Exklusiv: „Papst Benedikt ist ein Kirchenlehrer“

Das Vorwort von Erzbischof Georg Gänswein zum Buch „Über den Wolken mit Benedikt XVI.“, herausgegeben von Angela Ambrogetti.

VATIKANSTADT – Am Ostersonntag 2017 feiert Papst emeritus Benedikt seinen 90. Geburtstag. Rechtzeitig dazu kommt nun, am kommenden Montag, eines der bemerkenswertesten Bücher über die Person und sein Pontifikat heraus: „Über den Wolken mit Benedikt XVI.“

Tatsächlich ist es eine Lektüre nicht nur „wie im Flug“, sondern buchstäblich die Möglichkeit, noch einmal mit Benedikt auf seinen Stationen durch die Weltkirche zu reisen – und dabei jene zu hören, die sein Pontifikat aus nächster Nähe begleiteten.

Herausgeberin ist die bekannte Vatikanistin und Chefredakteurin der italienischen Ausgabe von CNA, Angela Ambrogetti.

Das Buch erschien zuerst 2013 in italienischer Sprache. Doch mit Blick auf den 90. Geburtstag des Theologenpapstes aus Bayern und die aktuelle Situation der Weltkirche, gewinnt die deutsche Übersetzung  noch einmal aufregend neu an Aktualität.

Ganz zu schweigen vom Vorwort, das Erzbischof Georg Gänswein geschrieben hat, und das CNA Deutsch hier exklusiv vorab publiziert.

VORWORT

von Erzbischof Georg Gänswein

Privatsekretär von Papst em. Benedikt XVI.

Präfekt des Päpstlichen Hauses

Papst Benedikt XVI. ist ein Kirchenlehrer. Und mein Lehrer ist er bis heute geblieben. Lehren war immer seine Leidenschaft. Wie der heilige Paulus in Athen hat aber auch dieser Völkerapostel niemals die Agora gescheut und die freimütige Verteidigung der Wahrheit auf dem Markt der Meinungen. Die Liebe zu dieser Berufung lässt sich auch aus vielen seiner oft prophetischen Antworten herauslesen, die er „über den Wolken“ den Journalisten gab, die ihn stets kritisch begleiteten.

Auch in schwersten Zeiten bewahrte er sich die Heiterkeit seines Herzens wie in jenen Momenten, wenn er auf dem Petersplatz die Fragen von Kindern beantwortete, natürlich ohne Manuskript oder Notizen, immer völlig frei. So war es auch hier. Und so schwierig konnten die Fragen der kritischsten Medienvertreter nie sein, dass er sie nicht immer ebenso präzise wie furchtlos und druckreif beantwortete, wie diese Sammlung dokumentiert. Ja, der Papst aus Bayern hat das intellektuelle Abenteuer eines freien Austauschs mit der säkularen Welt nicht gescheut. Als diese Gespräche nach seinem Amtsverzicht im Jahr 2013 zuerst auf Italienisch erschienen sind, schrieb ich noch, sie seien ein Verständnis-Schlüssel zur oft unterschätzten Menschlichkeit des Heiligen Vaters und zu dem, was er auf seinen verschiedenen Reisen in verschiedene Länder auf seine sehr persönliche Weise gesagt habe.

Das stimmt auch jetzt noch.

Heute sehe ich in dieser Dokumentation aber auch noch einmal, wie schwer ihm im Jahr 2012 die Entscheidung zu seinem Rücktritt und zum Abschied von dieser Welt des großen Dialogs gefallen sein muss, als ihn die Kräfte verließen und ihm nicht in weiteren Gesprächen mit Vertretern internationaler Medien, sondern im intensiven Zwiegespräch mit dem Herrn selbst bewusst wurde, dass die Zeit näher rückte, in einem letzten großen und souveränen Akt Platz zu machen für einen Nachfolger. Das war ihm wahrlich nicht leicht gefallen. Doch er wusste: Die universale Weltkirche lässt sich heute nicht mehr aus der Zurückgezogenheit der päpstlichen Gemächer leiten. Die Kirche braucht nicht nur das prophetische Wort, sondern auch das offene Gespräch wie die Luft zum Atmen. Päpste müssen daher auch reisen wie die Apostelfürsten Petrus und Paulus. Und die Herde der Christen braucht einen Oberhirten, der unermüdlich darauf schaut, dass sie sich nicht zerstreut. Aber – und auch das dokumentiert diese Chronik öffentlicher Begegnungen Benedikts XVI. mit den Medien wunderbar – das oberste Hirtenamt war für ihn bis dahin nicht nur schwere Last, sondern auch Erfüllung und Seelenfreude, auf alle Herausforderungen auf der Höhe der Zeit und freimütig im Licht der Menschwerdung Gottes zu antworten.

Von diesem Licht leuchtet dieses Feuerwerk fröhlicher Frömmigkeit heute vielleicht noch mehr als im Schock und Staunen des Jahres 2013, als Angela Ambrogetti die Gespräche der Reisen des Papa emeritus für dieses Buch zusammen stellte. Mich erfreut deshalb auch sehr der neue Titel, den der Verlag dieser Sammlung nun im Deutschen gegeben hat, weil er in der deutschsprachigen Welt ja unwillkürlich auch die Melodie eines populäres Liedes in Erinnerung ruft, wie ich mir von dem Verleger habe sagen lassen, wo es heißt: „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.“ An den Papst wird der Liedermacher Reinhard Mey dabei gewiss nicht gedacht haben. Und dennoch, von der Leichtigkeit genau dieser genuin katholischen und grenzenlosen Freiheit wird dieses Buch noch in vielen Jahren atmen und in unverbrauchter Frische von dem unvergessenen Pontifikat Benedikts XVI. erzählen – in jener Klarheit des Lichts, wie sie hier auf Erden vielleicht nur in 10.000 Metern Höhe über dem Meeresspiegel zu finden ist.

Offiziell erscheint es am kommenden Montag im Fe Medienverlag. (CNA Deutsch)

Papst stärkt Rat für Neuevangelisierung

Franziskus hat die Kompetenzen des Päpstlichen Rats für Neuevangelisierung erweitert. Künftig ist die von Erzbischof Rino Fisichella geleitete Einrichtung auch für Wallfahrtsorte zuständig. Die bisher bei der Kleruskongregation liegende Zuständigkeit wurde vom Papst auf den Neuevangelisierungs-Rat übertragen. In einem „Motu Proprio“ mit dem Datum 11. Februar, das an diesem Samstag veröffentlicht wurde, begründet Franziskus seine Entscheidung. Trotz der derzeitigen „Glaubenskrise“ übten Wallfahrtsorte eine ungebrochene Anziehungskraft aus. Er wolle „die Seelsorge an den Wallfahrtsorten fördern“.

Der Rat für die Neuevangelisierung wurde von Papst Benedikt XVI. eingerichtet. Er war federführend bei der Organisation des von Franziskus ausgerufenen Heiligen Jahres der Barmherzigkeit, das im letzten Herbst zu Ende ging. (rv)

Kardinal Turkson: Würde ist Indikator für Entwicklung

Kirche und Entwicklung: Das reimt sich. Jedenfalls ist der aus Ghana stammende Kardinal Peter Turkson fest davon überzeugt. „Die Rolle der Kirche bei der Förderung von Entwicklung ist sehr stark! Nicht nur im Süden der Welt, sondern so ziemlich überall…“. Turkson leitet die neue Vatikan-Einrichtung für ganzheitliche Entwicklung des Menschen. Am Montag und Dienstag ist er Gastgeber eines Kongresses zu fünfzig Jahren „Populorum progressio“, die Sozialenzyklika von Papst Paul VI., von der sich der Kardinal für den Aufbau seines Friedens-, Umwelts- und Gerechtigkeits-Ministeriums leiten lassen will.

„Eigentlich ist das Fördern von Entwicklung so etwas wie die Natur der Kirche“, sagt Turkson: „Von Anfang an war ja klar, dass man Menschen nicht evangelisieren kann, wenn man sich nicht auch um ihr Wohlergehen kümmert. Bei den ersten Christen wurde gepredigt, aber dann hat man auch das Brot miteinander geteilt und sich vergewissert, ob es Arme in ihren Reihen gab. So ist das in der Kirche auch heute noch. Das Evangelium verkünden – aber gleichzeitig den Menschen fördern. Damit er zumindest das Minimum hat, das ihm seine Würde garantiert.“

„Bruttoinlandsprodukt darf nicht einziger Indikator für Entwicklung sein“

Eigentlich ist das neue Dikasterium, das Papst Franziskus ins Leben gerufen hat, damit irgendwie zuständig fürs große Ganze – worauf will sich der Kardinal denn konzentrieren? „Zuallererst auf den Sinn des Fortschritts, den Sinn der Entwicklung. Das ist das Erste. Wenn Entwicklung nicht bei allem, was in die Wege geleitet wird, jedes mal mitgedacht wird, und wenn dabei nicht auch die Stimme der Religion berücksichtigt wird, dann führt das zu Gewalt – dann ist ganzheitliche Entwicklung der Menschen nicht möglich,“ so der Kardinal, um dann hinzu zu fügen: „Wir glauben wirklich, dass wir in dieser Debatte über die Entwicklung der Menschen einen Beitrag zu leisten haben. Es geht darum, die Menschen nicht auf Objekte zu reduzieren, an denen man eine Entwicklung vollführen muss – nein, sie sind Subjekte, sie müssen selbst die Akteure ihrer eigenen Entwicklung sein! Nur diese Sicht entspricht der Natur des Menschen, den Gott nach seinem Bild geschaffen hat.“

Akteure der eigenen Entwicklung

In diesen Kontext gehört das Bemühen von Papst Franziskus, dafür zu sorgen, dass sich Volksbewegungen und lokale Initiativen immer mehr zusammenschließen. Auf Veranlassung des Papstes haben schon mehrere Kongresse von Basisgruppen stattgefunden, um sie stärker untereinander zu vernetzen. Aber natürlich kann der Vatikan nicht einfach die obere Ebene überspringen, er muss auch mit den großen Playern reden, mit der UNO zum Beispiel.

„Innerhalb der UNO gibt es das UNDP, das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen“, weist Turkson hin. „Hier hat eine Debatte über menschliche Entwicklung begonnen, und hier wurden verschiedene Kriterien für Entwicklung erarbeitet, zum Beispiel Zugang zu Schule und Bildung – damit nicht mehr das Bruttoinlandsprodukt der einzige Indikator für Entwicklung ist! Und dieses Erarbeiten von Kriterien war hervorragend. Man hat endlich mal nicht nur wirtschaftliche, sondern auch den menschlichen Faktor berücksichtigt, und daher rührt im UNO-Rahmen dieser Ausdruck „menschliche Entwicklung“.“

Das hört sich vielleicht noch etwas unkonkret an – gibt auch Kardinal Turkson zu. Aber er arbeitet daran, um das alles ganz konkret zu machen, sagt er. „Wenn man versucht, mehr ins Detail zu gehen und zu fragen, worin besteht denn menschliche Entwicklung, dann hört man als Antwort immer nur: Wahlfreiheit. Dass Leute sich Verschiedenes aussuchen können. Und hier finden wir, dass die Dinge nicht wirklich ins Ziel treffen. Es geht um Würde! Um die Würde des Einzelnen, die Würde der Menschen. Das müsste ein großer Indikator sein, wenn man darauf schaut, was für menschliche Entwicklung sorgt und was sie behindert.“ (rv)