Nationen des Kontinents, in denen politische und soziale Instabilität herrscht, wiederzustellen. Insbesondere bringe ich meine Hoffnung zum Ausdruck, dass das kürzlich unterzeichnete Abkommen in der Demokratischen Republik Kongo dazu beiträgt, dass die Verantwortungsträger in der Politik sich voll Eifer dafür einsetzen, die Versöhnung und den Dialog zwischen allen Teilen der Zivilgesellschaft zu fördern. Ferner denke ich an Myanmar, damit ein friedliches Miteinander gefördert wird und man mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft denen Unterstützung zukommen lässt, die sie sehr dringend brauchen.

Auch in Europa, wo es ebenso Spannungen gibt, ist die Bereitschaft zum Dialog der einzige Weg, um die Sicherheit und die Entwicklung des Kontinents zu gewährleisten. Gerne begrüße ich daher die Initiativen zur Förderung des Einigungsprozesses von Zypern, das gerade heute eine Wiederaufnahme der Verhandlungen erfährt. Ich hoffe hingegen, dass man in der Ukraine die Suche nach gangbaren Lösungen entschlossen weiterführt, damit die von den Parteien übernommenen Verpflichtungen vollständig realisiert werden und damit vor allem rasch auf die weiterhin schwierige humanitäre Lage geantwortet wird.

Ganz Europa erlebt gerade einen entscheidenden Moment seiner Geschichte, in dem es gerufen ist, seine Identität wiederzufinden. Dies erfordert, die eigenen Wurzeln wieder zu entdecken, um die eigene Zukunft gestalten zu können. Angesicht der spalterischen Kräfte ist es höchst dringlich, die „Idee Europa“ zu aktualisieren, um einen neuen Humanismus zur Welt zu bringen, der auf der Fähigkeit zur Integration und zum Dialog und der Fähigkeit, etwas hervorzubringen, gegründet ist,[17] die den sogenannten Alten Kontinent groß gemacht haben. Der europäische Einigungsprozess, der nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen hat, war und ist weiterhin eine einzigartige Gelegenheit zu Stabilität, Friede und Solidarität zwischen den Völkern. An dieser Stelle kann ich nur das Interesse und die Sorge des Heiligen Stuhls für Europa und seine Zukunft bekräftigten. Denn es ist uns bewusst, dass die Werte, in denen dieses Projekt – in diesem Jahr wird sein sechzigster Jahrestag begangen – seinen Ursprung hat und auf denen es beruht, dem ganzen Kontinent gemeinsam sind und die Grenzen der Europäischen Union selbst übersteigen.

Exzellenzen, meine Damen und Herren, den Frieden aufzubauen bedeutet jedoch auch, sich aktiv für die Sorge um die Schöpfung einzusetzen. Das kürzlich in Kraft getretene Klimaabkommen von Paris ist ein wichtiges Zeichen der gemeinsamen Verpflichtung, den nachfolgenden Generationen eine schöne und zum Leben geeignete Welt zu hinterlassen. Ich hoffe, dass die in jüngster Zeit unternommenen Anstrengungen, den Klimaänderungen entgegenzutreten, auf eine immer breitere Zusammenarbeit aller stoßen, weil die Erde unser gemeinsames Haus ist und man bedenken muss, dass die Entscheidungen eines jeden Auswirkungen auf das Leben aller haben.

Dennoch ist es ebenso offensichtlich, dass es Phänomene gibt, welche die Möglichkeiten des menschlichen Handelns übersteigen. Ich beziehe mich auf die zahlreichen Erdbeben, die einige Gegenden der Erde getroffen haben. Ich denke vor allem an die Erdbeben in Ecuador, Italien und Indonesien, die unzählige Opfer verursacht haben. Viele Menschen leben nach wie vor unter sehr prekären Bedingungen. Ich konnte selbst einige der von Erdbeben getroffenen Gebiete in Mittelitalien besuchen. Dort stellte ich fest, welche Wunden die Erdstöße einem an Kunst und Kultur reichen Land zugefügt haben, und konnte das Leid vieler Menschen teilen wie auch deren Mut und Entschlossenheit, was zerstört wurde, wieder aufzubauen. Ich hoffe, dass die Solidarität, die das geschätzte italienische Volk in den auf das Erdbeben folgenden Stunden vereint hat, weiter die ganze Nation beseelt, besonders in dieser schwierigen Situation ihrer Geschichte. Der Heilige Stuhl und Italien sind durch offensichtliche historische, kulturelle und geographische Gründe besonders verbunden. Dieses Band war im Jubiläumsjahr der Barmherzigkeit augenscheinlich, und ich danke allen italienischen Behörden und Einrichtungen für die Hilfe bei der Organisation dieses Ereignisses, auch im Hinblick auf die Sicherheit der Pilger aus allen Teilen der Welt.

Liebe Botschafter, der Friede ist eine Gabe, eine Herausforderung und ein Auftrag. Eine Gabe, weil er vom Herzen Gottes selbst kommt; eine Herausforderung, weil er ein nie selbstverständliches Gut ist und immer wieder errungen werden muss; ein Auftrag, weil er die leidenschaftliche Arbeit aller Menschen guten Willens erfordert, ihn zu suchen und aufzubauen. Es gibt daher keinen echten Frieden, wenn nicht im Ausgang von einer Sicht des Menschen, die seine ganzheitliche Entwicklung zu fördern weiß und seine transzendente Würde berücksichtigt, da »Entwicklung gleichbedeutend ist mit Frieden«,[18] wie der selige Paul VI. in Erinnerung rief. Dies ist also mein Wunsch für das soeben begonnene Jahr: Mögen unter unseren Ländern und ihren Völkern die Gelegenheiten, zusammenzuarbeiten und echten Frieden aufzubauen, zunehmen. Seinerseits wird der Heilige Stuhl, insbesondere das Staatssekretariat, stets bereit sein, mit allen zusammenzuarbeiten, die sich dafür einsetzen, den bestehenden Konflikten ein Ende zu setzen und den leidenden Bevölkerungen Hilfe und Hoffnung zu geben.

In der Liturgie sprechen wir den Gruß: »Der Friede sei mit euch.« Mit diesem Ausdruck, dem Unterpfand reichen göttlichen Segens, erneuere ich einem jeden von Ihnen, verehrte Mitglieder des Diplomatischen Korps, Ihren Familien und den Ländern, die Sie vertreten, meine herzlichsten Wünsche für dieses neue Jahr.

Vielen Dank.

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[1] BENEDIKT XV., Brief an die Staatsoberhäupter der kriegführenden Völker, 1. August 1917: AAS IX (1917), 423.

[2] PAUL VI., Botschaft zur Feier des 1. Weltfriedenstages (1. Januar 1968).

[3] ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL, Pastoralkonstitution Gaudium et spes (7. Dezember 1965), 78. 4 Ebd.

[4] Ebd. 6 Ebd.

[5] Ansprache zum Weltgebetstag für den Frieden (Assisi, 20. September 2016).

[6] Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 78.

[7] ebd.

[8] Ebd., 83.

[9] Vgl. Ps 85, 11 und Jes 32, 17.

[10] JOHANNES PAUL II., Botschaft zur Feier des 35. Weltfriedenstages: Kein Friede ohne Gerechtigkeit, keine Gerechtigkeit ohne Vergebung (1. Januar 2002), 3.

[11] Apostolisches Schreiben Misericordia et misera (20. November 2016), 18.

[12] Ebd., 20.

[13] JOHANNES XXIII, Enzyklika Pacem in terris (11. April 1963), 12.

[14] PAUL VI., Enzyklika Populorum progessio (26. März 1967), 83.

[15] Brief an die Bischöfe am Fest der Unschuldigen Kinder (28. Dezember 2016).

[16] JOHANNES XXIII., Pacem in terris, 60.

[17] Ansprache aus Anlass der Verleihung des Internationalen Karlspreises, 6. Mai 2016.

[18] PAUL VI., Populorum progressio, 87.

(CNA Deutsch)

Kardinal Müller kritisiert Brief der vier Kardinäle

Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat das Vorgehen der vier Kardinäle kritisiert, die von Papst Franziskus öffentlich Klarheit über den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen fordern. „Jeder hat das Recht, dem Papst einen Brief zu schreiben, vor allem die Kardinäle der römischen Kirche“, sagte der Präfekt der Glaubenskongregation in einem am Sonntagabend ausgestrahlten Fernsehinterview. „Mich hat aber erstaunt, dass dieser Brief veröffentlicht wurde, denn damit ist der Papst quasi gezwungen, mit ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ zu antworten. Das gefällt mir nicht“, so Kardinal Müller in dem Interview.

Zugleich erteilte Müller Überlegungen einer etwaigen „Korrektur“ des Papstes durch das Kardinalskollegium eine Absage. Kardinal Raymond Leo Burke, einer der Unterzeichner des Briefs, hatte eine „formale Korrektur“ des Papstes ins Spiel gebracht, falls dieser nicht auf den Brief antworte. Dazu Kardinal Müller im Gespräch mit dem italienischen Nachrichtensender TGCOM24.

„Eine ,brüderliche Korrektur‘ des Papstes ist hier unmöglich, weil es nicht um eine Gefahr für den Glauben geht, wie der Heilige Thomas das genannt hat; in einem solchen Fall könnte auch ein Bischof oder ein Papst einige Worte der brüderlichen Korrektion erfahren. Aber von so einem Sachverhalt sind wir hier weit entfernt. Und es ist ein Schaden für die Kirche, diese Dinge öffentlich zu diskutieren.“

Vier Kardinäle, unter ihnen die Deutschen Joachim Meisner und Walter Brandmüller, hatten im November einen Brief an Franziskus öffentlich gemacht. In dem als „dubia“ (Zweifel) bekannt gewordenen Schreiben fordern die vier vom Papst eine klare Aussage darüber, ob wiederverheiratete Geschiedene in Ausnahmefällen zur Kommunion zugelassen werden können. Das päpstliche Schreiben „Amoris laetitia“ zu Ehe und Familie von April 2016 hatte eine Debatte über den Umgang mit Katholiken ausgelöst, die nach einer Scheidung auf dem Standesamt erneut geheiratet haben. Nachdem Franziskus auf ihr Schreiben nicht geantwortet hatte, machten die Kardinäle den Vorgang öffentlich. Einige Stimmen nannten diesen Schritt illoyal, andere begrüßten ihn.

Der Präfekt der Glaubenskongregation sagte weiter, Franziskus habe die kirchliche Lehre über die Ehe durch sein vieldiskutiertes Schreiben nicht verändert.

„Amoris Laetitia ist sehr klar in der Lehre. Wir können die ganze Lehre Jesu und der Kirche zur Ehe der letzten 2000 Jahre interpretieren. Aber das Neue von Papst Franziskus war, die jeweiligen Situationen der Menschen einzeln zu unterscheiden, die in einer nicht regulären Verbindung leben, und ihnen zu helfen, einen Weg der Wiedereingliederung in die Kirche zu finden, graduell, je nach den Bedingungen der Sakramente. Aber ich sehe hier keine Gegenposition. Einerseits haben wir die Doktrin, die Offenbarung über die Ehe, auf der anderen Seite haben wir die Verpflichtung der Kirche, sich auch um diese Menschen in Schwierigkeiten zu sorgen.“

Müller stellte sich damit hinter die auch von Kardinal Walter Kasper geäußerte Ansicht, die Veröffentlichung des Briefes der vier Kardinäle sei fragwürdig und die Lehre von „Amoris Laetitia“ klar.

Franziskus hatte in einer Fußnote von „Amoris laetitia“ geschrieben, wiederverheiratete Geschiedene könnten in bestimmten Fällen „auch den Trost der Sakramente“ erhalten. Eine Erläuterung dazu gab er trotz wiederholter Nachfrage nicht. Allerdings rdigte er ausdrücklich eine großzügig ausgelegte Weisung argentinischer Bischöfe für ihre Priester, wie sie mit wiederverheirateten Geschiedenen verfahren sollen. Auch die Deutsche Bischofskonferenz hat ein gemeinsames Wort zu „Amoris laetitia“ angekündigt. (rv)

Italien: Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene

Radio Vatikan berichet unter Berufung auf „Vatican Insider“:

„Im Bistum Rom können wiederverheiratete Geschiedene in bestimmten Einzelfällen die Kommunion empfangen. Das geht aus Richtlinien von Kardinalvikar Agostino Vallini zur Anwendung des päpstlichen Schreibens „Amoris laetitia“ hervor, aus denen das Internetportal „Vatican Insider“ am Samstag zitierte. Hierbei müssten die Priester übermäßige Strenge ebenso wie Laxheit vermeiden, so Vallini. Katholiken, die nach einer Scheidung erneut standesamtlich geheiratet haben, könnten dies jedoch nicht als Recht einfordern. Franziskus habe in seinem Schreiben keineswegs gesagt, wiederverheiratete Geschiedene müssten die Kommunion bekommen. Er habe nur nicht ausgeschlossen, dass dies in bestimmten Fällen und unter bestimmten Bedingungen möglich sei, betonte der Kardinal.

Die Aussagen Vallinis stammen laut „Vatican Insider“ aus einem Vortrag, den er bereits im September vor Priestern seines Bistums gehalten hatte. Vallini ist der Stellvertreter von Papst Franziskus als Bischof von Rom.“ (rv)

Buchtipp: Campo Santo Teutonico

Wer aus Ländern deutscher Sprache nach Rom kommt und sich, pilgernd oder nicht, dem Vatikan nähert, steuert bei der Gelegenheit gerne auch den Campo Santo Teutonico an. „Deutscher Friedhof“ heißt das übersetzt, und selbst wenn hier auch ein Priesterkolleg und das römische Institut der Görres-Gesellschaft sitzen, so ist doch der Gottesacker der Mittelpunkt dieses Ortes. Der Friedhof der Deutschen im Vatikan ist malerisch, Palmen und Efeu grünen um die Wette, und die Kuppel des Petersdoms ist zum anfassen nahe. Verantwortlich für den Friedhof und die angrenzende Kirche zeichnet die hier ansässige Erzbruderschaft zur Schmerzhaften Muttergottes.

Endlich liegt nun auch ansprechender Bild- und Textband zum Campo Santo Teutonico vor, Untertitel: Eine deutschsprachige Exklave im Vatikan. Die einzelnen Kapitel geben Aufschluss über Lage, Name, Gründung des Campo Santo, der ins 8. Jahrhundert zurückreicht; über die Erzbruderschaft, die Kirche, den Friedhof, das Kolleg und das historische Forschungsinstitut, dem seit kurzem eine Papst-Benedikt-Bibliothek angegliedert ist. Das letzte Kapitel widmet sich dem Campo Santo Teutonico als Ort der Begegnung, denn an diesem deutschen Ort im Vatikan wird natürlich nicht nur zur letzten Ruhe gebettet, sondern rundherum auch viel gelebt, gefeiert und diskutiert.

Die Texte des Bandes stammen zum Großteil von Albrecht Weiland, Leiter des Verlags Schnell&Steiner, der seinerzeit schon die Doktorarbeit dem Campo Santo widmete.

RV: Wenn wir zurückblicken auf die 1.200-jährige Geschichte dieser Institution: was ist aus heutiger Warte das, was Sie am meisten überrascht, was uns am meisten herausfordert an dieser Geschichte?

Weiland: „Der rote Faden, der sich von Anfang an bis heute durch die Geschichte zieht, ist die Sorge für Pilger und Landsleute: Sie in Rom zu begleiten, ihnen zu helfen, wenn sie krank werden, und ihnen ein ordentliches Begräbnis zu verschaffen, wenn sie sterben. Dieser Faden geht durch die ganze Zeit seit der Gründung unter Karl dem Großen bis zur heutigen Zeit.“

RV: „Wobei das Ganze heute andere Formen angenommen hat als in früheren Jahrhunderten – da gab es immer Epochen, einzelne Schübe, wie muss man sich das vorstellen etwa zur Zeit der Gründung? Aus welcher Notwendigkeit heraus entstand das, was hier heute ist?

Weiland: „Der Campo Santo Teutonico wie er sich heute darstellt, seine Geschichte, auf die Zeit des 80. Jahrhunderts zurückführen kann, sehe ich im Kontext der Pilgerfahrten, die man zum Grab des Heiligen Petrus machte aus dem ganzen Reich. Und es ist ja klar, wenn ich mich in die Fremde begebe, ist es immer eine Hilfe, wenn ich dort Landsleute treffe, die meine Sprache sprechen, an die ich mich vertrauensvoll wenden kann, die mich auch unterstützen können. Deshalb haben sich unterschiedliche Landsmannschaften, Vertreter unterschiedlicher Regionen Europas, um Sankt Peter herum angesiedelt, um dort ihre Landsleute zu betreuen, wenn sie nach Rom zur Pilgerschaft kamen.“

RV: Wann war die größte Zeit für den Campo Santo im Lauf seiner Geschichte?

Weiland: „Eine schwierige Frage. Der Campo Santo hat viele Höhepunkte erlebt. Eine Blütezeit war sicher die Gründung der Bruderschaft, wo mit großem Elan man daran ging, die Institution zu festigen, sich sofort eine große Kirche zu gönnen für den Gottesdienst, da hat man keine Mittel gescheut, auch wenn es dann stockte, man hat versucht, aus der Heimat Gelder zu bekommen, was man auch erreichte, und hat dann diesen Ort gestaltet. Man hat ein großes Gemeinschaftsbewusstsein gepflegt, sich gegenseitig gestützt, man hat dann wenn es zum Ende des Lebens zuging, dieser Institution Vermögen vermacht, um sie zu stärken, und mit diesem Vermögen konnte die Bruderschaft wieder Gutes tun, sowohl im Sozial-Karitativen wie auch im Religiös-Baulichen, da wurden Altarstiftungen gemacht, Reliquiare gestiftet, es wurde Kunst gestiftet – es war eine gegenseitige Angelegenheit.

RV: Welche Neuerungen waren im Lauf der Jahrhunderte zu beobachten?

Weiland: „Die Bruderschaft hat sich immer wieder zu religiösen Neuerungen bereit gefunden. Zum Beispiel die Kreuzwegandachten: Die Bruderschaft ist wahrscheinlich eine der ersten gewesen, die in Rom einen monumentalen Kreuzweg errichtet hat, der zweite monumentale, mit Edikola gebaut Kreuzweg nach dem Kolosseum. Und Sie dürfen nicht vergessen, damals hat man auch im Kolosseum den Ort gesehen von Christenverfolgung, mit Christenblut, und ich vermute, dass in diesem Kontext, wo wir heute den richtigen und gesicherten Nachweis haben, dass hier (am Circus des Nero, auf dessen Grund der Campo Santo steht, Anm.) Christen den Märtyrertod erlitten haben, dass in diesem Kontext das Bestreben war, in diesem Kontext einen ebenso großen schönen und prächtigen Kreuzweg zu errichten.“

RV: Die Bruderschaft hatte seit ihrer Gründung von Anfang an auch Frauen in ihren Reihen, war das denn im 15. Jahrhundert etwas Besonderes, dass auch Frauen dabei waren?

Weiland: „Das kann ich nicht sagen, weil ich die anderen römischen Bruderschaften nicht kenne, ich kann mir aber vorstellen, dass das schon etwas Besonderes gewesen ist, vor allen Dingen, weil die Bruderschaft immer Wert darauf gelegt hat, eine Laienbruderschaft zu sein. Zwar hat sie bis in die höchsten Reihen hinein Kardinäle und andere hohe Geistliche als Mitglieder gehabt, aber das Heft in der Hand hatte die Laiengemeinschaft. Und da haben die Frauen zwar auch eine Rolle gespielt, aber nicht die, die sie heute ist. Man kann ja nicht die Zeit, die Epochen ungeschehen machen. Aber sie waren von Anfang an dabei, und das war schon bemerkenswert. Und dass die Bruderschaft sich so entwickelt hat, dass wir heute in den Statuten überhaupt keinen Unterschied machen, ob ein Vorstandsmitglied Mann oder Frau ist, das halte ich für eine wichtige Leistung, eine Entwicklung, die folgerichtig ist, die aber die Bruderschaft aus voller Überzeugung trägt.“

Der Campo Santo Teutonico, Eine deutschsprachige Exklave im Vatikan. Schnell&Steiner / Kunstverlag Josef Fink. Das Buch kostet etwa 25 Euro. (rv)