Eine Stimme des Gewissens bei der UN: Der Heilige Stuhl kämpft für Waffen-Verbot

Im Völkerbundpalast in Genf fand das diesjährige Treffen der Vertragsparteien der UN-Waffenkonvention statt, des Abkommens über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, kurz CCW. Das CCW umfasst Themen wie Landminen, blendende Laserwaffen und die Entschärfung von explosiven Kriegsrelikten.

Auch der Apostolische Nuntius, Erzbischof Ivan Jurkovič, Ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf, ergriff das Wort und mahnte, dass angesichts der zahlreichen Opfer von Konflikten man sich nicht Untätigkeit oder Kompromisse leisten könne.

„Die Waffenkonvention muss in angemessener Weise das Wesen moderner bewaffneter Konflikte und die damit verbundenen körperlichen, moralischen und seelischen Leiden berücksichtigen.“

Ich hatte die Gelegenheit, mit dem Nuntius über seine Rede und das Thema zu sprechen. Meine erste Frage war was seelisches Leid sei.

„Wie Sie wissen“, so Erzbischof Jurkovic, „hatten wir es in der Vergangenheit mit Konflikten zu tun, die von Staaten ausgetragen wurden, die Akteure bei Konflikten waren Staaten. Gegenwärtig sind es keine Staaten, sondern fundamentalistische Gruppierungen, Gruppen von Menschen mit sehr radikalen Ideen und sehr wenig Respekt vor dem Menschen, wie Terrorgruppen. Ich würde sagen, auch Leute, die aus nichts einen Staat machen wollen. Normalerweise sind diese Leute sehr empfindlich und Religion ist für sie sehr relevant. Das bedeutet, dass für sie heute vor allem wichtig ist, welcher Religion man angehört. Und in jüngster Zeit spüren wir an manchen Orten – der Heilige Stuhl und viele andere Staaten waren auf diesem Gebiet sehr aktiv – ein Klima, das Christen in besonderer Weise zur Zielscheibe macht. Wenn von moralischem und seelischem Leid die Rede ist, beziehen wir uns nicht nur auf die katholische Kirche oder die Christen, wir wollen auch für andere religiöse Gruppen sprechen, die wahrscheinlich weniger geschützt sind als die katholische Kirche, die gut etabliert ist, und deshalb noch rücksichtsloserem und grausamerem Druck ausgesetzt sind. Also ‚Seelisches Leid‘ denke ich ist, wenn man gezwungen wird, seine religiöse Zugehörigkeit zu ändern.“

In seiner Rede vor der UN Konferenz nannte es der Nuntius eine Illusion, über einen „sauberen Krieg“ zu sprechen. Denn der stünde in krassem Wiederspruch zur Realität der dramatischen, humanitären Langzeitfolgen des Einsatzes von Sprengkörpern in bevölkerten Gebieten.

Ich fragte ihn ob es irgendeine Art Krieg gäbe, die „human“, „zivilisiert“ oder menschenwürdig“ sei.

„Wir sprechen hier davon, dass es so etwas wie einen ’sauberen Krieg‘ nicht gibt. Das heißt, Krieg ist immer eine schmutzige Sache, Krieg ist immer eine schwere Niederlage der Menschlichkeit. Wofür wir und die internationalen Organisationen eintreten – nicht so sehr der Heilige Stuhl und die katholische Kirche, aber die internationale Gemeinschaft, ist dass das Verhalten der Agierenden im Konflikt, der am Konflikt beteiligten Staaten, von internationalem humanitären Recht geregelt werden muss. Sich an Internationales humanitäres Recht zu halten, ist besser, als sich nicht daran zu halten. Und nicht nur das: es bedeutet natürlich auch, dass brutale Maßnahmen bei gewaltsamen Auseinandersetzungen so weit wie möglich (irgendwie) dem humanitären Recht unterstellt sein müssen. Der Heilige Stuhl ist der Ansicht, dass ein Abkommen, auch wenn es Mängel hat, besser ist als gar kein Abkommen. Deshalb stehen wir fest hinter dem Wortlaut des internationalen humanitären Rechts.“

Der Heilige Stuhl bezof sich auch auf den wiederholten Einsatz von Brandwaffen, also Waffen auf der Basis von Chemikalien wie Napalm, Thermit, Magnesiumpulver oder weißen Phosphor. „In diesem Zusammenhang möchte der Heilige Stuhl erneut wiederholen, dass neben der Tatsache, dass der Einsatz jeglicher Waffen gemäß den Regularien des Internationalen humanitären Rechts erfolgen muss, der Einsatz von Brandwaffen einschließlich der vielen Auswirkungen, die sie auf Menschen haben, reguliert oder verboten werden sollte, ungeachtet des Zwecks, für den die Waffen ursprünglich hergestellt wurden“, so Erzbischof Jurkovič in seiner Rede.

Daher auch meine Frage an ihn: „Warum hier ein Entweder/Oder? Warum kein knallhartes Verbot?“

„An solchen Treffen wie diesem teilzunehmen bedeutet für den Heiligen Stuhl immer, Kompromisse einzugehen, „antwortete er,“ das bringt uns in eine Art Zwickmühle. Natürlich ist der Papst ganz klar dagegen, wissen Sie, dagegen. Uns ist klar, dass man hier etwas machen kann. Den anderen allerdings nicht…Das bedeutet also: Kompromisse eingehen, sich anzupassen ist besser als nichts. Und genau das tun wir. Die Kirche muss in erster Linie an die Menschen denken – wenn man Bilder von weinenden Kindern sieht und von Müttern, die umherlaufen und ich weiß nicht was noch alles…das sind die Anliegen der Kirche. Und unsere Teilnahme – wie sage ich das – ist eine Ermutigung für alle, sich in die richtige Richtung zu bewegen. Hoffentlich kann die Menschheit dieses Ziel erreichen.“

„Wissen Sie,“ meinte ich daraufhin, „manchmal scheint es, als ob sich seit der Steinzeit nichts geändert hätte – außer den Waffen und so weiter. Denn im Krieg denken die Menschen scheinbar nicht mehr an Regeln und Bestimmungen, wissen Sie, Regeln und Bestimmungen und Kämpfen passt einfach nicht zusammen – oder?“

Der Erzbischof stimmte mir zu: „Genau das ist eine so traurige Seite der Menschheitsgeschichte! Aber man kann sagen, wenn man es global betrachtet, wenn man das Geschichtsbuch des 21. Jahrhunderts liest, dann denke ich, man ist um die Würde des Menschen mehr besorgt als früher. Und wenigstens verteidigt niemand die Position, man habe ein Recht darauf, ohne Angabe (eines Grundes) oder ohne Begründung zu töten. Das bedeutet also, wir müssen uns auch über kleine Fortschritte freuen. Und der Papst steht weiterhin fest dahinter, dass wir an UN Konferenzen wie diesen hier teilnehmen und uns für die Armen einsetzen und für die, die schutzlos sind. Wir sind fest entschlossen, alles in unserer Macht stehende zu tun, um das Leid derer zu lindern, die schutzlos sind.“

Meine nächste Frage richtete sich auf die Entwicklung hin zur elektronischen Person oder dem rechtlichen Status einer elektronischen Person (im militärischen Zusammenhang).“Können ‚Killerroboter‘ gestoppt oder verboten werden kann?

„Wir haben vor Kurzem an der Diskussion über tödliche, autonome Waffensysteme teilgenommen,“ sagt Erzbischof Jurkovic, „weil der Heilige Stuhl in ihnen eine große Gefahr sieht. Also es gäbe Krieg, Menschen würden getötet und am Ende wäre niemand wirklich verantwortlich? Wenn man aber doch einen Verantwortlichen braucht, würden wir vielleicht einen verantwortlichen Roboter oder eine autonome Waffe finden, die falsch gehandelt hast. Es wäre sicherlich tragisch, wenn jemand zu diesem Schluss käme. Wir sehen das natürlich aus dem menschlichen Blickwinkel, oder sagen wir aus dem religiösen: die Verantwortung liegt nur beim Menschen. Selbst kollektive Verantwortung ist ein Problem, oder? Wie kann man kollektiv verantwortlich werden, wenn (nur) einer sich falsch verhält? (Das bedeutet, dass Tausende von Menschen rechtmäßiger Weise darunter leiden müssten, ethische und moralische Verantwortung für einen Staatspräsidenten oder Verantwortungsträger zu übernehmen.?). Es scheint also, dass wir ein Problem damit haben, diese Begriffe richtig zu gebrauchen und die Menschen so in die Irre führen. Wichtig ist natürlich, dass uns das betroffen macht. Auf diesem Weg sollten wir nicht weitergehen. Wir müssen das beenden. Für gewöhnlich lernen wir aus großen Tragödien – hier hoffen wir jetzt, dass wir einer großen Tragödie zuvorkommen. Das, was wir tun, könnte helfen, eine zukünftige Tragödie zu verhindern, die an der Tür der Geschichte fast schon anklopft. Das bedeutet auch, dass unsere Teilnahme auch eine Frühwarnung sein soll, um eine bestimmte, für den Menschen und die Gesellschaft extrem negative, Entwicklung zu verhindern.“

„Und wir sollten nicht vergessen, ‚meinte ich, „dass letzten Endes auch jemand diese Waffen hergestellt und programmiert hat, es also durchaus Verantwortliche gibt. Aber es ist schwierig, das Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen, usw. Aber: Menschen haben das gemacht, sie sind von Menschen geschaffen!“

Dazu Erzbischof Ivan Jurkovič: „Natürlich, das ist völlig richtig. Beim Geschäft mit Waffen (und Krieg) wird extrem viel geheuchelt. Das ist ein Riesengeschäft und der Heilige Vater spricht sich auch immer wieder gegen Waffenhandel aus. Waffenhandel ist der größte Gewerbezweig, größer als Erziehung, größer als soziale Sicherheit, größer als alle anderen. Und immer noch sprechen wir nicht gern darüber, aber wir müssen reden, wir müssen uns dagegen positionieren (dagegen sein) und einen frühen Warnruf abgeben. Wir müssen mutig sein und natürlich voller Hoffnung (oder natürlich hoffentlich so.) Es werden sich Auswirkungen zeigen, vielleicht begrenzt, über die Zeit verteilt, aber wir hoffen natürlich, dass sie zum Nutzen der Menschheit sein werden, ja.“

Ich sagte, dass ich glaube, dass es für ihn als Priester, als katholischer Priester, eine Herausforderung sei, in Konferenzen zu sitzen, wo man hauptsächlich über Krieg redet, darüber, ob man besser auf diese oder jene Art Krieg führt, „Aber mit Ihrer Anwesenheit versuchen Sie ja doch, dort wo es möglich ist, das Leid zu minimieren.“

Erzbischof Jurkovic: „Und wir müssen auch grundsätzlich dahinterstehen, nicht nach „Schema F“ zu arbeiten. Wir sprechen nicht so wie die anderen. Die Ansprachen der anderen sind pragmatisch ausgerichtet, auf Ergebnisse – wir sprechen über das Verhalten, das dem Gewissen der Menschheit Rechnung trägt, dem menschlichen Gewissen, das das religiöse Gewissen ist. Sensibel sein und Eintreten für die, die keine Stimme haben, für die Armen die letztendlich das meiste Leid trifft. Für die Menschen, die unschuldigen Opfer, und für Kinder, die nicht beschützt werden. Reiche Menschen und die, die beschützt werden, können fliehen, aber die Armen bleiben und leiden.“

Ich dankte für das Interview und das wir froh seien, „dass Sie hier sind und diesen – wie Sie es nennen – Warnruf abgeben, damit die Dinge sich hoffentlich ändern.“

Nuntius Jurkovič und seine Delegation hoffen, dass man im nächsten Jahr wesentlich damit vorankommt, gemeinsame ethische Rechtsstrukturen zu schaffen – basierend auf der Würde des Menschen.

Dieser Beitrag wurde von U.N.-Korrespondent Christian Peschken in Genf verfasst. Das Thema wird auch bei EWTN – Katholisches Fernsehen zu sehen sein im Rahmen des Magazins ‚Vatikano‘. Weitere Informationen zu Christian Peschken unter www.peschken.media. (CNA Deutsch)

Ökumene: Die großen Fragen der Jugendlichen heute

 

Wenn es einen christlichen Pilgerort für Jugendliche in Europa gibt, dann ist das Taizé. Die dort ansässige ökumenische Mönchsgemeinschaft, die Frère Roger Schutz 1940 gegründet hatte, übt ungebrochene Faszination auf christliche und suchende junge Menschen aus, und die Treffen zum Jahreswechsel – diesmal in Basel – sind ähnlich wie die Weltjugendtage Fixpunkte der Gottessuche junger Menschen. Gudrun Sailer sprach mit Frère Alois Löser, dem aus Deutschland stammenden Prior der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé.

RV: Frère Alois, was treibt Jugendliche heute um, was fasziniert sie an Jesus – oder was nicht?

Frère Alois: In Taizé haben wir den Eindruck, dass Jugendliche vor allem danach suchen, was ihrem Leben einen Sinn gibt: Wofür lohnt es, sich einzusetzen? Wie kann ich mein Leben (selbst)in die Hand nehmen? Da kann der Glaube Jugendlichen ganz neue Antworten geben.

RV: Sie waren selber 20, als Sie zum ersten Mal nach Taizé gekommen sind, 1974, und Sie sind geblieben. Sie haben Generationen von Jugendlichen begleitet. Sehen Sie, dass die Fragen junger Menschen sich ändern?

Frère Alois: Ja, die Fragen ändern sich. Als ich in den 70er-Jahren hierherkam, standen politische Fragen im Vordergrund, und es wurde viel über den Glauben diskutiert. Das war damals noch leichter, weil mehr oder weniger alle dasselbe Vokabular hatten. Wenn man heute von Auferstehung spricht, dann ist das für viele Jugendliche zunächst ein Fremdwort. Ich glaube, wir müssen viel deutlicher und klarer über das sprechen, was im Zentrum unseres christlichen Glaubens steht.

RV: Taizé ist wie eine große europäische Evangelisierungs-Station. Eingeladen sind alle Jugendlichen, nach einem Bekenntnis wird nicht gefragt, Ökumene und Dialog zwischen Angehörigen verschiedener Religionen spielen eine große Rolle. Ist dieses nicht Abgegrenzte, dieses genuin Religiöse das Geheimnis von Taizé?

Frère Alois: Es gibt kein Geheimnis von Taizé! Wir versuchen ganz einfach, aus der Mitte des Glaubens zu leben. Wir Brüder der Communauté kommen aus verschiedenen Konfessionen, Ländern und Kontinenten; wir wollen ein kleines Zeichen dafür sein, dass gemäß dem Evangelium die Versöhnung, die Christus gebracht hat, eine Kraft ist, die in der Welt wirkt.

RV: In welchen Momenten lässt sich das in Taizé bei den Jugendtreffen spüren?

Frère Alois: Letzten Sommer haben hier zum Beispiel junge Ukrainer und Jugendliche aus Russland eine Woche lang zusammengelebt und am gemeinsamen Gebet teilgenommen. Sie waren bereit, mehr aufeinander zu hören und die Situation des jeweils anderen Landes besser zu verstehen. Das Evangelium ist eine Kraft der Versöhnung, die in der Welt noch viel stärker wirksam werden könnte.

RV: Welche Dinge namentlich an der katholischen Kirche stören Jugendliche heute? Womit kommen sie nicht klar?

Frère Alois: Das ist in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. Wichtig ist sicher für viele, die Kirche nicht nur als Institution zu erleben, die Regeln erlässt, sondern die vor allem Verständnis zeigt für jede Situation und dann eine Richtung weist. Jugendliche sind heutzutage bereit zu hören, welche Richtung das Evangelium ihnen zeigt. Das Evangelium ist nicht mit allen Situationen und Haltungen einverstanden, aber Jugendliche brauchen das Gefühl: Hier hört mir jemand zu, hier werde ich angenommen, so wie ich bin, mit meinen Fragen und meinen Fehlern. Das ist eine große Erwartung an die Kirche, die an vielen Orten sicher erfüllt wird, aber auf die wir noch viel mehr eingehen müssen.

RV: Warum ist eine katholische Bischofssynode in Rom mit dem Papst über und mit Jugendlichen sinnvoll? Kann da aus Ihrer Sicht etwas Neues herauskommen?

Frère Alois: Das wird sich zeigen. Aber es schön, dass die katholische Kirche schon im Vorfeld deutlich macht: ‚Wir wollen den Jugendlichen zuhören und ein offenes Ohr für ihre Anliegen haben.‘ Es ist für Jugendliche heute nicht leicht, ihren Weg zu finden. Sie leben in einer sich schnell verändernden Welt mit vielen Ablenkungen, in der es nicht leicht ist, Orientierung zu finden. Aber ich glaube, wenn der Papst und die Bischöfe deutlich machen: ‚Wir wollen euch nicht bevormunden, sondern euch im Sinn des Evangeliums begleiten‘, – das wäre ein starkes Zeichen für viele Jugendliche, weit über die katholische Kirche hinaus.

RV: Das Taizé-Jugendtreffen zum Jahreswechsel findet diesmal in Basel statt, warum gerade in diesem wohlhabenden und gesättigten Herzen Europas?

Frère Alois: Basel ist eine Stadt, aber auch eine grenzübergreifende Region; das wird ein wichtiger Aspekt des Treffens sein. Es soll deutlich werden, dass Europa in den verschiedenen Regionen über die Grenzen hinweg existiert, und das kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. In einer Zeit, in der sich eine gewisse Europamüdigkeit ausbreitet, ist das, glaube ich, ein wichtiges Zeichen. Zum anderen gehen wir nach Basel, weil es auch eine Stadt der Reformation ist, nicht der lutherischen Reformation, sondern der reformierten Kirche; jetzt, am Ende dieses Jahres, in dem so viel über die Reformation geredet wurde, wollen wir nochmal ein Zeichen setzen dafür, dass es möglich ist, als Christen deutlich mehr gemeinsam zu tun als wir es bisher getan haben. Wir leben immer noch zu getrennt: Wir können noch viel öfter zum gemeinsamen Gebet zusammenkommen und deutlich machen, dass Christus uns schon heute zusammenführt, auch wenn noch viele theologische Fragen offen sind. (rv)