Vatikan will australischen Missbrauchsbericht studieren

Der Vatikan äußert sich anerkennend über den akribischen Schlussbericht der australischen Kommission über sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in Institutionen. Der Bericht sei das Ergebnis jahrelanger sorgfältiger Bemühungen und „verdient es, ernsthaft studiert zu werden“, heißt es in einer Erklärung aus dem Vatikan vom Freitagabend. Der Heilige Stuhl unterstütze die katholische Kirche in Australien dabei, „Heilung und Gerechtigkeit zu bringen“ – sowohl Laien als auch Priester und Ordensleute, die nun Opfern und Überlebenden von Missbrauch zuhörten.

In einer Begegnung mit der päpstlichen Kinderschutzkommission habe Papst Franziskus jüngst gesagt, die Kirche müsse ein Ort des Mitgefühls sein, vor allem für jene, die Leid erfahren hätten, fährt die Erklärung aus dem Vatikan fort. Der Schutz von Kindern und schutzbedürftigen Erwachsenen habe einen besonders hohen Stellenwert.

Am Freitag hatte die staatliche Missbrauchskommission der australischen Regierung in Canberra ihren Schlussbericht übergeben. Das mehrere zehntausend Seiten starke Papier empfiehlt der katholischen Kirche unter anderem eine Lockerung des Beichtgeheimnisses und eine Abschaffung des Pflichtzölibats für Priester. (rv)

Vatikan regelt Umgang mit Reliquien

Der Vatikan stellt genauere Regeln für den Umgang mit Reliquien auf. Eine entsprechende Instruktion der Heilig- und Seligsprechungskongregation an die Bischöfe der Weltkirche wurde an diesem Samstag veröffentlicht. Das 12 Seiten starke Regelwerk erklärt, wie Bischöfe kirchenrechtlich korrekt bei der Bitte um Anerkennung von Reliquien vorgehen und was bei der Aufbewahrung, Entnahme und Überstellung von Reliquien zu beachten ist.

Betroffen sind auch die sterblichen Überreste solcher katholischer Gläubiger, die im Ruf der Heiligkeit verstarben und daher für eine Seligsprechung in Frage kommen. Der Bischof möge die Erben darum bitten, der Diözese den Leichnam per Schenkung zu überlassen, heißt es in dem Dokument. Auf das strengste verbietet der Vatikan den Handel und den Verkauf von Reliquien. Verantwortlich für das Vorgehen ist in allen Fällen der jeweilige Diözesanbischof, der stets in Absprache mit der vatikanischen Heilig- und Seligsprechungskongregation handelt, wie die Instruktion festhält. (rv)

Missbrauchsbericht in Australien: Horrendes Ausmaß

Ein riesiges Ausmaß von sexuellem Missbrauch in kirchlichen und staatlichen Einrichtungen zeichnet der Abschlussbericht der staatlichen australischen Missbrauchskommission, der am Freitag in Canberra der Regierung übergeben wurde: Zehntausende Kinder und Jugendliche wurden demnach über die Jahre zu Opfern von Missbrauch. Als „horrende“ bezeichnet P. Hans Zollner von der Päpstlichen Kinderschutzkommission im Interview mit Radio Vatikan die Ergebnisse des 100.000 Seiten umfassenden Abschlussdokumentes.

Überproportional hoch: Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen

„Die Zahlen sind enorm. Es handelt sich um Opfer von Missbrauch in staatlichen Stellen, im Sportbereich, beim Militär und bei allen Religionen und kirchlichen Institutionen, die da untersucht wurden. Man sieht, wie weit verbreitet diese Art von Missbrauch ist in der Gesellschaft – viel mehr, als man sich das eingesteht. Der Großteil der Aufmerksamkeit richtet sich dabei auf die Zahlen, die kirchliche Institutionen betreffen – die sind überproportional hoch.“

Auch bei diesen Missbrauchsfällen hätten bestimmte Voraussetzungen zu Missbrauch geführt, erläutert Pater Zollner: „Was die katholische Kirche und auch andere Institutionen angeht, sind es immer dieselben Dinge, das heißt, dort wo eine Institution sich selber als absolut setzt oder von den Angehörigen dieser Institution als absolut gesetzt wird, dort wo keine entsprechenden Supervisionseinrichtungen sind, wo keine Meldeeinrichtungen sind, wo Transparenz und Offenheit auch im Rechtsverfahren nicht genügend befolgt werden, da ist das Risiko, dass Missbrauch nicht nur vereinzelt, sondern häufig geschieht und überdurchschnittlich geschieht, sehr hoch.“

Die Empfehlungen der australischen Missbrauchskommission schlagen unter anderem ein Nachdenken über das Beichtgeheimnis und das Pflichtzölibat für katholische Priester vor. „In der Empfehlung heißt es, man soll darüber nachdenken, ob nicht ein freiwilliges zölibatäres Versprechen eingeführt wird“, so Zollner. Dass dies einen Stein in der Debatte um den Zölibat ins Rollen bringen könnte, glaubt der Jesuit allerdings nicht: „Weil es weltweit diese Art von Beobachtung nicht gibt. Das ist jetzt auch zum ersten Mal, dass eine staatliche Behörde sich da in kirchliche Belange vorwagt. Ich glaube nicht, dass dadurch eine Debatte ausgelöst wird – die gibt es eh schon fast so lange, wie es den Zölibat gibt.“

Es gelte vielmehr weiter darüber nachzudenken, „ob die Leute, die ins Priesterseminar aufgenommen werden, tatsächlich geeignet sind“, so Zollner. „Und wir müssen auch deutlich machen, dass die Ausbildung sowohl während als auch nach der Seminarzeit alles tun muss, damit Menschen, die zölibatär leben wollen, dies auch können im Rahmen dessen, wie sie mit Emotionen, Sexualität, Beziehungen umgehen. Ich erwarte keine grundlegende Diskussion nur aufgrund der australischen Ergebnisse.“ Auch sei die Debatte um die so genannten Viri probati für manche Weltgegenden weiter in Gang, merkt der Jesuit an.

Nachdenken über das Beichtgeheimnis und den Pflichtzölibat

Was das Beichtgeheimnis angehe, stellten sich im Fall von Missbrauch einige Fragen, so Zollner weiter. Wenn etwa ein Minderjähriger während der Beichte darüber berichte, dass er aktuell missbraucht wird – sollte dann das Beichtgeheimnis weiter gültig sein? Über diese Frage werde sowohl in der australischen Missbrauchskommission als auch unter den australischen Bischöfen diskutiert, denen eine Verständigung mit dem Vatikan darüber empfohlen worden sei, so Zollner. Er selbst hat in der Frage eine klare Position: „Ich meine, dass das eindeutig ist, dass es nicht zum Beichtgeheimnis gehört, weil es sich nicht um eine persönlich bekannte Schuld, sondern um ein Verbrechen handelt.“

Die zweite Frage in diesem Kontext sei, ob eine Lossprechung von den Sünden bei einem beichtenden Missbrauchstäter „solange hinausgezögert werden kann, bis sich dieser selber angezeigt habe“: „Ich meine auch dies ist eindeutig, weil es keine Rechtsverpflichtung geben kann, dass sich jemand selber anzeigt – also die Lossprechung kann nicht daran gebunden werden, aber natürlich kann die Lossprechung verweigert werden.“

Kardinal Pell in Australien „persona non grata“

Im Brennpunkt des australischen Missbrauchsskandals steht auch Kurienkardinal George Pell, der als junger Priester an der Vertuschung von Missbrauchsfällen beteiligt gewesen sein soll. Der Kardinal steht in Melbourne wegen des Vorwurfs vor Gericht, als Priester in Ballarat im Schwimmbad zwei junge Männer sexuell belästigt zu haben. Wie stark hat dieser Fall die Glaubwürdigkeit der Kirche, die andererseits auch viel in der Präventionsarbeit geleistet hat, zerstört? Dies wollten wir von Pater Zollner wissen, der in den letzten Monaten Australien mehrmals besuchte:

„Es ist wirklich sehr heftig zu sehen, wie die Grundlage des Vertrauens bei vielen Leuten außerhalb und innerhalb der Kirche zerstört ist. Bei vielen ist es stark erschüttert, das habe ich mehrfach wahrgenommen. Ich bin auch überzeugt, dass die Person von Kardinal Pell und die Anklagen (dazu beigetragen haben), dass das noch mal eine andere Dimension bekommen hat. Ich kann sagen, dass in Australien Kardinal Pell eine ,persona non grata‘, eine unerwünschte Person, ist. Es gibt kaum Leute, die sagen, sie stünden auf seiner Seite. Es gibt aber auch genügend Leute, die sich sozusagen als seine Feinde bezeichnen und die dennoch nicht glauben, dass er selber Missbrauch verübt habe. Er selbst wird in diesem Bericht erwähnt, aber alle Anhaltspunkte seines Verfahrens können aus Rechtsgründen nicht veröffentlicht werden, weil es sich eben um ein schwebendes Verfahren handelt. Die Person des Kardinals ist sehr kontrovers und man wird sehen müssen, wie dieser Prozess ausgeht, der sich aber wohl noch über Jahre hinziehen wird.“ (rv)